Der Wettsteinpark

Paul Schönholzer

Ja, gibt es denn so etwas in Riehen? Und ob! Natürlich meinen wir den unter seiner bisherigen Bezeichnung bekannten Gemeindehauspark. Aber es wäre wert zu überlegen, ob dieser etwas phantasielose Name nicht doch durch den markanteren, bereits durch die überschrift angetönten Vorschlag ersetzt werden könnte.


Aber nicht darauf kommt es schließlich an. Wichtig ist die Tatsache, daß der Park als solcher für Riehen, vor allem auch für das neue Gemeindehaus, eine nicht hoch genug zu veranschlagende Bereicherimg darstellt. Wer sich, wenn auch vielleicht bereits mit einiger Mühe, an den Zustand erinnert, wie er vordem war, wird der vorangegangenen Feststellung sicher beipflichten. Unzweifelhaft trägt der Park wesentlich zur Verschönerung des Dorfbildes bei und setzte ihm einen weiteren, reizvollen Akzent auf.


Halten wir einen kurzen geschichtlichen Rückblick. Die Liegenschaft, zu der das Parkareal gehörte, wurde im Jahre 1837 von ihren damaligen Besitzern, dem Ehepaar Bachofen, an den Sekretär der Basler Christentumsgesellschaft Friedrich Spittler verkauft. In der Folge diente das ehemalige Zäslinsche Landgut als Sitz der Pilgermission und wurde deshalb «Pilgerhof» genannt. Als sich die Pilgermission auf der Chrischona eine neue Heimstätte schuf, stellte Spittler das Haus der Taubstummenanstalt zur Verfügung. So kam es, daß die in Beuggen bestehende Lehranstalt zur Erziehung und zum Unterricht taubstummer Kinder nach Riehen verlegt wurde.


Für viele Einwohner unserer Gemeinde mag diese alte Taubstummenanstalt mit ihrem dichten Baumbestand vergangene liebe Bilder von Augustfeiern und Chilbiveranstaltungen wachrufen. Die dschungelartige Baumwildnis insbesondere diente jungen Indianern als herrliche Jagdgründe.


Aus dieser Wildnis, deren Bäume bereits in den dreißiger Jahren des letzten Jahrhunderts gepflanzt worden sein dürften, entstand zum großen Teil unser heutiger Park. Der Baumbestand mag auch mitbestim

mend gewesen sein bei der Planung des neuen Gemeindehauses. Er bildete den willkommenen Rahmen. Ihn haben die Architekten denn auch schon bei der Platzgestaltung gegen die Schmiedgasse sorgfältig miteinbezogen. Dort sind drei alte Linden inmitten der Pflästerung erhalten geblieben. Mit dem Brunnen zusammen bilden sie zur Schmiedgasse hin einen harmonisierenden Abschluß.


Von Anfang an war man sich einig, daß der neue Parkteil mit der alten Lindenallee vorwiegend der Ruhe und besinnlichem Aufenthalt im Grünen dienen sollte; dies im Gegensatz zu der sich anschließenden Spielwiese. Glückliche Voraussetzungen förderten diesen Gedanken. Heute wirkt die erhöhte Baumgruppe, die von Sitzmauern umgeben ist, gegenüber dem unschönen und baufälligen Bahnhöflein sowie Straße und Verkehr als dezenter Wall. Wie sehr gerade diese Parkstelle viele Liebhaber anzieht, kann man beinahe zu jeder Tageszeit feststellen.


Die westliche Seite gegen den Landgasthof ist von Bergahorn und einer schönen, wenn auch schiefgewachsenen Blutbuche bestanden. Es galt hier, die besten Exemplare sozusagen herauszuschälen.


Ja, dieses «Herausschälen» muß man miterlebt haben! Da war ein Holzen, daß der zukünftige Park vorerst einem Schlachtfeld glich. Alte, struppige Taxus, Buchsbüsche und sich bedrängende Laubbäume fielen unter der Axt des Gärtners. Für einige Zeit war der Anblick beängstigend. Daher fehlte es nicht an bösen Blicken und bitteren Bemerkungen aufgebrachter Zuschauer über solchen Vandalismus. Als dann aber die bis anhin versteckten Schönheiten plötzlich befreit ihren besonderen Habitus im Licht zur Geltung bringen konnten, zeigten sich bald Verständnis, ja Freude über das «frevelhafte» Tun. So entdeckte man plötzlich Kostbarkeiten, die vorher gar nicht in Erscheinung getreten waren. Sehen wir uns nur einmal die prachtvolle Eiche in der Nähe der Bahnhofstraße an oder die einzigartige Magnolie acuminata sowie die Hemlockstanne (Tsuga canadensis).


Alle minderwertigen Gehölze, die vorher diese prächtigen Solitärbäume bedrängt hatten, wurden konsequent entfernt. Durch diese Maßnahme in der Umgebung des Gemeindehauses ließ sich das beabsichtigte Raum- und Parkgefühl erzielen, das man bei Neuanlagen sonst erst nach Jahrzehnten erhält.


Die ganze bewegte Fläche erweckt jetzt den Eindruck einer grünen Ebene, während die Höhendifferenz gegen den Parkplatz mit einer Stütz- und Sitzmauer aufgefangen ist. Den sonnigsten Streifen dem Gemeindehaus entlang zieren Blütenstauden und Rosen. Die schattige

Promenade auf der gegenüberliegenden Parkseite belebt eine farbige Rhododendron- und Azaleenpflanzung.


Schalterhalle des Gemeindehauses und Bibliothek umschließen ein schmuckes Höflein mit Brunnen und Sitzbank. Die klimatisch günstige Lage mit der warmen Reflexwirkung der Hauswände erlaubte hier feinere und edlere Polsterpflanzungen und Immergrün zu einem reizenden Pflanzenschmuckkästchen zu vereinen. Die Schattenrabatte am Eingang ist ein Beispiel dafür, daß auch auf der Nordseite bei richtiger Pflanzenwahl sehr wohl ein guter Effekt möglich ist.


Sicher würde im großen Parkteil die Anbringung einer Plastik als hübsche Aufwertung empfunden. Wir denken da etwa an den «Schäfer mit Hund» von Roos.


Es ist wohl nicht übertrieben, wenn wir von Weitsicht und Großzügigkeit unserer Behörden sprechen, die uns mitten in Riehen einen derart charmanten und erholsamen Ruheplatz schufen. Wer auch nur schnell einmal dem Tagesgetriebe entfliehen, den strapazierten Nerven oder müden Füße eine Pause gönnen will, findet hier das Gesuchte; wer hätte nicht ab und zu das Bedürfnis, mit der Natur eins zu werden!


Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1966

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