Die Heimstätte-Genossenschaft Niederholz 1921-1933

Gerhard Kaufmann

In der Absicht, Material zu einer Darstellung des Riehener Genossenschaftswesens zusammenzutragen, bin ich auf die bewegte Geschichte der — heute nicht mehr existierenden — Heimstätte-Genossenschaft Niederholz gestossen. Diese Genossenschaft hat im gemeinnützigen Wohnungsbau Pionierarbeit geleistet und ein neues Kapitel in der Riehener Siedlungspolitik eingeleitet. Die von der Heimstätte-Genossenschaft Niederholz erstellten Wohnhäuser an der Schäferstrasse, an der Römerfeldstrasse und am Bluttrainweg haben bis in unsere Tage ihren hohen Wohnwert behalten. Die Geschichte dieser Genossenschaft ist es daher wert, in einer besonderen Darstellung festgehalten zu werden.

Die Initianten

Die Zeit des Ersten Weltkrieges war für die städtische Bevölkerung gekennzeichnet nicht nur durch eine Verknappung, sondern mehr noch durch eine starke Verteuerung der Grundnahrungsmittel. Die Idee der Selbstversorgung aus eigenen Gärten und aus eigener Kleintierhaltung hatte daher unter der Weltkriegserfahrung starken Auftrieb erhalten. Die Mitglieder der Heimstätte-Genossenschaft Niederholz, wie sie sich in der Folge nannte, rekrutierten sich fast ausnahmslos aus Mitgliedern der Pflanzlandgenossenschaft Horburg und gehörten in ihrer überwiegenden Mehrheit dem Handwerkerstand an. Das Verzeichnis der seinerzeitigen Genossenschafter und damit der ersten Bewohnergeneration ist uns erhalten geblieben. Die Herkunftsadressen zeigen, dass um die Jahreswende 1922/23 ein eigentlicher Exodus aus dem untern Kleinbasel stattgefunden hat.

Emil Mürner-Asal, Gärtnerstrasse Gustav Sieber-Arber, Breisacherstrasse Arnold Hof-Roth, Inselstrasse Xaver Wehrli-Lehmann, Wiesenstrasse Karl Weisenhorn-Goetschi, Inselstrasse Robert Roos-Blaser, Kleinhüningerstrasse Gustav Diehr-Vockinger, Beinwilerstrasse Adolf Schmidlin-Köhrlen, Oetlingerstrasse Albert Gutzwiller-Laub, Murbacherstrasse Jakob Nussbaum, Gärtnerstrasse Karl Heckendorn-Büchli, Totentanz Rosa Eberle-Würgler, Inselstrasse Otto Merkle-Sprich, Oetlingerstrasse Fernand Schneider-Sumser, Gärtnerstrasse Julius Steinwand-Hagin, Hammerstrasse Paul Hoffmann-Höhn, Drahtzugstrasse Otto Hoffmann-Häfelfinger, Drahtzugstrasse Werner Hunkeler-Nussbaum, Haltingerstrasse Wilhelm Ehrsam-Dunkel, Feldbergstrasse Arnold Schürch-Siegrist, Schauenburgerstrasse Adolf Nyffeler-Dennler, Amerbachstrasse Josef Kunkler-Baumgartner, Hegenheimerstrasse Albert Brand-Baumgartner, Oetlingerstrasse Emil Motz-Weber, Breisacherstrasse Emil Hoferer-Küchle, Färberstrasse Gottfried Wirz, Sägergässlein Ernst Seiffert-Düblin, Matthäusstrasse Fritz Thudium-Baumgartner, Oetlingerstrasse Reinhard Strub-Steiner, Farnsburgerstrasse August Fuchs-Waldner, Oetlingerstrasse Jakob Münster-Grosshans, Bärenfelserstrasse Josef Friedmann, Hammerstrasse Adolf Brenneisen-Hochuli, Riehenring Otto Landus-Ruch, Wiesenplatz Friedrich Eckert-Bolliger, Färberstrasse Georg Anthony-Reichlin, Bläsiring Hans Waldner-Haas, Utengasse Adolf Tschopp-Schaubhut, Breisacherstrasse Josef Vogt-Ries, Klybeckstrasse Albert Gehri-Schaffitel, Lichtstrasse Andreas Ohnemus-Berger, Brombacherstrasse Karl Bernauer-Studer, Hochbergerstrasse Eduard Flamm-Jenny, Landskronstrasse Julius Hofstetter-Bauer, Rheinweilerweg.

 

Mitbegründer und erster Präsident der HeimstätteGenossenschaft Niederholz war Arnold Hof-Roth (1887 — 1963). Er, der Hauptinitiant, war auf dem Lande aufgewachsen und scheint sich, wie viele seiner Mitgenossenschafter, in den engen, städtischen Verhältnissen nicht wohl gefühlt zu haben. Arnold Hof hat Riehen, seiner neuen Wohn- und Heimatgemeinde, in der Folge noch in mancherlei Funktionen gedient, so zum Beispiel als erster sozialdemokratischer Präsident des Weiteren Gemeinderates.

Die Idee

Die Vision einer Gartenstadt, der Wunsch Gärtner und Landwirt auf eigenem Boden zu sein einerseits, missliche Wohnverhältnisse im städtischen Industriequartier und die notvollen Erfahrungen der Kriegs- und Nachkriegszeit andererseits, haben aus den Horburger Pflanzlandpächtern Siedler werden lassen. Von allem Anfang an stand dabei fest, dass sich die Idee des Eigenheimes mit grossem Garten nicht im Alleingang, sondern nur auf genossenschaftlicher Grundlage verwirklichen Hesse. Ebenso klar war, dass der zur Realisierung erforderliche Landbedarf nicht im Stadtbann gedeckt werden konnte. Der zündende Funke zur Gründung einer Bau- und Wohngenossenschaft scheint im August 1921 anlässlich eines Referates von Nationalrat Gelpke — dem Rheinschiffahrtspionier, der sich auch in Siedlungsfragen engagiert hatte — gesprungen zu sein. Nachdem das ursprüngliche Vorhaben einer Blockhaus-Siedlung in der Muttenzer Hard fallengelassen werden musste, erfolgte — im Hinblick auf die bereits sehr weit gediehenen Landerwerbsverhandlungen — am 7. November 1921 die Gründung der Heimstätte-Genossenschaft Niederholz.

Die Wahl des Standortes

Am 4. Dezember 1921 konnte die Genossenschaft mit Frau Witwe Marie Anna Nussbaumer-Portmann und Cons. den Kaufvertrag über den Erwerb eines ca. 40 000 m2 grossen Grundstückes im Gebiet des Hörnli abschliessen. Der Kaufpreis für das unerschlossene Land betrug Fr. 3.61/m2. Später gelang es, von einem Grenzacher Landwirt noch weiteres Land hinzuzukaufen und so das angestrebte Ziel einer Gartensiedlung weitgehend zu verwirkli chen. Die Vorzüge des erworbenen Areals sind in einem Bericht der Genossenschaft wie folgt beschrieben: «Das Terrain befindet sich am Süd-Westabhang des Hackberges, zwischen den beiden Bad. Bahn-Linien. Es ist vollständig ebenes Gelände, mit allseitig freier Aussicht auf die benachbarte Stadt und nicht allzuweit von der Tramlinie Niederholz entfernt. Von allen Seiten hat die Sonne unbehinderten Zutritt, so dass auch den beiden Haupterfordernissen eines gesunden Wohnens — Luft und Licht — in jeder Hinsicht Rechnung getragen ist. »

Zwischen der «nicht allzuweit entfernten» Tramstation Niederholz und der geplanten Siedlung lag immerhin eine Distanz von einem guten Kilometer. Offensichtlich haben sich aber die Genossenschafter Hoffnungen auf eine bessere Verkehrserschliessung im Zusammenhang mit dem damals schon im Gespräch stehenden Zentralfriedhof am Hörnli gemacht, eine Hoffnung, die sich, wenn auch erst zehn Jahre später, erfüllen sollte. Im Zeitpunkt des Baubeginns war das von der Genossenschaft erworbene Areal lediglich durch den von der Niederholzstrasse abzweigenden Bluttrainweg — damals ein Feldweg — erschlossen. Die fehlende Erschliessung scheint von den bauwilligen Kleinbaslern nicht als unüberwindbares Hindernis betrachtet worden zu sein. Hauptsache, man hatte «freie Aussicht auf die benachbarte Stadt». In der Folge wurde man dann gewahr, dass es nicht schaden konnte, den Blick vermehrt Richtung Dorf zu richten; denn dort — im Gemeindehaus — fielen die Entscheide über alle mit dem Strassenbau im Zusammenhang stehenden Fragen, ein Problem, das jahrelang für Diskussionsstoff sorgte.

Das Projekt und seine Verwirklichung Im «Geschäfts-, Bau- und Rechnungsbericht» der Heimstätte-Genossenschaft Niederholz finden sich zum Projekt, seiner Finanzierung und seiner Verwirklichung folgende Angaben: «Wohl schwebte der Genossenschaft als Ideal das Einfamilienhaus mit Küche und 4—5 Zimmern vor. Verschiedene Gründe, wohl am meisten finanzieller Natur, bewogen uns jedoch in der Folge, von diesem Projekt abzusehen und den Bautyp derart auszugestalten, dass er sowohl als Ein- als auch als Zweifamilienhaus zu gebrauchen ist. Dadurch, d.h. durch die Möglichkeit, einen Teil seiner Räumlichkeiten ausmieten zu können, ersparten wir auch dem finanziell schwachen Genossenschafter eine allzu starke Belastung. Andererseits ist unser Bautyp, sofern die Verhältnisse es erfordern, ohne nennenswerte änderungen in das als Vorbild gedachte Einfamilienhaus abzuändern. »

Die heute wieder sehr aktuelle Forderung nach dem flexiblen Grundriss ist damals schon gestellt und erfüllt worden!

Der Preis der einzelnen Häuser à zwei Wohnungen betrug zwischen 23 000 — 28 000 Franken, inbegriffen Land und Erschliessungskosten. Von den sich auf 1,2 Mio Franken belaufenden Gesamtkosten waren Fr. 180 000.— von den Genossenschaftern aufgebracht worden, Fr. 130 000.— leisteten Bund und Kanton als Subventionen, für den Rest, d.h. für Fr. 890 000.—, mussten Hypothekardarlehen beschafft werden, ein Vorgang, der sich für die Genossenschafter als äusserst dornenvoll erwies.

Das Projekt und die Pläne für die insgesamt 46 Häuser, die meisten in Zweiergruppen zusammengebaut, stammten von Architekt C. Müller-Oberer, Basel. Der von der Genossenschaft ursprünglich mit der Planung beauftragte Architekt war — weil zu jung — von den Banken abgelehnt worden. Die örtliche Bauleitung lag in den Händen des Riehener Architekten Jean Mory, dem es gelang, die ganze überbauung in der kurzen Zeitspanne zwischen Mai 1922 und März 1923 zu realisieren. Die Zuteilung der Bauparzellen an die einzelnen Genossenschafter erfolgte durch das Los. Die Unmöglichkeit, als Genossenschaft Hypotheken im zweiten Rang plazieren zu können, gab Anlass, die einzelnen Liegenschaften nach erfolgter Zuteilung aus dem Genossenschaftsvermögen zu entlassen und parzellenweise auf die künftigen Bewohner zu übertragen. Den nunmehr Hauseigentümer gewordenen Genossenschaftern blieb es somit überlassen, für die Restfinanzierung ihrer Häuser besorgt zu sein. Einige bewerkstelligten dies mit Hilfe ihrer Arbeitgeber, für nicht wenige mussten Bürgschaften der am Bau beteiligten Unternehmer in Anspruch genommen'werden. Es waren harte Jahre, bis die drückendsten Bauschulden abgetragen und die Verzinsung auf das Ausmass einer normalen Wohnungsmiete reduziert waren.

Die Genossenschaft blieb weiterbestehen, bis Anfang der dreissiger Jahre alle Infrastrukturkosten mit der Gemeinde abgerechnet und nach erfolgtem Bau des Kohlistieges das im Genossenschaftsbesitz verbliebene Land Abnehmer gefunden hatte. Die Auflösung der Genossenschaft erfolgte durch Generalversammlungsbeschluss vom 3. Juni 1933.

Dorf und Negerdörfli

Die Siedler aus dem Horburgquartier sind in Riehen nicht gerade mit offenen Armen empfangen worden. Der Empfang war — soweit die Riehener vom erfolgten Zuzug überhaupt Notiz nahmen — kühl bis unfreundlich. Wie sich aus den Akten feststellen lässt, hat sich das offizielle Riehen, d.h. der Gemeinderat, korrekt verhalten, doch auch er hat den Neuankömmlingen keineswegs den roten Teppich ausgerollt.

Zwei Strassenzüge, d.h. vier Zeilen genau gleicher Häuser — das hatte es bisher in Riehen noch nie gegeben. Nachdem sich die Alt-Riehener vom ersten Schreck erholt hatten, machten sie sich auf ihre Weise Luft und tauften die neue Siedlung liebevoll-herablassend «Negerdörfli». Trotz diesem wenig ermutigenden Anfang liessen es sich die Neu-Riehener nicht nehmen, von ihren demokratischen Rechten in Gemeindeangelegenheiten Gebrauch zu machen, und so erschienen sie jeweils mit starken Delegationen an den Gemeindeversammlungen. Zu einem tumultartigen Auftritt kam es an der Versammlung vom 16. Juli 1923. Dies ging soweit, dass Gemeindepräsident Otto Wenk die Versammlung vorzeitig auflösen musste. Grund: Grossrat Leuenberger — er hatte in dieser Sache bereits im Grossen Rat erfolglos interpelliert — verlangte, die Jubiläumsgabe des Kantons aus Anlass der 400jährigen Verbindung zwischen Basel und Riehen zum Bau einer Strasse zwischen den Siedlungen «Niederholz» und «Gartenfreunde» zu verwenden, d.h. für den Ausbau und die Verlängerung des Bluttrainweges bis zur Morystrasse. Leuenberger kombinierte seine Attacken gegen den Gemeinderat mit einem Seitenhieb auf die Riehener-Zeitung, der er einseitige Berichterstattung vorwarf und ihr damit das Recht absprach, den Untertitel «amtlicher Anzeiger» zu führen.

Der Vorstand der «Heimstätte-Genossenschaft» sah sich daraufhin veranlasst, von Leuenberger abzurücken und die nachstehende Erklärung in der Riehener-Zeitung erscheinen zu lassen: öffentliche Erklärung Um allen Vermutungen und Gerüchten, die gegenwärtig in Riehen zirkulieren, entgegenzutreten, erklären die unterzeichneten namens des Vorstandes der HeimstätteGenossenschaft Niederholz, dass weder offiziell noch inoffiziell jemandem (weder Parteien noch deren Sprecher) Auftrag erteilt wurde, direkt oder indirekt die Interessen unserer Genossenschaft zu vertreten oder zu verfechten.

Wir werden auch in Zukunft, wie bis heute, unsere Angelegenheiten selbst regeln und benötigen wir absolut ein weiteres Sprachrohr nicht. Den speziell uns unliebsamen Vorkommnissen der letzten Gemeindeversammlung stehen wir ferne und bedauern recht sehr den tumultartigen Ausgang derselben.

Zum Schlüsse unserer Erklärung wollen wir nicht unterlassen, sowohl dem Gemeinderat als auch der Tit. Einwohnergemeindeversammlung für die grosszügige Lösung der Strassenbaufrage unsern verbindlichsten Dank auszusprechen.

 Riehen, 18. Juli 1923 Heimstätte-Genossenschaft Niederholz Namens des Vorstandes A. Hof E. Mürner

 

Zu weiteren Auseinandersetzungen gab die Frage der Strassenbeleuchtung Anlass. Da sich die HeimstätteGenossenschaft Niederholz mit der vom Gemeinderat vorgeschlagenen Kostenteilung nicht einverstanden erklären konnte, wurde aus dem Kreis der Genossenschafter eine Volksinitiative — anstelle der Gemeindeversammlung war inzwischen der Weitere Gemeinderat getreten — auf änderung des Beleuchtungsreglementes lanciert. Die Initiative hatte Erfolg, nicht zuletzt deshalb, weil auch in den andernorts entstandenen Genossenschaften die Idee einer erhöhten Beitragsleistung seitens der Gemeinde Unterstützung fand. Man war offensichtlich der Meinung, die Gemeinde dürfe — zur Schonung des eigenen Portemonnaies — für ihre neu hinzugewonnenen Steuerzahler ruhig etwas tiefer in die Tasche greifen.

In der Folge scheinen sich die Wogen wieder geglättet zu haben. Zu einem besseren Einvernehmen zwischen Siedlern und Alt-Riehenern scheinen offensichtlich auch der bauleitende Architekt, der einer alteingesessenen Familie entstammende Jean Mory, sowie Spenglermeister «Eger Migger», ein seiner Originalität wegen beliebter Aktiv-Sänger des Männerchors, beigetragen zu haben. Es waren dies neben Spenglermeister Schächtelin die einzigen Riehener, die beim Bau der Siedlung als Fachleute und Flandwerker Berücksichtigung gefunden hatten.

Sicher war aber die Persönlichkeit Arnold Hofs ausschlaggebend dafür, dass das Eis gebrochen wurde. Er hat es verstanden, die Riehener auf einem Gebiet anzusprechen, das ihnen besonders nahelag: auf dem Gebiet des Obst- und Gartenbaues. Während 25 Jahren war er Präsident der hiesigen Obst- und Gartenbaugesellschaft und daneben auch Mitglied der kantonalen Obstkommission.

Später hat dann eine auffallend grosse Zahl von Bewohnern der Schäfer- und Römerfeldstrasse das Riehener Bürgerrecht erworben und damit ihrer auch gefühlsmässigen Verbundenheit mit Riehen Ausdruck gegeben. Als nach dem Zweiten Weltkrieg ein neuer Bauboom einsetzte, zählten die ehemaligen Genossenschafter bereits zu den Alteingesessenen und halfen den Neuhinzugekommenen, den Zugang zum Dorf und seinen Bewohnern zu ebnen.

60 Jahre später

In nicht wenigen der insgesamt 46 Häuser wohnen heute die — inzwischen ins AHV-Alter aufgerückten — Kinder der ehemaligen Gründergeneration, in einigen Fällen wurden die Häuser bereits von der dritten Generation in Besitz genommen, andere haben die Hand gewechselt; einen Käufer zu finden, fällt angesichts der guten Wohnlage nicht schwer. Da und dort hat die vorprogrammierte Umwandlung des einstigen Zweifamilienhauses in ein Einfamilienhaus stattgefunden, steigende Wohnbedürfnisse haben zu mehr oder weniger geglückten Anbauten geführt. Die nach dem Zweiten Weltkrieg in grossem Stil einsetzende Motorisierung hat der Siedlung zahlreiche Garagen, die vermehrte Freizeit verschiedene Gartenhäuschen beschert. Abgesehen von diesen Veränderungen, einigen als Fremdkörper in Erscheinung tretenden Zweithäusern auf dem Hinterland sowie dem wie allerorts in Riehen üppig wachsenden Grün, präsentiert sich das Quartier gleich wie zur Zeit seiner Entstehung. In zunehmendem Mass machen aber die bescheidenen Gebäudeabmessungen, die dadurch bedingten engen Raumverhältnisse und die ganz allgemein gestiegenen Komfortansprüche den Bewohnern — im Blick auf die Zukunft — zu schaffen.

Ausblick

Die bereits erwähnten Einbrüche in die vertraute Siedlungsstruktur in Form von Mehrfamilienhausbauten auf dem zum Nutzgarten bestimmten Hinterland haben den Bewohnern vor Augen geführt, wohin die bauliche Entwicklung fast zwangsläufig führen muss, sofern ihr nicht Einhalt geboten wird. Die einsetzende Diskussion um den Riehener Richtplan und die daraus hervorgehende Zonenplanrevision gaben Anlass, die Frage der baulichen Zukunft innerhalb des Quartiers zu überdenken. Zur Diskussion standen verschiedene Planungsmodelle, angefangen bei der Schonzone, d.h. dem «Einfrieren» des heutigen Bauzustandes, bis hin zum Verzicht auf jede Einschränkung mit der Inkaufnahme, dass die vollständige Ausschöpfung der baugesetzlichen Möglichkeiten, d.h. die mit einer Vervielfachung des Bauvolumens einhergehende überbauung des Hinterlandes, im Laufe der Jahre traurige Wirklichkeit wird.

Die Quartierbewohner entschieden sich schliesslich für eine Lösung, die einerseits eine massvolle bauliche Erneuerung und eine Anpassung an die geänderten Bedürfnisse erlaubt, andererseits aber sicherstellt, dass das erhalten bleibt, was den besonderen Wert dieses Quartiers ausmacht: die zusammenhängende Gartenfläche zwischen den weit auseinander liegenden Häuserzeilen.

Man mag bedauern, dass mit der Zeit die heimeligen Mansardendachhäuser verschwinden werden. Von Seiten der Quartierbewohner ist aber mit Nachdruck die These vertreten worden, es müsse der Nachfolgegeneration die Möglichkeit offengehalten werden, sich ihren dannzumaligen Bedürfnissen gemäss einrichten zu können. Was 1921 erstrebenswert war, sei als Maßstab für das Jahr 1990 oder 2000 nicht mehr anwendbar.

Im Gegensatz zu 1921, wo es geschlossenen, aus der Stadt zuziehenden Gruppen noch möglich war, auf Riehener Boden eine Wohnsiedlung von 46 Häusern zu errichten, liegen heute die Probleme anders, und es häufen sich die Klagen, es sei jungen, am Beginn ihrer beruflichen Laufbahn stehenden Mitbürgern nur noch in den seltensten Fällen möglich, in Riehen eine ihren finanziellen Mitteln entsprechende Wohnung zu finden.

Im Gebiet der ehemaligen Heimstätte-Genossenschaft Niederholz möchte man der heranwachsenden Generation die Tür offenhalten und ihr die Chance einräumen, in der ihr vertrauten Umgebung eine Familie gründen zu können. Es ist zu wünschen, dass diese Absicht ebenso vom Erfolg begleitet sein wird, wie die Pioniertat der Gründergeneration.

Quellen — Heimstätte-Genossenschaft Niederholz «Geschäfts-, Bauund Rechnungsbericht 1921 — 1925» — Anzeige- und Verkehrsblatt für Riehen und Bettingen, 3. Jahrgang 1923 — Paul Hulliger: Zum Andenken an Arnold Hof RJ 1963 — Ich danke Herrn Hans Hof für die mir freundlicherweise zur Verfügung gestellten Unterlagen und die bereitwillig erteilten Auskünfte — Fräulein Christel Sitzler bin ich zu Dank verpflichtet für die Beschaffung von Protokollen und Publikationen aus dem Staats- und Gemeindearchiv

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1980

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