Das Gemeindehaus als Museum

Hans Krattiger

Wenn man von «Kunst in Riehen» redet, denkt man unwillkürlich an die Konzerte, die in den Wintermonaten im Gemeindesaal des Landgasthofs gegeben werden und in den zehn Jahren ihres Bestehens gute Tradition geworden sind. Organisiert werden diese Konzerte von einer Kommission unter dem Patronat des Verkehrsvereins, doch wird die Institution «Kunst in Riehen» von der Gemeinde finanziell unterstützt und getragen.

Nun aber gibt es auch noch eine andere, weniger bekannte «Kunst in Riehen», nämlich Werke der bildenden Kunst, die mit öffentlichen Mitteln erworben wurden, also eigentlich Gemeingut und daher aucn mehr oder weniger zugänglich oder gar im Freien sichtbar sind. Wir sind der Frage nachgegangen, wie diese Werke — Bilder und Plastiken — in den Besitz der Gemeinde gekommen und nach welchen Kriterien sie angeschafft worden sind.

Dem Zufall überlassen

Im Gegensatz zur bekannten «Kunst in Riehen», die von einer außerparlamentarischen Kommission, zusammengesetzt von Musikfreunden, betreut und deshalb auch systematisch und planmäßig von Jahr zu Jahr organisiert wird, hat sich bisher der Gemeinderat selbst der bildenden Kunst angenommen und im Verlauf der letzten 22 Jahre mit seinen Ankäufen eine öffentliche Riehener Kunstsammlung Zustandekommen lassen, die sich sehen lassen darf und für die die recht beträchtliche Summe von rund 140 000 Franken aufgewendet worden ist.

Daß sich der Gemeinderat verpflichtet fühlt, etwas für die bildende Kunst zu tun, obwohl die Pflege der Kunst nicht zu seinem Pflichtenheft gehört, geht schon daraus hervor, daß Jahr für Jahr eine bestimmte Summe — in den letzten Jahren waren es jeweils 20 000 Franken — für die bildende Kunst, also für Anschaffungen oder Aufträge, ins Budget aufgenommen wird. Aber es gab Jahre, in denen dieser Kredit überhaupt nicht beansprucht worden ist.

Es ist ganz klar, daß sich der Gemeinderat neben der Fülle von zu bewältigenden Aufgaben planerischer und baulicher Natur, die sich ihm mit der ungeahnten Expansion Riehens in den letzten zwei Jahrzehnten aufgedrängt haben, nicht auch noch systematisch mit der Pflege der öffentlichen Kunst befassen kann, weshalb sich die Frage stellt, ob nicht — analog zur «Kunst in Riehen» — eine außerparlamentarische Kommission ins Leben gerufen werden könnte, die sich der bildenden Kunst annimmt und sich unter anderem bemüht, den laut Budget zur Verfügung gestellten Betrag sinnvoll zu verwenden.

Glück gehabt und Geschmack bewiesen

Wenn man einen Rundgang durch die Büros des Gemeindehauses macht, stellt man überrascht fest, daß fast in allen Räumen Originale hängen, museumswürdig etikettiert mit Angaben über Künstler, Titel, Jahr des Entstehens und der Erwerbung. Bei einer solchen Bestandesaufnahme ist uns aufgefallen, daß bezüglich des Erwerbs vor allem zwei Jahreszahlen in Erscheinung treten: 1948 und 1961. Das hat, wie wir in einem Gespräch mit Gemeindeverwalter Rudolf Schmid erfahren haben, seinen Grund darin, daß 1948 das Niederholzschulhaus eingeweiht und 1961 das neue Gemeindehaus seiner Bestimmung übergeben wurde. Beide Ereignisse gaben dem Gemeinderat Anlaß, auch wieder einmal etwas für die Kunst zu tun. Zu diesem äußeren Anlaß einer Schulhaus- und einer Gemeindehaus-Einweihung gesellte sich die Absicht, in Riehen wohnhafte Künstler zu berücksichtigen. Und diesbezüglich hatte der Gemeinderat Glück; denn in Riehen wohnten namhafte Künstler und Vertreter der tonigen «Basler Schule»: Jean-Jacques Lüscher (1884—1955), Paul Basilius Barth (1881—1955), Numa Donzé (1885—1952), der sowohl als Maler wie als Bildhauer bekannte Otto Roos (1887—1945) und Willy Wenk (1890—1956), der das alte Riehen in ungezählten Bildern, Zeichnungen und Lithographien festgehalten hat und heute als ein «Büchel Riehens» gewertet werden kann. Ferner einer der eigenwilligsten Basler und Schweizer Künstler der Gegenwart: Nikiaus Stoecklin (geboren 1896), dann aber auch Karl Flaig (geboren 1900), der jung verstorbene Joseph Keller (1923—1964), Christoph Iselin (geboren 1910) und seine Frau, die Bildhauerin Elly IselinBoesch (geboren 1910), Walter Schüpfer (geboren 1903), Ernst Giese (geboren 1908), Rudolf Wild (geboren 1909), der Zeichenlehrer Edi Meier, die Bildhauer Hans Schmid (geboren 1903) und Ruedi Schmid (geboren 1931) und, als Vertreter des graphischen Gewerbes, der weit über die Landesgrenzen hinaus bekannte Celestino Piatti. Dazu kommt noch, als Repräsentant des letzten Jahrhunderts, Hans Sandreuter (1850—1901), dessen Nachlaß noch heute in Riehen ist.

Riehen hatte und hat heute noch eine Kolonie angesehener Künstler, deren Ruf weit über Basel hinaus bekannt ist und die zu den bedeutendsten Schweizer Künstlern der Gegenwart zählen.

Sich mit bildender Kunst befassend, brauchte also der Gemeinderat nicht in Verlegenheit zu kommen, wenn er in Riehen wohnhafte Künstler einlud, zwecks Anschaffung einige Werke einzureichen. Eher läßt sich denken, daß er in solchen der Kunst gewidmeten Sitzungen die Qual der Wahl zu erleiden hatte. Die getroffene Wahl zeugt jedoch vom guten Geschmack der Gemeinderäte; denn was bei solcher Gelegenheit angeschafft wurde, ist im großen und ganzen von hoher Qualität, und würde man diese Werke einmal in einem größeren Raum zur Schau stellen, gäbe es eine sehr beachtenswerte Ausstellung. ^ Die Anschaffungspraxis begann also 1948 im Zusammenhang mit der Einweihung des Niederholzschulhauses, das zwar vom Kanton gebaut wurde, an dessen künstlerischen Schmuck die Gemeinde Riehen jedoch etwas beisteuern wollte. In der Zeit vor 1948 wurde auf dem Gebiet der öffentlichen Kunstpflege sozusagen nichts getan. Und doch gibt es zwei bedeutende Werke, die aus der Zeit vor 1948 stammen und die der Gemeinde Riehen zur Ehre gereichen: das Fresko «Ernte» von Jean-Jacques Lüscher im alten Gemeindehaus und die Bronzeplastik «Die Schreitende», von Jakob Probst (1880—1966) auf dem alten Friedhof.

Die Gemeinde als Mäzen

Daß die Riehener Behörde für die bildende Kunst Verständnis und eine offene Hand hat, wie die alljährlich wiederkehrende Summe im Budget beweist, hat sich natürlich in Künstlerkreisen herumgesprochen. Und so kam es vor, daß Künstler beim Gemeinderat vorsprachen, Arbeiten zeigten und um den Erwerb eines Bildes ersuchten. Auch auf diesem Weg ist die öffentliche Kunstsammlung Riehens bereichert worden. Aber auch andere Anregungen und Empfehlungen führten zu Ankäufen «unter der Hand».

Auf dem Weg eines parlamentarischen Vorstoßes ist unseres Wissens jedoch erst einmal ein Kunstwerk in den Besitz der Gemeinde gelangt, nämlich die Bronzeplastik «Schäfer mit Hund» von Otto Roos, die in der Anlage hinter dem Gemeindehaus Aufstellung gefunden hat und deren Erwerb das jetzige Mitglied des Gemeinderates, Dr. Paul Meyer, vor ein paar Jahren mit einer kleinen Anfrage im Weiteren Gemeinderat angeregt hatte.

Geschenke

Unter den Bildern, die die Räumlichkeiten des Gemeindehauses schmücken, befinden sich auch einige Arbeiten, die der Gemeinde Riehen geschenkt worden sind, hauptsächlich aus Anlaß der Einweihung des neuen Gemeindehauses Anno 1961. So befindet sich beispielsweise im kleinen Sitzungszimmer eine schöne Wappenscheibe von Joachim Albert als Geschenk des Gemeinde- und des Bürgerrates Bettingen, im Vorraum zum Sitzungszimmer des Weiteren Gemeinderates die farbenkräftige Wettstein-Scheibe von Otto Staiger, mit der Basel die Gemeinde Riehen zum neuen Gemeindehaus beglückwünscht hat. Erwähnung verdienen auch das Oelbild von T. Engel «Eiserner Steg über die Wiese», das von der Stadt Lörrach 1961 geschenkt wurde, und das graphische Blatt «Früchtekorb» von Gerda Haller, ein Geschenk der Gemeinden Inzlingen und Grenzach. Das bedeutendste Geschenk ist jedoch die große Scheibe «Wettstein und die Bürger von Riehen» von Charles Hindenlang (1894—1960), das sich schon im alten Gemeindehaus befand, im neuen jedoch — Nordfront im 1. Stock — noch viel schöner zur Geltung kommt. Es ist ein Geschenk der eidgenössischen Kunstkommission und soll, wie uns mitgeteilt wurde, durch Otto Roos, der Ende der dreißiger Jahre Mitglied dieser Kommission war, veranlaßt worden sein. Riehen darf stolz sein auf dieses prachtvolle Glasgemälde.

Sammelsurium?

Die Vermutung liegt nahe, daß eine Sammlung, deren Entstehung so sehr dem Zufall überlassen war, ein Durcheinander von Stilen und Richtungen, Motiven und Techniken darstellt. In gewissem Sinne ist dies auch der Fall. Und wie könnte es anders sein, da ja die Kunstwerke nicht angekauft wurden, um eine museale Kunstsammlung anzulegen, sondern um Räume gemeindeeigener oder sonst öffentlicher Gebäude wie Schulhäuser mit einem künstlerischen Schmuck zu versehen? Wenn man sich aber die Erwerbungen ansieht, stellt man mit Genugtuung fest, daß doch — vielleicht mehr unbewußt als bewußt — eine bestimmte Linie eingehalten worden ist, nämlich die Beschränkung auf die gegenständliche Malerei. Man mag diese Einseitigkeit bedauern und als Mangel empfinden, sie hat aber ihren Grund darin, daß die Ankäufe unter einem ganz anderen Gesichtspunkt getätigt wurden, als es in einem Museum der Fall ist. Man erwarb Bilder, die allgemein verständlich sind und auch den Leuten, die sich nicht eingehend mit Kunst befassen, zu gefallen vermögen. Wir erachten es auch als richtig, daß die Behörde diesen Standpunkt vertrat und die Beschäftigung mit den Experimenten den zünftigen Konservatoren überließ.

Immerhin ist lobend hervorzuheben, daß die Behörde zwei Versuchungen nicht erlegen ist, nämlich der Versuchung, nur Riehener Künstler zu berücksichtigen, und der Versuchung, nur Riehener Bilder, das heißt Darstellungen des Dorfes und der Landschaft um Riehen, anzuschaffen. So finden sich denn unter den Kunstwerken des Gemeindehauses, auf das wir uns in diesem Beitrag fürs Riehener Jahrbuch beschränken — es ist geplant, über das Kunstgut der Gemeinde in andern Häusern (Schulhäuser, Landgasthof, Diakonissenanstalt, Dominikushaus, Landpfrundhaus etc.) in späteren Darstellungen zu berichten —, auch Arbeiten der Basler Künstler Martin Christ (geboren 1900), Karl Dick (1884—1967), Heinrich Altherr (1878—1947), Eric Bohny (1891—1959), Alexander Zschokke (geboren 1894), Hans Geißberger (geboren 1921) und anderer.

Ebenso mannigfaltig wie das Verzeichnis der Künstler ist auch die Skala der Motive und die Art der Techniken. Wohl nehmen die Riehener Sujets einen verhältnismäßig breiten Raum ein — und je mehr sich das Dorfbild wandelt, desto begrüßenswerter ist eine Kollektion von Bildern, die außer dem künstlerischen auch einen dokumentarischen Wert besitzen —, aber sie werden ergänzt durch Landschaften, durch Silleben, Interieurs und figürliche Kompositionen. Und bezüglich der Technik weist der Bestand außer Oelbildern auch Aquarelle, Gouachen, Zeichnungen, Lithographien, Radierungen, Holzschnitte und Monotypien auf.

Riehen im Bild

Beginnen wir unseren Rundgang durchs Gemeindehaus, bei dem wir zwar aus Platzgründen nicht alle Arbeiten einer kritischen Würdigung unterziehen können, mit den Bildern, die «Riehen» zum Thema haben. Daß Riehen — sogar heute noch! — malerische Winkel hat und daß die Riehener Landschaft sehr malerisch ist, das haben Riehener und Basler Künstler entdeckt, und das beweisen auch die angeschafften und im Gemeindehaus aufgehängten Bilder. Quantitativ stehen im Vordergrund die Gouachen und Lithos von Willy Wenk, der wie kein zweiter Riehener Künstler das Gesicht seiner Heimatgemeinde, des Dorfes und der Umgebung, im Bild festgehalten hat. Erwähnt seien die 1953 entstandene und 1955 erworbene Gouache «Alte Taubstummenanstalt», an deren Stelle seit bald 10 Jahren das neue Gemeindehaus steht, das ehemalige «Gasthaus zum Ochsen», 1960 erworben, der 1958 angekaufte «Tüllinger Hügel» und, was in diesem Zusammenhang erwähnt werden darf, der «Dorfplatz in Bettingen» (1953), wozu einige Lithos von markanten Dorfbauten kommen. Von Christoph Iselin stammen die beiden 1948 erworbenen, noch der dunkeltonigen Basler Schule verhafteten Oelbilder «Dorfstraße in Riehen» (mit den beiden Diakonissen als charakteristische Staffage) und «Blick nach Westen», 1944 das eine, 1947 das andere gemalt. Im Jahre 1943 malte Paul Basilius Barth von seinem Atelierfenster aus am Vierjuchartenweg die damals noch nicht so überbaute «Landschaft Riehen», ein Oelbild in hochsommerlicher Atmosphäre mit Blick über Felder und durch Bäume gegen den badischen Blauen. Den umgekehrten Blick von Norden nach Süden, «Abend im Artel» betitelt, malte Ernst Giese 1961; eine Symphonie in Blau. Einen ebenfalls entschwundenen Aspekt hielt Rudolf Wild 1949 im Oelbild «In der Frühmesse» fest. Das großformatige Oelbild «Waldesinneres» von Hans Sandreuter, 1897 gemalt, könnte in Riehens Umgebung entstanden sei, so wie die beiden Zeichnungen «Hinter dem Wenken» und « An der Bettingerstraße», die der Gemeinde 1948 von K. Siegmund geschenkt worden sind.

Landschaften

Von Numa Donzé, der sowohl in der Provence als auch am alten Rhein unterhalb von Basel Lieblingsmotive fand, stammt das in verhaltenen Farben, aber mit kräftigem Pinselstrich gemalte Oelbild «Sommertag am Rhein», das 1948 durch Erwerb in den Besitz der Gemeinde gelangte. Karl Dick ist mit zwei typischen Werken seiner eigenwilligen, kultivierten Kunst vertreten: mit dem «Steinbruch bei St. Remy» in der Provence, einem starken Frühwerk aus dem Jahre 1914, und dem Oelbild «Freiberge», einem Spätwerk von 1959, beide 1961 erworben. Nach Spanien entführt uns Walter Schüpfer mit seinem impressionistisch empfundenen Oelbild « Almunecar» aus dem Jahre 1958, ebenfalls 1961 angekauft. Die prickelnde Atmosphäre einer Stadt«Landschaft» hielt Karl Flaig 1960 in seinem «Café Paris», mit Dispersionsfarben gemalt, faszinierend und überzeugend fest. Eine in frischen Farben gehaltene Berglandschaft «Bei St. Luc» (1966) von Christoph Iselin, der sich oft im Wallis aufhält, bereichert die Kollektion der Landschaften auf wertvolle Weise. Wieder mehr in heimatliche Gefilde weisen Hans Ackermanns Oelbild «Metzerlen», das anläßlich der Ausstellung von Hans Ackermann und Edi Meier 1967 erworben wurde, und die «Eisenbahnbrücke in den Langen Erlen» des Lörracher Künstlers Theo Engel.

Als «landschaftliche Stilleben», deren Akzent nicht auf einer geographisch bestimmbaren Landschaft, sondern auf einem kleinen, durch seine Formen und Farben belebten Landschaftsausschnitt liegt, könnte man die «Pfingstrosen» (Aquarell, 1959) und das Oelbild «An einem Weiher» von Martin Christ sowie das den Schalterraum des Gemeindehauses dominierende «Winterbild» von Joseph Keller bezeichnen.

Stilleben und figürliche Kompositionen

Ohne die Bedeutung und den künstlerischen Wert der erwähnten Landschaften, die zum Teil von hervorragender Qualität sind, herabmindern zu wollen, darf die Behauptung gewagt werden, daß das Schwergewicht der Kunstwerke im Gemeindehaus auf vier Arbeiten liegt, die zur Gruppe Stilleben und figürliche Kompositionen gehören: Nikiaus Stoecklin: «Stilleben mit Gladiolen», Oel auf Leinwand, 1959, 70x59 cm; 1961 erworben. Vor hellgrauem Hintergrund erheben sich aus einer bauchigen Porzellanvase, die auf einem rosafarbenen Tuch steht, verschiedenfarbige, zart-helle und kräftig-dunkle Gladiolen; ein formal und farbig spannungsvolles und doch ausgewogenes Bild, bezeichnend für die realistische (was nicht gleichbedeutend ist mit «naturalistisch») Malweise Nikiaus Stoecklins.

Otto Roos: «Alte Frau», Oel auf Leinwand, 1919, 142 x 105 cm, Leihgabe. Eine betagte Bäuerin sitzt vor dem Haus, angedeutet durch die Treppe links, und schält äpfel. Das Motiv ist denkbar einfach, auch entbehrt das Bild belebender Details. Es ist fast wandbildhaft flächig gemalt, in den beiden — für die tonige Malerei charakteristischen — Farben Ocker und Grau, ergänzt durch das Braun der Balken, die die Figur seitlich gleichsam einrahmen, und das Grauschwarz des Kopftuchs.

Die Komposition ist, ohne daß es besonders auffallen würde, streng und klar gebaut. Im Schnittpunkt der Diagonalen befinden sich die beiden Hände und der Apfel, dessen Rot der einzige Akzent des großformatigen Bildes ist. Die im Schoß der Frau liegenden äpfel sind zwar verhältnismäßig hell, doch entbehren sie eines farbigen Akzents. — Leider hängt das dunkeltonige Bild im Foyer zu den Sitzungsräumen im ersten Stock ungünstig an einer Gegenlichtwand und hat kein Seitenlicht. Wie wichtig aber für Bilder dieser Art ein seitlich einfallendes Licht ist, beweist das nächste Werk: Numa Donzé: «Frauenraub», Oel auf Leinwand, nicht datiert, 155 x 140 cm. Diese Komposition, die vermutlich um 1920 entstanden ist, darf als ein Meisterwerk Donzés bezeichnet werden. Wie die «Alte Frau» von Roos ist das Bild beispielhaft für die dunkeltonige «Basler Schule». Auch hier bilden die Hauptfarben Ocker/Braun und Grau/ Schwarz. Bei aller Dynamik, die dieser Arbeit innewohnt, zeichnet sich die Komposition durch einen durchdachten, architektonisch gestalteten Aufbau aus. Das eine Paar rechts im Vordergrund, sitzend und mit abwehrendem linken Arm die Frau, zu ihr niedergebeugt der Mann, geht organisch über in das den Mittelgrund beherrschende Paar: einen Mann, mit dem Rücken zum Betrachter, der bereits im Begriff ist, die Geraubte wegzutragen. Die linke Seite des Hintergrunds bildet eine dunkle Waldpartie, die rechte ein Stück grauen Himmels, der dem grauen Tuch im Vordergrund links entspricht. Die Akzent- und Komplementärfarben Rot und Grün verteilen sich auf die beiden Tücher, mit denen die beiden Männer dürftig bedeckt sind; sie sind jedoch so verhalten gemalt, daß sie sich dem Gesamtklang ein- und unterordnen.

Jean-Jacques Lüscher: «Dorfwirtschaft», Oel auf Leinwand, 1938-— 1946, 115 x 147 cm. Auch dieses Meisterwerk von J. J. Lüscher ist noch bezeichnend für die «Basler Schule»; allerdings liegt das Hauptgewicht der Farbe auf Grüngrau und Blau, zu dem die Rot- und Ockertöne der von links her beleuchteten Figuren kontrastieren. Mit dieser «Dorfwirtschaft» — es soll sich um das alte «Tramstübli» handeln, das sich an der Stelle des jetzigen Landgasthofes befand — hat Lüscher nicht nur zwei bekannte Riehener dargestellt, sondern auch ein Stück AltRiehener-Dorfatmosphäre im Bild festgehalten. In einem ziemlich düsteren Beizlein sitzen die beiden Männer in ihrem Arbeitsgewand, um den Feierabendschoppen — wohl einen weißen «Schlipfer» — zu genießen. Der eine sitzt mit gespreizten Beinen links neben, der andere, seine Pfeife rauchend, hinter dem Tisch, auf dem die beiden schon halb geleerten Gläser stehen. Die beiden Männer blicken zufrieden und etwas verschmitzt aus dem Bild heraus auf den Betrachter. Seitlich rechts wird die Komposition abgeschlossen durch eine an der Theke stehende Frauenfigur, die jedoch ebenso verhalten gemalt und in die dämmerige Atmosphäre eingetaucht ist wie der dunkelbraune Hund im Vordergrund links. Das Interieur-Cachet wird sparsam angedeutet mit ein paar Flaschen, die sich auf einem Schaft an der den Hintergrund bildenden Wand befinden, und einer altmodischen Wanduhr, deren heimeliges Ticken geradezu zu hören ist, obwohl sie oben angeschnitten ist.

Kunstwerke am Gemeindehaus

Wie das üblich ist, wurde auch beim Bau des neuen Gemeindehauses ein gewisser Prozentsatz der Bausumme für künstlerischen Schmuck reserviert. Die drei in diesem Zusammenhang entstandenen Arbeiten dürften zu den öffentlichen Kunstwerken gehören, die den Riehenern am ehesten bekannt sind, weil sie ja auch kaum übersehen werden können. Und doch dürfte es viele Riehener geben, die sie bewußt gar noch nicht zur Kenntnis genommen haben.

In der «Wandelhalle», das heißt dem Verbindungstrakt zwischen dem eigentlichen Gemeindehaus und dem Baukörper an der Schmiedgasse, der unter anderem die Bibliothek und die Schulzahnklinik enthält, fallen die drei farbenfrohen Keramikmosaike von Christoph Iselin auf. Von links nach rechts: Die Jugend, dargestellt mit Schülern, die sich mit ihrem Lehrer auf einem Schulausflug oder einer naturkundlichen Exkursion befinden. Als Attribute der Natur hat der Künstler links oben einen Schmetterling und als Abschluß gegen die Mitte der Wand eine große Sonnenblume angebracht. Das mittlere Mosaik ist dem Thema Landwirtschaft gewidmet, womit daran erinnert wird, daß Riehen in früheren Zeiten ein Bauerndorf war. Ein noch junges, sprungbereites, die Freiheit genießendes Pferd und ein Bauer, der eben seine Sense wetzt, bilden die Hauptakzente dieses Mittelstücks, das durch zwei — farbig sehr schöne — Details bereichert wird: eine aufoder untergehende rote Sonne und einen Fasan mit seinen schillernden Farben. Das Mosaik rechts hat als Motiv das Thema «Arbeit und Familie»; im Mittelgrund drei Männer im Arbeitskleid, während von rechts her eine Mutter und ein Kind kommen, wobei die Frau den Männern so etwas wie einen Laib Brot — offenbar 's Znüni — entgegenhält. Die Arbeitsatmosphäre wird angedeutet mit der grauen Wand im Hinter- und dem Faß und der Kiste im Vordergrund links. Durch die zehn Jahre des Bestehens des Gemeindehauses haben diese drei Mosaike des Riehener Künstlers Christoph Iselin ihre ursprüngliche Frische bewahrt. Nach wie vor verleihen sie dem Riehener «Rathaus» eine einladende, frohe Note.

«Hommage au Schlipfer» könnte das Relief bezeichnet werden, das sich am äußeren Rand der Nordfassade befindet und auf dem der Basler Bildhauer Alexander Zschokke das Treten der Traube mit Hilfe der Füße dargestellt hat. Zwar hat der Künstler diese dem Keltern vorausgehende Arbeit bei den Winzern auf einer italienischen Insel beobachtet. aber früher war diese Tätigkeit auch den Riehener Winzern bekannt. Hauptsächlich wurden Knaben, nachdem sie die Füße sauber gewaschen hatten, für das Treten der Trauben engagiert. Ein bis zwei Tage später konnte dann das eigentliche Keltern in der Trotte vorgenommen werden. So hält denn dieses köstliche Relief, dessen grauer Stein sich vorteilhaft vom Rot der Sandsteinfassade abhebt, die Erinnerung an einen alten Winzerbrauch fest und ist zugleich eine in Stein verewigte Huldigung an den Riehener «Schlipfer».

Die hohe, strenge Westfassade wird belebt durch die fünf Bossen, die in etwa drei Metern Höhe etwas aus der Fassade herausragen und die der in Bottmingen wohnhafte Basler Bildhauer Hans Geißberger bearbeitet hat. Eine nicht leichte Aufgabe, diese fünf quadratischen Steine zu behauen und zu gestalten. Der Künstler hätte es sich relativ leicht machen können mit einer ungegenständlichen Ornamentik, was sicher auch akzeptiert worden wäre. Doch wollen wir ihm dankbar sein, daß er den schwereren Weg gewählt und etwas geschaffen hat, das nicht nur «gefällig» ist, sondern vielmehr unwillkürlich die Vorübergehenden — und wer geht hier nicht alles vorüber! — zu meditierendem Verweilen und Betrachten anregt. Es sind fünf Köpfe, die weder typisch männlich noch typisch weiblich, aber typisch menschlich sind, weil sie menschliche Eigenschaften und Tugenden verkörpern. Nämlich von links nach rechts den hörenden, lauschenden, dann den zum Schweigen verurteilten (als Geißberger die Bossen schuf, gab's das Frauenstimmrecht, an das er gedacht haben mag, noch nicht), den denkenden, in seine Gedanken vertieften, den redenden, mit seinen Argumenten überzeugenden und abschließend den sich mockierenden, skeptischen und nichts ernst nehmenden Menschen. Mit diesen fünf Köpfen wollte der Künstler die Beziehung von außen nach innen, vom Publikum zur Behörde und zur Verwaltung darstellen, und man darf wohl sagen, daß es dem Künstler geglückt ist, dieses Vorhaben auf ansprechende Weise zu verwirklichen. In ihrer klaren, einfachen Formgebung erinnern Geißbergers Köpfe an die gotischen Plastiken des Basler Münsters.

Als Schönheitsfehler muß allerdings bezeichnet werden, daß diese Kunstwerke am Gemeindehaus nie offiziell abgenommen und im Beisein der Künstler in einer kleinen Feier der öffentlichkeit übergeben wurden.

Auf eine Bearbeitung wartet noch immer die große Sandsteinfläche an der Südfassade, die neben dem Treppenaufgang angebracht ist und nach einer künstlerischen Gestaltung geradezu schreit. Hier hätte die eingangs anvisierte Kunstkommission mit der Durchführung eines Wettbewerbs oder der Erteilung eines Auftrags eine dankbare Aufgabe an die Hand zu nehmen. (Das gleiche gilt übrigens auch vom Schlußstein des Eingangs zum Landgasthof, der ebenfalls noch auf eine Bearbeitung wartet.) Erwähnen wir schließlich noch das im Vorraum zu den Büros im ersten Stock in eine Wand eingelassene Relief von Bildhauer Hanns Joerin (geb. 1888), darstellend Otto Wenk, Gemeindepräsident von 1906—1935, den Vater des im Frühjahr 1970 zurückgetretenen Gemeindepräsidenten Wolfgang Wenk.

Eines separaten Artikels wert wären die antiken Möbelstücke: Truhen und Schränke, die die Berechtigung des Titels, den wir dieser Betrachtung gegeben haben — das Gemeindehaus als Museum — noch unterstreichen.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1970

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