Das Le Grand-Haus
Romana Anselmetti, Paul Denfeld, Daniel Reicke
Am 15. März 1989 wurde das Le Grand-Haus im Sarasinpark nach einjähriger Renovationszeit mit einer kleinen Feier eingeweiht. Zur Freude aller Beteiligten war es gelungen, das bald dreihundert Jahre alte, baugeschichtlich wertvolle Haus vor dem drohenden Zerfall zu retten und wieder seinem ursprünglicheil Zweck - Wohnraum für eine Familie - zuzuführen.
Im folgenden stellen Romana Anselmetti und Daniel Reicke, Mitarbeiter der Denkmalpflege Basel, und der Restaurator Paul Denfeld die kunstgeschichtliche Bedeutung des Hauses dar und berichten über die Restaurierung der 1979 entdeckten Malereien im Dachgeschoss. Hans Rüegg erläutert die Probleme, welche die Renovation des Hauses dem Architekten stellte.
Auch ein ehemaliger Bewohner des Hauses kommt im vorliegenden Jahrbuch zu Wort: Emanuel Le Grand verfasste in den Jahren 1776 bis 1781 ein Tagebuch, aus welchem Michael Raithjene Teile ausgewählt hat, die «Neüigkeiten» aus dem Riehen des späten 18. Jahrhunderts erzählen. Und Albin Kaspar berichtet auf Grund des ebenfalls vorliegenden Kassabuches über die Bewirtschaftung des Le Grandschen Landgutes.
Die Sarasinschen Güter sind erstmals im Riehener Jahrbuch dargestellt worden im Jahre 1966 von Fritz Lehmann und Lucas Frey («Von den Sarasinschen Gütern in Riehen und ihren Bewohnern», RJ 1966, Seite 25-52); der gleiche Artikel erschien, mit ausführlichen Anmerkungen versehen, auch in der Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde 66 (Basel 1966, Seite 157-226). Wer mehr über die Entstehung der Güter, über die einzelnen Landhäuser und ihre Bewohner wissen möchte, sei auf diesen Aufsatz verwiesen. Da er im Handel nicht mehr greifbar ist, kann er als Kopie bei der Redaktion des Jahrbuches bezogen werden.
Die Redaktion
Situation
Der ursprüngliche Zustand und die historischen Zusammenhänge des Le Grand-Hauses, das sich im Besitz der Einwohnergemeinde Riehen befindet und seit 1945 unter Denkmalschutz steht, bilden den Mittelpunkt unseres Artikels. Der Bau liegt nördlich des alten Dorfkerns am damaligen Weg nach Inzlingen (der heutigen oberen Rössligasse), der bereits im 17. Jahrhundert nachgewiesen ist.1) Wie die heutige Situation noch erkennen lässt, war das Haus gegen den Garten und in Richtung auf das Dorf hin orientiert, gegen die Strasse liegt es direkt an der Umfassungsmauer, die das Landhaus von seiner Umgebung abschloss und absicherte. Das Grundstück grenzte im Westen wie heute an die Strasse von Basel nach Lörrach. In der jetzigen Form besteht die Anlage aus dem Wohnhaus, das um 1690 erbaut wurde, und den später dazugefügten ökonomiebauten.
Analyse von Bildquellen
Neben Untersuchungen am Bau selbst (siehe unten) besitzen wir in Form von Bildern und Plänen die Möglichkeit, uns dem ursprünglichen Zustand des Hauses zu nähern. Eine Zeichnung von Emanuel Büchel aus der Zeit um 1750/1760 zeigt das ummauerte Areal des Le GrandGutes von Osten her. Das Wohnhaus, an der östlichen Breitseite direkt an die Mauer angebaut, erscheint niedriger als in Wirklichkeit. Das Erdgeschoss gegen die Mauer ist ohne Fenster angelegt, im ersten Obergeschoss werden vier Fenster sichtbar, je zwei nach aussen zusammengerückt. Im Dachausbau öffnet sich ein Fenster nach jeder Seite. Fassadendekorationen sind keine sichtbar. Das ganze Gut ist von einer Mauer umgeben, und an den Ecken erscheinen kleine Gartenhäuser. Innerhalb der Mauer sind weitere, grössere Gebäude sichtbar, möglicherweise von älteren Bauernhäusern oder ökonomiebauten. Sie entsprechen jedoch nicht den Flügelbauten von heute.
Diese lassen sich anhand einer weiteren Quelle, dem Enkerlinplan von 1766 (siehe Seite 48/49, Detail siehe oben)2), datieren. Danach und nach der Zeichnung von Büchel müssen die ökonomiebauten in der Zeit zwischen 1750 und 1766 entstanden sein. Der Plan von Johann Georg Enkerlin zeigt die Ansicht und den Grundriss des Wohnhauses, der ökonomiegebäude und den Grundriss der Ländereien bis zur Strasse nach Basel im Westen und der Strasse nach Inzlingen im Norden. Die Gartenfassade des Wohnhauses besitzt je vier Fenster im Erdgeschoss und im ersten Obergeschoss. Je zwei Achsen sind nach aussen zusammengerückt, so dass in der Mitte ein breiter Mauerstreifen freibleibt, in welchem im Erdgeschoss die Türe liegt. Der Mauerstreifen entspricht der Breite des Dachausbaus, der schmaler als heute erscheint. Das Haus ist hell verputzt, Fassadenmalereien sind keine zu erkennen.
Der heutige restaurierte und rekonstruierte Zustand der Aussenwände geht zurück auf den Zustand nach 17663) und zeigt einen weiss verputzten Grund mit dunkelrosa Eckquadern, Sockel, Geschosstrennungen, Gewänden, Begrenzungen an den Dachausbauten und Traufen der Dachausbauten. Die Dachuntersicht ist grau, die Läden sind grün.
Historische Einordnung des Gebäudes
Mit dem Le Grand-Haus haben wir einen einfachen, verhältnismässig bescheidenen Typus des bürgerlichen Landhauses in Stadtnähe vor uns. Für die zweite Hälfte des 17. Jahrhunderts ist der Bau eine typische Erscheinung, wobei es sich hier um eines der wenigen in den ursprünglichen Dimensionen erhaltenen Beispiele um Basel handelt. In der historischen Entwicklung bildete sich der bürgerliche Landsitz in und um Basel im Laufe des 16. und in der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts aus. Formal lehnten sich die schlossartigen, ummauerten Güter an die Feudalsitze des Spätmittelalters an. In der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts verlor das Landhaus weitgehend seinen wehrhaft-trutzigen Charakter, es entwickelte sich zu einem vergleichsweise bescheidenen Wohnhaus, auch Lust- oder Sommerhaus genannt, das für ganz bestimmte gesellschaftliche Zwecke vorgesehen war: es wurde nur in der warmen Jahreszeit benutzt und diente als Zweithaus neben der Stadtbesitzung. Obwohl der wehrhafte Charakter nicht mehr vorherrschte, waren die Güter noch immer von Mauern umgeben, was in erster Linie als Herrschaftszeichen zu werten ist. Baulich ist eine Tendenz zur Symmetrie einerseits in der Gestaltung des Baus und andererseits in der Gruppierung von Wohnhaus und allfälligen ökonomiegebäuden sowie in der Gartenanlage zu erkennen.4) Wie aber verhält sich das Le Grand-Haus zu andern vergleichbaren Landhäusern in der Nähe der Stadt? Anhand des Plans von Matthäus Merian von 16155) lässt sich über die Art der Bebauung ausserhalb der Stadtmauern von Basel folgende Aussage machen: auf den ausgedehnten Rebgütern, unterbrochen von Bäumen, wird der Typ des sogenannten Rebhäuschens sichtbar, ein kleines Haus mit Sockelgeschoss und vorgezogenem Obergeschoss, häufig in sichtbarer Riegelkonstruktion mit Sattel- oder Pyramidendach. Daneben erscheinen auch niedrige, eingeschossige Bauten mit Satteldächern, die man als Gartenhäuser bezeichnen könnte. Allmählich entwickelte sich aus diesen bescheidenen Häuschen das bürgerliche Landhaus, das in der zweiten Hälfte des 17. Jahrhunderts in der Gegend von Basel verschiedene Vertreter aufwies. In Gundeldingen, am Weg nach Riehen und in Riehen selbst entstanden einige dieser bedeutenden Landsitze. Mit dem Le GrandHaus lassen sich folgende Bauten vergleichen: Das Thomas Platter-Haus, Gundeldingerstrasse 280 (auch Unteres Mittleres Gundeldinger Schlösschen). Es ist bereits im 14. Jahrhundert erwähnt, war ehemals ein Weiherhaus und wurde 1549 von Thomas Platter gekauft und umgebaut. Das Haus zeigt in seiner Erscheinungsform einen altertümlicheren Typus als das Le Grand-Haus, ist aber in den Proportionen vergleichbar.
Vorderes Gundeldingen, Gundeldingerstrasse 172. Es handelt sich ursprünglich um ein Weiherhaus, das um 1700 erbaut wurde. Zwei Zeichnungen von Emanuel Büchel um 1745 zeigen, dass sich das Landhaus vom Bautypus her mit dem Le Grand-Haus vergleichen lässt.
Brunschwiler-Haus, Hebelstrasse 15. Es wurde 1678/ 1679 als Lusthaus noch innerhalb der Stadtmauern an der damaligen «Neuen Vorstadt» erbaut. Später erfolgte ein Umbau zu einem Ganzjahreshaus. Bei diesem Lusthaus ist die zum Garten offene Erdgeschosshalle mit Arkaden interessant. Sie diente vorwiegend repräsentativen Zwecken und konnte nicht als Wohnraum genutzt werden. Dies deutet allgemein auf die Funktion der Erdgeschossräume hin.
Formal gesehen setzt sich die symmetrische Anlage des Le Grand-Hauses mit seinen vier Dachausbauten, dem weiss verputzten Mauerwerk und der Fassadenmalerei (siehe Seite 11) von den Bauten des 16. Jahrhunderts und der ersten Hälfte des 17. Jahrhunderts ab und weist den Weg zu den von Frankreich beeinflussten Landsitzen des 18. Jahrhunderts.
Ergebnisse der baugeschichtlichen Untersuchungen
In der langen Planungsphase vor der nun zu Ende geführten Renovation hatte die Basler Denkmalpflege Gelegenheit, das Le Grand-Haus zu untersuchen, um die Kenntnisse über Alter, Schicksal und Zustand des Gebäudes zu vertiefen. Dies geschah 1979/1980 und 19876).
Wir können davon ausgehen, dass das Gebäude in seiner heutigen Form mit dem Obergeschoss und dem ausgebauten Walmdach um 1690 erstellt wurde. Als Bauherr darf der Tuchhändler und Réfugiant zweiter Generation Abraham Le Grand gelten. Er erhielt im Januar 1692 das Recht, in seine «neuerbawte Behausung zu Riehen für eine Röhren Bronnenwasser ... laiten und führen zu lassen». Das Land für diesen Besitz hatte er 1687 und 1688 erstanden. Die Bauzeit dürfte also in den Jahren zwischen 1688 und 1692 liegen. Diese mit historischen Quellen belegten Fakten haben Fritz Lehmann und Lucas Frey bereits 1966 umfassend dargestellt7).
Lucas Frey hat damals die Vermutung geäussert, dass der Kern des Baus von einem Bauernhaus des 15. Jahrhundert gebildet werde. Diese Annahme lässt sich nach Analyse des Mauerwerks nicht halten. Unerklärlich scheint einzig die Tatsache, dass das Haus nur im südlichen, grösseren Teil unterkellert ist: dies könnte allenfalls mit dem ursprünglichen Bestand zu erklären sein - Genaueres können wir auch jetzt nicht dazu sagen.
Das 20 mal 9 Meter grosse Haus weist Elemente auf, die für die Zeit um 1690 durchaus typisch sind: im untern Stock 70 Zentimeter dicke, vorwiegend aus gebrochenem, teilweise wiederverwendetem Sandsteinmaterial gebaute Mauern, im Obergeschoss Riegelwände, sowohl an den Fassaden als auch im Innern. Das Dach ist als Pfettensparrentyp mit liegendem Stuhl konstruiert. Es hat vier Binderachsen und wies schon zu Beginn an allen vier Seiten Dachausbauten auf. Deren Fronten bestehen ebenfalls aus Fachwerk. Den Abschluss zum Dach hin bilden an den Ausbauten zwei übereinandergelegte, profilierte Schwellbalken. Die Riegelkonstruktionen waren nie sichtbar. An diesem Punkt erweist sich das Le Grand-Haus als deutlich anders, einer jüngeren Stufe zugehörig als das Thomas Platter-Haus. Der ausgeglichene, fast klassisch gegliederte Bau mit je vier regelmässig angeordneten Fensterachsen an den Längsseiten und zwei an den Stirnseiten war vollständig verputzt - die zuletzt noch vorhandenen, hölzernen Scheinquader an den Ecken entstammten einer Umgestaltung des späteren 18. Jahrhunderts (dritter Zustand des äusseren).
Wenige Verputzreste, die sich hinter den genannten Holzbrettern erhalten haben, belegen, dass die Fassade ursprünglich mit einer gemalten Scheinarchitektur geschmückt war: Die Hausecken zierten rosa- bzw. sandsteinfarbig gemalte Halbsäulen, die Fenster waren mit Voluten im selben Ton gerahmt. Zuoberst folgte über einem gemalten Architrav ein blau gefasster Dachhimmel. Auch die Traufen der Dachausbauten waren an ihrer Untersicht verbrettert und blau bemalt. Ungewiss bleibt andererseits die Farbe der ursprünglich schon vorhandenen Fensterläden, die Sockelausbildung der Scheinarchitektur und schliesslich, wie stark die Dachtraufen genau vorkragten.
Vergleichsbeispiele für Architekturmalerei dieser barokken Art: In Basel wären der Rosshof (Nadelberg 20, Befunde an der Rückseite, heute in einem Innenraum gelegen) und die Durchfahrt des Schönen Hofs (Nadelberg 8, in einem Innenraum gelegen) zu nennen, in Riehen die Bemalung des Rüdinschen Landgutes, wie sie Daniel Burckhardt-Wild im Jahre 1780 im Bilde festhielt8).
Das Innere des Hauses um 1700
Die Angaben über den inneren Zustand des Hauses um 1700 fussen teils auf der Arbeit der Bauuntersucher, zu einem grossen Teil aber auch auf den Bemühungen des Restaurators. Das Haus hat vom 18. bis zum 20. Jahrhundert mannigfache Veränderungen erfahren; so wurden beispielsweise in der Stube des Obergeschosses vier Restaurierungen festgestellt.
Von der Gartenseite her gelangte man durch die axial angeordnete Tür ins Haus. Die Verschiebung dieser Tür nach Norden ist erst zu Ende des 19. Jahrhunderts erfolgt, als man die (1987 entfernte) Treppe zum Obergeschoss einbaute. Die Anordnung der Türe mit einem dicht anschliessenden Fenster auf beiden Seiten, wie sie auf dem erwähnten Ubersichtsplan von Enkerlin zu sehen ist, entspricht höchstwahrscheinlich dem Originalzustand. An der alten Lage der Tür konnten wir einen Abdruck des Gewändes im Mörtel feststellen.
Innen war das Erdgeschoss zuerst als durchgehende Halle ausgestaltet. Der Raum muss damals einen kühlen, fast kargen Eindruck hinterlassen haben, denn nicht nur die Wände, auch die Decke war mit Gips enthaltendem Putz überzogen und weiss gekalkt. Um diesem Putz Haftung zu geben, waren die Balken und Deckenbretter mit dem Beil systematisch aufgehackt worden. Die Balken wirkten in ihrer Vergipsung wie Kastenträger. Deckenputze dieser Art waren im Barock recht gängig.
Die Halle wurde im ursprünglichen Zustand vor allem von Westen her beleuchtet; die bis zur Renovation der Jahre 1988/1989 vorhandenen Doppelfenster gegen die Rössligasse waren erst im 19. Jahrhundert ausgebrochen worden. Wo die Treppe zum Obergeschoss hin lag, ist aufgrund weniger Indizien annähernd sicher: sie muss als steile Stiege auf der Gartenseite, in einem Platzkonflikt mit dem Bereich der Haustür, bestanden haben.
Die Vorplätze im Obergeschoss waren mit Tonplattenböden versehen; im übrigen bestanden die Böden wohl aus Holzbrettern. Die Decken der Nebenräume zeigten mit vergipsten Balken dieselbe Gestaltung wie im Erdgeschoss.
Besonderheiten der Ausstattung
Zwei wichtige Ausstattungsteile machen das Le GrandHaus zu einem kunsthistorisch besonders interessanten Gebäude: einmal die wieder sichtbar gemachte und rekonstruierte Ausmalung des Dachstocks und zum andern das ausgemalte südöstliche Täferzimmer im Obergeschoss. Das bemalte Täfer dieses Zimmers befindet sich seit 1929 leider nicht mehr im Haus; es wurde im Riehener Jahrbuch ausführlich dargestellt und abgebildet9). Die mit ölfarbe auf Holz ausgeführten Malereien zeigen Ideallandschaften, Blattranken, Fruchtgirlanden und Tiere. Zwei Türen mit bemalten Füllungen aus diesem Zimmer blieben im Le Grand-Haus erhalten; nachdem sie von den bis zu sieben Anstrichen befreit worden sind, zeigen sie heute in alter Frische Landschaften und Dorfbilder. Sie vermögen einen kleinen Eindruck von der ehemaligen reichen Ausstattung des Südostzimmers zu vermitteln, welche daraufhinweist, dass es sich hier um den hauptsächlichen, jedoch recht klei nen Wohnraum handelte.10) Vergleichbar mit diesem Zimmer ist der Raum aus dem Grossen Gundeldingen (ehemals Gundeldingerstrasse 446), der heute im Historischen Museum zu besichtigen ist.
Völlig überraschend fällt die Dekoration des Dachstocks aus. Hier wurden gänzlich verstümmelte, überklebte und übergipste Wand- und Deckenmalereien auf Holz freigelegt und rekonstruiert. Sie stammen ebenfalls aus der Zeit um 1700.
Die Rekonstruktion der Malereien im Dachstock
Um 1888 hatte das Haus einen tiefgreifenden Umbau erlebt, welcher auch im Dachstock einige Veränderungen mit sich brachte. Mit dem damaligen Einbau eines grossen Treppenhauses an der Parkseite verlor die am reichsten ausgemalte Dachstockkammer, welche zuvor nur durch eine Bodenluke zugänglich gewesen war, den Boden. Die bemalten Wandtäfer wurden aus ihrem Zusammenhang gerissen; grosse Teile davon nagelte man als Verdoppelung quer über andere und überzog sie mit Schilfrabitz und Gips. In der gegenüberliegenden Kammer kam eine Tapete direkt auf die Malerei zu liegen. Die Flachdecke dieser Kammer fand sich nach und nach in 33 Teile zerrissen. Zwei neue Kamine verursachten eine grössere Fehlstelle in der bemalten Balkendecke. Der ursprüngliche Kamin in der südlichen Kammer wurde abgerissen.
Während 1980 der Bestand der Malereien nahezu bekannt war, wurde das Gesamtbild 1988 vollumfänglich klar: anhand eines kleinen Modells und später durch kolorierte Aufrisse ergab sich ein Bild, das niemand vermutet hätte. Es stellte sich heraus, dass etwa vier Fünftel der bemalten Fläche erhalten war und in der ursprünglichen Position zusammengefügt werden konnte.
Am Modell konnte man zunächst die an ihrem ursprünglichen Ort belassenen Täferteile einzeichnen, um Ordnung in das Labyrinth zu bringen. Für die verstreuten Teile suchte man die ursprüngliche Position. Es ergab sich eine kreuzförmige Aufteilung mit vier Kammern und einem quadratischen Vorplatz.
Das ganze Geschoss erhielt seine malerische Ausstattung um 1700. Im Gegensatz zum Täferzimmer im Obergeschoss, dessen Täfelungen und Türen mit ölfarben in verwandter Art bemalt wurden, begnügte man sich hier oben mit der Feimfarbentechnik, beziehungsweise mit kaseingebundenen Pulverfarben. Der Maler trennte farblich gesehen den Vorplatz und die in der Fängsachse des Hauses liegenden schmalen Kammern von den beiden breiteren und reicher ausgestatteten Räumen. In diesen wur den auf den viergeteilten Deckentäfern die vier Jahreszeiten auf zweierlei Arten dargestellt.
An der gartenseitigen Decke schweben Nymphen, die von Putten Symbole in Form von Blumen, Früchten und Feuerschale empfangen. An der gegenüberliegenden Decke prangen die mehrfarbigen Motive im Zentrum der Füllungen, von ockerfarbigen Akanthuszweigen umgeben. Auf die ebenfalls ockergrundig gehaltenen Wandtäfer wurden je vier Medaillons mit Landschaften gemalt, von deren acht sich sieben erhalten haben. Auf ihnen sind Berge, Seen mit Fischer, Auen mit umgestürzten Bäumen, Dorfansich ten, eine Burg, ein Reiter und ein Wandergeselle dargestellt. Die Landschaften bauen sich von dunklen Motiven im Vordergrund zu hellen und zarten Farben im Hintergrund stufenweise auf. Die Medaillons wirken so wie Ausblicke. Durch die wässrige Technik bedingt, sind sie gegenüber der fliessenderen ölfarbentechnik, wie die noch vorhandenen Türen im 1. Stock zeigen, von eher graphischem Ausdruck. Der heutige Zustand mildert zwar diesen Eindruck. Ein vergoldeter Rahmen mit grüner Lüsterung umgibt die Bilder, und eine mehrfarbige Früchtegirlande bildet das Bindeglied zwischen Medaillon und Decke. Die Wandflächen sind mit architekturfarbigem Blattrankenwerk überzogen.
Im Vorplatz und in den schmalen Kammern sind Decken und Wände rosagrundig. S-förmig angeordnete Blattge winde und ihre symmetrischen Spiegelbilder überziehen die Flächen. Putten und Vögel sind darin eingeflochten. Gewundene Säulen mit je einer Kugel auf dem Kapitell flankieren die vier Kammertüren. Kleine seitliche Türchen sind unauffällig in die Malerei integriert. Zwei der dahinter liegenden, anderthalb Meter breiten Kämmerlein waren - allerdings nur in Resten vorhanden - mit grauen Ranken bemalt. Auf dem ursprünglich rosafarbigen Grund ist die Malerei braun-violett angelegt, mit schwarzer Farbe konturiert und mit aufgesetztem Weiss plastisch modelliert. Die Balken zieren Perlschnüre in denselben Farben. An allen vier Fenstern wurde eine farblich entsprechende Dekoration festgestellt; jene mit den grössten Fragmenten wurde abgelöst und wieder eingebaut (siehe Bild Seite 4).
Kunstgeschichtliche Einordnung der Malereien
Die Qualität der Malereien im Dachstock ist unterschiedlich zu bewerten. Verglichen mit den Landschaften im Obergeschoss scheinen sie von einer ungeübteren Hand gemalt zu sein, weniger differenziert und von eher graphischem Gepräge. Die Ranken jedoch sind kräftiger, plastischer und mit mehr Schwung ausgeführt. Die Wolken und Figuren der Deckenmalerei besitzen eher einen schwerfälligen, anatomisch ungelenken Charakter, was aber den Reiz des Ganzen nicht mindert. Die Malereien können, wie bereits erwähnt, in die Zeit um 1700 datiert werden und zählen im Raum Basel in ihrer Gesamtheit, rechnet man auch das Täferzimmer im Obergeschoss dazu, zu den bedeutenden Ausstattungen. Es ist anzunehmen, dass noch andere ähnliche Häuser in vergleichbarer Weise dekoriert waren, jedoch sind kaum Beispiele dafür erhalten oder freigelegt.
Als wichtiges Vergleichsbeispiel für die Landschaftsmedaillons und die sie umgebenden Ranken, das aus der gleichen Zeit stammt, wäre das Gartenkabinett des «Hohen Hauses» an der St. Alban-Vorstadt 71 zu nennen. Es handelt sich um ein zweistöckiges Gartenhaus, dessen unteres Geschoss an die Umfassungsmauer angebaut ist. Gegen den Garten ist das Erdgeschoss offen, und über den Treppenturm erreicht man den Saal im Obergeschoss, der mit reichen Fresken an den Wänden und Malereien auf Holz in der Dachschräge und im flachen Deckenabschluss ausgestattet ist. In der Dachschräge erscheinen grosse Medaillons mit sehr schönen allegorischen Darstellungen der fünf Sinne, Frauengestalten in Landschaften zeigend. Dichte, schön gearbeitete Ranken mit eingewobenen Frauenfiguren, Füllhörner haltend, Früchten und Frauenbüsten umgeben die Medaillons, die ihrerseits von einem Lorbeerkranz gefasst werden. Die Malereien sind von hoher Qualität und wurden 1968 von Paul Denfeld restauriert. Eine Datierung ins Ende des 17. oder Anfang des 18. Jahrhunderts ist wahrscheinlich, womit sie mit denjenigen des Le Grand-Hauses zeitlich übereinstimmen würden.
Eine Deckenmalerei, die derjenigen im Dachstock des Le Grand-Hauses sehr nahesteht, ist die Malerei der obersten Deckenlage des Hauses am Oberen Rheinweg 91 aus der Zeit um 1700. Es handelt sich um eine Himmelsdarstellung bestehend aus fünf Bahnen mit Engeln, Sternen und dem Mond inmitten von Wolken. Die Engel sind füllig dargestellt, teilweise etwas plump, und die Körper sind plastischer ausgebildet als die Gesichter mit den groben Nasen. Die Wolken umrahmen das Ganze sehr räumlich. Obwohl sich die beiden Decken zeitlich und vom Motiv her nahestehen, stammen sie nicht von derselben Hand11).
Das erstaunlichste und gleichzeitig unerwartetste Element an der Ausstattung des Le Grand-Hauses ist die völlige Ausmalung des Dachstocks bis in den letzten Winkel. Dieser Raum war, wie erwähnt, nur durch eine Bodenluke zu erreichen und kann deshalb wohl kaum als Représentations- oder Festraum bezeichnet werden. Die Lust am Dekorieren in diesem abgelegenen und abgeschlossenen Raum lässt an ein ganz spezielles Refugium mit intimem Charakter denken. Welchem Zweck dieser Raum diente und welche Künstler hier nach Herzenslust malen durften, bleibt uns verborgen. Handelte es sich um einen geheimen Treffpunkt im Sinne eines Lust- und Gartenhauses, oder wurden die Räume einem oder mehreren Künstlern als Experimentierraum zur Verfügung gestellt? - Phantasien des 20. Jahrhunderts, die vielleicht mit der Situation um 1700 wenig gemeinsam haben. Gewiss ist, dass der völlig ausgemalte Dachstock im Le Grand-Haus in Basel und seiner Umgebung keine Parallelen findet.
Für den vorstehenden Artikel verfasste Romana Anselmetti von der Basler Denkmalpflege die kunsthistorische Betrachtung, Daniel Reicke, ebenfalls von der Basler Denkmalpflege, erläuterte die Baugeschichte, und der Restaurator Paul Denfeld schilderte die Restaurierung der Malereien.
Anmerkungen
1) Zu sehen auf einem Plan von 1693 von Friedrich Meyer, Riehen und Bettingen. Original im StABS, Planarchiv G 1,12. Abgedruckt in Emil Bachmann: «Die Basler Stadtvermessung», Basel 1969, S. 12
2) Original im Diakonissen-Mutterhaus, Riehen. Masse 73 cm X 99 cm
3) Auf Grund der Quellen und Befunde lassen sich folgende baugeschichtlichen Zustände des Hauses feststellen: 1. Zustand: um 1692, 2. Zustand: vor 1766 (ähnlich dem Zustand von 1692), 3. Zustand: nach 1766, 4. Zustand: 19. Jahrhundert, nach der Renovation von 1888
4) Literatur dazu: Christian Renfer und Eduard Widmer: «Schlösser und Landsitze der Schweiz», Zürich 1985
5) Stadt- und Münstermuseum Basel UB. Dep. 4
6) Beteiligt an diesen Arbeiten waren Christine Greder im Auftrag der Denkmalpflege, Daniel Reicke, Bernard Jaggi und Hans Ritzmann als Mitarbeiter dieses Amtes sowie Restaurator Paul Denfeld. Markus Schmid, Architekt bei der Denkmalpflege, war zuständig für die Bauberatung.
7) Lehmann und Frey, siehe S. 5. Quellen: Kaufbriefe 1687/88: StABS, Hausurkunden 916,1-3; Brunnenbrief 1692: StABS, Hausurkunden 916,4
8) siehe RGD, S. 216
9) Johannes Visscher-Galli: «Kunstwerke aus Riehen in Gstaad», in: RJ 1971, S. 78-86, und «Neue Funde alter Bemalungen aus dem Le Grand-Haus», in: RJ 1977, S. 51-60
10) Zur ursprünglichen Ausstattung des Zimmers gehörte auch ein Kastenofen mit halbrundem Abschluss auf drei Füssen mit grünen Reliefkacheln. Er befindet sich heute in Vercorin VS. Mitteilung von Hafnermeister Hans Seckinger
11) Die für die Vergleiche verwendeten Materialien und Fotos stammen von der Basler Denkmalpflege
Personen:
Brunschwiler, Franz Robert (1635-1690), Kaufmann, Oberstzunftmeister, Bürgermeister Platter, Thomas (1499-1582), Buchdrucker, Humanist, Rektor Gymnasium