Der Maler und Graphiker Gaston von Felten

Vera Stauber

Als Gaston von Feiten die Mitteilung erhielt, das Riehener Jahrbuch werde ihm einen Beitrag widmen, freute er sich sehr über diese Anerkennung. Kurz darauf starb er nach langer Krankheit und doch überraschend am 8. Juli 1987, wenige Tage vor seinem 55. Geburtstag. Aus dem Beitrag ist nun unerwartet ein Nachruf entstanden und damit der Versuch, einem stillen Künstler näher zu kommen, der sich nie an die öffentlichkeit drängte.

Gaston von Feiten wuchs in Basel an der Greifengasse auf, wo sicher auch der Ursprung für seine Liebe zur Fasnacht zu finden ist. Bei Donald Brun schloss er erfolgreich eine Lehre als Graphiker ab und begab sich anschliessend nach Paris, wo er in einer Werbeagentur tätig war. Seine berufliche Laufbahn setzte er in mehreren Grossstädten Deutschlands fort. In der Mitte der sechziger Jahre kehrte er in die Schweiz zurück, liess sich zunächst in Zürich und 1969 schliesslich in Riehen nieder. Die Arbeiten für die verschiedenen Werbeagenturen zeugen von seinem hervorragenden Können in der Sparte der Gebrauchsgraphik. Er hatte die Fähigkeit, Ideen in einfache, klare und prägnante Werbegraphiken umzusetzen. Für seine Arbeiten erhielt er mehrere Auszeichnungen, unter anderem für drei Plakate im Rahmen der alljährlich stattfindenden Wahl der besten Schweizer Plakate. In seinen graphischen Arbeiten wie auch später in der Malerei war er ein Perfektionist. Immer wieder überarbeitete er einen Entwurf, verbesserte, war selten mit sich selbst zufrieden und arbeitete immer äusserst konzentriert.

Diese Exaktheit war seinem Wesen sonst fremd. Er war keineswegs ein analytischer Mensch, der Geschäfts- und Privatleben in eine übersichtliche Ordnung bringen konnte. Er war auch nicht ein Kämpfer und Draufgänger, sondern ein bedächtiger und besinnlicher Mensch. Das Geschäftsleben mit seinen harten Leistungsforderungen war letztlich nicht seine Welt. Er zog daraus die Konsequenzen, machte sich 1970 selbständig und übernahm nur noch solche graphische Aufträge, die er eigenständig entwerfen und ausführen konnte.

Gleichzeitig wendete sich Gaston von Feiten der Malerei zu. Durch seine enge Verbundenheit mit Basel und besonders mit der Fasnacht malte er für verschiedene Cliquen wie die Basler-Mittwoch-Gesellschaft, die Alten Steinlemer oder die Basler Dybli Laternen. Schliesslich begann er kleinformatige Fasnachtssujets zu malen, die eine ganz besondere Anziehung auf den Betrachter ausüben. Diese Fasnachtsimpressionen sind nicht laut, fröhlich und unbeschwert, sondern ganz dem Wesen ihres Schöpfers entsprechend leise und zart in Ausdruck und Farbe, verträumt und verspielt, aber auch geheimnisvoll und unheimlich. über allen Bildern schwebt ein Hauch von Melancholie. Es handelt sich um Figuren- oder Larvenbilder, die in eine symbolisch-mystische Welt führen. Vielleicht sah er sich selbst hinter diesen Masken, die ihm Schutz boten vor der realen Welt. Auffallend ist, dass er den Menschen ausschliesslich in der karikierten Form der Fasnachtsfigur darstellt. Immer wieder erscheinen vogelartige Einzelmasken, die ihm mehr bedeutet haben müssen als lediglich ein originelles Sujet. Meinte er mit diesem Vogel nicht den Traum vom Sich-Abheben-Können? Oder ist der Vogel ganz im Gegenteil Symbol für alles Bedrohende, vielleicht sogar für den Tod?

Auf den ersten Blick vollkommen verschieden sind Gaston von Feltens später entstandene Landschaftsbilder, meist auch kleinformatige Gouachen. Doch der Bildaufbau ist ähnlich. Gaston von Feiten war fasziniert von den Möglichkeiten, die sich durch die Schichtung ergeben. In den Fasnachtsbildern findet diese in Falten, Rüschen und Kragen ihren Ausdruck. In den Landschaften vertiefte er das Spiel mit den Schichten noch. Seine Juralandschaften, nach denen er sich sehnte, setzen sich aus mehr oder weniger stark herausgearbeiteten Streifen und Rechtecken zusammen, geometrischen und kubistischen Grundsätzen folgend. Beim genauen Hinsehen wird auch deutlich, dass dasselbe Thema wie in den Fasnachtsbildern in neuer Form erscheint. «Landschaftsimpressionen - Fasnachtsträume» nannte er seine Bilder anlässlich einer Ausstellung gemeinsam mit Susy Wertenschlag. Diese Impressionen orientieren sich nicht an realen Vorbildern, sie sind frei erfunden, entspringen einer innern Traumwelt, sind sur-real. Wie in den Fasnachtsbildern wird die reale Welt aus den Landschaften verbannt.

Gaston von Feiten war ein empfindsamer und leicht verletzlicher Mensch. Er brauchte das Lob über seine Arbeit, hoffte, dass seine Bilder geschätzt würden und bezog diese Anerkennung tief in seinem Innersten vielleicht weniger auf seine Bilder als vielmehr auf seine Person. Denn obwohl er ein geselliger Mensch war, wurde er mehr und mehr ein Aussenseiter in einer Gesellschaft, in der Träumer wenig Platz haben. Er konnte den Anforderungen dieser Gesellschaft nicht folgen und verschloss sich andern gegenüber. Malen bedeutete ihm eine Hilfe auf der Suche nach einer für ihn gültigen Lebensform.

Kurz vor seinem Tod entdeckte er offenbar eine neue Welt. Als er das letzte Mal aus dem Spital entlassen wurde, konnte er kaum darauf warten, nach Hause zu gehen, in sein gemütliches Atelier unter der Dachschräge an der Kirchstrasse 21, das er sehr liebte. Er war fröhlich, hatte gute Hoffnung für seine Gesundheit und wollte malen. Und er malte eine ganz neue Landschaft. Verschwunden die geschichtete Landschaft mit ihren verschlossenen Kugelbäumen, verschwunden auch die dunkelblauen und -grünen Farbtöne, die immer mehr die einst hellen, zarten, aufeinander abgestimmten Farbklänge abgelöst hatten. Entstan den ist ein grossformatiges, helles, malerisch aufgelöstes Bild mit Bäumen, die sich nicht mehr in sich selbst verschliessen, sondern die äste ausbreiten und sich öffnen. Es sollte Gaston von Feltens letztes Bild sein. Noch zeigte die erste Fassung unter dem jetzigen Bild Trauerweiden im Winter. Noch ist es auch in diesem Bild Winter und kalt. Aber etwas ist geschehen, lässt Hoffnung auf Neues entstehen. Gaston von Feiten war im Aufbruch. Es ist gut, dies zu wissen.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1987

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