Die Gemeinde Riehen und ihre Selbständigkeit

Hansjörg Tobler

«Die Gemeinden sind die Fundamente der Kantone, die sich als Tragpfeiler zum Rundbau des Bundes zusammenschließen. So ragt der festgefügte Bau der Eidgenossenschaft empor, indem jeder Teil eigenständig und doch auf die anderen angewiesen, den ihm zukommenden Dienst am Ganzen erfüllt. Darum muß aber auch jedes Glied stark und tragfähig erhalten werden, auf daß die Gesamtheit unerschütterlich feststeht und gegen alle Gefahren gefeit ist.

Einer der herrschenden Wesenszüge des schweizerischen Staates ist der ununterbrochene, von unten nach oben flutende Strom einer lebendigen Demokratie. Ihr Quellboden liegt in der Gemeinde, da sich nur in der unmittelbaren Berührung der Einzelbürger das Gefühl des Aufeinander-Angewiesens eins und das daraus entspringende Solidaritätsbewußtsein gegenüber einzelgängerischen und gruppenorientiertem Egoismus entfaltet und vor der Bildung von Interessenhaufen bewahrt, welche in anderen Ländern die Demokratie ihrer VOlksverbundenheit beraubt und damit den Glauben an ihre Legitimation erschüttert und zerstört hat. Gemeindefreiheit aber ist nur möglich durch ein genügendes Ausmaß von Gemeindeselbstbestimmung, man kann gerade sagen, mit ihr identisch. So erhebt sich unter dem Gesichtspunkt der Erhaltung der äußeren und inneren Struktur des schweizerischen Staatswesens der Ruf für die Erhaltung und, soweit notwendig, Wiederherstellung der Gemeindeautonomie besorgt zu sein.»

Diese, wenn auch etwas pathetischen Worte, mit denen der Zweck und die Aufgabe der anno 1946 an der Handelshochschule St. Gallen durchgeführten schweizerischen Verwaltungskurse über die Gemeindeautonomie umschrieben wurde, zeigen mit aller Deutlichkeit die Bedeutung und die Stellung, die den einzelnen Gemeinden in unserer Eidgenossenschaft zukommt. Die Gemeinden bilden den Grundstock unserer Demokratie, die dann zu existieren aufhört, wenn sie ihre Funktionen nicht mehr ausüben oder nicht mehr ausüben können. Je lebendiger und aktiver die Gemeinden, desto stärker die Demokratie!

Das, was der Gemeinde ihre Existenzberechtigung verleiht und sie innerhalb der Eidgenossenschaft zu einer unentbehrlichen Institution macht, ist ihre Tätigkeit oder ihr Wirkungskreis. Sie wird vielfach zur Erfüllung kantonaler und sogar eidgenössischer Aufgaben herbeigezogen, indem ihr der Kanton auf gesetzlichem Wege durch die sogenannte Delegation einen Teil seiner Aufgaben und Pflichten weitergibt. In einem solchen Falle handelt die Gemeinde an sich selbständig, jedoch nicht für sich selbst, sondern für den Kanton. Sie übt also bei der Delegation kantonale Hoheitsrechte aus. Dadurch spart die Oberinstanz häufig die Schaffung eines eigenen, für diesen bestimmten Zweck gedachten Verwaltungs- oder Beamtenapparates und mit ihm erhebliche finanzielle Mittel.

Der Tätigkeitsbereich einer Gemeinde soll und darf sich selbstverständlich nicht in der übernahme kantonaler und eidgenössischer Aufgaben erschöpfen. Vielmehr muß sich jede Gemeinde einen eigenen Wirkungskreis schaffen und ein eigenes Tätigkeitsfeld begründen, ein Tätigkeitsfeld, auf dem sie nur ihren Einwohnern gegenüber verantwortlich ist (Erstellung von Parkanlagen, Schwimmbäder usw.). Beide, der durch Delegation an die Gemeinde übertragene und der eigene Wirkungskreis sind jedoch ausschlaggebend für die Bedeutung der Gemeinde.

Verglichen mit den Gemeinden der anderen Kantone nehmen die beiden Landgemeinden des Kantons Basel-Stadt eine etwas eigenartige Stellung ein. Bedingt durch die Kleinheit des Kantonsterritoriums hat der Kanton Basel-Stadt viele Aufgaben auf kantonaler Ebene gelöst, die in anderen Kantonen eindeutig in die Kompetenzen der Gemeinden fallen. Dadurch wurde der Wirkungskreis der Gemeinden Riehen und Bettingen eingeschränkt und entsprechend hat auch ihre Bedeutung abgenommen.

Wie es dazu kam, schildert P. Wenk in seiner Dissertation über «Die Gemeinde Riehen und ihre Stellung im Kanton Basel-Stadt»; ihr sind die historischen Angaben dieser Arbeit entnommen.

Etwa gleichzeitig mit dem Deutsch-Französischen Krieg begann, zuerst langsam, dann immer schneller die Entwicklung Riehens vom kleinen Bauerndorf zur — für damalige Begriffe — großen Ortschaft und zum Vorort von Basel. Wie überall in bäuerlichen Gebieten ging die Bevölkerungsvermehrung mit der Zunahme des Handels und der Industrie auf Kosten der Landwirtschaft. Von der Mitte des 19. Jahrhunderts an war in Riehen kein Platz mehr für zuziehende Bauern; die Mehrheit der Zugewanderten bestand aus Angehörigen anderer Berufe, die meist auf die Stadt hin ausgerichtet waren. Dem Abnehmen des bäuerlichen Charakters von Riehen trug die Kantonsverfassung von 1875 Rechnung, indem sie die Landbezirke abschaffte und an deren Stelle den Kanton in einen Stadt- und einen Landbezirk aufteilte. Die Riehemer Gerichtsbarkeit ging damit zu Ende, nachdem bereits einige Zeit vorher das Polizeigericht in Riehen aufgehoben wurde und eine Entwicklung setzte ein, die längere Zeit als Folge der eigenartigen Verhältnisse in unserem Kanton andauerte und die sich sogar heute fortzusetzen droht, wenn die Riehemer nicht vermehrt für die Autonomie der Gemeinde eintreten. Der Kanton übernahm nach und nach Gemeindeangelegenheiten, da die Riehemer im Sog des nahen Basels die gleichen Vorteile wünschten, die die Stadt ihren Einwohnern bot. Die finanziell schwache Gemeinde sah sich vor kaum zu bewältigenden Aufgaben und war gezwungen, höhere Steuern als Basel zu erheben.

Aus dieser Situation heraus geschah es dann auch, daß Riehen 1885 von sich aus an den Regierungsrat gelangte und von ihm die übernahme der gesamten Gemeindegeschäfte forderte. Zur Begründung ihres Begehrens wies sie darauf hin, daß die Autonomie wenig mehr als eine Last sei! Die Gemeinde habe von alters her bestehende und bei der Eigenart der Bevölkerung für unentbehrlich gehaltene Einrichtungen schon 1875 verloren und sähe ihre Selbstverwaltung auf die Aufgabe reduziert, zur Erfüllung der ihr gebliebenen Obliegenheiten beinahe unerschwingliche Steuern zu erheben. — Es kann heute als ein großes Glück bezeichnet werden, daß der Regierungsrat nicht sofort dem Begehren der Gemeinde entsprach, sondern den Gemeinderat ausdrücklich auf die Nachteile der übernahme der Gemeindegeschäfte durch den Staat aufmerksam machte. In der Folge gelangte die Gemeinde im Juni 1885 mit einer zweiten Eingabe an den Regierungsrat, in der das frühere Begehren zurückgezogen wurde. Immerhin konnte es die Gemeinde damals nicht unterlassen, vom Regierungsrat zu verlangen, daß ihr der Staat sämtliche Schullasten sowie einige Obliegenheiten baulicher Natur abnehme. Diesem Begehren wurde entsprochen und die Schule zur Kantonssache erklärt. Die Gefahr des totalen Verlustes der Gemeindeautonomie war jedoch noch nicht gebannt. Bereits 25 Jahre später, also anno 1910, kam gegen den Willen des Gemeinderates eine Initiative zustande, die nochmals die übernahme sämtlicher Gemeindegeschäfte durch den Staat forderte. Wiederum zum Glück für unsere Gemeinde stellte sich der Regierungsrat, unterstützt vom Gemeinderat, gegen das Initiativbegehren, dem dann auch nicht Folge geleistet wurde. Seither betont Riehen wieder mehr und mehr seine eigene Zuständigkeit im Sinne einer Stärkung und Wahrung der Gemeindeautonomie.

Nachfolgend soll nun versucht werden, die eigenartige Stellung Riehens an Hand einiger Beispiele vor Augen zu führen. Dazu ist zu erwähnen, daß die folgenden Institutionen normalerweise Gemeindeangelegenheiten sind und von den Gemeinden selbständig erledigt werden. Für gewisse Tätigkeiten sind in anderen Kantonen Bezirke geschaffen worden, damit sich kleinere Gemeinden zur Erledigung bestimmter Aufgaben zusammenschließen können.

1. Das Grundbuchamt Gemäß der bundesrechtlichen Bestimmungen (Art. 951 und 952 ZGB) bleibt die Errichtung der Grundbuchämter, die Umschreibung der Grundbuchkreise, die Ernennung und die Besoldung der Beamten usw. den Kantonen überlassen, mit der Einschränkung allerdings, daß die diesbezüglichen kantonalen Erlasse zu ihrer Gültigkeit der Genehmigung des Bundesrates bedürfen. Dieses — wenn auch beschränkte — Mitspracherecht der Bundesbehörde gewährleistet eine sehr begrüßenswerte Vereinheitlichung der wichtigsten Punkte des Grundbuchwesens in den verschiedenen Kantonen.

Auf Grund der obengenannten bundesrechtlichen Bestimmungen haben die meisten Kantone der Schweizerischen Eidgenossenschaft ihr Kantonsgebiet in verschiedene Grundbuchkreise eingeteilt, wobei für die Bildung dieser Kreise die Größe der Gemeindebanne maßgebend war.

Der Kanton Basel-Stadt ist — bedingt durch die Kleinheit seines Territoriums — in der Bildung der Grundbuchkreise eigene Wege gegangen, indem er auf die Schaffung einer Mehrheit von Kreisen verzichtet hat. § 205 des Gesetzes betreffend die Einführung des Schweiz. Zivilgesetzbuches vom 27. April 1911 schreibt vor, daß der Kanton BaselStadt einen Grundbuchkreis mit Sitz in Basel bilde. Diese Zentralisation des Grundbuchwesens, die einmalig in der deutschen Schweiz sein dürfte, ist — wie bereits erwähnt — nur deshalb möglich, weil es sich beim Kanton Basel-Stadt um einen flächenmäßig kleinen Kanton handelt. Auch kann den Einwohnern, die für gewisse Handlungen und Informationen auf das Grundbuchamt — und vor allem auf die Eintragungen in den Grundbuchblättern — angewiesen sind, zugemutet werden, die Erkundigungen in Basel einzuholen. Die Distanz vom Wohnort zum Grundbuchamt ist in unserem Kanton vielfach immer noch kleiner als an anderer Stelle.

Die rege Bautätigkeit der letzten Jahre und die damit verbundene häufige Handänderung der Parzellen bewirkte beim Grundbuchamt einen sprunghaft zunehmenden Arbeitsanfall, der zum großen Teil nicht fristgerecht erledigt werden konnte. Es entstanden sowohl für das Amt als auch für die privaten Parteien unliebsame Verzögerungen, die sicherlich vielfach hätten vermieden werden können, wenn in Riehen ein Grundbuchamt eröffnet worden wäre. Leider ist dies bis heute nicht der Fall, obwohl auf dem Kantonalen Grundbuchamt die Riehemer Grundbuchblätter im Rahmen eines «Grundbuches der Gemeinde Riehen» separat geführt werden.

2. Das Vermessungsamt So wie das Grundbuchwesen kantonal geregelt ist und alle Parzellen des Kantons in einem zentralen Amte verzeichnet sind, stellt in unserem Kanton auch das Vermessungswesen eine kantonale Angelegenheit dar. Das ganze Kantonsgebiet wird von kantonalen Beamten vermessen, und die Vermessungen werden auf dem kantonalen Vermessungsamt ausgewertet. Dies ist in den wenigsten Kantonen der Fall. Da im Kanton Basel-Stadt das Grundbuchwesen kantonal geregelt ist und Grundbuch und Vermessung eng miteinander zusammenarbeiten müssen, ist die geltende Regelung durchaus verständlich.

3. Das Güterrechtsregister Gestützt auf die Artikel 248, 250 und 254 ZGB schreibt § 40 des Gesetzes betreffend die Einführung des Schweiz. Zivilgesetzbuches vom 27. April 1911 folgendes vor: «Das Güterrechtsregister wird für den ganzen Kanton in Basel durch das Grundbuchamt unter Aufsicht des Justizdepartementes geführt.

Die erforderlichen Vorschriften über das Güterrechtsregister erläßt, soweit die kantonalen Behörden zuständig sind, der Regierungsrat auf Antrag des Justizdepartementes auf dem Verordnungswege.»

Der Kanton Basel-Stadt bildet also einen einzigen Güterrechtsbezirk. Alle rechtsgültigen Eintragungen haben in Basel zu erfolgen, obwohl die eidgenössischen Vorschriften ausdrücklich bestimmen, daß die güterrechtlichen Eintragungen am Wohnsitz des Ehemannes zu erfolgen haben. Die kantonale Regelung — im Vergleich zu der erwähnten bundesrechtlichen Bestimmung — bringt mit sich, daß in unserem Kanton der jedermann zustehende zivilrechtliche Wohnsitz in dieser Angelegenheit aufgehoben und an dessen Stelle ein «fiktiver» Wohnsitz in Basel tritt.

4. Das Handelsregister Die Bestimmungen über das Handelsregister lauten ähnlich wie diejenigen des Güterrechtsregisters. Riehen besitzt auch kein eigenes Handelsregister.

5. Das Zivilstandsamt Auf Grund der geltenden gesetzlichen Bestimmungen befindet sich in Riehen kein Zivilstandsamt. Sämtliche Zivilstandsangelegenheiten werden durch das Zivilstandsamt Basel-Stadt erledigt, dessen Beamte auch sämtliche Trauungen vornehmen. Ein Einwohner unserer Gemeinde besitzt also keine Möglichkeit, sich in Riehen trauen zu lassen, so wie er auch die Geburt seines Kindes usw. in der Stadt anmelden muß.

6. Das Vormundschaftswesen § 1 des Gesetzes über die Vormundschaftsbehörde und den behördlichen Jugendschutz lautet: «Die Aufgaben der Vormundschaftsbehörden bestimmen sich nach dem schweizerischen Zivilgesetzbuch und dem kantonalen Gesetz über die Jugendstrafrechtspflege. Zugleich ist die Vormundschaftsbehörde das Kantonale Jugendamt.» Im einzelnen hat sie folgende Obliegenheiten: 1. Sie besorgt die ihr im Zivilgesetzbuch zugewiesenen Geschäfte.

2. Sie leitet und beaufsichtigt die Amtsvormundschaft.

3. Sie unterstützt die Inhaber der elterlichen und vormundschaftlichen Gewalt bei der Erfüllung ihrer Erziehungs- und Fürsorgepflichten.

4. Sie führt die Oberleitung der ihr unterstellten öffentlichen Erziehungsanstalten für Unmündige und die Aufsicht über Privatanstalten, die zum Vollzug von behördlichen Maßnahmen gegenüber Unmündigen dienen, sofern ihr die Aufsicht übertragen wird.

5. Sie wirkt als Jugendamt bei der Jugendstrafrechtspflege mit.

6. Sie kann zur Besorgung von Geschäften des Justizdepartementes herbeigezogen werden.

Wie aus diesem Katalog ersichtlich ist, sind die Aufgaben der Vormundschaftsbehörde mannigfaltig, wobei es sich vornehmlich um kantonale Aufgaben handelt. Gemäß § 3 des erwähnten Gesetzes bestehen bei der Vormundschafts behörde für die Geschäftsbesorgung vier Abteilungen. Eine davon ist die Amtsvormundschaft. Sämtliche Amtsvormundschaften werden in Basel erledigt. Die amtsvormundschaftliche Tätigkeit der Vormundschaftsbehörde erstreckt sich also auch auf die Landgemeinden, was bewirkt, daß die in den Landgemeinden wohnhaften bevormundeten Personen ihren zivilrechtlichen Wohnsitz nicht etwa in Riehen, sondern gemäß Art. 252 ZGB am Sitze der Vormundschaftsbehörde, also in Basel haben.

7. Das Betreibungs- und Konkursamt Riehen besitzt kein eigenes Betreibungs- und Konkursamt, und sämtliche betreibungsrechtlichen Angelegenheiten werden vom Kanton erledigt.

8. Das Gerichtswesen Mit einer einzigen Ausnahme (Einzelrichter) befinden sich alle Gerichte — auch das Gericht der oberen Instanz, das Appellationsgericht — in Basel. Der Einzelrichter in Riehen hat nur äußerst bescheidene Kompetenzen, so daß dieses Amt in der heutigen Zeit eigentlich nur noch aus Gründen der Tradition erhalten bleiben kann. Die Kompetenzen, die der Einzelrichter besitzt, werden in den §§ 26 II und 33 des Gerichtsorganisationsgesetzes umschrieben. Diese Paragraphen lauten: § 26 Die Einzelrichter in den Landgemeinden entscheiden endgültig solche Zivilsachen, deren Gerichtsstand in ihrer Gemeinde ist und deren streitiger Betrag, Zinsen und Kosten umgerechnet, Fr. 50.- nicht übersteigt.

§ 33 Dem Einzelrichter in den Landgemeinden wird die endgültige Beurteilung folgender in den Landgemeinden begangener Polizeiübertretungen übertragen, insofern der übertreter entweder in der Gemeinde wohnt oder sofort zur Stelle gebracht werden kann.

Wie schon aus diesen gesetzlichen Bestimmungen ersichtlich ist, besitzt der Einzelrichter sehr bescheidene Kompetenzen. Die eigentlichen Gerichte befinden sich samt und sonders in Basel. Die Zentralisation der Gerichte, wie sie im Kanton Basel-Stadt der Fall ist, ist nicht üblich.

9. Das Polizeiwesen Entgegen der Regelung in anderen Kantonen, die sowohl eine Kantons- als auch eine Gemeindepolizei kennen, existiert im Kanton BaselStadt keine Gemeindepolizei. Sämtliche Polizeiaufgaben erledigt die Kantonspolizei, wobei in Riehen dazukommt, daß die kantonale Polizei auch gemeindeeigene Angelegenheiten zu regeln hat.

10. Die Feuerwehr Gemäß Gesetz über die Organisation der Feuerwehr und gemäß Löschordnung für den Kanton Basel-Stadt ist die Feuerwehr eine Angelegenheit des Kantons. Neben der ständigen Feuerwache besteht sie aus fünf Kompanien, wovon die fünfte Kompanie dem Gemeindebann Riehen und Bettingen zugeteilt ist und sich aus Riehemer und Bettinger Einwohnern rekrutiert.

Obwohl die Feuerwehr eine kantonale Angelegenheit ist und obwohl die Feuerwehrsteuer vom Kanton erhoben wird und in die Staatskasse fließt, ist die Gemeinde Riehen verpflichtet, der Feuerwehr geeignete Räume zur Verfügung zu stellen. Quasi als Entschädigung dafür wird dem Gemeinderat erlaubt, die Riehemer Feuerwehrkompanie auch für Hilfeleistungen bei öffentlicher Not in Anspruch zu nehmen.

11. Hochbau Das gesamte Bauwesen - also auch der Hochbau — ist kantonal geregelt. Das Baudepartement erteilt, als kantonale Instanz, die Baubewilligungen für alle Hochbauten im Kantonsgebiet. Dabei spielt es absolut keine Rolle, ob es sich um öffentliche oder private Bauten handelt. Alle Baubegehren müssen in Basel eingereicht werden und werden dort geprüft. In letzter Zeit ist dem Gemeinderat von der Basler Behörde ein Mitspracherecht eingeräumt worden; alle Baubegehren für projektierte Bauten im Gemeindebann werden dem Gemeinderat zur Einsichtnahme zugestellt. Bei dieser Gelegenheit kann der Gemeinderat Einwendungen erheben, die nach Möglichkeit berücksichtigt werden. Ein Rechtsanspruch auf Berücksichtigung besteht jedoch nicht. Das gleiche gilt übrigens auch für die Planung.

12. Tiefbau Wohl die eigenartigste Situation in der Abgrenzung zwischen Gemeinde- und Kantonszuständigkeit ist beim Tiefbau anzutreffen. Gemäß der einschlägigen Bestimmung des Straßengesetzes vom 14. Januar 1937 arbeitet nämlich das Baudepartement des Kantons die Straßenlinien und Straßenführungen aller Straßen im Kantonsgebiet, also auch der Gemeindestraßen, aus. Die generellen Straßenlinien werden vom Großen Rat erlassen, während die definitiven Linien in den Landgemeinden der Regierungsrat festsetzt. Vor der Festsetzung der Bau- und Straßenlinien in der Gemeinde Riehen durch den Regierungsrat muß allerdings - gemäß ges. Vorschrift — der Gemeinderat angehört werden. Die Ausführung und der Unterhalt der Gemeindestraßen (zurzeit über 100 km) geht dann allerdings zu Lasten der Gemeinde. Der Kanton setzt also die Länge und Breite der Straßen fest, während die Straßen von der Gemeinde bezahlt werden. Wahrlich eine einmalige Situation.

13. Kanalisation Für die Erstellung der Kanalisation im Gemeindebann ist die Gemeinde zuständig. Die Beschaffung der Kanalisationsprojekte, deren Ausführung und der Unterhalt der Kanäle, obliegt der Gemeinde. Die entsprechenden Arbeiten können aber gemäß § 7 des Kanalisationsgesetzes an staatliche Organe übertragen werden. Da nun die Gemeinde Riehen kein eigenes Kanalisationsbüro besitzt, werden die notwendigen Arbeiten vom Gewässerschutzamt des Kantons unter Rechnungstellung an die Gemeinde durchgeführt.

14. Schulwesen Als wohl einzige Gemeinde der Eidgenossenschaft besitzt Riehen keine Gemeindeschule. Sowohl die Primär- als auch die Sekundär- und Realschulen unterstehen dem Kanton. Ihm gehören alle Schulgebäude in Riehen und er bezahlt sämtliche mit dem Schulwesen zusammenhängende Besoldungen und anderen Ausgaben. Er wählt die Lehrkräfte und die Inspektionen und ist verantwortlich dafür, daß der Schulbetrieb vom Kindergarten bis zur Maturität klappt.

Schlußbemerkungen Diese Ausführungen zeigen, daß die Kompetenzen der Riehemer Behörden im Vergleich mit den Behörden anderer Gemeinden sehr stark beschnitten sind, und daß niemals behauptet werden kann, Riehen sei so selbständig wie die anderen Gemeinden. Im Gegenteil! Unsere Gemeinde ist eine der unselbständigsten überhaupt, und es ist Pflicht jedes einzelnen Einwohners, darauf zu achten, daß die durch die Verfassung von anno 1875 verlorenen Kompetenzen mit der Zeit wieder nach Riehen zurückkommen. Nur dadurch kann Riehen die Bedeutung erhalten, die einer Gemeinde von über 21 000 Einwohnern, einer der größten der Schweiz, zukommt.

Auf der anderen Seite darf nicht außer acht gelassen werden, daß vermehrte Aufgaben auch vermehrte Ausgaben mit sich bringen. Jede Kompetenzerweiterung bedingt zusätzliche Kosten, sei es durch die Anstellung qualifizierter Beamter, sei es durch die Zurverfügungstellung geeigneter Büroräume. Die zusätzlichen Ausgaben dürfen jedoch nicht ausschlaggebend sein, wenn es darum geht, die Gemeindeautonomie - in einem vernünftigen Rahmen allerdings — zu stärken.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1967

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