Dieter Ballmann und sein Atelier-Theater

Dominik Heitz

1979 eröffnete der Schauspieler Dieter Ballmann im «Hus bym Kilchhof» an der Baselstrasse das Atelier-Theater. Eine Würdigung im Hinblick auf das im kommenden Jahr anstehende 20-Jahr-Jubiläum des Riehener Kleintheaters.

Möge das Haus auch in der Zukunft all seinen Bewohnern ein schönes Heim bieten», schrieb Fritz Lehmann vor bald 20 Jahren im Riehener Jahrbuch 1979 über die renovierte Liegenschaft Baselstrasse 23. Für das Atelier-Theater, das hier in den Kellerräumlichkeiten noch im gleichen Jahr, am 29. September 1979, seine erste Saison mit dem bekannten Schweizer Liedermacher Toni Vescoli eröffnen konnte, trifft dieser Satz zu: Bis heute - und wohl gewiss darüber hinaus - ist das «Hus bym Kilchhof» dem Kleintheater ein gemütlicher Spielort gewesen. Dieter Ballmann, sein Gründer, erinnert sich: «Ich konnte damals das Atelier-Theater dank der Unterstützung durch Gemeindepräsident Gerhard Kaufmann entstehen lassen. Kaufmann hatte mir auch die Freilichtspiele im Wenkenpark ermöglicht - noch vor der Renovation der Reithalle.»

«Es gefällt mir hier»

Über die Eröffnung des Theaters schrieb die Riehener-Zeitung in ihrer Ausgabe vom 5. Oktober 1979: «Eine recht grosse Zuhörerschaft stieg am Samstagabend zum ersten Mal im <Hus bym Kilchhof> die Treppen hinunter in den Keller des neuen Atelier-Theaters. Der Raum wurde mit einfachen Mitteln hergerichtet: hell getünchtes Gewölbe und Seitenwände, einfache Holzklappstühle, in den hinteren Ecken Besuchergarderobe und kleine Erfrischungsbar, vorne erhöht das offene Podium für die Künstler.

Das Ganze erhellt durch ein paar Spots und die nötigen Bühnenscheinwerfer. Atelier-Theater-Besitzer Dieter Ballmann hat bewusst auf einen speziellen Eröffnungsakt verzichtet, wurde doch das ganze Theater erst in den allerletzten Minuten so weit fertig, dass überhaupt gespielt werden konnte.»

Heute präsentiert sich das knapp hundert Personen fassende Theater mit seinen zahlreichen Plakaten an den Wänden als Ort, der schon viel erlebt hat.

«Aus der Art geschlagen»

Dieter Ballmann: Seit gut 20 Jahren lebt der deutsche Schauspieler, Regisseur und Theaterbesitzer in Riehen, wo er auch das Bürgerrecht erhalten hat. Geboren ist er allerdings - zusammen mit seinem Zwillingsbruder HansJürgen - 1939 in Thüringen. Nach der Schulzeit besuchte er die Theaterschule Leipzig und liess sich - wie seine beiden Brüder Hans-Jürgen und Karl - zum Schauspieler ausbilden. «Wir sind aus der Art geschlagen», sagt Ballmann in bezug auf seinen Vater, der Arzt war. «Doch unsere Eltern haben uns in unserer Entwicklung überhaupt nicht behindert.» Nach der Theaterschule folgten für Ballmann Engagements in Frankfurt und Marburg und ab 1964 in Basel. «Sechs Jahre spielte ich an der Komödie, dann habe ich mich selbständig gemacht und unter anderem auch Fernsehfilme und Theaterstücke mit meinem Bruder Hans-Jürgen realisiert», erzählt Ballmann. Nach seiner «Basler Zeit» spielte er in Bern, Luzern und auch in Zürich, wo er unter der Regie von Friedrich Dürrenmatt im «Urfaust» mitwirkte. Dann kam er wieder zurück nach Basel und leitete für zwei Jahre das Theater «vis-à-vis» am Klosterberg. Zu dieser Zeit hatte er bereits auch schon das Atelier-Theater in Riehen.

Weshalb gerade Riehen? «Ich habe hier meine erste Frau geheiratet. Es gefällt mir hier. Zudem haben das Atelier-Theater und die Wenkenhofspiele mich dazu verführt zu bleiben.» Die Wenkenhofspiele standen von 1978 bis 1985 unter der Leitung von Dieter Ballmann und brachten mit dem Ensemble «Theater im Wenkenhof» erfolgreiche Produktionen wie «Ingeborg» von Curt Goetz, «Loriots Televisionen» oder die Neufassung von Piatos «Zwillingsbrüder» auf die Freiluftbühne.

Gerd Fröbe live

Als das kleine Atelier-Theater 1979 in Riehen startete, legte es gleich ein reichhaltiges Programm vor. Elsi Attenhofen die alte Dame des Schweizer Kabaretts, und Hanns Dieter Hüsch waren zu sehen. Ballmanns Bruder HansJürgen gastierte mit seinem Tourneetheater «Das schiefe Podium». «Die Lerche» von Ephraim Kishon wurde gegeben, ebenso Friedrich Dürrenmatts «Play Strindberg».

Und mit dem Sondergastspiel «Durch Zufall frei» kam man gar in den Genuss, den deutschen Schauspielstar Gerd Fröbe live zu erleben. In den darauffolgenden Jahren riss das Programm, was bekannte Namen betraf, nicht ab. Gisela May, eine der bedeutendsten Brecht-Interpretinnen, war im Atelier-Theater ebenso zu Besuch wie die Kabarettisten Joachim Rittmeier und Walter Roderer, Emil oder Clown Pello. Und wegen ihres Erfolgs standen Eigenproduktionen wie Loriots «Szenen einer Ehe» oder «Die Zauberflöte für Kinder» («ein Dauerbrenner», so Ballmann) über mehrere Saisons auf dem Programm.

Neben der Verpflichtung anerkannter Schauspielerinnen und Schauspieler wurden auch Talente gefördert. Michael Birkenmeier erhielt als junger Kabarettist Gelegenheit, hier sein Können unter Beweis zu stellen. Jungen Bühnenschauspielern wurden Rollen oder gar kleinere Stücke offeriert.

«3-Länder-Theater Basel»

In den letzten Jahren ist das Atelier-Theater vor allem mit Produktionen über verstorbene Künstlerinnen mit Kultstatus hervorgetreten. Mit dem hoch gelobten Stück «Piaf» fing die Reihe an, fand ihre Fortsetzung in «Zarah Diva» und hat mit «Mythos Marlene» ihr bisheriges Ende gefunden. Ebenfalls in nachhaltiger Erinnerung geblieben ist Carlo Goldonis Lustspiel «Mirandolina», das als Freilichtspiel mit origineller Bühne hinter dem Spielzeugmuseum aufgeführt wurde.

Einzelne dieser Stücke liefen indes nicht nur als AtelierTheater-Produktionen, sondern wurden zusätzlich unter dem Namen «3-Länder-Theater Basel» aufgeführt. Das hat seinen Grund. Seit 20 Jahren gibt es das «3-Länder-Thea ter Basel». Es ist ein weiteres Kind Ballmanns. Allerdings versteht sich dieses Theater nicht als stationärer Betrieb, sondern als Tourneetheater, dem das Atelier-Theater als Probebühne dient. «Das <3-Länder-Theater> ist für mich Arbeit», sagt Ballmann, «das Atelier-Theater dagegen fast ein Hobby.»

Grosse Tourneen durch die Schweiz hat Ballmann mit seinem «3-Länder-Theater» unternommen. Als Produktionen denkt er hier zunächst an «Das Haus in Montevideo» von Curt Goetz, dann Kurt Wilhelms Komödie «Der Brandner Kaspar und das ewig' Leben» - und dann an «Drei Männer im Schnee» von Erich Kästner. «Das ist der Hit meines Lebens», sagt Ballmann. Allein in der Schweiz hat er mit Inigo Gallo und Ruedi Walter 400 Vorstellungen gegeben. «Wenn man einen Partner wie Ruedi Walter hat», erinnert sich Ballmann, «wird es einem nie langwei lig.» Später hat er dieselbe Komödie in deutscher übersetzung fortgeführt mit Frithjof Vierock und Rainer Hunold. Und schliesslich spielte Ballmann auch in der Filmversion von «Drei Männer im Schriee» mit.

«Manchmal hat man Erfolg, manchmal nicht»

Ballmann ist allerdings nicht nur Schauspieler; er führt bei seinen Atelier-Theater- und «3-Länder-Theater»-Produktionen auch Regie - und ist letztlich ebenfalls für die Produktion verantwortlich. «Als Produzent hat man immer ein Risiko», sagt er, «manchmal hat man Erfolg, manchmal nicht.» Qualität sei gefragt und auch Vertrauen bei jenen, die einen engagieren, «denn die buchen ja ein Tournee-Theater blind». Qualität kann Ballmann insofern vorweisen, als dass er seit Jahren einen Stamm an Schauspielerinnen und Schauspielern aus der Region hat - wie etwa Christiane Pohl oder Lothar Hohmann. Dann zählt er aber auch über das Fernsehen bekannte Schauspieler wie Frithjof Vierock, Toni Berger und Fritz Wepper zu seinen «festen Leuten».

Und ebenso gehört Dietlind Allgaier zu seiner festen Crew. Seit 1990 ist sie - als zweite Frau - mit Dieter Ballmann verheiratet und bei seinen Theaterproduktionen für Bühnenbild und Kostüme verantwortlich. Am Salzburger Mozarteum hatte sie Bühnen- und Kostümbildnerin studiert und war zuletzt Ausstatterin im Theater in Stuttgart.

Wenn das Atelier-Theater im kommenden Jahr 20 Jahre alt ist, dann wird Dieter Ballmann seinen 60. Geburtstag feiern können und dürfte - wie das andere tun - sich erlauben, langsam über seine Pensionierung nachzuden ken. Doch von Aufhören will er noch lange nichts wissen. Für die Saison 1998/99 plant er ein Kindermusical aus Schweden mit dem Titel «Katzen». Ferner will er - in Fortsetzung der Reihe verstorbener Künstlerinnen - das Stück «Meisterklasse» auf die Bühne bringen. Das von Terrence McNally in der amerikanischen Originalversion mit dem Titel «Master Class» geschriebene Stück wurde mit grossem Erfolg in New York am Broadway gespielt; es hat die verstorbene Sopranistin Maria Callas und ihre Klasse junger, hoffnungsvoller Sänger zum Thema.

Es wird deutlich: Eine theaterlose Zeit ist für Dieter Ballmann kein Thema. «Ich habe schon immer leidenschaftlich gerne geschauspielert. Schauspieler bin ich, solange es da oben klappt», sagt er und tippt sich an die Schläfe.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1998

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