Der Aubach, der Mühleteich und die Sache mit dem Grundwasser

Jürg Schmid

Die Probleme, die der Hochwasser führende Aubach verursachte, wurden mit einer innovativen Lösung behoben.

Die Hochwasser des Aubachs richteten nach und nach gravierende Schäden an den Ufern des Mühleteichs an, in welchen er mündet. Die stetige Verkeimung des Grundwassers war die Folge, weil die Bachufer durchlässig geworden waren. Wie mit einer ungewöhnlichen Lösung diese Probleme behoben und dazu die beiden Gewässer ökologisch wesentlich aufgewertet werden konnten, illustriert das IWBProjekt Hochwasserableitung Aubach und dessen Teilrevitalisierung durch Pro Natura und die Gemeinde Riehen.

In der Wiese-Ebene war das Wasser schon immer ein bestimmendes Element. Hier münden die Dorfbäche Aubach, Immenbach und Bettingerbach sowie die beiden Bächlein am Schlipf in grössere Gewässer, hier flankieren der Mühleteich, weiter unten Neuer Teich genannt, der Alte Teich sowie der Weilmühleteich das Hauptgewässer Wiese und hier hat vor allem das unsichtbare Grundwasser als Trinkwasserlieferant eine ganz besondere Bedeutung für die Agglomeration Basel. Die oberste Priorität des Grundwasserschutzes und der Trinkwassergewinnung gerät in den Langen Erlen oft mit anderen, nicht weniger legitimen Ansprüchen der öffentlichkeit in Zielkonflikte. So verhält es sich beim Wunsch nach naturnahen Gewässern in freien, abwechslungsreichen Läufen, die sich ohne besondere technische Vorkehrungen hier kaum realisieren lassen. Der angesprochene Zielkonflikt führt, salopp formuliert, dazu, dass das Naturgut Grundwasser vor dem oberirdischen Naturgut Flusswasser geschützt und abgetrennt werden muss, damit kein Austausch stattfinden kann. Dieser auf den ersten Blick befremdliche Sachverhalt ist darin begründet, dass natürlich verlaufendes, aber Umgebungseinflüssen ausgesetztes Wiese- und Bachwasser vor allem durch menschliche Tätigkeiten verkeimt ist und deshalb nicht in das darunter liegende saubere, unverkeimte Grundwasser gelangen darf. Das Zusammenspiel des Aubachs mit dem Mühleteich und dem empfindlichen Grundwasser sind ein typisches Beispiel für diese heikle Konstellation.

Der Aubach verlässt seine unterirdische Führung unter dem Dorfgebiet unweit des Kehrplatzes Bachtelenweg und floss vor seiner Revitalisierung in einer betonierten und gepflästerten Kanalstrecke über rund hundert Meter direkt in den Mühleteich. Das starke Gefälle von 7 Prozent und die gerade, widerstandslose Führung des Bachs bewirkten, dass nach starken Regenfällen bis zu 5 m3 Wasser pro Sekunde ungebremst in den Mühleteich schössen und dessen Kapazität überforderten. Diese für den Aubach typischen, plötzlich auftretenden Hochwasser haben die befestigten Ufer des Mühleteichs mit den Jahren auf einer langen Strecke stark beschädigt. Die für die Trinkwassergewinnung verantwortlichen Industriellen Werke Basel beunruhigte diese Tatsache vorerst nicht, da man annehmen konnte, dass die verletzten und zerbröckelnden Betonufer - teilweise noch aus dem Jahr 1902 - durch abgelagerte Schwebestoffe und Sedimente im Wasser dicht halten würden. Kolmatierung nennt man diese natürliche Abdichtung, die sich zuverlässig auf den Flussund Bachsohlen einstellt und diese gegen den Untergrund weitgehend abdichtet. Und das ist in Gewässerschutzgebieten mit Trinkwassergewinnung auch unbedingt nötig, weil sonst die Mindestanforderungen an das Trinkwasser nicht eingehalten werden können.

Die Hoffnungen erfüllten sich nicht. Führte der Aubach dem Mühleteich viel Wasser zu, drang dieses durch die defekten Ufer ins Grundwasser und verkeimte es, was zwangsläufig zur vorübergehenden Unterbrechung der Trinkwassergewinnung bei den Brunnstuben im Zuströmbereich führte. Erschwerend kam hinzu, dass sich bei starken Regenfällen die Wasserqualität des Aubachs regelmässig verschlechterte, da die Mischwasserkanalisation aus Inzlingen bei überlastung in den Aubach abgeleitet wird.

Die IWB prüften deshalb, wie man diesen Missstand gründlich und kostengünstig beheben könnte. Geprüft wurde die komplette Sanierung und Abdichtung des ganzen Bachbetts des Mühleteichs respektive des Neuen Teichs, wie er im unteren Abschnitt genannt wird. Der bauliche Aufwand wäre in den Gewässerschutzzonen SI und S II enorm gewesen, ganz abgesehen von Rodungen mit den nötigen Ersatzaufforstungen, die für die Bauarbeiten umumgänglich geworden wären.

Ein ganz anderer Ansatz versprach, die Verkeimungsgefahr des Grundwassers weitgehend zu bannen: Könnte der Durchfluss im Mühleteich auf rund einen Kubikmeter pro Sekunde beschränkt werden, würde kaum mehr Oberflächenwasser über die ungeschützten Ufer ins Grundwasser gelangen. Um dieses Ziel zu erreichen, müssten die Hochwasser des Aubachs spätestens im Mündungsbereich beim Mühleteich abgeleitet werden, damit sie dessen Wasserstand nicht beliebig verändern konnten. Aber wohin mit diesen kurzfristig anfallenden Wassermassen?

Die beauftragten Ingenieure fanden eine bestechende, preisgünstige und ökologisch vorteilhafte Lösung. Sie schlugen vor, von der Mündung des Aubachs in den Mühleteich im Gebiet Bachtelen einen unterirdischen «überlaufkanal» zum bestehenden Mischwasserentlastungskanal der Gemeinde zu bauen (siehe Bautafel rechts), welcher entlang der Weilstrasse verläuft. Damit könnten sowohl zu hohe Wasserführungen des Teichs aus Deutschland wie auch die Hochwässer des Aubachs abgefangen und direkt in die Wiese geleitet werden. Diese Lösung garantiert eine konstante Wassermenge im Teich, erspart die komplette Ufersanierung und ermöglicht erst noch eine spätere naturnahe Gestaltung des Gewässers.

Nach umfangreichen Vorabklärungen konzentrierte sich die Planung auf diesen Lösungsansatz und der Beschluss zur Realisierung wurde gefasst. Neben dem rein technischen Bauwerk mit der Abflussregulierung und Hochwasserableitung wurde gleichzeitig die naturnahe Gestaltung des Mündungsbereichs Aubach und Mühleteich geplant.

Der Grosse Rat bewilligte das Projekt der IWB mit Kosten von rund 1,3 Millionen Franken im Frühjahr 2005 und die Gemeinde Riehen erwog ihrerseits, die gepflästerte «Schussrinne» des Aubachs vom Dolenende bis zum Mündungsbereich beim Neuen Teich zu revitalisieren und so ihren Teil zur Aufwertung des ganzen Gewässerbereichs beizutragen. Ob diese Absicht der Gemeinde im selben Zeitraum in das Hochwasserprojekt der IWB eingebunden werden könnte, war allerdings anfänglich noch nicht gesichert.

Im Frühjahr 2005 nahm Pro Natura Basel Kontakt mit der Fachstelle Umwelt der Gemeinde auf und fragte, ob der Verband anlässlich seines fünfzigjährigen Bestehens die Renaturierung eines geeigneten Bachabschnitts als Jubiläumsbeitrag in Riehen übernehmen könne. Die Revitalisierung des besagten Aubachabschnitts kam ins Gespräch. Nun bestand die Aussicht, dass die Gemeinde die ins Auge gefasste Revitalisierung mit namhafter finanzieller Beihilfe von Pro Natura gleichzeitig mit dem IWB-Projekt durchführen könnte. Grosse Vorteile eines gemeinsamen Vorgehens waren sofort sichtbar: Eine gemeinsame Baueingabe für beide Projekte wäre möglich, Landabtausch und -erwerb, Offertausschreibungen, Einrichten von Bauinstallationen, Baupisten und so weiter könnten gemeinsam, gleichzeitig und kostengünstiger angegangen werden. Kopfzerbrechen bereiteten weniger technische Probleme als der nötige Landabtausch der Gemeinde und der IWB mit der Einwohnergemeinde Basel und der Landkauf von Privat sowie die Neubildung einer «Bachparzelle». Alle Beteiligten wurden sich in der Landfrage einig, aber die notarielle und grundbuchamtliche Abwicklung erwies sich als komplex, aufwändig und teuer.

Mittlerweile hatten die Bauarbeiten der IWB an der Hochwasserableitung vom Mühleteich zum Mischwasserentlastungskanal an der Weilstrasse begonnen. Nach dem Abtrag des Ober- und des Unterbodens konnte der anstehende, allerdings abgedichtete Kiesboden als Baupiste genutzt werden. Die beauftragte deutsche Firma setzte in der Einfachheit und der Genauigkeit des Vorgehens neue Massstäbe: Die riesigen, je über zehn Tonnen schweren Röhrenelemente wurden mittels Lasereinmesstechnik und ausschliesslich mit millimetergenau bedienten Grossbaggern verlegt, wobei auf der ganzen Baulänge von 320m eine kaum wahrnehmbare Abweichung im Millimeterbereich erzielt werden konnte. Schieber und Verteilelemente wurden aus Gewässerschutzgründen nicht an Ort betoniert, sondern vorgefertigt mit Spezialtransporten angeliefert.

überhaupt musste eine Vielfalt besonderer Umweltauflagen berücksichtigt werden. So mussten auf Weisung des Amtes für Umwelt und Energie zum Schutz des Bodens der Oberboden (Humus) abgeschürft und separat für die spätere Rekul tivierung des Baugeländes ohne Verdichtungsgefahr abgedeckt gelagert werden, ebenso die nächstfolgende Schicht, der Unterboden. Zum Schutz des Grundwassers mussten «dichte» Installationsplätze und Baupisten gebaut werden, damit keinerlei wassergefährdende Stoffe in den Boden gelangen konnten. Zusätzlich erschwert wurde die Bautätigkeit durch das nasse Wetter. Mass die auf der Baustelle eigens eingerichtete Messapparatur eine zu grosse Bodenfeuchtigkeit, mussten sämtliche Erdarbeiten eingestellt werden. So war auf den grossen Bautafeln zu lesen, dass die Bauarbeiten voraussichtlich vom November 2005 bis zum März 2006 dauern würden, aber daraus wurde nichts. Bereits im Dezember war der Boden fast andauernd derart feucht, dass sämtliche Tätigkeiten ruhten. Dieser Zustand dauerte bis ins Frühjahr 2006, und erst im Mai konnte das Bauwerk so fertiggestellt werden, dass die Hochwasserableitung in Betrieb genommen werden konnte. Diese regelt unterdessen zuverlässig elektronisch gesteuert und vollautomatisch den Abfluss aus dem Mündungsgebiet in den Hochwasserentlastungskanal und in den weiteren Verlauf des Mühleteichs. Das ganze Mündungsgebiet wurde naturnah mit einer Mittelinsel gestaltet und soll ein ruhiger Ort ohne regelmässige Störungen bleiben, damit sich die Wasseramsel weiterhin wohl fühlt.

Gleich nach der Fertigstellung der Hochwasserableitung wurde die Revitalisierung des oberirdisch liegenden Aubachabschnitts in Angriff genommen. Pro Natura und die Gemeinde einigten sich für ihr Projekt gleich zu Beginn darauf, dass die Gemeinde die Projektleitung übernehmen würde und mit ihrer finanziellen Beteiligung den Landerwerb und -abtausch, Grundbuch- und Notariatskosten sowie die Planungskosten übernehmen sollte. Pro Natura erklärte sich bereit, für die eigentlichen Tiefbaukosten aufzukommen.

Die beiden Partner der Revitalisierung mussten in der Folge allerdings einige Wechselbäder durchstehen. So sprengten die offerierten Baukosten die ein Jahr zuvor geschätzten Kosten bei Weitem und in aller Eile wurden einfachere Revitalisierungsvarianten entworfen - und wieder verworfen. Schliesslich bot sich unversehens eine kostensparende Lösung an: Gleich nach Abschluss der Bauarbeiten an der Hochwasserableitung konnte dieselbe Firma auch die Revitalisierung des Aubachabschnitts übernehmen; am Platz vorhandenes Personal und alles nötige schwere Gerät konnte unverzüglich auf den bereits gebauten Baupisten wirken. Es war nicht zu vermeiden, dass diverse Jungbäume und im Mündungsbereich mehrere grosse Bäume - vor allem Eschen und Erlen - gefällt werden mussten.

Stück um Stück wurde neben dem bestehenden Aubach das neue Bachbett gebaut, mit abdichtendem Ton ausgekleidet, mit befestigenden Steinbrocken versehen und der Bach in den neuen Abschnitt geleitet. Die alte betonierte Führung wurde entweder aufgefüllt und zugedeckt oder wenn nötig abgebrochen und dann zugeschüttet. Nach wenigen Wochen war es soweit, dass der «neue» Aubach in seinem geräumigen Bett das naturnahe Mündungsgebiet am Mühleteich erreichte. Ein erstes Gewitter mit Hochwasser verschob zwar einige der strömungsmindernden Prallsteine, sodass teilweise noch grössere und schwerere Steine eingesetzt werden mussten. Seither hat das neue Bachbett den Wassergewalten klaglos widerstanden - und vor allem freudige Zustimmung geerntet. Die Bepflanzung mit einheimischen Sträuchern geschah unter Anleitung von Pro Natura durch Riehener und Basler Schulkinder. Sowohl die Bachstrecke wie auch das Mündungsgebiet bleiben Ruhezonen für die Natur und werden nur punktuell zugänglich sein - Aussichtspunkt und Bänke mit Ausblick auf den Aubach sind geplant.

Am 25. November 2006 wurde das rund hundert Meter lange revitalisierte Teilstück des Aubachs beim Bachtelenweg in Riehen öffentlich eingeweiht. Mit der zahlreich besuchten, sehr gelungenen Veranstaltung mit Regierungspräsidentin Barbara Schneider, mit den Pro-Natura-Kantonalpräsidenten Heinz Reust, unserer Gemeinderätin Irène Fischer-Burri, Presse, Behörden und Schulklassen fand das gemeinsame Projekt seinen würdigen Abschluss. Mit der Revitalisierung des Aubach-Abschnitts wurde zusammen mit dem Gesamtprojekt der IWB eine sichtbare Aufwertung des dorfnahen Erholungsraumes erreicht und ein Naturschutzanliegen erfüllt, welches als würdiges «Jubiläumsgeschenk» von Pro Natura an die Bevölkerung gelten darf.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2007

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