Der profilorientierte Kulturbeauftragte

Dominik Heitz

Mit Wolfgang Graf ist vor zwei Jahren ein Mann mit künstlerischen und organisatorischen Erfahrungen zum Riehener Kulturbeauftragten gewählt worden. Er pflegt und fördert die «kleinen» und «grossen» Kulturprofile der Landgemeinde gleichermassen.


Basel, Weil und Lörrach: Alle Orte rings um Riehen herum hatten spätestens Mitte der 1990er-Jahre einen Kulturbeauftragten - nur Riehen selber nicht. Akut wurde dieser Mangel einer koordinierenden Hand im Kulturbereich, als 1997 die Fondation Beyeler erfolgreich startete. Das Museum mischte nämlich das kulturelle Leben in der Landgemeinde nicht nur neu auf, sondern öffnete auch eine sorgenvolle Kluft zwischen sich als Institution mit internationalem Spitzenangebot und der regionalen sowie dörflichen Kultur.


Unter dem Titel «Eine kulturelle Vision für Riehen» sollte deshalb die Riehener Kultur neu geordnet werden. Und die Idee des Ressorts Kultur und Freizeit unter der Gemeinderätin Maria Iselin-Löffler war es, die Stelle eines Kulturbeauftragten zu schaffen. Die Zeit schien günstig: 1998 war der fünljährige Subventionsvertrag zwischen der Gemeinde und dem Verkehrsverein Riehen (WR) ausgelaufen. Und der VVR hatte bis dahin über drei Viertel dieser Subventionen an die kulturell tätigen Kommissionen «Arena Literaturinitiative», «Kunst in Riehen», «Theater in Riehen» und «Kaleidoskop» vergeben.


Und so wurde denn die «kulturelle Vision» in Angriff genommen: Noch im gleichen Jahr kam es zu Gesprächen zwischen Vertretern der Gemeinde, dem WR und den einzelnen Kommissionen sowie mit Cyrill Häring als Berater. Am Ende fand der Vorschlag, der Gemeinde in Form einer Neuordnung ein «Kulturprofil» zu geben, am meisten Anhänger.


Vernetzen und koordinieren

In der Folge arbeitete das Ressort Kultur und Freizeit einen entsprechenden Vorschlag aus, der im Wesentlichen Folgendes enthielt: Erstens soll der ehrenamtlich tätige und mittlerweile 100-jährige WR bestehen bleiben, wird in seiner Tätigkeit aber zurückgebunden und auf den Bereich der bisherigen Imagekommission beschränkt. Die bisher dem VVR unterstellten Kommissionen «Kunst in Riehen», «Arena Literaturinitiative» und «Kaleidoskop» sollen zu selbstständigen Rechtspersönlichkeiten in Form von Vereinen werden. Dadurch bleiben die Qualität des Kulturangebots und die ehrenamtliche Tätigkeit, die im Rahmen des VVR bis anhin geleistet wurde, erhalten.


Zweitens: Die Abteilung «Kultur und Freizeit» unter der Leitung von Vera Stauber wird wie bisher weitergeführt. Das heisst: Ihr unterstehen das Spielzeugmuseum, Dorfund Rebbaumuseum, die Gemeindebibliothek, das Histori

sehe Grundbuch, die Kommission für Bildende Kunst, die Künstlerateliers, der Kunst Raum Riehen und der Kulturgüterschutz. Ferner ist sie unter anderem für die Subventionen der Vereine sowie für den Kulturpreis zuständig.


Drittens: Es soll - wie dies in Weil, Lörrach und in Basel der Fall ist - ein Kulturbeauftragter eingesetzt werden. Seine Aufgabe soll es sein, sämtliche kulturellen Aktivitä

ten in der Gemeinde zu vernetzen und zu koordinieren, Impulse für Neues zu geben und «dem Kulturangebot in der Gemeinde ein von aussen fassbares Profil» zu verleihen. Seine Aufgabe wäre es auch, sich Gedanken zur Sparte Theater zu machen, weil die Kommission Theater in Riehen nicht mehr existierte.


«Meilenstein in der Kulturpolitik»


Der Kulturbeauftragte würde im Auftrag der Gemeinde mit einem Arbeitspensum von 50 Prozent arbeiten, wäre aber nicht angestellt, sondern stünde in einem privatrechtlichen, befristeten Vertragsverhältnis, das vorläufig auf vier Jahre beschränkt würde. Während dieser Zeit würde ihm ein Globalbudget von jährlich 320 000 Franken zur Verfügung stehen - eine Summe, die in den letzten Jahren durchschnittlich in dieser ungefähren Grössenordnung" bisher der VVR als Subvention für seine Kommissionen erhalten hatte.


Die involvierten Kommissionspräsidenten sowie der Vorstand des WR unterstützten diese Idee - im Wissen darum, dass es finanzielle änderungen geben könnte. Damit konnte nach dem positiv aufgenommenen Vorschlag eine Vorlage für den Einwohnerrat erarbeitet werden, die ebenso positiv beurteilt wurde. Hingegen beschloss die Legislative, die Arbeit des Kulturbeauftragten vorderhand auf zwei Jahre zu reduzieren. Damit war der «Meilenstein in der Kulturpolitik der Gemeinde Riehen», wie Maria IselinLöffler diesen Schritt bezeichnete, gesetzt.


Zum neuen Kulturbeauftragten wurde Wolfgang Graf gewählt. Graf hat Jahrgang 1954, stammt aus Freiburg im Breisgau und steht seit dem 1. März 2000 im Amt. Seine künstlerischen und organisatorischen Erfahrungen reichen weit zurück: Schon während des Studiums in Biologie und Chemie hatte er sich im Theaterbereich engagiert, trat dann nach dem Staatsexamen ganz zum Schauspiel über, wechselte anschliessend zum Tanz und gründete 1980 in Freiburg das «Zentrum für neuen Tanz, Theater und Improvisation». Daneben jobbte er in der Industrie.


«Es war eine Zeit, in der in den Bereichen Medien, Film, Tanz, Theater und Kunst viel entstand», sagt Graf. Dazu gehört auch das von ihm 1986 gegründete «Festival Neuer Tanz», das seither in Freiburg alle zwei Jahre durchgeführt wird und inzwischen äusserst erfolgreich ist. Und gerade dies war wohl mit ein Grund, weshalb Graf vor seiner Anstellung in Riehen 1999 interimistisch das Programm der Kulturwerkstatt Kaserne in Basel gestaltet hatte.


«Feines» Theater, bessere Räumlichkeiten

Was hat ihn an dieser neuen Stelle in Riehen so gereizt? Erstens gehöre er zu den wenigen, die seit mehr als zwanzig Jahren gleichermassen künstlerisch und organisatorisch tätig sind, was ihm als jetzigem Kulturbeauftragten sicher zugute komme. Und dann hat er natürlich gewisse Vorstellungen und Ziele: «Mein Ziel ist es, der Kultur in Riehen Profil zu geben.» Und: «Ich möchte die Riehener

Kulturszene in Verbindung mit der internationalen Kultur bringen. Ich möchte schon Sachen machen, die zu Riehen gehören, aber auch solche mit anderen Regionen.»


Wichtig ist für ihn die Koordination, denn die Kundschaft im Bereich des Künstlerischen sei nicht so gross, als dass mehrere Festivals gleichzeitig stattfinden könnten. Zudem sei in Riehen die Grenzsituation spürbar; dieser Tatsache müsse man entgegentreten und mehr Leute aus Lörrach und Weil ansprechen - «die Riehener vermehrt zu mobilisieren, ist ebenfalls noch eine Aufgabe». Und dann möchte er auch «feines» Theater machen, wozu entsprechende Räumlichkeiten nötig sind. «Räume gibts schon», meint Graf und dabei kommen ihm spontan die Reithalle und der Landgasthof in den Sinn - «nur muss man sie noch zugänglicher machen.» Das war im Jahr 2000. Inzwischen sind zwei Jahre vergangen und Wolfgang Graf ist immer noch in Riehen, denn im Sommer 2001 wurde entschieden, seinen Auftrag bis ins Jahr 2006 zu verlängern.


Was hat sich bisher getan? Wo steht Wolfgang Graf mit seinem Kulturbüro heute?


«Riehen als Tor zur Regio»


Bei seinem Arbeitsbeginn sagte Riehens Kulturbeauftragter, dass zwei Jahre wenig seien und dass er sich wünschte, der Sache mehr Lauf zu geben — was inzwischen geschehen ist. Doch in den wenigen zwei Jahren hat Graf bereits Ideen verwirklichen können, die ihn optimistisch stimmen: «Bestimmte Dinge haben sich gut entwickelt.» Dabei denkt er an das im Jahr 2000 erstmals durchgeführte Theaterfestival und an die Konzerte im Singeisenhof. Wichtig aber ist ihm auch der mit «Stimmen»-Festivalleiter Helmut Bürgel geknüpfte Kontakt. Im Jahre 2001 wurde Riehen standortmässig erstmals in dieses Festival einbezogen — mit einer für Graf erfolgreichen Fortsetzung in diesem Jahr. Graf will diesen Einbezug Riehens ins «Stimmen»-Festival etablieren. Insofern spricht er auch davon, dass Riehen die Aufgabe haben könnte, das «Schweizer Tor zur Regio» zu werden. Basel beziehe vieles von aussen nach innen, während Riehen schon immer eine starke Bewegung zur Regio gehabt habe, meint er.


In dieser Bewegung einbezogen ist die «Kultur am Schlipf» zusammen mit Weil am Rhein, die schon vor Wolfgang Graf ins Leben gerufen worden ist. Doch nun soll versucht werden, dieses kulturelle Veranstaltungspaket aufs Erzähltheater zu konzentrieren. Die im Jahr 2001 in Zusammenarbeit mit Weil durchgeführte «Barackenbespielung» im Sarasinpark habe sich diesbezüglich sehr gut angelassen.


Festivals für Tanz und Figuren

Ebenfalls über die Gemeindegrenzen hinaus geht das mobil(e) Regio Tanz Festival, das von Christopher Grimes von der Filature in Mülhausen initiiert worden ist und von Wolfgang Graf planerisch von Anfang an begleitet wurde. Leider sind Eric Bart von der Kaserne Basel und Christoph Meury vom Theater Roxy in Birsfelden vom Projekt abgesprungen. Doch das beirrt Graf nicht; seine Produktion, unter anderem in Zusammenarbeit mit der Fondation Beyeler entstanden, ist fester Bestandteil des Festivals.


Ein weiteres Festival, das für das Jahr 2003 vorgesehen ist, nennt sich Figurentheaterfestival und findet in Basel statt. Als Leiter amtiert der Riehener Christian Schuppli. Der Beitrag Riehens soll darin bestehen, eine Fachtagung in seinem Gemeindebann stattfinden zu lassen, gleichzeitig im Spielzeugmuseum, Dorf- und Rebbaumuseum eine Figurenausstellung aufzuziehen (eine erste Gemeinschaftsarbeit zwischen Wolfgang Graf und dem Museum) und im Landgasthof ein oder zwei Figurentheaterstücke zu zeigen.


Nicht aus dem Blickwinkel verlieren will Graf aber auch die Vereinskultur. «Ich werde weiterhin die Vereinskultur und professionelle E-Kultur zusammenbringen - wo das möglich ist. Wenn man den entsprechenden Rahmen schafft, dann funktioniert das», sagt er und nennt als gelungenes Beispiel das «Fescht vo Basel». Daneben möchte er den «runden Tisch» fortsetzen, der ein- oder zweimal im Jahr stattfindet und Kulturschaffende aus dem musikalischen und theatralischen Bereich zusammenbringt.


Und nicht vergessen will er die Jugendkultur. Hier fanden und finden Gespräche mit dem mobilen Jugendarbeiter von Riehen, Guido Morselli, statt, um herauszufinden, was man mit den Jugendlichen an die Hand nehmen kann (Open-Air-Kino).


In Bezug auf Organisatorisches schwebt Wolfgang Graf vor, das Ticketsystem zu intensivieren und auszubauen: «Diese Dienstleistung wollen wir grundsätzlich vergrössern.»


«Grosses» und «kleines» Kulturprofil

Was für Graf nach wie vor ein Problem darstellt, sind bespielbare Räume in Riehen. Zum einen nennt er den Landgasthof: «Die Grösse ist gut, fast wie die Kaserne.» Auch verfüge der Saal über eine gute Akustik, aber er müsste zeitgemässer gestaltet und technisch aufgerüstet werden, um ihn für Konzerte oder für Modeschauen, Theater und Firmen- und Vereinsanlässe attraktiv zu machen. Doch Graf ist zuversichtlich: «Ich glaube, jedes Jahr wird

etwas Neues bringen. Ich kann mir nicht vorstellen, dass ich es in den nächsten vier Jahren so weiterlaufen lasse, dazu bin ich zu umtriebig.» In diesem Sinne will er das «kleine» und das «grosse» Kulturprofil Riehens weiter akzentuieren: das «grosse», das weit über die Gemeindegrenzen ausstrahlt - etwa mit der Fondation Beyeler (mobil[e]-Tanzfestival) und der Beteiligung an Lörrachs «Stimmen»-Festival. Und das «kleine», das lokal ausstrahlt - etwa mit der Musikschule, der Schlagzeugschule Edith Habraken, der Stepptanzgruppe Sabine Freuler und weiteren Kulturschaffenden von Riehen. «Man muss nicht nur Leute nach Riehen holen», meint Graf, «sondern auch mit den Leuten arbeiten, die hier in Riehen sind.»


www.kulturbuero-riehen.ch


Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2002

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