Das Dreikönigsschild, ein Wahrzeichen des alten Riehen

Paul Hulliger

Mit dem restaurierten Dreikönigsschild, auf das es stolz sein darf, wird Riehen um ein Wahrzeichen seiner Kultur im 18. Jahrhundert reicher. Vor dem Verschwinden in der Abfallgrube wurde es 1931 gerettet durch unseren verstorbenen Mitbürger Dr. phil. ehem. Max Hartmann, Leiter der Wissenschaftlichen Abteilung der Ciba. Wie ich von seinem Sohn, Dr. jur. Bernhard Hartmann-Baer, erfuhr, hatte der Vater ein Auge für das, was beim Abbruch alter Häuser an Zeugnissen guter, alter Handwerkerarbeit zum Vorschein kam. Er kaufte, meist zu sehr geringen Preisen, auf Vorrat alte Türen und Treppengeländer zusammen; aber ja nicht, um ein Geschäft zu machen. Zugrunde lag ein lebendiges Interesse für die Leistungen eines künstlerisch orientierten Handwerks vergangener Zeiten. Er empfand die Schönheit der vielen Werte, die achtlos zugrunde zu gehen drohten und zugrunde gingen. Es überrascht nicht, daß er Mitglied der Kunstkommission des Basler Kunstvereins war.

 

Im Jahr 1931 wurde die Liegenschaft Baselstraße 20, bis dahin Gasthof «Zu den Drei Königen», umgebaut zur Metzgereifiliale des ACV. Beim Vorübergehen erblickte Max Hartmann auf dem entstandenen Abfallhaufen das hier abgebildete Dreikönigsschild, wenn auch nicht im erneuerten Zustand. Als er auf seine Frage nach dem Schicksal des Kunstwerkes erfuhr, es komme mit dem Schutt in die Grube, bot er den Arbeitern 50 Franken und erhielt den «Plunder» sofort zugeschlagen. «Wir hätten ihn dem Herrn auch für fünf Franken überlassen», äußerten sich die Sich-beschenkt-Fühlenden später in der Wirtschaft. Die Familie des 1952 verstorbenen Dr. Max Hartmann hatte das Schild die längste Zeit im Keller des Hauses am Sandreuterweg stehen. Als ich es zu Gesicht bekam, wurde in mir der Gedanke wach, die Behörden zu veranlassen, neben dem vor zehn Jahren instandgestellten Rößlischild diesem zweiten Zeugen eines einst blühenden Riehener

Gastgewerbes durch Aushängen am Landgasthof seine einstigen Funktionen neu zu ermöglichen. Als ich, im Einverständnis mit Gemeinderat Jules Ammann, dem steten Förderer meiner musealen Bestrebungen, an die Familie Hartmann mit der Bitte herantrat, das Schild der Gemeinde zu überlassen, fand ich ein freundlich bejahendes Entgegenkommen, das gewiß ganz im Sinn des Retters des Kunstwerkes lag. Es sei hier auch öffentlich aufs beste verdankt.

 

Nun noch einige Hinweise auf die im Schild enthaltenen künstlerischen Werte: Die Schönheit des Schildes dürfte heute nur von wenigen Menschen bewußt wahrgenommen werden. Das war in seiner Entstehungszeit vor 180 oder 190 Jahren anders. Damals bestand die unsere Zeit kennzeichnende Vorherrschaft der technischen Interessen nicht; es gab weder Radio noch Fernsehen und kaum Zeitungen, weder Telefon noch elektrisches Licht, auch keine Autos. Die Maschine hatte die Handarbeit noch nicht wie heute zum größten Teil verdrängt. Andere, vor allem künstlerische Interessen, standen in jener Zeit im Vordergund. Das Gefühl für das Schöne, für Maß und Rhythmus, war wach. Das Dreikönigsschild mit seiner Mischung von Formen des Barock und des eben aufkommenden Klassizismus war bei seinem Erscheinen ein Ereignis. Es wurde bestimmt von den Dorfbewohnern wie von den Reisenden: Wanderern, Marktfahrern in offenen Kutschen, Reitern, Herrschaften in Droschken beachtet und besprochen, sicher auch viel gelobt. Schade, daß die hohen Kosten eine farbige Wiedergabe des Kunstwerkes ausschließen; sie erst würde eine volle Würdigung durch den Betrachter ermöglichen.

 

Ein Gestänge von ungleich starken Stabeisen: Rundeisen, Vierkanteisen, Flacheisen bildet das Gerüst des an der Wand 70 cm hohen, 135 cm langen Schildes, das seine Aufgabe, die Drei Könige zur Schau zu stellen, vorbildlich erfüllt. Sechs Mäanderformen setzen den Träger zur Hauswand in Beziehung und lösen ihn zugleich von ihr ab. Der anschließende, eingerahmte Stab mit seinen sechs zusammengenieteten, vergoldeten Blüten erfüllt die gleiche Aufgabe. Die nachfolgende «Drehscheibe» von 20 cm Durchmesser bildet das übergangsglied vom tragenden Teil zum getragenen: dem schön geschwungenen und bemessenen Hals des Schildes mit abschließendem Adlerkopf. Sie bereitet zugleich auf das Oval des eigentlichen Schildes mit den Drei Königen vor. über und unter dem Rund mit den schwungvollen Formen vollzieht sich ein Spiel von vier ausgeschmiedeten, auf dem Bild unscheinbaren Voluten, die aus den zwei, das Rund begleitenden Kreissegmenten hervorgehen. Die Voluten sind mit je einem Kreislein verbunden. Diese zum Mäander, dem Blütenstab, der Drehscheibe, dem Adlerkopf und den Drei Königen gegensätzlichen Formauflösungen, die das Können des Schildschmiedes offenbaren, sind belebt durch zwei liegende, grüne Knospengebilde. Auffallend gegensätzlich zu den Ordnungsformen Mäander und Kreis, ist auch der im Trägerhals aufsteigende, stark bewegte Blumenzweig mit dem vom Restaurator Hans Behret besonders schön zur Wirkung gebrachten Karminrot der beiden Rosen.

 

Das eigentliche Schild, ein Oval von 32/40 cm, zeichnet sich aus durch eine vornehme Ruhe. Es hängt an einer dreigliedrigen Kette im Schnabel des Adlers. Der einfache Kranz und der Steg mit den Drei Königen bestehen aus 2 mm starkem, bemaltem Eisenblech, Steg und Kranz zusammengenietet, gleich wie die drei Blumen und der Kranz, die unterste Blume wieder in leuchtendem Rot, die beiden seitlichen in strahlendem Gold, getragen vom dunkelgrünen Blattwerk. Gegenüber diesen frischen Farben erscheinen die die Senkrechte zur Geltung bringenden Drei Könige aus dem Morgenland mit den goldenen Kronen über den ernsten, braunen Gesichtern, den Ketten und Gürteln in einer eher zurückhaltenden Farbigkeit: der mittlere im Smaragdgrün seines Rockes, der rechts außen in einem satten Rot, der links außen im beigefarbenen Gewand, alle drei mit übergeworfener Tunika. Sie schreiten auf einem grauen Sandstreifen daher. Wohlweislich vermied der Schöpfer des Schildes, diesen Boden zur Fläche werden zu lassen; sie hätte den gelösten und bewegten Formen des Trägers zu sehr widersprochen. Um die ursprüngliche Farbe wieder in ihrer großen Schönheit zur Geltung zu bringen, waren bei der Restauration bis fünf Farbschichten abzulösen.

 

Man muß auch das Dreikönigsschild von Riehen — eine Gaststätte gleichen Namens befindet sich in Kleinhüningen und am Rhein zu Basel : das bekannte Hotel Drei Könige — als Teil der alten Landstraße mit ihrem andersartigen Charakter sehen: als Ausdruck des Dienstes der Gaststätten an Menschen und Tieren, die der Erholung und Stärkung bedurften.

 

Im Evangelium des Matthäus steht geschrieben: «Als Jesus geboren war, siehe, da kamen die Weisen (nicht Könige, die man im Mittelalter aus ihnen machte) aus dem Morgenland gen Jerusalem. Getrieben von der Kunde von einem König aus Israel, der allen Völkern Segen, Heil und Frieden bringen werde, wünschten sie, den Erlöser anzubeten und zu beschenken.»

 

Die Drei Könige sind als Sinnbild der Sehnsucht des Menschen nach Erlösung und Frieden Träger einer edlen Gesinnung. Als solche Friedensträger erscheinen sie im Riehener Dreikönigsschild. Es möge als altes Wahrzeichen des Dorfes fortan der Gaststätte in seiner Mitte den Namen geben!

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1968

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