Alte Bahn in neuem Kleid

Rolf Spriessler

Am 15. Juni 2003 haben die SBB von der DB den Betrieb der «roten Linie», der Regio-S-Bahn, die von Basel durch Riehen bis nach Zell im Wiesental führt, übernommen.

 

«Nach 141 Jahren sind die SBB in Riehen angekommen», frohlockte Gemeindepräsident Michael Raith am 15. Juni 2003, als mit einem Apéro auf dem Bahnhof Riehen und anschliessend mit einem grossen Fest in Lörrach die übernahme des Betriebs der Wiesentalbahn durch die SBB gefeiert wurde. Dies sei wieder ein kleiner Schritt für Riehen Richtung Normalität einer durchschnittlichen Schweizer Gemeinde. Es gebe wohl keine andere Gemeinde von über 20 000 Einwohnern, die so lange keine direkte Anbindung ans Schweizer Eisenbahnnetz gehabt habe, bemerkte Raith.

 

Erstes sichtbares Zeichen des Wechsels war das wesentlich modernere Rollmaterial, das die SBB im Vergleich zu ihrer Vorgängerin, der DB, einsetzen. Bis die brandneuen Nahverkehrskompositionen «Flirt» auf der Strecke verkehren, werden allerdings noch Monate vergehen, denn diese müssen erst gebaut werden. Mit der Pendelzugkomposition «Flirt» wird ein stufenloser Einstieg auf allen Haltestellen möglich sein.

 

Die Anbindung des Bahnhofs Basel SBB kommt erst Ende 2005, wenn die dafür nötigen Gleisumbauten beendet sind. Vorläufig endet die Wiesentalbahn wie bisher im Badischen Bahnhof in Basel. Eine zusätzliche Haltestelle im Niederholzquartier muss erst geplant und errichtet werden.

 

Die Wiesentalbahn gehört nicht zum Tarifverbund Nordwestschweiz. Aber das alles kann ja noch kommen. Das Land Baden-Württemberg jedenfalls setzt darauf, dass es mit den SBB besser fährt als zuvor mit der DB. «Wir erwarten exzellente Ergebnisse mit einem preisgünstigeren und besseren Schienennahverkehr», sagte Staatssekretär Stefan Mappus am Eröffnungsfest in Lörrach, «denn nur mit einem guten öffentlichen Personennahverkehr lassen sich die Verkehrsprobleme auf der Strasse lösen.»

 

Konkret haben die SBB mit ihrer eigens dafür gegründeten SBB GmbH mit Sitz in Lörrach und unter der Geschäftsleitung von Otfried Köhn den Betrieb von zwei S-BahnLinien übernommen. Die S5 verkehrt zwischen Lörrach und Weil, die S6 von Basel über Riehen und Schopfheim nach Zell.

 

Beide Strecken haben eine lange Vorgeschichte. Man schrieb den 5. Juni 1862, als der badische Grossherzog Friedrich I. mit einem Sonderzug von Karlsruhe nach Basel reiste, um der Eröffnung der Wiesentalbahn beizuwohnen, die damals vom alten Badischen Bahnhof in Basel nach Schopfheim führte. Die Linie war auf Initiative von Unternehmern aus dem Wiesental und aus Basel finanziert worden, die dafür die «Wiesenthal Eisenbahn-Gesellschaft» gegründet hatten. Dies war eine Reaktion darauf, dass die

staatliche badische Eisenbahn das industriereiche Wiesental links liegen gelassen und die Bahn von Freiburg via Leopoldshöhe (heute Weil am Rhein), Basel und Grenzach und später nochmals über Schweizer Gebiet durch Schaffhausen bis nach Konstanz geführt hatte. 1876 wurde die abermals auf private Initiative gebaute Fortsetzung der Wiesentalbahn von Schopfheim bis Zell eröffnet, die Verbindungsstrecke zwischen Lörrach und Weil am Rhein wurde 1890 vollendet.

 

Gerade in Riehen hatten die Bauherren der Wiesentalbahn einen schweren Stand. Als es um den Landerwerb für das zukünftige Trassee ging, konnte nicht eine Parzelle ohne Widerstand erworben werden, was kein Wunder war,

wurde doch das Dorf durch die Linienführung in zwei Teile zerschnitten, obwohl Alternativen wie eine Tieferlegung oder eine Umfahrung möglich gewesen wären. Es fand ein Enteignungsverfahren statt und das Bundesgericht musste die Entschädigungssummen festlegen. Bis heute sind die langen Schliesszeiten der Bahnschranken an den fünf Bahnübergängen im Dorfkern ein Politikum geblieben.

 

In den ersten Betriebsjahren wurde der Riehener Bahnhof rege genutzt. Im Jahre 1901 zum Beispiel fuhren 154 752 Personen mit der Bahn von Basel nach Riehen. Mit der Einführung des Trams 1908 verlor die Bahn für Riehen schlagartig an Bedeutung und war in den letzten Jahrzehnten für Riehen von geringem Nutzen. Zwischen 1914 und 1921 war der Riehener Bahnhof ganz geschlossen und zwischen 1939 und 1951 hielten keine deutschen Personenzüge in Riehen an. Lange war es nicht möglich, die Wiesentalbahn in Riehen Richtung Basel zu besteigen oder sie von Basel her kommend in Riehen zu verlassen. Nach dem Abriss des alten Bahnhofgebäudes im Dorf 1972 geriet der Bahnhof, der nun nur noch aus einer Wartehalle hinter dem neuen Postgebäude bestand, endgültig ins Abseits.

 

Im Zusammenhang mit der Regio-S-Bahn wird nun nach Wegen gesucht, im Dorf wieder eine gut sichtbare und gut zugängliche Bahnstation einzurichten. Für die politischen Verantwortlichen in Riehen ist klar: Die Bahn soll für die Gemeinde so viel wie möglich bringen. Mit der Aufnahme des Regio-S-Bahn-Betriebes durch die SBB sind die Chancen gestiegen, dass dem einst so sein wird.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2003

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