Der Spittelmatthof

Albin Kaspar

Das Spitalgut in Riehen kann auf ein beträchtliches Alter zurückblicken. Bereits während seiner Gründungszeit im 13. Jahrhundert scheint das «hospitale pauperum Basiiiense» Grundbesitz in unserem Dorf besessen zu haben. Zahlreiche weitere Erwerbungen folgten. Dabei war das Spital vor allem am grossen Wiesenkomplex entlang der Wiese interessiert.

Von Kleinbasel bis Riehen erstreckte sich damals links von der Landstrasse das weite Gebiet der Wiesenaue, ein überschwemmungsgebiet des Wiesenflusses. In mühsamer, nach jeder Wasserflut sich wiederholender Arbeit hatten die Anwohner dieses Gelände urbarisiert und als Wies- und Weideland nutzbar gemacht.

Durch gezielte Zukäufe und Güteraustausch verstanden es die Verantwortlichen des Spitals, ihren Besitz im Laufe der Zeit zu vermehren und zu einem umfangreichen und geschlossenen Grundbesitz auszubauen. Gegen Ende des 17. Jahrhunderts war diese Entwicklung abgeschlossen. Die sogenannte «Riehener Matte» hatte jenen Umfang erreicht, den sie im wesentlichen bis zur Gegenwart beibehalten sollte. Dazu gehörten unter anderem die «Bauchmatten», die «bodenloosen Matten», die «zehen Tauwen», die «Spitzmatten», die «Holtzmatten», die «Häuslinmatten», die obere und untere «Lützellmansmatte» - Flurnamen, die heute meist verschwunden sind. Im Jahre 1708 wurde das Areal vermessen. Es betrug insgesamt 57 Vz «Tawen» oder Tagwerke, umgerechnet etwa 24 Hektaren Land. Die Grundstücke lagen alle beieinander und befanden sich zum Leil auf Kleinbasler, zum grösseren Teil aber auf Riehener Boden.

Das Gut wird verpachtet

Die «Riehener Matte» unterstand dem städtischen Meierhof des Spitals. Dort liess der Spitalmeier das Vieh weiden und durch Taglöhner die wenig fruchtbaren Wiesen mähen. Zu diesem Zweck befand sich eine alte, baufällige Scheune auf dem Spitalgut. Sie wurde um 1708 abgebrochen und durch eine neue, grössere ersetzt und mit einem Stall versehen. Etwas näher gegen Riehen zu lag ausserdem ein kleines Wohnhäuslein für den Mattknecht, der den Besitz zu beaufsichtigen hatte.

Dieser Zustand scheint nicht genügt zu haben. Das Spitalgut befand sich in schlechtem Zustand. Um den Ertrag zu steigern, begannen daher die Spitalpfleger 1764 das Gut zu verpachten. Die Gebäude wurden abgerissen und durch ein neues Bauernhaus mit Scheune und Stall ersetzt. Als Pächter verpflichtete man den jungen Nikiaus Hänger von Langenbruck, den Schwiegersohn des Jakob Jenni, der an seinem Heimatort ebenfalls als bewährter Spitalsenn tätig war.

Die Hängers von Langenbruck bekannten sich zur Täufergemeinde. Die Täufer, ursprünglich von der Reformierten Kirche als Ketzer verfolgt, scheinen im 18. Jahrhundert doch allmählich geduldet worden zu sein. Sie lebten friedlich und arbeitsam auf meist abgelegenen Sennhöfen. Wegen ihrer Tüchtigkeit und einfachen Frömmigkeit wurden sie als Pächter stets hochgeschätzt und mit Vorliebe als Lehensleute auf den Gutshöfen der Stadtbasier eingesetzt.

Nikiaus Hänger hatte die Aufgabe, das Gut zu verbessern: das Gelände auszuebnen, die in ziemlicher Menge aufwachsenden Unkräuter, «Plakten oder Rosshuber» genannt, auszureuten oder umzupflügen, ertragreiche Obstbäume anzupflanzen, die Bewässerungsgräben gut zu unterhalten und wo nötig neue Gräben anzulegen.

Schwierige Pachtbedingungen

Er bewirtschaftete mit grossem Erfolg den Sennhof auf dem Riehener Boden. Der Pachtvertrag wurde nach Ablauf der vereinbarten zwölf Jahre immer wieder erneuert, der Pachtzins jedoch von 850 Basler Pfund allmählich auf das Doppelte gesteigert. Als der Sohn Nikiaus 1811 die Pacht übernahm, hatte er pro Jahr 2000 Pfund oder 2400 Schweizer Franken zu bezahlen. Den Unterhalt der Gebäude jedoch, Einquartierungen von Militär und vieles andere hatte der Pächter zum grössten Teil selber zu tragen. Nach elf weiteren Jahren warf der junge Hänger das Handtuch. Er kündete seinen Vertrag, versteigerte seine Habe und schloss sich einer Brüdergemeinde an, die nach dem fernen Banat (Rumänien) auswanderte. Das Spitalgut übernahm Heinrich SchneiderRudin von Langenbruck, ein Schwager des Nikiaus Hänger. Nach dessen Tod erhielt Martin Brechbühl-Schweizer von Trub aus dem Emmental den Bauernhof.

Das Riehener Spitalmattgut galt als Sennhof. Der Pächter, auch Spitalsenn genannt, betrieb ausschliesslich Viehwirtschaft und etwas Obstbau. Höchstens sechs Jucharten Land konnte er zum Eigenbedarf unter den Pflug nehmen. Das Heu durfte nicht verkauft, sondern musste im eigenen Betrieb verfüttert werden. Milch und Butter, aber auch Heu und andere Produkte hatte er in erster Linie dem Spital gegen entsprechende Bezahlung zu liefern. Um 1794 zählte man zum Beispiel 21 Kühe, vier Stiere und ein Pferd. Hundert Jahre später standen 31 Kühe, zwei Zuchtstiere und fünf Pferde im nunmehr vergrösserten Stall. Dazu kamen vier Schweine und 73 Hühner. Noch heute steht die Viehzucht im Mittelpunkt des Bauernhofes. An Stelle der Spitalpatienten werden jedoch Privatkunden von nah und fern mit den landwirtschaftlichen Produkten bedient.

Seit vier Generntionen in der Familie Graber

Um 1861 bezog Jakob Nussbaumer von Mümliswil den Spitalmatthof. Danach überliess er ihn seinem Schwager Pankrazius Bolzfieler-Nussbaumer, in dessen Familie der Pachthof in den nächsten Jahrzehnten verblieb. Nach dem Tod ihres Ehemannes führten oft die Witwen den Bauernbetrieb weiter. Das Pflegamt des Bürgerspitals glaubte zwar, dass es einer «Frau, die sachgemäss meistenteils durch die Hausgeschäfte in Anspruch genommen ist, [nicht möglich sein würde] den Anforderungen des grossen und schwierigen Landwirtschaftsbetriebes auf die Dauer gerecht zu werden. Hiezu ist unserer überzeugung nach ein tüchtiger und verantwortlicher Meister wie bisher unerlässlich». Doch die Bauersfrauen konnten sie eines Besseren belehren. Ein weiterer Todesfall in der Familie zwang dann allerdings die Familie, die Pacht Ende 1916 endgültig aufzugeben. Nun wurde Jakob Graber-Nussbaumer mit dem Bauernhof betreut, dessen Nachkommen noch heute in vierter Generation den Betrieb bewirtschaften.

Einen grossen Einbruch in das Spitalgut brachte der zunehmende Wasserbedarf der Stadt Basel. Seit 1882 wurde die grosse Wiesenaue im Bereich der Langen Erlen zum Schutzgebiet zur Gewinnung von Grundwasser erklärt. Viele Grundstücke in diesem Gebiet wurden vom Staat allmählich aufgekauft. Auch das Spital musste Land abtreten. Um 1916 erwog man sogar, den Pachthof aufzugeben und das Land in kleine Pflanzgärten aufzuteilen. Im Jahre 1931 kaufte das Wasserwerk Basel den Spitalmatthof. Er umfasste ungefähr 31 Hektaren Land und kostete zusammen mit allen Gebäuden die Summe von 1,7 Millionen Franken. Nach dem Zweiten Weltkrieg wurde ferner ein breiter Streifen entlang der Aeusseren Baselstrasse abgetrennt und zu Pflanzlandgärten umgestaltet. Der Bauernbetrieb jedoch blieb zum Glück als Pachthof, nunmehr Spittelmatthof genannt, erhalten.

Anmerkungen

Eine erschöpfende Darstellung des Spittelmatthofes steht noch aus.

Als Grundlage der vorliegenden kurzen Studie diente: HGR StABS Spital-Archiv L 2,1

 

Personen

Nikiaus Hänger-Jenni (1733-vor 1815)

Nikiaus Hänger-Gisler (1770-?)

Heinrich Schneider-Rudin (†1832)

Martin Brechbühl-Schweizer (1801-nach 1861)

Jakob Nussbaumer (1814-1874)

Pankrazius Bolzfieler-Nussbaumer (1824-1887)

Jakob Graber-Nussbaumer (1865-1953)

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1995

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