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Jahrbuch z’ Rieche 2023

Der Titel des Buches lautet «Riehen Nord». Eröffnet wird es mit einem Artikel zur Lörracherstrasse. Der Quartierverein Quarino wird kurz porträtiert, das Stettenfeld ist ein Schwerpunkt und es geht auch um den grenzüberscheitenden Verkehr. Im zweiten Teil des Buches sind prägende Ereignisse des vergangenen Jahres festgehalten, Kultur- und Sportpreis werden gewürdigt, ein historischer Artikel erzählt die Geschichte des Riehener Schiesswesen, es geht um die Fasnacht in Riehen und die Riehener Rumänienhilfe.
Der reich bebilderte Chronikteil gibt einen Überblick über das kulturelle, politische, gesellschaftliche, religiöse und sportliche Geschehen in Riehen.

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Schlaglichter

Mehr als Riesling x Sylvaner

Riehen blickt auf eine 1200 Jahre alte Rebbautradition zurück und ist damit ein frühes Weingebiet der Region. Die Reblaus, die Industrialisierung und zunehmende Konkurrenz durch billigere Importprodukte brachten den Weinbau jedoch fast zum Erliegen. Als ihn die Gemeinde 1978 wieder ankurbelte, war die bewirtschaftete Fläche von einst 70 auf 0,4 Hektaren geschrumpft. Seit 1979 hat die Gemeinde einen Rebmeister angestellt. Der Konkurrenz aus Europa und Übersee stellen sich die lokalen Produzenten mit einer Lust am Experimentieren, mit neuen Sorten und Produktionsmethoden. Dies gilt neben dem Rebmeister der Gemeinde auch für den Familienbetrieb Rinklin, den zweitgrössten Weinproduzenten in Riehen.

Ein gerüttelt Mass an Innovation (2001)

Kein eigenes Fasnachtsdatum

Bis heute nimmt die 1930 gegründete Chropf-Clique Riehen an den Umzügen der Basler Fasnacht teil. Weil die anschliessenden Darbietungen von Schnitzelbänken in Riehener Wirtschaften eine grosse Belastung waren, ersuchte die Clique 1937 beim Polizeidepartement um ein eigenes Fasnachtsdatum für Riehen. Ohne Erfolg. Anders als etwa in Allschwil stehen die Riehener Fasnachtsaktivitäten in direktem Bezug zur Basler Fasnacht.

Als die Riehener ihre eigene Fasnacht wollten (1980)
Bild: © Verein Chropf-Clique Riehen

Werkzeug aus der Altsteinzeit

Am 9. Oktober 1999 fand der Hobbyarchäologe Hans Jürg Leuzinger auf einer Grossbaustelle in Riehen ein auffälliges Geröllwerkzeug, das sich als archäologische Sensation entpuppte. Der Chopper, 13 Zentimeter lang, 4,5 Zentimeter dick und 550 Gramm schwer, ist das älteste bisher im Kanton Basel-Stadt gefundene von Menschen hergestellte Werkzeug, das eine eindeutige Datierung zulässt.
Ob der Chopper von durchziehenden Jägern und Sammlern liegengelassen wurde oder ob er als Hinweis auf einen eiszeitlichen Rastplatz interpretiert werden kann, ist bisher unklar.

Der Chopper Archäologische Sensation an der Gehrhalde (2000)
Bild: © Archäologische Bodenforschung Basel

Frauen und Socken

Frau Wenk-Marter war Gründerin des ersten Riehener Frauenvereins. Als Frau des Gemeindepräsidenten und Tochter der Handarbeitslehrerin im Dorf unterrichtete sie Generationen in diesem Fach. Jeweils an Weihnachten verteilten die wohltätigen Damen mit dem Leiterwagen selbst Gestricktes an Bedürftige. In den beiden Weltkriegen stellten sie Socken für die Soldaten der Armee her. Zu farbig dürften die Socken nicht sein, sonst gerate die Kleidung aus dem Gleichgewicht, schrieb Aletta Schubert-Fischer in ihrem Beitrag fürs Jahrbuch 1978, und verglich die Frauenvereine mit den Socken: «Wenn ein Frauenverein auffällig, grell oder zu laut ist, dann stimmt etwas nicht.»

100 Jahre Reformierter Frauenverein Riehen (1980)
Ganz Frau (2003)
Bild: © Privatarchiv Johannes Wenk-Madoery

An der Grenze

Riehens Gemeindebann ragt wie eine Hand in deutsches Gebiet hinein, die Banngrenze ist zu über sechzig Prozent auch Landesgrenze zu Deutschland. Davon zeugen die teilweise sehr alten Grenzsteine zwischen Riehen und seinen badischen Nachbargemeinden mit den Wappen ehemaliger Herrschaftsgeschlechter. Eine besondere Bedeutung bekam die Landesgrenze während des Zweiten Weltkriegs, als sie fast hermetisch abgeriegelt war. Eine winzige und streng bewachte Lücke im Grenzzaun blieb im Gebiet der Eisernen Hand bestehen. Zahlreiche Flüchtlinge des Naziregimes versuchten sich auf diesem Weg in die Schweiz zu retten.

Aus dem Leben einer Grenzgängerin (2009)
Geschichten von Flucht, Verweigerung, Hilfe (2004)
Grenzen entlang (2004)
Riehens Banngrenze (1961)
Bild: © Peter Gabriel

Gezähmte Wiese

In früheren Jahrhunderten trat die Wiese regelmässig über die Ufer, erst im 20. Jahrhundert wurde ihr Bett kanalisiert. Die Korrekturen des Flusslaufs führten wiederholt zu Streitigkeiten der Anrainer. In diesem Bild aus dem Jahr 1906 sind die Arbeiter zu sehen, die Pfähle für die Schwellenverankerung im Bereich des Weilteichauslaufs in den Boden rammen, im Hintergrund der Tüllinger Hügel.

Ein Fluss wird gebändigt (1985)
Bild: © Privatarchiv Johannes Wenk-Madoery

«Zukunftsschirm des 20. Jahrhunderts»

Im Jahr 1900 meldete Ernst Weber aus Riehen seinen Stockschirm «Protector» zum Patent an. Laut dem Erfinder handelte es sich dabei um den Zukunftsschirm des 20. Jahrhunderts: Der Spazierstock mit eingebautem Schirmgestell konnte bei Regen aufgespannt und mit einem dazupassenden Stück Stoff überzogen werden und war damit eine Art Vorläufer des Knirps. In zeitgenössischen Reklameanzeigen hiess es: «Willst wasserdicht die Welt durchziehn, kauf den <Protector> du aus Riehen.» Wie diese Erfindung enstanden sein könnte, beschreibt Eva Ebnöther in einer Kurzgeschichte im Jahrbuch 2001.

Eine Erfindung machen (2001)

Jahrhundertsturm

Der Sturm Lothar, der am 26. Dezember 1999 über weite Teile Westeuropas fegte, prallte am Mittag des zweiten Weihnachtstages mit Böenspitzen von 147 Stundenkilometern von Westen her auf die bewaldeten Ausläufer des Dinkelbergs und zerstörte innert Minuten in der der Gemeinde Riehen rund 15 Hektaren Wald. Der Begriff Zerstörung bezieht sich indessen nur auf den entgangenen wirtschaftlichen Nutzen. Der Sturm Lothar ebnete auch den Weg zur Förderung der Artenvielfalt: Am Britzigerberg wurden nach der Räumung Eichen gepflanzt und im "Horngraben" wurde das Sturmholz unbearbeitet liegen gelassen und dem natürlichen Abbau überlassen.

Wirbelsturm Lothar Grosse Zerstörungen auch in der Gemeinde Riehen (2000)
Bild: © Philippe Jaquet

Kinderarbeit

Wie sehr sich der Alltag von Kindern verändert hat, wird aus den Erzählungen von Marianne Prack-Karlin deutlich. Zusammen mit ihren Eltern und drei Brüdern wuchs sie an der Oberdorfstrasse 33 auf. Als einziges Mädchen musste sie jede freie Minute auf dem Bauernhof helfen: In der Küche, im Garten, beim Waschen, bei Botengängen und Besorgungen. Mit 14 Jahren durfte sie für ein Jahr ins Welschland. Diese Zeit hat sie als schönste und sorgloseste in Erinnerung, weil sie nur französisch lernen und weniger arbeiten musste.
Auf der Fotografie von 1916 sind Fritz und Emma Karlin-Stoll mit den Kindern Fritz, Hans, Marianne und Ernst, und Grossmutter Anna Maria Stoll-Leppert zu sehen.

Mir bruuche di (1993)
Bild: © Privatsammlung Marianne Prack-Karlin

Als Dienstmädchen im Herrschaftshaus

"Die viele Arbeit und knappe Freizeit störten mich nicht; ich war das Arbeiten ja von klein auf gewohnt. Was mich aber störte und plagte, war dieser Standesunterschied, die Tatsache, dass wir Dienstmädchen in den Herrschaftsfamilien nichts galten. Auch Ungerechtigkeiten machten mir zu schaffen, etwa, dass unsere Putzfrau, eine arme Witwe, die ihre beiden Buben ohne jede Hilfe durchbringen musste, gleich entlassen wurde, als sie die Herrschaft bat, ihren Taglohn von drei Franken sechzig etwas zu erhöhen." Marie Dennler-Brack, Kinder- und Zimmermädchen in einem Riehener Herrschaftshaus von 1916 bis 1918.

Lehr- und Wanderzeit (1994)
Bild: © Marie Dennler-Brack

Eine Verbindung scheidet die Geister

Dem Bau der Zollfreistrasse auf Riehener Gebiet gingen jahrzehntelange Auseinandersetzungen voraus. Breiter Widerstand gegen das Projekt, das auf einen Staatsvertrag aus dem 19. Jahrhundert zurückgeht, führte zu unzähligen politischen Vorstössen auf beiden Seiten der Grenze und schliesslich zu friedlichen Protestaktionen von Ökoaktivisten. Nach einem abweisenden Urteil des Bundesgerichts am 23. Januar 2006 wurde mit dem Bau der Strasse begonnen. Die lange und konfliktreiche Planungsgeschichte lässt sich im Riehener Jahrbuch nachlesen.

An der Wiese nichts Neues (2006)
Eine Verbindung scheidet die Geister (2004)
Ein Brunnen gegen die Zollfreistrasse (1994)
Der Riehener Verkehr - Probleme und Lösungsansätze (1987)
Die Zollfreistrasse (1984)
 

Gelbe Pracht im Schlipf

Wer im Frühling durch den Riehener Schlipf spaziert, kann zwischen den Reben die goldgelben, der Sonne zugewandten Blütensterne der Wilden Rebentulpe (Tulipa sylvestris) beobachten. Das Weingut Rinklin gilt als einer der interessantesten Standorte in der Region. 1968 wurde dort erstmals das Vorkommen einzelner Exemlare der geschützten und zart duftenden Wildtulpen bemerkt. Diese haben sich seither stark vermehrt und bilden nun zur Blütezeit einen grossflächigen leuchtend gelben Blumenteppich. Die aus dem östlichen Mittelmeerraum stammende Pflanze dürfte im 19. Jahrhundert bei der Einführung neuer Rebsorten aus dem Elsass eingewandert sein.

Wilde Rebentulpen am Riehener Schlipf (2008)