Die Ökonomiebauten im Sarasinpark

Bernard Jaggi

Zwischen den beiden grossen Riehener Landgütern ElbsBirr und Le Grand lebten über Jahrhunderte verschiedene Kleinbauern auf einem knapp bemessenen Grundstück. Wie aus dem Katasterplan von Philipp Jacob Siegfried (1824/25) hervorgeht, war das unmittelbar an die Rössligasse anstossende Areal anfangs des 19. Jahrunderts in vier Parzellen mit einzelnen Bauernhäusern sowie eine Gartenparzelle im rückwärtigen Raum aufgeteilt (Plan Seite 69)1).

In den Jahren 1855/56 hat Hieronymus Bischoff-Respinger, der damalige Besitzer des Elbs-Birrschen und des Le Grandschen Landguts, die Bauernhäuser aufgekauft und ein Jahr später abgebrochen. An Stelle der ehemaligen Bauernhäuser entstand nun im Jahre 1857 für die Belange des grossen vereinigten Landguts ein neuer Wirtschaftshof, auf dem die heutigen ökonomiebauten errichtet wurden. Leider hat sich von den Bauernhäusern ausser den spärlichen Grundbuch- und Berainurkunden nichts mehr erhalten. Wir erfahren im Historischen Grundbuch in Riehen2), dass ein Gebäude bereits um 1550 bestand, die anderen wurden erst in der Mitte des 17. Jahrhunderts erwähnt.

Die Ökonomiebauten - Architektur und Funktion

In einem Aufsatz von Fritz Lehmann und Lucas Frey «Die Sarasinschen Güter in Riehen» aus dem Jahre 1966 fanden die ökonomiebauten noch keine besondere Beachtung3). Aus heutiger denkmalpflegerischer Sicht sind jedoch auch Zeugen des einfachen marginalen Bauens, wie es diese ökonomiebauten aus dem 19. Jahrhundert darstellen, erhaltenswert. Bemerkenswert an den Gebäuden sind die gezimmerten Mezzanine (Halbgeschosse) und die damit konstruktiv verbundenen Dachstühle sowie die dekorativen Deckbretter, welche die Mezzaningeschosse verschalen.

Die beiden Winkelbauten sind einander so gegenübergestellt, dass sie einen breiten, gegen die Strasse abgeschlossenen Innenhof bilden. Gegenüber der Einfahrt öffnet sich der Hof zur Orangerie4), welcher sich später noch weitere Anbauten, unter anderen ein grosses Glastreibhaus, hinzufügten. Sämtliche Erdgeschossfassaden sind massiv gemauert - die jeweils strassenseitigen Flügel etwas niedriger als die hofseitigen. Diese Abstufung ist einerseits durch die Nutzung zu verstehen. Andererseits konnten damit bestehende Gebäude auf der Elbs-Birr-Seite mit unterschiedlichen Geschosshöhen in die ökonomie-Gebäude integriert werden.

Eine Besonderheit der ganzen Anlage steckt in diesen Reminiszenzen aus dem Elbs-Birrschen Landgut, die im langgestreckten Seitenflügel des südlichen ökonomiebaus enthalten sind. Tatsächlich ist dieser Teil, der die Hofeinfahrt des Elbs-Birrschen Landguts (heute Musikschule) begrenzt, im Gegensatz zu allen anderen ökonomietrakten, nicht ein Neubau von 1857, sondern der umgebaute und zusammengefasste überrest von älteren Wirtschaftsgebäuden des Elbs-Birrschen Landgutes.

Zwei Zeugen älterer Bauten: Remise und sogenanntes Gärtnerbaus

Im Rahmen der aktuellen Umbauarbeiten kamen überraschend Deckenmalereien im südlichen ökonomiegebäude an der Strasse zum Vorschein. Die Untersuchung5) dieses Traktes ergab, dass hier mehrere ältere Gebäude unter einem Dach zusammengefasst wurden, die sich dank der einheitlichen Architektur der ökonomiebauten zu einem geschlossenen Gesamtbild mit den Neubauten verbanden. Zwei historische Pläne sind für das Verständnis der Situation aufschlussreich: Der Grundrissplan des Elbs-Birrschen Hauses von Johann Jacob Fechter, 17526), und der Gartenplan von 1801"). Auf beiden Plänen sowie auch auf dem Siegfriedplan ist zu erkennen, dass vor dem Bau der ökonomiebauten bereits Gebäude neben den Bauernhäusern bestanden, die zum Elbs-Birrschen Gut gehörten. Die Remise, die bei Fechter dargestellt ist, konnte im heutigen ökonomieflügel nachgewiesen werden. Sie lag im rückwärtigen Teil des Areals und war ursprünglich doppelt so lang wie heute. Auf der Vorderseite überspannte ein grosses Einfahrtstor die südliche Gebäudebreite. Bereits im Fechterplan ist diese Einfahrt nicht mehr in Funktion. Am selben Platz sind Wandunterteilungen und ein Futterplatz eingezeichnet. Es handelt sich also beim Fechterplan um einen Umbauplan für Remise und Haupthaus, die beide aus der Zeit von 1694/95 stammen8). Vom ehemaligen Dach der Remise hat sich nur die untere Stuhlkonstruktion erhalten, in Gestalt der liegenden Binder und der Mittelpfetten. Sie wurde bei der Errichtung der ökonomiebauten 1857 beibehalten und mit einer neuen Dachkonstruktion überlagert, deren flachere Dachneigung einen niedrigeren First, dafür jedoch eine halbgeschossige Fassadenerhöhung entsprechend den übrigen Mezzaningeschossen zur Folge hatte. Damals wurde auch der hintere Teil der Remise in etwa der halben Gebäudelänge abgebrochen und der vordere Raum zwischen Remise und Gärtnerhaus an der Strasse unter einer einheitlichen Kubatur zusammengefasst.

Ein eigentliches Bijou innerhalb dieses Gebäudeflügels bildet das sogenannte Gärtnerhaus. Der Name taucht erstmals im Gartenplan von 1801 auf. Bei Fechter ist an der besagten Stelle nur eine leere Fläche dargestellt, was darauf hindeutet, dass er diesen Teil nicht in den Umbau ein bezog. Das zweigeschossige Gärtnerhaus liegt an der Strasse in der Flucht des hinteren Remisenbaus. Es ist jedoch nur halb so breit wie die dahinterliegende Remise. Die ursprünglich unbebaute Fläche neben dem Gärtnerhaus dürfte als Durchfahrt in die Remise gedient haben. Dieser Bereich wurde erst später - nachdem zwischendurch noch ein Hühnerstall eingerichtet wurde - mit einem gleichgrossen Wohnhausanbau aufgefüllt.

Das Gärtnerhaus zeigte sich beim Umbau von 1992 noch weitgehend in seiner ursprünglichen Form. Alle vier gemauerten Fassaden sind noch vorhanden. Auf der Strassenseite sind noch die originalen Fenster erhalten. Vor allem fallen die nun restaurierten dreiteiligen Fenster in den beiden Geschossen auf, von denen das untere in Sandstein mit Karniesprofil und Schnecke in der Strassenfassade besonders schön zur Geltung kommt. Nicht mehr erhalten war der ursprüngliche Dachstuhl des Gärtnerhauses sowie die Treppe, die jedoch in der hinteren nördlichen Hausecke nachgewiesen werden konnte. Zur Strassenseite hin bestanden jeweils zwei Räume im Erdgeschoss und im 1. Stock, die mit einer Längswand gegen die hintere Haushälfte abgeteilt waren. Die vordere Hälfte ist unterkellert. Die Längswand in Fachwerk sowie die Mehrheit der Deckenbalken waren ursprünglich sichtbar und mit einfa chen Rahmenmalereien (rot und grau mit schwarzem Begleitstrich) gefasst. Die beiden grösseren Wohnräume, die durch die dreiteiligen Fenster an der Strasse hervorgehoben werden, waren vollständig vertäfelt. Während im Erdgeschoss weitere Täfelbretter auch die Deckenbalken verschalt hatten, umfasste die Ausstattung der Wohnstube darüber eine sichtbare und bemalte Deckenkonstruktion neben einem umlaufenden Wandtäfel. Einzig die Ofenstelle in der südöstlichen Raumecke war aus der Vertäfelung ausgespart und verputzt. Auf dem Verputz hat sich die ganze malerische Abfassung des früheren Kachelofens als Umriss erhalten, so dass dessen ursprüngliche Form annähernd rekonstruiert werden konnte.

Die Deckenmalereien im 1. Stock bestehen aus ockerfarbenen Ranken in barocker Manier. An der Deckenbemalung sind zwei zur Strasse orientierte Räume ablesbar, wovon der grössere mit dem Kachelofen eine etwas reichere Ausgestaltung mit zusätzlichen Weisshöhungen aufweist. Der kleinere, ehemals durch eine dünne Bretterwand abgetrennte Raum daneben war verputzt und mit einfachen Rahmenmalereien versehen. In beiden Räumen sind die Ranken um eine Mittelrosette, die jeweils in der Raumachse liegt, gruppiert. Die Balkenseiten sind mit Schuppenmotiven verziert.

Mit grosser Wahrscheinlichkeit sind die Deckenmalereien im Zuge der Erbauung des Elbs-Birrschen Hauses, also im Jahre 1694/95, entstanden. Die Rankendecken im Haupthaus (Musikschule), insbesondere die im heutigen Direktionszimmer im Erdgeschoss, sind farblich und formal mit den Deckenmalereien im Gärtnerhaus zu vergleichen. Das ehemalige Gärtnerhaus ist ein wahres Schmuckstück aus der Zeit der Gründung des Landgutes, das sich im Verband mit den ökonomiebauten im Verborgenen erhalten hatte.

Der Umbau der Ökonomiebauten

In den Jahren 1989 bis 1992 ist der gesamte Wirtschaftshof umgebaut und saniert worden9). Zweck des Umbaus war die Nutzung und Sanierung der brachliegenden Bausubstanz. Dank der umfassenden Neugestaltung und der zusätzlichen Neubauten im Hof konnten neue Räume für die Mosterei und Gärtnerei der Gemeinde, zwei Künstlerateliers, zwei Wohnungen sowie ein Saal und zwei Musikzimmer für die Musikschule gewonnen werden.

Das Gärtnerhaus und der daran anschliessende Anbau wurden als Maisonette-Wohnung ausgebaut. Die erst im Verlauf des Umbaus entdeckten Deckenmalereien konnten integriert und restauriert werden. Auch gelang es, den Standort der alten Treppe wieder aufzunehmen. Das Gärtnerhaus ist mit dem Umbau im besten Sinne wiederauferstanden.

Leider konnte der Rest der alten Remise nicht erhalten werden. Für die Einrichtung des Musiksaals im Obergeschoss wurde das Mezzaningeschoss zu einem eigentlichen Vollgeschoss erweitert, das heisst der Boden musste somit abgetieft werden. Diesem Eingriff fiel praktisch die gesamte Tragstruktur zum Opfer; sie wurde neu in Stahl ausgeführt. Das äussere wurde in allen Teilen analog zur vorgegebenen Architektur der ökonomiebauten rekonstruiert.

Im Hof bot sich die Gelegenheit, moderne Architektur der ökonomiebau-Architektur des 19. Jahrhunderts entgegenzusetzen. Mit den schlichten eingeschossigen Neubauten in Stahl und Glas besteht nun ein entschiedener Gegensatz zu den verspielten Sägeornamenten der in den originalen Farbtönen wiederhergestellten ökonomiebauten.

Anmerkungen 1) Der Riehener Katasterplan von Philipp Jacob Siegfried (1799-1862) stammt aus den Jahren 1825/1826. Wie das im Basler Staatsarchiv aufbewahrte Dokument zeigt, diente der Plan noch über Jahrzehnte für grundbuchamtliche Einträge. Der Siegfriedplan ist ein einzigartiges Dokument über die Bebauung Riehens für diese Zeit. Die Stadt Basel war damals noch nicht exakt kartiert. StABS, Planarchiv, H 4.37 AS

2) Für die Unterstützung möchte ich den Herren Fritz Lehmann und Albin Kaspar vom Historischen Grundbuch Riehen bestens danken.

3) Fritz Lehmann und Lucas Frey: «Die Sarasinschen Güter in Riehen», in: Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde, Bd. 66, Basel 1966, S. 157

4) Rolf Brüderlin: «Die Orangerie im Sarasinpark», in: RJ 1987, S. (36)—45

5) Im August/September 1990 wurden durch die Basler Denkmalpflege baugeschichtliche Untersuchungen am südlichen Okonomiegebäude durchgeführt. Beteiligt waren: Bernard Jaggi, Matthias Merki, Hans Ritzmann. Für die Farbuntersuchungen sowie die Restaurierungsarbeiten generell war Restaurator Paul Denfeld zuständig, für die Bauberatung der Basler Denkmalpflege Markus Schmid.

6) StABS, Planarchiv, W 4, 310

7) Gartenplan des Elbs-Birrschen Landguts von 1801. Der Plan, in dem der damalige Gutsbesitzer, Jacob Christoph Frey, aufgeführt ist, vermittelt uns neben anderem erstmals genaue Angaben zu den Gebäudeteilen, die später im ökonomie-Südflügel aufgegangen sind. Original im Mutterhaus der Diakonissenanstalt in Riehen

8) Martin Burckhardt-Lauber «Das Elbs-Birrsche Landhaus als Stätte der Musikschule Riehen», in: RJ 1979, S. 7-19

9) Projektverfasser war Rolf Brüderlin, Architekt SIA, Riehen. Für sein Interesse und die wohlwollende Unterstützung der Bauuntersuchungen danken wir ihm an dieser Stelle bestens.

 

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1992

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