Ein neues Gastronomiekonzept im Schlipf


Toprak Yerguz


 

Das Restaurant an der Bahnhofstrasse 28 hat eine bewegte Vergangenheit hinter sich. Im gemeindeeigenen Gebäude ist nun das Restaurant ‹schlipf@work› beheimatet, das mit einem neuen Konzept antritt. Neben kulinarischen stehen auch soziale Aspekte im Vordergrund.


 

Innert einem Jahr hat die Gemeinde Riehen ihre zwei Restaurantgebäude neu verpachtet. Nachdem 2012 der frisch sanierte Landgasthof unter dem renommierten Gastronomie-Unternehmer Pierre Buess seine Türen wieder öffnete, folgte im Januar 2013 die Eröffnung des Restaurants ‹schlipf@work›.


 

Es ist das neuste Kapitel einer wechselhaften Geschichte des Lokals an der Bahnhofstrasse 28: Die einstige Bahnhofswirtschaft wurde 1962 von der Gemeinde Riehen gekauft und zum Heim der vom Gaststubenverein betriebenen, alkoholfreien ‹Schlipferhalle› gemacht. Zuletzt hiess das Restaurant ‹Zum Schlipf›, als das Wirtepaar Sandra und Stephan Kövi im Herbst 2012 einen Schlussstrich unter sein Engagement zog und zur ‹Ussdringgede› einlud. Das Restaurant war zu diesem Zeitpunkt zwar ein gemütlicher Treffpunkt für die Stammkundschaft, aber alles andere als ein Vorzeigeobjekt wie der Landgasthof.


 

«Doppelt gut essen»


Vielleicht war es die Kritik an der teuren Sanierung des Landgasthofs – einige Parlamentarier argumentierten im Einwohnerrat, dass es nicht Aufgabe einer Gemeinde sein könne, ein Restaurant zu führen – die den Gemeinderat dazu bewog, bei der Verpachtung des Schlipf-Restaurants neue Wege einzuschlagen. «Wenn sich Riehen schon zwei Restaurants leistet», sagte Gemeinderätin Annemarie Pfeifer damals, «soll für das Gemeinwohl auch eine Serviceleistung erbracht werden.» Den Zuschlag erhielt schliesslich der Verein Lebensträume. In den Unternehmensbereichen dieser Non-Profit-Organisation werden Menschen mit Beeinträchtigungen und Sozialhilfebezüger beschäftigt sowie Jugendliche und junge Erwachsene, die nach der Ausbildung keine Anschlussmöglichkeit oder keinen Berufseinstieg finden.


 

Am 7. Januar 2013 standen sich die geladenen Gäste im Restaurant gegenseitig auf den Füssen: Die feierliche Neueröffnung des ‹schlipf@work› war äusserst gut besucht. Am Tag danach wurde der reguläre Betrieb für die Riehener Bevölkerung aufgenommen.


 

Ein halbes Jahr später zieht Geschäftsführer Daniel Wölfle ein positives Zwischenfazit: «Der Zuspruch der Riehener ist gross, was uns natürlich freut.» Gerade in den ersten Wochen sei der Ansturm sehr gross gewesen, erinnert er sich lachend: «Alle wollten sehen, wie es bei uns jetzt läuft.»


 

Diese Neugier der Riehener Bevölkerung kommt nicht von ungefähr. «Die Riehener Beizenlandschaft kriegt einen attraktiven Zuwachs», hatte Gemeinderätin Annemarie Pfeifer bei der Eröffnung versprochen. Und das bezog sie nicht nur auf die aufgefrischten Räumlichkeiten des zuvor eher dunklen Restaurants. Natürlich spielte der soziale Charakter des Vereins Lebensträume für die Pachtvergabe der Gemeinde eine grosse Rolle. «Riehen kann Arbeitslosen aus der Gemeinde eine Perspektive bieten», erklärt Ruedi Illes, Leiter der Sozialhilfe. Vier Stellen stehen für dieses Arbeitsintegrationsprogramm zur Verfügung, hinzu kommen mehrere Praktikumsplätze. Vervollständigt wird das Team durch fünf Fachleute.


 

Auch Daniel Wölfle wirbt mit dem sozialen Auftrag, wenn er sagt: «Bei uns kann man doppelt gut essen.» Mit dem Restaurantbesuch unterstütze man eine gute Sache, denn schliesslich seien da unter anderem auch Personen beschäftigt, die anderswo keine Chance kriegten. Dass man dabei aber auch mit Vorurteilen zu kämpfen hat, weiss der Geschäftsführer nur allzu gut und bekräftigt: «Wir beweisen täglich, dass wir eine ganz normale Gastronomie sind mit überragendem Essen und Service. Wir sind keine geschützte Werkstatt.»


 

Schritt nach aussen


Daniel Wölfle strahlt Zufriedenheit aus, wenn er über das erste Halbjahr spricht. Das Konzept sei aufgegangen. Ausgezeichnet laufe das Kaffee-und-Kuchen-Konzept am Nachmittag, auch gut besucht sei der Betrieb über Mittag. Sehr gut sei zudem der Zuspruch von Gesellschaften, die die Räumlichkeiten des Restaurants nutzen. Zusammen mit dem Catering-Service, den ‹schlipf@work› auch anbietet, habe der Betrieb verschiedene Standbeine, die zum Wohlergehen des Unternehmens beitragen würden. Verbesserungspotenzial gebe es vor allem beim Abendgeschäft, das andere Gäste anlocke als der Mittagsbetrieb.


 

Einen Wermutstropfen gab es nur im Aussenbereich zu verkraften, wo Wölfle mit einer Holzhütte den Betrieb weiter ankurbeln wollte. Wegen einer fehlenden Baubewilligung musste dieses Vorhaben auf den nächsten Sommer verschoben werden. Wölfle schwebt eine Art familienfreundlicher Biergarten vor. Er hofft nicht zuletzt wegen der Nähe zum Wettstein-Spielplatz auf Erfolg.


 

Diesen Schritt nach aussen kann man doppelt verstehen: Daniel Wölfle, der früher bei der Mobilen Jugendarbeit in Riehen gearbeitet hatte, weiss, wie die Menschen hier ticken. Er geht offen auf sie zu und ist bemüht, allfällige Vorurteile abzubauen. Das Restaurant ‹schlipf@work› beteiligte sich an einigen Anlässen in Riehen – wie der Museumsnacht im Spielzeugmuseum, dem ‹Stimmen›-Festival im Wenkenhof, an ‹Jazz on a Summer’s Night› oder am Dorffest – und zeigte, was es im Bereich Catering zu bieten hat. Für das nächste Jahr hat sich Wölfle vorgenommen, auch vermehrt eigene Events zu veranstalten.


 

Damit ‹schlipf@work› auch bei den Riehener Geschäftsleuten ankommt, setzt Wölfle nach Möglichkeit auf lokale Produkte für die Essenszubereitung und beschäftigt ansässige Handwerker, wenn es etwas zu machen gibt. Und mit dem Buch- und Kunstantiquariat an der Bettingerstrasse wurde ein Kunstkonzept für die Innenräume des Restaurants entwickelt. Daniel Wölfle lächelt: «Wir versuchen eben, uns ins Riehener Dorfleben einzufügen.»


 

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2013

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