Der naturnahe, ökologische Garten

Hansruedi Hochuli

Sein Wert für den Naturschutz und den Menschen in der heutigen Zeit

Obwohl die Siedlungsfläche sich in den letzten fünf zig Jahren mehr als verdoppelt hat, ist Riehen dank seiner Gärten noch immer eine relativ «grüne» Gemeinde geblieben - ein Grün freilich, das oft steril ist und wenig Leben und Vielfalt aufweist. Der junge Biologe Hansruedi Hochuli will mit seinem Beitrag das vorhandene Potential an Natur, das in unseren Gärten und Grünflächen liegt, ins Bewusstsein rufen. Er zeigt die Möglichkeit, einen ökologischen Garten anzulegen, vor allem am Beispiel der mageren Blumenwiese. Verschiedene andere Aspekte, wie zuin Beispiel das Kompostieren, biologische Schädlingsbekämpfung, Anlage von Feuchtbiotopen oder Gemüsegärten in Mischkultur, wie auch die sehr komplexe Frage einer standortgerechten Auswahl von Büschen und Bäumen konnten auf dem knappen Raum dieses Artikels nicht ausführlich behandelt werden. Alle diese Massnahmen tragen dazu bei, die Artenvielfalt unserer einheimischen Flora und Fauna zu erhalten und neben dem Kraut auch das Unkraut wieder gedeihen zu lassen, so wie Ueli der Schreiber das im folgende?! Gedicht beschreibt. 

Die Redaktion

 

Ein Berner namens Werner Zünsel

entdeckte einst ein Büschel Günsel,

das, leicht entfernt vom Rasenrand,

sich dort in blauem Blust befand.

«Was ist das für ein wildes Kraut,

das mir des Rasens Grün versaut?»

rief voll Empörung Werner Zünsel

und warf sich jählings auf den Günsel

und riss ihn aus mit wildem Grimme,

damit sein Garten wieder stimme.

Wer gab uns denn die Kompetenzen,

vom Kraut das Unkraut abzugrenzen?

Es können Zünsel und sein Rasen

mir beide in die Schuhe blasen.

Naturverständnis und Ziergarten

Der Mensch bedrängt und zerstört durch seine alltäglichen Tätigkeiten seine Umwelt. Bauvorhaben (pro Sekunde wird in der Schweiz ein Quadratmeter Boden verbaut! ) verwandeln das ehemalige Grün in tristes Grau. Auch die Landwirtschaft verändert die ehemals vielfältigen und artenreichen Lebensräume zum Teil in artenarme, lebensfeindliche Agrarsteppen (Monokulturen, Fettwiesen). Der Mensch will sich vom Alltagsstress erholen. Dazu braucht er oft das Auto, um damit ins Grüne zu fahren, wo er Erholungs- und Freizeiteinrichtungen vorfindet (Vita-Parcours, Finnenbahn, Wanderwege, Reitwege, Restaurants). In den Ferien sucht er sich ein besonders schönes Reiseziel aus, «wo die Welt noch in Ordnung ist». Wie anders lässt es sich erklären, dass zum Beispiel das Engadin, das Berner Oberland oder das Wallis (um einmal in der Schweiz zu bleiben) im Sommer und im Winter von den Erholungssuchenden überflutet werden? Der Mensch hat ein Bedürfnis nach Natur. Um dieses Bedürfnis zu stillen, zerstört er immer mehr Natur und Umwelt... Eine paradoxe Situation.

Wer in der glücklichen Lage ist, ein Haus mit Garten zu besitzen, kann durch das Anlegen eines naturnahen (ökologischen) Gartens einen grossen Beitrag zur Stillung dieses Bedürfnisses selber leisten und dabei der Natur erst noch nützen. Viele Menschen sehnen sich nach «Natur», dulden diese aber im eigenen Garten nicht! Vielmehr wird mit grossem Arbeits-, Energie- und Lärmaufwand und oftmals auch durch Giftmitteleinsatz (Herbizide, Insektizide, Kunstdünger) jedes unerwünschte Pflänzlein ermordet. Jeder Zierrasen ist eine künstliche Monokultur, die nur dank der Unterdrückung aller übrigen Arten bestehen kann. Er ist lebensfeindlich und eintönig. Trotzdem ist in der Schweiz eine Fläche von der Grösse des Kantons Zug (239 Quadratkilometer) von Zierrasen bedeckt. Eine Veränderung dieser Situation ist nötig.

Der ökologische Garten

Mit ein wenig Verständnis für die Natur und ihre Ansprüche können Gartenbesitzer der verdrängten Natur und sich selber einen grossen Dienst erweisen. Wenn Sie das nächste Mal gemütlich im Garten sitzen, fragen Sie sich doch einmal: «Wozu ist mein Garten eigentlich gut? Welchen Teil des Gartens benötigen ich und meine Kinder als aktiven Bewegungs- und Spielraum, und welcher Teil dient nur der Zierde?» Soll der Garten ein steriles, künstliches Ding bleiben oder soll er lebendig werden? Sollen weiterhin exotische, krankheitsanfällige, an unsere Verhältnisse (Klima, Boden etc. ) unangepasste Bäume und Sträucher gehätschelt werden, die nur ganz wenigen Tieren Lebensraum bieten? Oder sollen nicht vielmehr einheimische, angepasste Pflanzen mit allen den von ihnen und auf ihnen lebenden Tieren bevorzugt werden? Von einem Apfelbaum leben im Idealfall über 20 Tierarten!

Durch das Aufkommenlassen oder Anpflanzen von einheimischen Bäumen, Sträuchern und Krautpflanzen können Sie die Artenzahl (Pflanzen und Tiere) sowie die Lebendigkeit, Farbigkeit und den Naturwert Ihres Gartens enorm steigern. Dazu einige Beispiele:

 

- Eine Hecke aus einheimischen Bäumen und Sträuchern, zum Beispiel Liguster, Hartriegel, Weissdorn, Holunder, Schneeball, Himbeere und Haselnuss, bietet mehr als 1 00 Insektenarten verschiedenste Lebensräume. Eine Hecke aus Forsythien, Thuja oder Feuerdorn aber ist ein totes, wertloses Ding, ebenso wie ein Cotoneasterbewuchs.

- Die einheimische Eberesche dient 63 Vogelarten als Nahrungsquelle und Lebensraum. Die Bastard-Eberesche kann nur von vier Arten genutzt werden.

- Der einheimische Wacholder wird von ungefähr 40 Vogelarten angeflogen, der chinesische dagegen nur von einer.

- Zuchtformen können sehr verhängnisvoll sein. Die Raupen des Kleinen Schillerfalters und des Grossen Eisvogels (Schmetterlinge) ernähren sich vom Laub der Zitterpap pel. Die Falter legen ihre Eier aber auch auf die eingeführte, kanadische Hybridpappel. Da die Blätter dicker sind als jene der Zitterpappel, können die frischgeschlüpften Raupen diese nicht fressen und gehen zugrunde. - Viele Insekten wie zum Beispiel Schmetterlinge sind auf spezielle Futterpflanzen angewiesen. Die Dezimierung der Futterpflanzen führt auch zur Ausrottung der Schmetterlinge. Stieleiche, Faulbaum, Kreuzdorn, Schwarzdorn, Weissdorn, Traubenkirsche, Brennessel und Disteln sind äusserst wichtige Nahrungspflanzen, von denen Schmetterlinge, Zünsler und Spanner abhängig sind. Durch das Anpflanzen dieser Baum- und Straucharten sowie durch das Anlegen von Brennesselund Distelecken können Sie Ihren Garten in ein Schmetterlingsparadies verwandeln.

Wie gestalte ich meinen naturnahen Garten?

Zu diesem Thema gibt es eine Fülle von Literatur, welche über den Schweizerischen Bund für Naturschutz, den WWF sowie den Buchhandel bezogen werden kann.

Zur Anlage von Bäumen und Sträuchern eignen sich vor allem Grundstücksgrenzen sowie Borde und Raine im Garten. Es gibt Listen einheimischer Pflanzen, die sich dafür speziell eignen. Neben Bäumen und Sträuchern sind auch Kletterpflanzen und Wiesenblumen aufgeführt (zum Beispiel erhältlich bei der Gemeinde Schwerzenbach/ZH). Dabei ist freilich zu beachten, dass jeder Garten je nach Licht, Wasser und Bodenbeschaffenheit ein eigenes Mikroklima aufweist und sich deshalb für spezifische Pflanzen eignet. Die Beratung durch einen naturnah denkenden Gärtner ist in jedem Fall wertvoll. Bäume und Sträucher brauchen nur sehr wenig Pflege. In der Regel werden sie einmal pro Jahr zurückgeschnitten. Das anfallende Material eignet sich sehr gut zum Kompostieren.

Legen Sie Ihre Vorurteile gegen sogenannte «Un-Kräuter» ab, oder sind Sie ein «Un-Mensch»? Blumen in voller Blütenpracht (nicht nur importierte Tulpen und andere Zuchtformen) verschönern nicht nur die Natur, sondern auch Ihren Garten.

Welch immensen Arbeits-, Energie- und Lärmaufwand leisten Sie doch jede Woche, um einen Zierrasen zu erhalten. Sie können aus jenem Teil des Gartens, den Sie nicht als Spiel- und Bewegungsraum benötigen, eine lebendige Blumenwiese gestalten. Es gibt dazu zwei Möglichkeiten: Einfach wachsen lassen: Damit kann zu einem beliebigen Zeitpunkt begonnen werden. Der erste Schnitt ist fällig, wenn das Gras eine Höhe von 25 bis 30 Zentimeter erreicht hat. Diese Methode hat Vorteile: Der Zeitaufwand ist gering, die Umwandlung ist von Anfang an dem Standort angepasst (Boden, Klima usw.). Daneben hat sie aber auch Nachteile: Es braucht Geduld; die Wiese sieht «unschön» aus und Blumen stellen sich erst allmählich ein. Der erste Schnitt ist mühsam, weil er entweder mit der Sense oder einem Wiesenmotormäher ausgeführt werden muss.

Gezieltes Ausbringen von Saatgut: Der zur Umwandlung bestimmmte Rasen wird umgebrochen und das Saatgut ausgebracht. Bei trockenem Wetter sollten die frisch angesäten Stellen befeuchtet werden. Es sollte erst gemäht werden, nachdem die Pflanzen abgesamt haben.

Vorteile: Die Artenmischung ist von Anfang an reichhaltiger und vielfältiger; die Pflanzendecke ist von Anfang an locker, das Gras verfilzt nicht; auf Spaziergängen können Sie Samen von Pflanzen sammeln und aussäen. Nachteile: Der Aufwand ist zu Beginn grösser; das Saatgut muss in grösserer Menge beschafft werden; ein Teil der ausgesäten Pflanzen wird wieder verschwinden, weil sie nicht an diesen Standort und diese Art der Pflege angepasst sind.

Die magere Blumenwiese erträgt keinerlei Dünger, weder Rasendünger noch Mist oder Kompost. Im Gegensatz zum Rasenmähen fällt das Schnittgut nicht häufig, dafür in grösseren Mengen an. Am besten machen Sie aus dem geschnittenen Gras Heu. Während des Trocknens und Wendens können die Samen zu Boden fallen und später wieder auskeimen. Es kann danach entweder selber kompostiert werden oder aber über die Gartenabfuhr der Gemeinde deren Kompostierungsanlage zugeführt werden.

Seien Sie geduldig. Die Natur kann ihr Antlitz nicht von heute auf morgen verändern, sie braucht Zeit. Geben Sie ihr diese Zeit. Sie können dabei ein selber angelegtes Experiment vor Ihrer Haustüre hautnah verfolgen.

Der Günsel, der im Gedicht erwähnt wurde, symbolisiert die in vielen Gärten fehlende Natur. Die mahnende Stimme am Schluss des Gedichtes klärt uns über unseren Irrtum auf. Es gibt keine Kräuter und Unkräuter, sondern nur Lebewesen mit einem Anrecht auf Lebensraum.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1987

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