Die Apotheke in Riehen

Marlene Minikus

Die älteste der fünf Riehener Apotheken ist die St. Chrischona-Apotheke an der Baselstrasse 31. Sie wurde 1911 gegründet und befand sich bis 1932 an der Ecke äussere Baselstrasse 45 / Rebenstrasse. Im Abstand von je zwei Jahrzehnten wurde in Riehen die zweite und die dritte Apotheke eröffnet: 1931 an der Baselstrasse 7 die Dorf- und 1951 an der äusseren Baselstrasse im Niederholz die Wiesen-Apotheke. Erst 26 respektive 28 Jahre später folgte, 1977 und 1979, die Gründung der Apotheke «zum Wendelm» am Webergässchen 6 und schliesslich der Apotheke «zum Rauracher» im Rauracherzentrum.

 

Als 1852 die Diakonissenanstalt eröffnet wurde, gehörte die Besorgung der Spitalapotheke noch zu den Aufgaben der damaligen Oberschwester, und solange es in Riehen keine öffentliche Apotheke gab, hatte auch der Spitalarzt, der jeweils eine ausgedehnte Landpraxis über die Landesgrenzen hinweg zu führen pflegte, den Patienten vielfach die Medikamente in Selbstdispensation zusammenzustellen und abzugeben.

Während Riehen relativ spät zu einer eigenen Apotheke kam, kann Basel sich rühmen, die älteste bisher bekannte Apothekenordnung in deutscher Sprache zu besitzen. Die um 1300 entstandene Medizinalverordnung des Basler Rates enthält strenge Bestimmungen über die Ausbildung und unterstreicht die Bedeutung des Apothekerberufes. Die Apotheke (griech. für «Ablage»), Offizin, war im Mittelalter ein Magazin für Heilkräuter, tierische Heilmittel, Pillen, Drogen, Mixturen: die Entwicklung des Apothekerberufes ging vom Lagerverwalter über den handwerkenden Krämer - in Basel gehörten die Apotheker der Safranzunft an - zur akademisch-gewerblichen Doppelstellung. Die Apotheken sind heute selbstverständlicher Teil der medizinischen Versorgung, und der Apotheker leistet der Bevölkerung seinen (übrigens kostenlosen!) Dienst als kompetenter Berater.

 

«Die Apotheken haben die gebräuchlichen und bei Notfällen erforderlichen Arzneimittel zu führen, sie sind befugt, ärztliche Rezepte auszuführen, Arzneimittel herzustellen, Heilmittel vorrätig zu halten und an Publikum, ärzte oder Spitäler abzugeben sowie klinisch-chemische und mikroskopische Untersuchungen durchzuführen. Der verantwortliche Leiter einer Apotheke muss diplomierter Apotheker sein; er trägt die Haftung für die richtige Beschaffenheit der abgegebenen Heilmittel» - so lauten heute die einschlägigen Bestimmungen.

Der Detailverkauf von Heilmitteln erfolgt in der Regel durch Apotheken, Drogerien (seit 1821 wird im Gesetz zwischen Drogisten und Apothekern unterschieden) und Tierärzte im Rahmen ihres Rechts auf Selbstdispensation. Der Oberbegriff «Heilmittel» umfasst Arzneimittel (Substanzen oder Substanzgemenge), pharmazeutische Spezialitäten (meist industriell hergestellte Arzneimittel in verwendungsfertiger Form unter bestimmter Bezeichnung) und Heilapparate für den Publikumsgebrauch, bestimmt (so die offizielle Umschreibung) «zur Verhütung, Beseitigung oder Linderung krankhafter oder störender Erscheinungen am menschlichen oder tierischen Organismus». Tatsächlich erinnert man sich in Riehener Apotheken noch gut an die Zeit, als Medizin auch für Tiere hergestellt werden musste. Da gab es Riesentöpfe mit Salbe sowie (gemäss handgeschriebenem Rezeptbuch der Chrischona-Apotheke) einen «Ausputztrank für Rindvieh», und in der Dorfapotheke pflegte man aus verständlichen Gründen Kohlepulver für Kühe nach Möglichkeit im Hof zu mischen.

Bis Mitte des 19. Jahrhunderts war es üblich, Apotheken in der Nähe des Marktplatzes zu betreiben. Erst nach Schleifung der Stadtmauern entstanden Apotheken ausserhalb des Zentrums: 1837 im Kleinbasel, 1877 in der Aeschen, 1900 in Kleinhüningen, 1908 auf der Breite und schliesslich 1911 auch in Riehen. - 1880 zählte Basel rund 64 200 Einwohner und zwölf Apotheken, eine pro knapp 5400; 45 Apotheken waren es 1950 und rund 196 500, das heisst nicht ganz 4400 Einwohner pro Apotheke. Bei über 60 Apotheken dürften heute weniger als 3100 Einwohner auf eine Apotheke kommen.

3200 Einwohner zählte Riehen, als im Herbst 1911 die erste Apotheke in unserer Gemeinde eröffnet wurde. Zwanzig Jahre später, bei der Eröffnung der heutigen Dorf-Apotheke, waren es bereits doppelt so viele. Nach weiteren zwanzig Jahren, als im rasch wachsenden Niederholzquartier eine dritte Apotheke ihre Türen öffnete, hatte sich die Einwohnerzahl von Riehen wiederum knapp verdoppelt auf nunmehr 12 500, und als nach 26 Jahren 1977 die vierte und zwei Jahre später die fünfte Apotheke in Riehen eröffnet werden konnte, hatte die Bevölkerung um weitere 8000 Seelen zugenommen. Heute kommen etwa 4050 Einwohner auf eine Apotheke, rund ein Drittel mehr als in der Stadt Basel, wo die entsprechende Anzahl etwa 3000 beträgt.

Manche Riehener werden allerdings ausser Basler auch Lörracher Apotheken aufsuchen. Dies hat im übrigen Tradition: von der 1759 wegen Giftmischerei enthaupteten Anna Hauswirth (siehe RJ 1987 S. 75) wissen wir, dass sie zuerst in den beiden Lörracher Apotheken versucht hatte, Arsenik zu kaufen, bis es ihr schliesslich gelang, sich das Gift bei der Bernoulli-Apotheke am Spalenberg zu erschwindeln.

Von guten Beziehungen über die Landesgrenze hinweg zeugt ein Brief von 1896, den der damalige Leiter der allgemeinen Krankenkasse Riehen, Professor Dr. med. Ludwig Georg Courvoisier, an den Apotheker August Huber von der Lörracher Lerchen-Apotheke richtete mit der Bitte um Belieferung von Riehener Krankenkassenmitgliedern; eine entsprechende Rechnung von Ende 1899 zeigt, dass diese Verbindung zustandegekommen war. - Allerdings unterhielten in Riehen praktizierende ärzte auch Privatapotheken: während Emanuel Veillon 1911 seine private Apotheke bei Eröffnung der Apotheke in Riehen aufgab, führte zum Beispiel Ernst Baumann die seinige offenbar weiter. Die Belieferung der Kassenpatienten scheint für die Apotheker interessant gewesen zu sein: derjenige der HorburgApotheke meldete (in der Hoffnung auf einen Liefervertrag) seine Bediensteten bei der Riehener Krankenkasse an, indem er daraufhinwies, dass er allfällige Medikamente für seine Leute aber nicht bei der Konkurrenz zu beziehen gedenke... Aber auch das Seilziehen zwischen der Krankenkasse und der in Riehen eröffneten Apotheke dauerte über ein Jahr (es ging um die anzuwendenden Tarife und vor allem um einen Exklusivvertrag). Weil Lieferungen verweigert wurden, intervenierte Veillon bei der Krankenkasse wegen dem «für die Patienten unhaltbaren Zustand»; das Sanitätsdepartement schrieb an den Kassenverwalter: «Wir bemerken, dass das Sanitätsdepartement dem Apotheker [Franz] Brieden keine Vorschriften machen kann, der Krankenkasse die Rezepte zur Militärtaxe anzufertigen.» Konzessionen von beiden Seiten führten schliesslich zum Abschluss eines Vertrages, der 1915 abgelöst wurde vom Vertrag zwischen der öffentlichen Krankenkasse und dem Basler Apothekerverband, wonach nur noch zum vom Re gierungsrat genehmigten Krankenkassentarif geliefert werden durfte.

Während heute alle pharmazeutischen Spezialitäten, auch die Hausspezialitäten, mit genauen Angaben und einer die Verkaufsart nach IKS-Bestimmungen kennzeichnenden Vignette versehen sein müssen, war es im 18. Jahrhundert noch üblich, dass der Apotheker alle Präparate, die er anbot, in seiner Offizin selbst herstellte. Heute wird pro Tag im Durchschnitt noch ein knappes halbes Dutzend dieser sogenannten Magistralrezepturen ausgeführt.

Im Zuge der stürmischen Entwicklung auf naturwissenschaftlichem und medizinischem Gebiet verlagerte sich die pharmazeutische Forschung zunehmend von der Apotheke in die Universität und Industrie. Der Apotheker versorgt die Bevölkerung mit Arneimitteln nicht nur durch deren Herstellung und Abgabe nach ärztlichem Rezept oder im Handverkauf (entsprechend den Vorschriften der Pharmakopoe, dem Arzneibuch mit den amtlichen Vorschriften über die Arneimittel), er ist auch dafür verantwortlich, dass das unüberschaubar grosse Sortiment industriell hergestellter Pharmazeutika den Patienten zur Verfügung steht. Dies war bereits Ende des 19. Jahrhunderts ohne organisierten Zwischenhandel nicht mehr möglich.

Aus dem Basler Apothekergremium (1862 von den damals acht Basler Apothekern gegründet) ging deshalb 1909, zur Wahrung der Apothekerinteressen gegenüber den aufkommenden Grossistenfirmen, der baselstädtische Apothekerverband hervor. Bereits zwei Jahre früher, im Jahre 1907, war - bahnbrechend für die Schweiz - in Basel ein turnusmässiger Sonntags- und Nachtdienst eingeführt und gleichzeitig die öffnungzeiten der Apotheken (damals von 7 bis 22 Uhr!) reduziert worden (ein Ratsmandat von 1527 hatte gar deren Offenhaltung auch an Sonn- und Feiertagen verlangt). - Seit Mitte der Siebziger]ahre ist der Notfalldienst im Kantonsgebiet so organisiert, dass jeweils drei Apotheken offen sind - je eine in Grossbasel-Ost, Grossbasel-West und in Kleinbasel/Riehen. Jede der fünf Riehener Apotheken hat drei Mal pro Jahr während je einer Woche Nacht- und Sonntagsdienst zu leisten.

Die erste Riehener Apotheke wurde im Spätherbst 1911 von Bertha Brieden-Jundt, deren Ehemann die Kleinhüninger-Apotheke betrieb, gegründet und bis 1946 geführt - ab etwa 1928 unter Mithilfe ihrer Tochter, Dr. Charlotte Brieden. Die ursprüngliche Bezeichnung lautete übrigens, wie der damalige Briefkopf zeigt, einfach «Apotheke in Rieben. B. Brieden». Später erhielt sie den Namen St. Chrischona und wurde, nachdem (ebenfalls von einer Apothekerin) die zweite Apotheke in Riehen eröffnet worden war, vom ursprünglichen Standort an der äusseren Baselstrasse (vor 1921: Riehenstrasse) ins Eckhaus Kirchstrasse 1 / Baselstrasse 31 verlegt.

Früher trugen Apotheken oft den Haus- oder Inhaber-, häufig den Quartier- oder Strassennamen. Ein Beispiel dafür ist die zweite Riehener Apotheke, die von Martha Schwyter-Suter 1931 an der Baselstrasse 7 gegründet wurde. Sie trug erst die Bezeichnung Neue Apotheke, dann Schwyter'sche Apotheke. Nach der übernahme durch Dr. Wilhelm Fischer, der sie seit 1938 führt, wurde sie zur Apotheke Fischer und 1971 schliesslich zur Dorf-Apotheke.

Ob die Wiesen-Apotheke in Riehen-Süd, bei der Tramhaltestelle Niederholz, ihren Namen von der Wiese ableitet oder von den Wiesen, auf die der Breitmattenweg hinweist, ist nicht mit Sicherheit festzustellen. - Die beiden jüngsten Apotheken - beide mit Drogerie-Abteilung, beides Prontopharm-Gründungen - entstanden 1977 unter dem Namen «zum Wendelin» am Webergässchen 6 (ehemals Drogerie Jürg Eichenberger) und 1979 im Rauracherzentrum als Apotheke «zum Rauracher».

 

Personen:

Soweit nicht im Register zum RJ genannt

Hieronymus Bernoulli (1669-1760), Handelsmann und Spezierer, betrieb am Spalenberg 11 in Basel eine Apotheke; sie blieb bis 1843 in den Händen seiner Nachkommen.

Bertha Brieden-Jundt bzw. Jundt (1881-1961), Apothekerin

Charlotte Brieden (1912-1961), Dr., Apothekerin August Huber, Dr., Apotheker in Lörrach 1870-1902 (vgl. Hans Hoog: «240 Jahre Lörracher Apothekengeschichte», in: Unser Lörrach, Band 8, Lörrach 1977, S. 112-125)

Martha Schwyter-Suter (1899-1980), Apothekerin

 

Quellen:

Anton Häfliger: «Die Apotheker und Apotheken Basels»; in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, Band XXXI, Basel 1932 Michael Raith: «Gemeindekunde Riehen», Riehen21988 Register RJ, Riehen 1985 Adressbücher der Stadt Basel (darin Riehen seit 1911) Gesetzessammlung Kanton Basel-Stadt, Basel 1847 ff. Fritz Hoch: «Ein Leben im Dienste des Bruders. Christian Friedrich Spittlers Beziehungen zu Riehen und Bettingen»; in: RJ 1970, S. 42-53 Friedrich Rintelen: «Ludwig Georg Courvoisier (1843-1918)»; in: RI 1978,S. 77-85 «Riehener Apotheken - Notfalldienst wird nicht geändert», in: Riehener Zeitung Nr. 46 vom 13. November 1987, S.8

 

Ungedruckte Quellen:

StABS: Sanitätsakten H 1 Apotheken 1894-1934, Sanitätsdepartement, SD Reg. 3.3.2 Apotheken 1935-1984, Privatarchiv 335/15

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1988

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