Die neue Werkklasse Riehen

Richard Beglinger

Der übertritt von der Schule ins Erwerbsleben wirft eine Fülle lebenswichtiger Fragen auf. Die Werkklasse versucht, in einem zusätzlichen neunten Schuljahr den Sekundarschüler auf den Beruf und das Leben im weitesten Sinn vorzubereiten.


Ziel und Aufbau der Schule ergeben sich aus dem genauen Studium der tatsächlichen Gegebenheiten. Die bevorstehende Berufswahl, die Anforderungen von Lehre und Gewerbeschule zeigen uns die Ziele ; die besonders schwierige psychologische Situation des Schülers zwischen 14 und 16 gibt uns die methodisch-pädagogischen Richtlinien.


Die Berufswahl zieht sich wie ein roter Faden durch den Jahresplan. Vorträge von Handwerksmeistern über die verschiedenen Branchen, Berufe und Berufsgruppen vermitteln dem Schüler einen ersten Kontakt mit der «Zukunft». Betriebsbesichtigungen zeigen ihm die Mannigfaltigkeit der Berufe und Arbeitsplätze. Nach dieser Einführung gibt ihm die «Schnupperlehre» Gelegenheit, während einer Woche seinen «erwählten» Beruf im Alltag kennen zu lernen. Es scheint mir klar zu sein, daß ein solches Berufswahlprogramm nur in enger Zusammenarbeit mit Gewerbe und Industrie verwirklicht werden kann. Das Riehener Gewerbe jedenfalls hat sein Interesse an dieser Art Berufswahl durch seine spontane und tatkräftige Mitarbeit unterstrichen. Je nach Bedarf kann dieses unmittelbare persönliche Berufserlebnis in einer zweiten oder dritten Branche wiederholt werden. Schließlich steht dem Schüler der Berufsberater in enger Zusammenarbeit mit dem Klassenlehrer noch helfend, klärend oder beratend zur Seite, damit er einen seiner Neigung und Eignung möglichst entsprechenden Beruf finden kann.


Die Arbeit in Werkstatt und Klassenzimmer soll wenn immer möglich den Charakter einer umfassenden Kräftebildung haben. Es gilt, Kopf, Herz und Hand zu schulen, die im jungen Menschen steckenden Fähigkeiten zu suchen und zu fördern. Der Sekundarschüler in diesem Alter reagiert besonders heftig auf sinnliche Eindrücke, oft hat er Freude am handwerklichen Tun. Der Unterricht an der Werkklasse wird deshalb auf eine anschauliche Grundlage gestellt. Aktive Anschauung ist nicht «Ansehung», sondern selbsttätige Auseinandersetzung mit dem Stoff (Schülerversuch, Handarbeit, Gestalten etc.). Die jugendliche Unausgeglichenheit in all ihren Auswirkungen verlangt die klare, straffe Führung durch einen Werklehrer in «allen» Fächern. Richtige, konsequente Führung stärkt im Schüler den Willen zur guten, sauberen Leistung. Eine impulsstarke Unterrichtsart erweckt die noch vorhandene Begeisterungsfähigkeit der Buben in diesem Alter und läßt Klagen über Schulmüdigkeit zu seltenen Ausnahmen werden.


Obwohl die verschiedenen Fächer und Fachgruppen manchmal ineinander überfließen und bei der Bearbeitung eines Themas gelegentlich die verschiedenen «Stunden» durcheinandergemischt werden, zeigt das obligatorische Pensum ungefähr folgende Verteilung: Zur Hälfte Rechnen, Geometrie, geometrisches Zeichnen, Physik, Turnen, Freihandzeichnen; zu einem Viertel Handarbeit und Gestalten; und zum letzten Viertel Sprache, Berufs- und Lebenskunde.


Nach Beendigung der obligatorischen Schulzeit sind viele Schüler noch zu jung, um eine Lehrstelle antreten zu dürfen. Die vernünftige Gestaltung dieses Zwischenjahres hat für den jungen Menschen eine weit über diese Zeit hinausreichende Bedeutung. Die Werkklasse möchte diesem Jahr in der soeben beschriebenen Art Sinn und Zweck geben. Vergessen wir nicht, daß wir diese Schüler zu freien Bürgern heranbilden wollen, die senkrecht und ausgeglichen einem ihrem Können entsprechenden Weg zu gehen vermögen.


Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1964

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