Die Vermögensrechnung der Gemeinde Riehen

Peter Grieder

Weit über die Grenzen des Kantons hinaus steht unser Dorf in dem Ruf, finanziell besser gestellt zu sein als die durchschnittlichen Schweizer Gemeinden. Während vor einigen Jahren noch allseits gute Rechnungsergebnisse gemeldet wurden, heben sich heute die — wenn auch geringen — Uberschüsse Riehens augenfällig von den Defizitmeldungen der meisten anderen Kommunen ab. Unser Gemeinwesen gehört nach Ausweis der Statistiken zu den paar wenigen, deren Finanzen noch nicht aus dem Gleichgewicht geraten sind und die nicht auf Kosten der kommenden Generation laufend mehr ausgeben müssen, als sie einnehmen. Natürlich spiegelt sich diese günstige Situation auch im Vermögen der Gemeinde wieder. Wie dieses allmählich gewachsen ist und wie es sich heute zusammensetzt, soll im vorliegenden Beitrag gezeigt werden.

Wir beginnen mit einer Tabelle der einschlägigen Zahlen (in Fr. 1 000) aus den Jahresrechnungen (1973 vom Parlament noch nicht genehmigt):

 

 Aktiven   Passiven    Rein-vermögen Aktiven   Passiven   Rein-vermögen
1950   2 6302 2683621962   9 0538 427626
19511 8071 435372196313 71813 056662
19522 4172 038379196415 54614 807739
19533 3182 928390196517 66216 900762
19543 7633 372391196623 15922 377782
19555 1144 710404196725 56724 724843
19565 2304 809421196823 79822 901897
19575 5615 132429196927 64826 719929
19586 5916 152439197031 30530 363942
19596 8166 299517197135 30834 323985
19606 8076 260547197241 15440 157997
19617 8537 243610197342 70641 6581 048

Schon ein flüchtiger Blick auf die letzte Spalte erkennt das stetige Wachstum des Reinvermögens; binnen 24 Jahren hat es sich verdreifacht — selbst unter Berücksichtigung des Währungsverfalles eine recht beachtliche Zunahme. Bei den Aktiven und Passiven dagegen, die in der Bilanz Aufschluss über die Zusammensetzung von Vermögen und Kapital geben, fällt auf, dass die Aufwärtsentwicklung nicht frei von Rückschlägen ist. Sie erklären sich vor allem aus den grossen Abschreibungen sowie aus den Schwankungen im Bestand der Wertschriften und der flüssigen Mittel (Kasse, Bank und Postcheck). Ende 1951 etwa waren nur Fr. 181 000 verfügbar — gegenüber Fr. 1 055 000 im Vorjahr, weil man den Saldo der Erfolgsrechnung stark erhöht hatte; 1968 wirkte sich der Erwerb der Sarasinschen Güter und deren Abschreibung aus (die Gemeinde war mit 50% beteiligt). Auf das Reinvermögen, die Restgrösse zwischen Aktiven und Passiven, hatte das keinen Einfluss. Seine ununterbrochene Vermehrung zeugt vielmehr von der weitsichtigen und erfolgreichen Tätigkeit der mit den Finanzen betrauten Personen.

Interessieren mag auch die Zusammensetzung des Vermögens. Die Bilanzsumme allein sagt nur wenig über die Substanz aus. Zahlreiche Konkursmeldungen in der Presse zeigen deutlich, dass ein grosser Vermögensausweis nicht unbedingt ein guter sein muss. Der wahre Stand der Dinge wird viel besser ersichtlich, wenn man eine Bilanz unter dem Gesichtspunkt der Liquidität, d. h. der Flüssigkeit der Mittel, untersucht. Wir bedienen uns dieser Methode und präsentieren hier die entsprechende Seite der vorletzten Gemeinderechnung. Unter den liquiden Mitteln erster Ordnung sind Vermögenswerte eingereiht, die unmittelbar zur Verfügung stehen und vorwiegend zur Bewältigung des laufenden Zahlungsverkehrs dienen. Das Bargeld der Gemeindekasse gehört hierher, dann aber auch das sogenannte Buchgeld der Bank- und Postcheckkonten, das bei den heutigen Zahlungsgepflogenheiten wie bares Geld verwendet wird. Angesichts der 1,5 Millionen Franken, die den durchschnittlichen Zahlungsverkehr der Gemeinde im Monat ausmachen, empfiehlt es sich, in dieser Position immer ausreichende Mittel bereitzuhalten. Auf der anderen Seite legt der minimale Zinsertrag des Buchgeldes nahe, solche Konten in der Höhe zu begrenzen.

 

In der Liquiditätsstufe zweiter Ordnung finden sich längerfristig angelegte Gelder und Forderungen, deren Realisierung Zeit braucht. Den gewichtigsten Teil der Aktiven nehmen die Wertpapiere ein. Bei Fr. 9382500 handelt es sich um Inhaberobligationen eidgenössischer, kantonaler, städtischer oder sonstiger Anleihen; lediglich Fr. 45 000 sind in Schweizer Aktien angelegt. Die Papieremüssenmündelsicherseinundauf kurze wie auf lange Sicht einen möglichst guten Zinsertrag versprechen. Als nächste Positionen folgen — immer noch auf der Aktivseite — die Steuerguthaben der Gemeinde bei den Steuerpflichtigen, ferner diverse kleinere Posten wie Debitoren, Dolenbeiträge usw. Unter den Passiva der zweiten Liquiditätskategorie ragen vor allem zwei Beträge heraus: die Kreditübertragungen und ein Teil der Reserven. Manche Aufgaben der Gemeinde können nicht zu dem im Budget vorgesehenen Zeitpunkt erledigt werden. Im Strassenbau, aber auch auf vielen anderen Gebieten treten Verzögerungen aller Art ein. Damit nun die vom Parlament bewilligten und bereitgestellten Mittel keinen späteren Voranschlag belasten, bei dem die finanziellen Möglichkeiten schlechter sein mögen, werden diese Gelder in der Erfolgsrechnung wie normale Ausgaben aufgeführt, aber nicht ausgegeben, sondern den Passiven der Vermögensrechnung zugewiesen. Bei Bedarf kann man sie jederzeit abberufen; in der Erfolgsrechnung des betreffenden Jahres erscheinen sie dann als Ertrag. ähnlich verfährt man bei der äufnung der Reserven, die Rückstellungen auf längere Sicht darstellen. Bei ihrer weiteren Verwendung bedarf es freilich der Zustimmung des Parlamentes. Nur ein Drittel dieser langfristigen Rücklagen finden sich auf der zweiten Liquiditätsstufe, die übrigen Reserven sollen erst auf längere Sicht verbraucht werden und besitzen deshalb einen tieferen Liquiditätsgrad. Der Saldo der liquiden Mittel zweiter Ordnung ist negativ, d.h. bei gleichzeitiger Auflösung aller Kreditübertragungen und Reserven würden die Aktiva nicht ausreichen. Zwar ist dieser Fall wenig wahrscheinlich und zudem wäre ein Rückgriff auf den Liquiditätsüberschuss der ersten Stufe möglich; trotzdem hält es die Gemeindeverwaltung für angemessen, den schwachen Punkt des Liquiditätsstatus im Auge zu behalten. Bei einer Gesamtbetrachtung der Vermögensverhältnisse aus der Sicht der Liquidität muss ausserdem betont werden, dass den täglichen Ausgaben auch Einnahmen gegenüberstehen und der Rückgriff auf das Vermögen nur bei Liquiditätsengpässen oder zur Finanzierung ausserordentlicher Vorhaben erfolgen sollte.

 

Ähnlich wie in der zweiten Stufe verhalten sich die Relationen in der dritten; sie bedürfen daher keines Kommentars. Erwähnenswert bleibt vielleicht, dass die Anwänderbeiträge unter dieser Kategorie figurieren : das Gesetz schreibt vor, dass Strassenbeiträge erst nach fünf Jahren fällig werden.

 

Auf grösseres Interesse dürfte die Position «Illiquide Mittel» stossen.

 

Ähnlich wie in der zweiten Stufe verhalten sich die Relationen in der dritten; sie bedürfen daher keines Kommentars. Erwähnenswert bleibt vielleicht, dass die Anwänderbeiträge unter dieser Kategorie figurieren : das Gesetz schreibt vor, dass Strassenbeiträge erst nach fünf Jahren fällig werden.

 

Schon die Höhe der Summe — Liegenschaften im Werte von rund 22,2 Millionen Franken mit 2,5 Millionen Belastung — verrät ihre Bedeutung für eine Untersuchung der Vermögenssubstanz unserer Gemeinde. Das gilt umsomehr, als der Wert der Liegenschaften durchaus nicht unbedingt den Tagespreisen entsprechen muss. Was vor längerer Zeit gekauft wurde, dürfte heute beträchtlich höher im Kurs stehen, ebenso wo grössere Abschreibungen vorgenommen wurden. Demgegenüber stehen nicht korrigierte Wertminderungen. Es scheint angemessen, diesen Teil des Gemeindevermögens genauer zu betrachten. Der Eindeutigkeit wegen sei hier darauf hingewiesen, dass wir nur den Liegenschaftsbesitz der Einwohnergemeinde Riehen behandeln, nicht den der Bürgergemeinde oder anderer Institutionen. Am 31. Dezember 1972 setzte er sich wie folgt zusammen:

 

Produktive LiegenschaftenFlächeBuchwert (Fr.)
1. Grundstücke56ha68a36  m13 105 178.25
2. Gebäude9ha92a91,25  m28 394 825.68
Unproduktive Liegenschaften3ha39a82,50  m21.00
1. Grundstücke13ha50a81,50  m2439 658.95
2. Gebäude1ha27a36,35  m247 653.60
  84ha 79a 27,60   m 22 187 317.48

Die produktiven Liegenschaften umfassen alle Grundstücke und Gebäude, die die Gemeinde nach privatrechtlichen Grundsätzen erworben hat; sie sollen dem Gemeinwesen laufende Einnahmen verschaffen und für kommende Generationen stabile Kapitalanlagen sichern. Unter den Grundstücken finden sich beispielsweise 20 Hektaren Wald, rund 6,5 Hektaren Land «Im Brühl» und «Im Bändli» sowie zahlreiche weitere Parzellen in bebauten und unbebauten Gebieten. An Gebäuden gehören die gemeindeeigenen Wohnbauten — etwa die Häuser Rössligasse 32, 33/35 und Baselstrasse 44 und 45 — in diese Rubrik. Da die produktiven Liegenschaften den Hauptteil des Gemeindevermögens bilden, soll hier auch die Frage aufgeworfen werden, ob die Kauftätigkeit der öffentlichen Hand auf diesem Sektor sinnvoll ist. An und für sich bestünde für die Gemeinde keinerlei Verpflichtung, sich an diesem Liegenschaftsmarkt zu beteiligen. Zu den o. a. Gesichtspunkten finanzieller Natur kommen jedoch weitere, die eine solche Beteiligung ratsam machen.

Von ganz wenigen Ausnahmen abgesehen — das Areal des Wenkenhofes sei hier rühmend hervorgehoben —, ist es heute Sache des Staates, seinen Bürgern Raum für Erholung und Sport zu schaffen. Sie allein rechtfertigt schon den nicht kleinen Besitz der Einwohnergemeinde an Waldparzellen. Als anerkanntes Erholungsgebiet ist der Wald ein so wichtiges öffentliches Gut, dass seine Betreuung nicht nur den Händen Privater überlassen bleiben darf, ganz abgesehen davon, dass das private Interesse am Kauf und Unterhalt des Waldes äusserst gering ist. Hier ist der Ort, wo das Staatswesen ordnend und gestaltend eingreifen muss, um eine wichtige Funktion unseres Lebensraumes zu erhalten und mit seinem Forstpersonal zu pflegen. ähnliches gilt auch für die Grundstücke in der Grünzone oder in anderen Erholungsgebieten. Was die Gemeinde an Bauparzellen besitzt, ermöglicht, bei Abtretungen zur Allmend und bei Landumlegungen einen grösseren Anteil zugunsten Privater einzuschiessen. Des weiteren sind sie Voraussetzung für die Aktivität der Gemeinde auf dem Gebiete des Wohnbaues, mit der sie einen nicht unwesentlichen Beitrag zur Behebung der Wohnungsnot und im sozialen Wohnungsbau leistet. Unter diesem Aspekt muss man auch die buchhalterische Herabsetzung der Landwerte, die Abschreibung betrachten. Sie betrifft die Grundstücke der Erholungszone, die jeweils sofort auf Null abgeschrieben werden; sie kommt aber auch bei anderen Liegenschaften zur Anwendung, die man je nach ihrem wirtschaftlichen Nutzen für die Gemeinde tiefer bewertet. Die «produktiven» Gebäude werden mit den gleichen Sätzen abgeschrieben, wie sie in der Privatwirtschaft gelten, also mit 1—2% im Jahr.

Die unproduktiven Liegenschaften umfassen Gebäude und Grundstücke, die öffentlichen Zwecken dienen. Darunter fallen u. a. Gemeindehaus und Dorfmuseum, Werkhof und Badeanstalt, Spiel- und Sportplätze und zahlreiche grössere und kleinere Anlagen. Normalerweise werden sie unmittelbar nach Kauf oder Erstellung abgeschrieben. Einzige Ausnahme bilden die Liegenschaften in Flims und Riom.

Als letztes führt der Liegenschaftsausweis die Grundstücke auf, die rechtsgültig der Grünzone zugewiesen worden sind. Auf Beschluss des Gemeinderates (zur Jahresrechnung 1973) sollen auch sie in Zukunft direkt auf Null abgeschrieben und als Erholungsraum ausgeschieden werden.

Recht aufschlussreich ist auch die Verteilung von staatlichem und nichtstaatlichem Grundbesitz in Riehen und Bettingen. Nach einer Untersuchung von Dr. T. Studer gehören rund 56% des Riehener Bodens der öffentlichen Hand, für eine ländliche Gemeinde ein erstaunlich hoher Prozentsatz. Einwohner- und Bürgergemeinde Riehen sind daran nur mit 42,2% beteiligt. Der Rest, d. h. über die Hälfte des öffentlichen Grundbesitzes, gehören nicht etwa dem übergeordneten Kanton, sondern zum grössten Teil Institutionen der Stadtgemeinde Basel. Allein die Grundwasserschutzzone umfasst 69 Hektaren. Weitere Einzelheiten sind der Tabelle auf Seite 87 zu entnehmen.

 

 

                                                Riehen               Bettingen

 

 haa%haa%
Allmend10197 695 
Allmendparzellen 2   
Eidgenossenschaft132  22 
Kanton321 283 
Einwohnergem. Basel31478 2135 
Einwohnergem. Riehen8113  58 
Einwohnergem. Bettingen  277 
Bürgergemeinde Basel1430 884 
Bürgergemeinde Riehen7331 277 
Bürgergemeinde Bettingen121 4083 
Kantonsspital  1482 
Landpfrundhaus des Kt. BS757   
Bundesrepublik839   
Gemeinde Weil (inkl. Wuhr) 48  —■ 
öffentliche Hand6076955,961019645,79
Diakonissenanstalt897   
Diakonissenmutterhaus  343 
Pilgermission813 3905 
Clavel-Stiftung655   
Kirchen und rei. Gem.  224   
Pensionskassen554  16 
Sonstige Stiftungen und Vereine637  20 
Wohngenossenschaften869   
übrige Genossenschaften 68  6 
Sozialer Bereich47174,34429019,26
Banken 10  13 
Versicherungen233   
übrige iurist. Personen1584 480 
Wirtschaftsbereich18271,684932,21
Privatbereich4129738,02729032,74
Gesamtfläche108610100,0022269100,00

Als Kuriosum lässt sich vermerken, dass das Grundbuch Riehen noch zahlreiche Parzellen anführt, deren Besitzer nach menschlichem Ermessen längst verstorben sein müssen, ohne dass bisher Erben zu ermitteln waren.

Unsere Gemeinde darf sich rühmen, in Zeiten der Finanzkrisen über ein gesundes Vermögen zu verfügen. Wir verdanken diese Tatsache neben der anhaltend guten Konjunktur vor allem dem Umstand, dass man in Riehen mit den vorhandenen Mitteln haushälterisch umgegangen ist und grosse Aufgaben erst in Angriff genommen hat, wenn die finanziellen Voraussetzungen geschaffen waren. Diese heute vielenorts als etwas altmodisch bezeichnete Mentalität hat sich bewährt und dürfte auch kommenden Generationen ein lebensfähiges und gesundes Gemeinwesen sichern. Es bleibt zu hoffen, dass übergeordnete Instanzen diese Leistung anerkennen und nicht damit lohnen, dass sie die finanziellen Mittel der Gemeinde kürzen.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1974

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