Das Künstlerehepaar Christoph und Elly Iselin-Boesch

Hans Krattiger

Den 70. Geburtstag von Christoph Iselin am 18. Mai 1980 nahm die Kunstkommission der Gemeinde Riehen zum Anlass, mit einer retrospektiven Ausstellung in der Villa La Roche an der Baselstrasse 101 (3. - 25. November 1979) das Schaffen des geschätzten Riehener Künstlers zu würdigen. Ergänzt wurde die Ausstellung durch einige Plastiken seiner Gemahlin, Elly Iselin-Boesch, die am 21. April 1980 ihr 70. Lebensjahr vollendete. Im Gegensatz zu anderen Künstlerehepaaren wie etwa Victor und Marguerite Surbek-Frey, Bern, Albert und Melanie RüeggLeuthold, Zürich, und Otto und Miquette Frey-Thilo, Rheinfelden, hat Elly Iselin nach der Verheiratung weitgehend auf die künstlerische Tätigkeit verzichtet, um als Hausfrau und als am Schaffen ihres Mannes Verständnis

voll und kritisch Anteil nehmende Lebensgefährtin ihm zur Seite zu stehen. Deshalb ist das Oeuvre der Bildhauerin Elly Iselin-Boesch in quantitativer Hinsicht relativ bescheiden — es umfasst Porträts von Kindern, von Frauen (z.B. der Malerin Gustava Iselin) und von Männern wie dem ehemaligen Basler Stadtgärtner Arioli und dem Riehener Maler Willy Wenk, ein paar wenige grössere Plastiken und einige Kleinplastiken, sowie die im Auftrag der Gemeinde Riehen geschaffenen Plastiken eines «Pelikan» in der Badanstalt und des Böckligumpen-Brunnens an der Ecke Kohlistieg/Schäferstrasse —, in qualitativer Hinsicht jedoch so stark, dass der Kunstfreund die sich selbst auferlegte Hintanstellung der Künstlerin eigentlich bedauern muss.


So unterschiedlich Christoph und Elly Iselin in ihrem Wesen sind, was auch in ihrem künstlerischen Werk zum Ausdruck kommt, gemeinsam haben sie als Künstler eine solide Schulung, folglich auch eine solide Schaffensweise, das Verankertsein in der europäischen Tradition, das Festhalten an der gegenständlichen Kunst und den Verzicht auf Experimente. Sich selber treu geblieben, widerstanden beide der Versuchung, sich ins Schlepptau der wechselvollen Modeströmungen zeitgenössischer Kunst nehmen zu lassen. Es zeugt für die Eigenständigkeit Christoph Iselins, dass er bei aller Verehrung für seinen Lehrer an der Académie Ranson in Paris, Roger Bissière, einem hervorragenden Repräsentanten der abstrakten Kunst, sich nicht der gegenstandslosen Malerei verschrieb.


Die Wesensverschiedenheit von Christoph und Elly Iselin äussert sich vor allem dadurch, dass die Bildhauerin mehr das statische Element, der Maler mehr das dynamische verkörpert. Elly Iselins Plastiken zeichnen sich — ob es sich um stehende oder sitzende Akte handelt — durch Ruhe und Gelassenheit aus, und selbst der originelle Böckligumpen-Brunnen, wo ein Mädchen über einen sich bückenden Knaben «gumpt», strahlt eine wohltuende Ruhe aus. Bei aller Innerlichkeit und Beseeltheit, die den Plastiken eigen ist, haftet ihnen doch eine gewisse Nüchternheit und Sachlichkeit an, bedingt durch die Arbeitsweise der Künstlerin, für die eine Plastik immer auch eine statischen Gesetzen unterworfene Architektur ist. Demgegenüber ist Christoph Iselin viel mehr der aus spontanem Erleben und Empfinden heraus Schaffende

und vor allem mehr Romantiker, was hauptsächlich in seinen Nachtbildern zum Ausdruck kommt.


Kennengelernt haben sich Christoph und Elly IselinBoesch in Paris, wo sie 1934/35 an der Académie Ranson ihrer künstlerischen Ausbildung oblagen, Christoph als Maler, Elly als Bildhauerin. Als jüngstes der sechs Kinder — alles Knaben — des Ehepaars Pfr. Ludwig Emil Iselin und Louise, geb. Tobler, hatte Christoph schon in jungen Jahren den Wunsch, Kunstmaler zu werden, musste allerdings auf Begehren der Eltern vorerst eine Drogistenlehre absolvieren, ehe er als 19jähriger an der Basler Allgemeinen Gewerbeschule bei Lehrern wie Paul KammüllerLüscher, Arnold Fiechter und Albrecht Mayer das Handwerkliche erlernen konnte und vor allem von einem weiteren Lehrer, Ernst Buchner, ermuntert wurde, Kunstmaler zu werden. Da Christoph auch musikalisch begabt war und Violine spielte, hätten es seine Eltern lieber gesehen, dass er sich, wenn schon der Kunst, Frau Musica verschrieben hätte. Da aber Christoph nicht abzubringen war vom Beruf, zu dem er sich berufen wusste, erlaubten ihm die Eltern, bei einem Maler am Brienzersee weitere Studien zu pflegen, was dem jungen Künstler insofern nicht ungelegen kam, als er schon in Jugendjahren von der Bergwelt fasziniert war und gar davon träumte, Bergführer zu werden. Es verwundert deshalb nicht, dass er vom Brienzersee aus noch mehr in die Berge hineinging und sich, zeichnend und malend, einige Zeit im Lötschental aufhielt. In dieser Zeit entstanden auch die ersten Bilder, nicht nur Landschaften, sondern auch Porträts. Doch unwillkürlich erwachte der Wunsch, den Horizont zu erweitern, was durch einen Auslandaufenthalt geschehen musste. Und wie schon so manchen Musensohn vor ihm zog es auch Christoph Iselin nach Italien, wo ihn vor allem Florenz mit seinen Museen und die kulturträchtige Toscana in ihren Bann zogen. Die Begegnung mit Meisterwerken der italienischen Renaissance machte ihm deutlich, dass er noch immer ein Lernender zu sein hatte, und wo anders als in Paris, wo auch die Basler der älteren Generation wie J.J. Lüscher, Barth und Dick geweilt hatten, hätte er sein künstlerisches Rüstzeug besser vervollkommnen können. Bilder jener Zeit wie der Blick aus dem Fenster über die Dächer von Paris machen deutlich, dass Christoph Iselin freier in der Handhabung der malerischen

Mittel geworden und zu einer kühneren Gestaltung seiner Empfindungen gelangt ist. Nach Basel zurückgekehrt, ermöglichte ihm ein Stipendium der His-Stiftung einen weiteren Aufenthalt im Ausland, den er auf der Insel Korsika verbrachte (1935).


Ins Jahr 1936 fällt die Eheschliessung mit Elly Boesch, die in St. Gallen geboren wurde, jedoch in Zürich aufwuchs und in der Limmatstadt auch die Schulen besuchte. Ihr künstlerisches Interesse an der Plastik führte sie an die ETH, wo sie die Modellierkurse für Architekten besuchte, erteilt von Bildhauer Hans Gisler, der das angeborene Talent von Elly Boesch «entdeckte» und sie ermunterte, Bildhauerin zu werden. Dieser ersten Lernzeit folgte ein Aufenthalt Anno 1932 in Florenz, wo sie in Bildhauer Mario Moschi einen Lehrer fand, der ihre Begabung förderte. Dann zog es auch sie nach Paris, erstmals 1933/34 und dann nochmals 1934/35. Und bei diesem zweiten Aufenthalt in der Seine-Stadt lernte sie Christoph Iselin kennen. Das gemeinsame Leben begannen Christoph und Elly Iselin in Basel. Es war die böse Zeit der Weltwirtschaftskrise, die vor allem auch Künstler hart traf. Während des Zweiten Weltkriegs leistete auch Christoph Iselin Hunderte von Aktivdiensttagen und zwischenhinein übte er seinen erlernten Beruf als Drogist aus. Sein pädagogisches Talent entpuppte und entfaltete sich, als er von 1941 an als Vikar Zeichenunterricht an Riehener und Basler Schulen erteilte und während 14 Jahren den ihm ans Herz gewachsenen Lehrerberuf ausübte. Im gleichen Jahr 1941 erfolgte auch die Ubersiedlung ins Atelierhaus an der Dinkelbergstrasse 20 in Riehen, das also seit bald 40 Jahren der Wohnsitz des Ehepaars Iselin ist. Die Liebe zu den Bergen, die mit dem Alterwerden eher zu- als abnahm, führte vor 20 Jahren zum Erwerb eines Chalets in der Walliser Gemeinde St. Luc, wo Christoph und Elly Iselin seither jeweils einen grossen Teil des Jahres verbringen.


Doch trotz der Verbundenheit mit der Riehener Heimat und der Bergwelt, in zahlreichen Zeichnungen und Bildern, das Charakteristische der jeweiligen Landschaft betonend, festgehalten, hatte Christoph Iselin doch immer wieder das Bedürfnis, in fremden Ländern neue Eindrücke zu sammeln und sein Können an neuen, ungewohnten Motiven zu erproben. Die erste Reise nach dem Krieg führte ihn 1949 nach Tunesien, und fast 20 Jahre später

zog es ihn abermals nach dem afrikanischen Kontinent, diesmal jedoch nach Ostafrika, wo ihm auf Safaris die frei lebende Tierwelt zum unauslöschlichen Erlebnis wurde; in den folgenden Jahren weilte er noch zweimal in Ostafrika. 1978 war er in Mexiko und 1979 in Norwegen, und als Frucht dieser Reisen entstanden Bilder, die beispielhaft sind für des Künstlers Begeisterungsfähigkeit und Beobachtungsgabe, gepaart mit der Begabung, das Wesentliche zu erfassen und aus dem unmittelbaren Empfinden heraus ein Bild zu gestalten. Das gilt auch für diejenigen Bilder, die aufgrund von Skizzen nachträglich im Riehener Atelier entstanden sind. Die Erlebnisse sind so intensiv und die Eindrücke so stark gespeichert, dass sie

auch noch lange nach der Heimkehr nachwirken und den Künstler befähigen, Bilder zu malen, die um ihrer Frische und ihrer Farbklänge willen den Eindruck erwecken, sie seien an Ort und Stelle gemalt worden.


Diese Fähigkeit, einmal Erlebtes auch im nachhinein noch spontan zu gestalten, fand ihren Niederschlag auch in den von Christoph Iselin geschaffenen Wandbildern, so vor allem in «Erinnerungen an Ostafrika» für das Verwaltungsgebäude des EW Basel und im «Fischer» für das Hirzbrunnenschulhaus. Die alte Tradition der Basler Wandbilder bereicherte Christoph Iselin durch die neue Technik des Majolika-Mosaiks, das nach dem Prinzip von Glasscheiben entsteht, indem aufgrund des Entwurfs Keramikplatten zugeschnitten, bemalt, gebrannt und dann, durch Mörtel verbunden, in die Wand gesetzt werden. Nach diesem Verfahren entstanden in Riehen die Majolika-Wandbilder am neuen Gemeindehaus, in der Alterssiedlung «Zu den drei Brunnen» und im neuen Werkhof.


In verhältnismässig jungen Jahren, als erst 25jähriger wurde Christoph Iselin in die Sektion Basel der Gesellschaft schweizerischer Maler, Bildhauer und Architekten (GSMBA) aufgenommen, und von der Wertschätzung, die er sich im Freundeskreis erwarb, zeugt seine Delegation in den Zentralvorstand der GSMBA, wo er während Jahren die «Schweizer Kunst», das Organ der GSMBA, redigierte. Aber auch Elly Iselin-Boesch stellte ihre Kraft in den Dienst ihrer Kolleginnen, indem sie während vielen Jahren als Sekretärin der Basler Sektion der Gesellschaft schweizerischer Malerinnen, Bildhauerinnen und Kunstgewerblerinnen (GSMBK) amtierte.


Wer das gastfreundliche Haus des Ehepaars Iselin kennt, weiss, dass an den Wänden vor allem Bilder anderer Künstler hängen. Das ist bezeichnend für die Aufgeschlossenheit von Elly und Christoph Iselin und für ihre Bereitschaft zur freudigen Anerkennung von Andersschaffenden, sofern aus ihrem Werk Echtheit der Empfindung und des Erlebens herauszuspüren ist.


Zum 70. Geburtstag von Christoph Iselin ist im Verlag A. Schudel & Co. AG eine Monographie mit zahlreichen Reproduktionen erschienen; das Buch bildet einen Markstein nach fast 50jährigem Schaffen, jedoch nicht einen Schlußstein; denn auch der 70jährige Christoph Iselin ist noch voller Vitalität, die eine fruchtbare Weiterführung seines Lebenswerks erhoffen lässt.


Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1980

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