Der Quartierverein Niederholz

Dominik Heitz

Wie viele andere Gemeinden ist auch Riehen eine über Jahrhunderte gewachsene Kommune, deren Bevölkerungsentwicklung zeitbedingten Gesetzmässigkeiten unterworfen ist und entsprechend schneller oder langsamer vor sich geht. Charakteristikum beim Wachstum einer schon bestehenden Siedlung ist in jedem Falle die Entstehung von Quartieren, welche mehr oder weniger eigenständig funktionieren können.

Eines der bedeutsamsten Beispiele solcher Quartiergründungen in Riehen ist das Niederholzquartier. Gerade nach dem Zweiten Weltkrieg entstand hier, im südlichen Teil des Gemeindebanns, eine Bevölkerungsagglomeration, die wegen ihrer rasanten Entstehungsweise Stärken wie Schwächen nach sich zog. Schriftlich belegbar erscheint diese Tatsache allein schon beim Durchblättern der Riehener-Zeitung jener Jahre: über das Niederholzquartier sind fast ausnahmslos Artikel zu Aufrichte-Festen und Einweihungen von Wohngenossenschaften, indes kaum welche über andere quartierbezogene Themen zu finden. Solche Zeitdokumente belegen, dass über einer schnellen, durch wirtschaftlichen Aufschwung hervorgebrachten Wohnbautätigkeit die eigene Quartier-Identität sowie ein sinnvoller Anschluss an die übrige Gemeinde in den Hintergrund treten können. Und gerade diesen Problemen sahen sich viele der Niederholz-Quartierbewohner in den siebziger Jahren ausgesetzt. Es sei unpersönlich, eine blosse «Schlafstadt» wurde gesagt, - «man weiss nicht, gehört man zu Riehen oder zu Basel», hiess es. Dabei war den Bewohnern durchaus bewusst, dass sie in Riehen zu Hause waren und auch hier zu Hause sein wollten.

Bedingt durch diese erkannten Probleme fand sich deshalb im Jahre 1976 um Urs Sutter eine Gruppierung zusammen, die anfänglich - erfolglos - mit Riehener Organisationen und Mandatsträgern, später - erfolgreich - mit Partei-Delegierten zusammensass, um über ihre unbefriedigende Quartiersituation und das ihrer Meinung nach mangelnde Gehör in der Gemeinde zu diskutieren. Aktueller Ausschlag gab dabei die grossdimensionierte NestléUberbauung im Niederholzboden, gegen die sich Quartierbewohner vergeblich gewehrt hatten.

Aus diesen Diskussionsabenden heraus entstand bald der Wunsch nach einem Quartierverein als Identitäts- und Repräsentationsforum, der schliesslich mit der Gründungssitzung am 16. November 1978 in der Freizeitanlage Landauer Wirklichkeit wurde - es war im selben Jahr, da das Rauracher-Zentrum seine Türen öffnete. Zur Vereinspräsidentin gewählt wurde Liselotte Dick-Briner, die während zehn Jahren den Quartierverein leitete. Anschliessend übernahm für zwei Jahre Urs Sutter das Präsidium, der 1991 von Christoph R. Dietschy abgelöst wurde.

«Das Offene und Unkonventionelle hat mir immer gefallen, obwohl gerade der anfängliche Weg, die Vereinsstatuten zu erstellen, sehr dornenvoll gewesen ist», meint Liselotte Dick rückblickend. Die Devise der damaligen Vereinspräsidentin war und ist, dass Wohnlichkeit sich dadurch auszeichnet, dass man sich kennt. Und das war im Niederholzquartier bei der Vereinsgründung kaum der Fall; «mehrheitlich alte Leute wurden Vereinsmitglieder», erinnert sich Liselotte Dick, «die Jungen mussten richtig gesucht werden. » Immerhin meldeten sich gleich nach dem 16. November 1978 um die hundert Personen zur Mitgliedschaft an, und heute machen rund 300 Mitglieder den Quartierverein Niederholz aus.

Gefragtes «Kinderhmis zum Glugger»

Um das mangelnde Quartierbewusstsein zu fördern, wurden im Verein alsbald Arbeitsgruppen gebildet, die sich bestimmter Anliegen annahmen. Zu den wichtigsten Ergebnissen, die in diesen Gruppen ausgearbeitet wurden, zählt das «Kinderhuus zum Glugger». Am 1. März 1983 wurde diese anfänglich als Mittagstisch für Kinder gedachte Institution vom Quartierverein ins Leben gerufen. Dahinter steckte die Idee, Frauen mit Kindern in gewissen übergangszeiten zu entlasten. Ins Auge gefasst wurden getrennte oder geschiedene Frauen - ihnen sollte ein neuer Start erleichtert werden; gedacht wurde an Mütter, die im Spital waren; gedacht wurde an Frauen mit einem Teil zeitjob, und gedacht wurde an Mütter, die sich einen oder zwei Tage in der Woche freihalten wollten, um dann - entspannt - wieder voll für ihre Kinder dasein zu können.

Schon vor der Gründung stellte sich heraus, dass das «Kinderhuus zum Glugger» nicht nur über den Mittag, sondern den ganzen Tag geöffnet sein musste. Und so war denn der «Glugger» mit der Adresse Im Hirshalm 45 jeweilen vom Montag bis zum Freitag von sieben Uhr morgens bis sechs Uhr abends für Kinder zwischen zwei und sechs Jahren offen. Anfänglich wurde diese Institution mit Ausnahme einer bezahlten Hauptleiterin - ehrenamtlich geführt. Heute arbeiten alle Mitarbeiterinnen im «Glugger» für einen angemessenen oder einen symbolischen Lohn.

Wie bei manchen ursprünglich aus lauter Idealismus ins Leben gerufenen Institutionen, erkannten die Gründerinnen des «Kinderhuus zum Glugger», dass ein solches Unternehmen finanziell nur dann längerfristig Bestand haben kann, wenn man es rechtlich auf andere Beine stellt: Ein Förderverein «Kinderhuus zum Glugger» wurde gegrün det, um neben ideeller auch materielle Unterstützung sowie regelmässige Subventionen der Gemeinde zu erhalten. Das Resultat: Der einmalige Unterstützungsbeitrag der Gemeinde von 2000 Franken im ersten Jahr wich einer jährlichen Subvention, die für das Jahr 1991 26 000 Franken betrug. Neben eines mehrmals durchgeführten Sommerfestes zu Gunsten des «Kinderhuus zum Glugger» haben auch manche Legate immer wieder geholfen, die Institution nicht in die roten Zahlen fallen zu lassen.

Da der «Glugger» mit seiner Betriebsform sich den staatlichen Bewilligungen unterzuordnen hat, um entsprechend geführt werden zu können, wird er von einem Heimbeauftragten des sozialpädagogischen Dienstes kontrolliert. Durchschnittlich 12 Kinder werden täglich im «Kinderhuus zum Glugger» aufgenommen; der grösste Betrieb herrscht dabei jeweils über den Mittag. Der Name «zum Glugger»? Er stammt aus dem Riehener Vorschulkindergarten «Spatzennest»; dort wurde er von den Kindern ausgeheckt.

Wärmeverbund Niederholz

Es war im Jahre 1984: Mit dem neuen Gewässerschutzgesetz, welches das Niederholzquartier in die engere Gewässerschutzzone (S IIb) verwies, erhielten die von dieser Zonenänderung betroffenen Liegenschaftseigentümer vom Kanton die Auflage, alle ölheizungen aus grundwasser schutzbedingten Gründen aufzuheben und durch eine mit anderer Energie betriebene Heizung zu ersetzen. Viele Quartierbewohner konnten sich mit dieser Verordnung nur schwer abfinden, manche aber sahen darin eine Gelegenheit, etwas energiepolitisch Neues zu verwirklichen. So entstand noch im gleichen Jahr innerhalb des Quartiervereins die Arbeitsgruppe Gewässerschutz und Energie. Diese gründete - nach langwierigen Gesprächen - mit den grössten Liegenschaftsbesitzern im September 1985 den «Wärmeverbund Niederholz», der 1986 eine Konzeptstudie sowie ein Vorprojekt ausarbeiten liess, an deren Kosten von 45 000 Franken die Gemeinde einen Drittel leistete. Für das eigentliche Projekt (ein erdgasbetriebenes Blockheizkraftwerk) bewilligte der Einwohnerrat ein Jahr später - entgegen der Haltung des Gemeinderates - die volle Finanzierung in der Höhe von 180 000 Franken.

Da der Wärmeverbund Niederholz dieselben energiepolitischen Ziele anstrebt wie der Wärmeverbund Dorfkern, hiess der Einwohnerrat 1989 einen Baukredit von 2,5 Millionen Franken gut. Noch im selben Jahr wurde die Wärmeverbund Niederholz AG als selbständige Betriebsgesellschaft gegründet und der Bau in Angriff genommen.

Persönliche Kontakte - Wurzeln des Vertrauens

Wie für Umweltfragen wurde auch für Verkehrsprobleme eine Arbeitsgruppe gebildet, die autonom arbeitet, aber dem Vorstand des Quartiervereins untergeordnet ist. In den vielen Jahren ihres Bestehens hat sie nicht wenig erreicht. Neben den punktuellen Lösungen wie der Linienführung der Busse 35 und 45 trug sie wesentlich zur Einführung von Tempo 30 bei. Auch unterstützte die Arbeitsgruppe Verkehr von Anfang an den Veloweg entlang der Wiesentalbahn.

Aufgelöst hat sich die Gruppe Landauer. Ihr Anliegen, die dortige Wohnsituation zu verbessern und das Verständnis zwischen den Anwohnern und den Landauerbenützern zu harmonisieren, ist grösstenteils Wirklichkeit geworden, wobei das eigentliche Verdienst für diese langjährige Arbeit der Freizeitanlage Landauer zukommt.

Nach mehreren Jahren seines Bestehens entstand innerhalb des Quartiervereins Niederholz auch eine Kulturgruppe. Sie hatte sich vorgenommen, Ausstellungen von Hobby-Künstlern und -Sammlern aus dem Quartier im Wasserstelzenschulhaus durchzuführen. Doch nach den ersten Expositionen stellte sich heraus, dass man aus versicherungstechnischen Gründen Bescheidenheit walten lassen musste; manche Sammlungen waren zu wertvoll; die Ausstellungen hörten auf. Auch die Veranstaltung «Im Niederholz» musste mit den Jahren aufgegeben werden. Idee der geplanten Veranstaltungsreihe war es, im Wasserstelzenschulhaus und im Andreashaus Riehener Vereine vorzustellen in der Absicht, das Quartier dem Dorf und umgekehrt näher zu bringen. Doch der Sache war kein Erfolg beschieden: Die Besucherzahlen lagen jeweils weit unter den Erwartungen; die Veranstaltungsreihe schlief ein.

Auch wenn nicht alle Ideen gleichermassen auf fruchtbaren Boden fielen, so begann sich mit den Jahren doch auf breiterer Ebene ein gewisses Quartierbewusstsein zu entwickeln, das durch den seit vier Jahren erscheinenden Jahresbericht sowie kleine Aktionen gefestigt wurde. Auf eine besondere sei hier hingewiesen: Es war im Jahr, bevor die Gemeinde mit ihrer Split-Aktion begann. Der Vorstand des Quartiervereins hatte die weihnachtliche Idee, ihren Adventsgruss an die Quartierbewohner mit einem umweltschützerischen Gedanken zu verbinden: In jeden Hauseingang wurde ein Säckchen mit Split gelegt, versehen mit dem Slogan «Alle Liite gfallt's - mir streue Split statt Salz». Der Aktion war ein durchschlagender Erfolg beschieden, nicht zuletzt auch dank der Gemeinde, die den Split für diese Aktion gratis zur Verfügung gestellt hatte.

«Es sind die persönlichen Kontakte, das direkte Gespräch», so formuliert Urs Sutter den wichtigsten Punkt für das Bestehen des Vereins, «in ihnen wurzelt das grosse Vertrauen, das dem Quartierverein Niederholz entgegengebracht wird.» In diesem Sinne möchte auch der neue Präsident Christoph R. Dietschy das Vereinsleben verstanden wissen und hofft, mit quartierbezogenen Veranstaltungen nicht nur die Aktivität aus der Gründerzeit des Vereins zu vertiefen, sondern auch den Mitgliederbestand zu erhöhen.

Personen

(soweit nicht schon in der GKR, im RRJ oder in RJ 1986ff. vorgestellt)

Dietschy, Christoph Richard (*1944), Pilot, dann Kaufmann

Sutter, Urs (,11940), lie. rer. pol., Unternehmensberater

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1991

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