Die Sprache der Jahrringe


Brigitta Kaufmann


Dendrochronologie angewandt – Beispiele aus der Bauforschung

Bernard Jaggi

 

Ein frühes Beispiel einer dendrochronologisch unterstützten Bauuntersuchung in Riehen ist das ‹Haus zur Waage› an der Baselstrasse 12. Die Liegenschaft erscheint erstmals 1591 in den Berainsurkunden mit einem konkreten Hinweis auf das Vorhandensein von «Haus und Hofstatt samt Garten», dazu existieren auch fragmentarische Jahrzahlen im Sturz des Tennbogens. Auf der Parzelle befanden sich zwei Gebäude: Das Hauptgebäude an der Strasse und versetzt dahinter der Scheunenbau. Der rückwärtige Scheunenbau konnte dank der Dendrochronologie exakt ins Jahr 1765 datiert werden.

Aus baugeschichtlicher Sicht ein eher trauriger Fall war der Umbau, in diesem Fall eine Auskernung, des sogenannten ‹Schweizer Hauses› an der Rössligasse 19. Das ehemalige Bauernhaus aus dem 17. Jahrhundert barg noch Reste eines älteren Gebäudes. Immerhin konnte die Untersuchung die wesentlichen Bauphasen belegen und das Kerngebäude dendrochronologisch ins Jahr 1649 einordnen.

Ein ähnlich unerfreuliches Vorgehen ereignete sich beim ehemaligen Bauernhaus an der Baselstrasse 74. Es wurde bis auf wenige Restmauern abgebrochen. Im Inneren kamen komplexe Baustrukturen aus vielen Jahrhunderten zum Vorschein: Es handelte sich um ein in der Giebelachse in Wohnhaus und Scheune mit Tenntor längs geteiltes Mischhaus mit imposantem Dachstuhl. Nach Ausweis der Den-drochronologie war die Grundkonstruktion mit Dachwerk ausserordentlich alt, sie stammte aus dem Jahr 1532!

Beim ‹Berowergut› an der Baselstrasse 77 brachten die baugeschichtlichen Untersuchungen vielfältige Aufschlüsse im ganzen Haus: Insbesondere konnte der spätere Anbau eines Kellerteils unter dem südlichen, älteren Hausteil nachgewiesen werden. Die Unterfangung der Kellermauern erfolgte im Jahr 1596, während die Mittelstütze im Erdgeschoss 50 Jahre früher datiert ist. Die komplexe Baugeschichte des Gutes mit mehreren Baukuben und individuellen Dachwerken konnte weitgehend entschlüsselt werden. Vieles klärte sich dabei jedoch ohne Einsatz der Dendrochronologie.

Eine ausserordentlich komplizierte Baugeschichte weist das ‹Werthemann-Stähelinsche Landgut› an der Baselstrasse 88 auf. Das älteste fassbare Gebäude stammt aus dem 16. Jahrhundert: Dieses umfasste die vordere Hälfte des Gebäudes, was im Keller anhand der noch vorhandenen Seitenmauern eindeutig belegt werden konnte. Es folgten ein Umbau und eine Erneuerung im Jahr 1625 sowie Ausbauten um 1690. Nach 1748 erfolgte ein umfassender Umbau zum Landgut und daraufhin die definitive Errichtung des Landguts im Jahre 1757 mit Fassadenmalereien. Dazu gehört auch das bestehende Pfettendachwerk. Der Anbau des rückwärtigen Treppenturms erfolgte um 1770. Die vielen Datierungshinweise setzten sich aus urkundlichen und dendrochronologischen Daten zusammen. Die Zuordnung all dieser Datierungshinweise war ein besonders schwieriges Unterfangen!

Im ‹Meierhof› am Erlensträsschen 9 wurden in den Jahren 2000 und 2009 dendrochronologische Untersuchungen durchgeführt. Die untersuchten Balken wiesen alle ein Fälldatum zwischen 1521 und 1524 auf. Dies bestätigte die Hypothese, dass der ins 12. Jahrhundert datierte Kernbau zu Beginn des 16. Jahrhunderts eine tief greifende Sanierung oder einen Wiederaufbau erfahren hatte, bei dem die Balken ersetzt wurden.

Das prominenteste Baudenkmal Riehens, die Dorfkirche St. Martin, war Anfang der 1990er-Jahre ebenfalls Gegenstand baugeschichtlicher Untersuchungen. Beim Turmmauerwerk konnten nach der Verputzentfernung verschiedene Bauphasen sowie eine Turmaufstockung nachgewiesen werden. Dank dendrochronologischen Untersuchungen gelang es auch, urkundlich überlieferte Baudaten des Turms jahrgenau zu bestätigen. Ebenso konnte das Dachwerk der 1694 verbreiterten Kirche dendrochronologisch bestätigt werden.

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2012

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