Der neue ‹Alte Teich›

Jürg Schmid

Der Alte Teich in den Langen Erlen, ein ehemaliger Gewerbekanal, floss einst vom Gebiet Bachtelen bis zu den Spittelmatten. Im Laufe der Zeit wurde er so gekürzt, dass er bereits in den Grendelmatten wieder zum Neuen Teich zurückfloss. Die ‹Wiese-Initiative› machte es möglich, dem Alten Teich einen Teil seines ursprünglichen Laufes zurückzugeben.

Es heisst, der Alte Teich sei einst derjenige Arm der Wiese gewesen, der am nächsten am Dorf vorbeifloss. Er wurde 1262 erstmals erwähnt und soll der verlängerte Arm der Kleinen Wiese gewesen sein, einem grossen Seitenarm der Wiese, aus dem später der Neue Teichentstand. Im Gebiet beim Bachtelenweg zweigte er vom Neuen Teich ab und diente der Energieversorgung von zwei Holzmühlen. Die eine dieser Sägereien im Besitz des Basler Bischofs wurde 1279 erstmals erwähnt, die andere 1307.

Zur Geschichte des Alten Teichs
Nachdem der Alte Teich die beiden Holzmühlen nicht mehr antreiben musste, diente er vor allem der Speisung der Wässermatten mit ihren vielen Abzweigungen Richtung Wiese: Die Landbesitzer hatten das Recht, in genau vorgegebenen Zeiträumen Wasser aus den Wässergräben auf ihr Land zu leiten. Damit erhielten die wenig tiefgründigen Böden auf dem Flussschotter der Wiese-Ebene genügend Feuchtigkeit und mit den eingeschwemmten Sedimenten auch Nährstoffe. Das letzte Wässerreglement stammt aus dem Jahr 1912.
Das Wasser des Alten Teichs stammt nicht nur aus der Wiese, sondern auch vom Immenbach und vom Bettingerbach. Die beiden Dorfbäche münden im Brühl in die Wässergräben, die ihrerseits wieder zum Alten Teich führen. Heute sind ausser im Brühl alle Wässergräben verschwunden. Wässermatten gibt es keine mehr.
Dies hatte Folgen für den Alten Teich. Man brauchte ihn nicht mehr für die Bewirtschaftung des Landes in der Flussebene und sein Wasser stellte eine potenzielle Gefahr für das Grundwasser und die Trinkwasserproduktion dar. Der Bachlauf blieb bis Anfang der 1960er-Jahre bis zu den Spittelmatten bestehen, wurde dann aber gekürzt und in einer einfachen Röhre durch die Grundwasseranreicherung bei den Sportanlagen Grendelmatten und dann noch ein Stück im offenen Verlauf zurückgeführt zum Neuen Teich.2


Neue Zeiten und unbezahlbare Ideen
Diese technisch begründete Lösung passte nicht mehr zu den Vorstellungen und Erkenntnissen der 1990er-Jahre, wie ein ökologisch und hydraulisch funktionsfähiges Gewässer aussehen sollte. Die eidgenössische Gewässerschutz-Gesetzgebung forderte für alle Fliessgewässer einen möglichst naturnahen Lauf mit genügend breiten Uferstreifen, auf denen sich die standorttypische Vegetation entwickeln kann. Ausserdem bezeichnete die neue Naturschutz-Gesetzgebung alle Gewässer als besonders wertvolle und schützenswerte Naturräume, die Kantone und Gemeinden zu erhalten und wo immer möglich wiederherzustellen hatten, falls sie ökologisch beeinträchtigt waren: Das war nach den Begradigungs-, Kanalisierungs- und Eindolungsaktionen früherer Jahrzehnte fast überall der Fall.
Die ökologische Verbesserung des Alten Teichs fand 1998 als Ziel Eingang in das Naturschutzkonzept von Riehen. Das kantonale Fliessgewässerkonzept machte es sich 2002 ebenfalls zu eigen. Die Gemeinde Riehen wertete den Wasserlauf zwischen der Abzweigung vom Mühleteich im Gebiet Bachtelen und den Sportanlagen Grendelmatten in den Jahren 1999 bis 2004 Abschnitt für Abschnitt auf: Der Wasserlauf wurde verbreitert und aufgeweitet. Die wesentlich breiteren Uferstreifen zeigen heute bereits die typische Bachvegetation und -bestockung.

Der erste Vorschlag für den neuen Bachverlauf unterhalb der Sportanlagen Grendelmatten fiel sehr bescheiden aus und beschränkte sich darauf, den Alten Teich auszudolen und im offenen Lauf um die Grundwasser-Anreicherungsstelle herumzuführen, wie es die Industriellen Werke Basel (IWB) forderten. Diese konnten die Führung von Flusswasser durch ihre Grundwasserschutzzone SI aus Sicherheitsgründen nicht länger tolerieren.
Ein weitergehender Vorschlag wurde wegen den Kosten als unrealistisch und politisch kaum mehrheitsfähig eingeschätzt. Doch der damalige Leiter der Trinkwasserproduktion der IWB plädierte überraschend dafür: «Wenn – dann richtig». Zur Diskussion stand deshalb 1998 ein künftiger Verlauf des neuen Alten Teichs bis zum Breitmattweg und zum ornithologischen Reservat, umgangssprachlich die ‹Entenweiher›3 genannt, – so, wie der Bach früher geflossen war.
Wer das bezahlen sollte, stand in den Sternen. Die erste Kostenschätzung eines erfahrenen Ingenieurbüros bezifferte den Aufwand mit rund 640 000 Franken. Eine Machbarkeitsstudie zeigte, dass die Neulegung des Alten Teichs von den Sportanlagen Grendelmatten mit stetigem leichten Gefäll bis zu den Entenweihern möglich wäre. Wie die Rückführung des Wassers in den Neuen Teich zu bewerkstelligen sei, blieb vorerst offen. Die direkte Einleitung in die Entenweiher hätte eine Absenkung von deren Wasserspiegeln um rund 30 Zentimeter erfordert – undenkbar in einem Wasservogelreservat.

Was hat die Zollfreistrasse mit dem Alten Teich zu tun?
Diese Projektidee ‹neuer Alter Teich› blieb vorerst in der Schublade. Das änderte sich mit der Abstimmung über die Zollfreistrasse: Im allerletzten Augenblick wollten die Gegner das Strassenprojekt mit einer Volksinitiative abwenden, die den umfassenden gesetzlichen Schutz der ganzen Wiese-Ebene gewährleisten sollte. Wir wissen, wie es kam: Die ‹Wiese-Initiative› wurde vom Basler Souverän deutlich angenommen, der Strassenbau jedoch nicht abgewendet.
Der von den Initianten geforderte gesetzliche Schutz der ganzen Wiese-Ebene war de facto bereits erfüllt, und zwar durch die flächig ausgewiesenen Grundwasserschutzzonen SI und SII und die Trinkwassergewinnung, die Ausweisung des ganzen Gebiets als «Vorranggebiet Naturschutz», die Waldgesetzgebung sowie die verbindlichen Zielsetzungen des Landschaftsrichtplans «Landschaftspark Wiese».
Anstelle eines weiteren gesetzlichen Schutzes schlugen die involvierten Fachstellen des Kantons und der Gemeinde Riehen ein ganzes Paket an Naturschutz- und Gewässermassnahmen vor, um die Anliegen der Initianten zu befriedigen. Das Projekt ‹neuer Alter Teich› kam wieder aus der Schublade. Eine erneute Kostenschätzung ergab nun bereits 1,1 Millionen Franken, dennoch fand der Vorschlag politische Akzeptanz. Am 12. November 2008 sprach der Grosse Rat diesen Betrag für die Aufwertung des Alten Teichs als ersten Schritt zur Umsetzung der unformulierten ‹Wiese-Initiative›. Das Bundesamt für Umwelt sagte die Übernahme eines Kostenanteil von 35 Prozent zu.

Die Projektausführung
Das Projekt wurde von einer im Wasserbau erfahrenen Firma ausgearbeitet und zur Ausführungsreife gebracht, die Federführung oblag dem Tiefbauamt Basel-Stadt, Abteilung Wasserbau, Ingenieurbau. Begleitet wurde es von einer Gruppe Fachleute aus der Verwaltung, selbstverständlich auch aus Riehen. Für das Revitalisierungsprojekt in der Grundwasserschutzzone SII war eine Ausnahmegenehmigung des Bundes nötig. Sie setzte voraus, dass das Projekt die Qualität des Grundwassers nicht negativ beeinflussen würde.

Nach Baueingabe, Baubewilligung und Ausschreibung begannen die Tiefbauarbeiten bereits im September 2010 und wurden wegen ungünstiger Witterung nicht wie geplant vor, sondern erst nach Weihnachten 2010 abgeschlossen. Das neue Bachbett sollte nun eine Länge von fast 1000 Metern erhalten und mit geringem Gefälle der vorgegebenen Geländeneigung folgen – eben so, wie der Alte Teich früher geflossen war.
Zuerst wurde eine dem Grundwasserschutz konforme Baupiste angelegt, die praktisch dem ganzen neuen Gewässerlauf folgte und aus der später teilweise der begleitende Spazierweg entstand. Die eigentlichen Aushubarbeiten begannen unten beim Rücklauf in den Neuen Teich. Damit konnten die Sportanlagen Grendelmatten bis zur Winterpause von den Bauumtrieben verschont bleiben.
Die Rückführung in den Neuen Teich wurde nun so gelöst, dass das neue Bachbett vor den Entenweihern den Breitmattweg unterquert und um die nördliche Grundwasser-Anreicherungsstelle herumgeführt wird, um dann nach dem Waldrandweg in den Neuen Teich zurückzufliessen. Dafür war allerdings der Neubau eines aufwendigen Bachverteilungswerks nötig, das den Abfluss der Entenweiher integriert und die Speisung des Waldrandbachs Richtung Spittelmatten sicherstellt.
Die wohl aufwendigste Vorgabe des Grundwasserschutzes bestand in der vollständigen Abdichtung des neuen Bachbetts gegen unten. Auf seiner ganzen Länge musste eine mindestens 40 Zentimeter starke Opalinuston-Schicht eingebaut werden, stellenweise durch Spritzbeton verstärkt. Auch die Baupiste musste gegen unten dicht sein und der Betrieb der Maschinen war strengen Auflagen unterworfen, um das Eindringen wassergefährdender Stoffe in den Untergrund zu verhindern.
Das neue Gerinne wurde gemäss gewässerökologischen Vorgaben im ganzen Verlauf mit einer Niederwasserrinne abwechslungsreich gestaltet, sodass eine Strecke mit sichtbarer Breiten- und Tiefenvariabilität entstand. Das Bett wurde mit Flussschotter verschiedener Korngrösse und einzelnen Störsteinen ausgekleidet.

Die Uferbereiche betragen auf beiden Seiten je mindestens 5 Meter, ausser bei den Sportanlagen Grendelmatten, wo dies aus Platzgründen schlicht unmöglich ist. Die kantonale Naturschutz-Fachstelle und die Fachstelle Umwelt der Gemeinde Riehen planten die schlichte Ufergestaltung: Die wassernahen Partien wurden mit einer artenreichen, feuchtigkeitsverträglichen Wiesenmischung eingesät, die wegnahen Partien mit einem trittfesten Blumenrasen. Eher spärlich und gruppenweise gesetzte Gehölze mit Schwarz- und Weissdorn, Kreuzdorn, fünf Weidenarten, Pfaffenhütchen, Hasel, Gemeinem und Wolligem Schneeball, Hundsrose, Liguster und Stieleichen begleiten den neuen Bachlauf. Die Unterhaltsgruppe der IWB und die Gemeindegärtnerei Riehen führten die Umgebungsarbeiten durch. Insgesamt nehmen der Bachlauf und seine Ufer eine Fläche von rund 2 Hektaren ein, die der Landwirtschaft nicht mehr zur Verfügung stehen und von der Unterhaltsgruppe der IWB unterhalten und gepflegt werden müssen.

Gleichzeitig mit der Entstehung des neuen Bachlaufs wurde der bisherige Verbindungsweg von der Grendelgasse zum Breitmattweg teilweise aufgehoben, da er durch einen Brunnfassungsbereich der Gewässerschutzzone SI führte, was wegen des Gefährdungspotenzials unerwünscht war. Ein neuer Weg ersetzt ihn, der von den Sportanlagen Grendelmatten dem neuen Bachlauf folgt und anschliessend in den bestehenden Breitmattweg einmündet.
Der neue Bachlauf benötigte drei neue Brücken. Zwei davon verdienen besondere Erwähnung: Ihre aussergewöhnlich gestalteten Geländer mit Verweil- und Sitzmöglichkeiten schenkte die Metallunion Basel und Umgebung dem Kanton aus Anlass ihres 125-jährigen Bestehens. Das gewichtige und aufwendige Geschenk dieses Berufsverbands entstand als meisterhafte Lehrlingsarbeit.

Am 4. Mai 2011 schliesslich wurde der neu entstandene Alte Teich zwischen den Grendelmatten und den Spittelmatten feierlich eingeweiht. Wer die zahlreichen jungen und älteren Spaziergänger mit und ohne Hund entlang des neuen Baches sieht, wird kaum Zweifel am Erfolg des Bauwerks haben: Es schliesst nicht nur eine wichtige Lücke in der ökologischen Vernetzung, sondern steigert auch den Erlebniswert der Langen Erlen.

1 Der Neue Teich wechselt im Kantonsgebiet zweimal seinen Namen, was oft für Verwirrung sorgt: Von der Landesgrenze bei Lörrach-Stetten bis zur Abzweigung des Alten Teichs heisst er ‹Mühleteich›, bis zum Beginn des Hoheitsgebiets der Stadt Basel ‹Neuer Teich›, auf Stadtgebiet dann ‹Riehenteich›.
2 Zur Vertiefung in die Geschichte des Gewässersystems in der Wiese-Ebene empfiehlt sich das Standardwerk von Eduard Golder: Die Wiese – ein Fluss und seine Geschichte, Basel 1991.
3 Der Alte Teich ist wie das ornithologische Reservat ‹Entenweiher› ein Naturobjekt im Naturinventar Riehen von 2008. Dieses kann als CD kostenlos bei der Gemeindeverwaltung Riehen bezogen werden.

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2011

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