Eine Spielwiese auf Zeit

Franz Osswald

Dank Weitblick von Immobilien Basel-Stadt und Gemeinde Riehen, steht heute das Areal Rüchligweg der Bevölkerung zur Zwischennutzung offen.

 

Leer. Wiese. Wo einst Notwohnungen am Rüchligweg standen und in Zukunft eine Alterssiedlung stehen wird, herrscht heute «Weitblick». Und das ist auch im übertragenen Sinne gemeint, wird doch das frei gewordene Gelände nicht als Brache stehen gelassen, sondern dank einer Zwischennutzung der Bevölkerung zugänglich gemacht. Dabei ist es noch nicht so lange her, dass an derselben Stelle die Emotionen hoch gingen und feurige Diskussionen geführt wurden. Grund war ebenfalls eine «Zwischennutzung», eine nicht bewilligte, wilde Party, die die Anwohnerschaft in Angst und Schrecken versetzte, die Behörden auf Trab hielt und gewisse politische Exponenten auf den Plan rief.

Am Wochenende vom 16. bis 20. Oktober 2009 fand auf dem Gelände der ehemaligen Notwohnungen am Rüchligweg für Riehen bisher Ungewohntes statt: Eine wilde, unbewilligte Party ging über die Bühne. Die Veranstalter, die unter dem Namen «Village Sauvage» auftraten, hatten ein reichhaltiges Konzertprogramm organisiert. Der lautstarke Event versetzte die von Ruhe verwöhnte Anwohnerschaft indessen in Alarmbereitschaft. Auch Peter Gabriel, der gleich gegenüber den ehemaligen Notwohnungen am Rüchligweg wohnt, hat zuerst mit Angst reagiert: «Ich dachte, wenn die Polizei massiv eingreift, dann kommt es zum Chaos.»

Doch es blieb bei ihm nicht bei der Angst. Gabriel ging aufs Gelände, weil er wissen wollte, was da abgeht, «und da ging die Post ab, wie es Riehen noch nie gesehen hat», stellte er fest. «Was von aussen bedrohlich klang, gab sich aber vor Ort als geordneter, meist friedlicher Anlass», erzählt Peter Gabriel. «Ich habe mit den Leuten gesprochen, es waren auch Riehener Jugendliche anwesend. An den Briefkästen der Anwohner war ein Infozettel angebracht worden, auf dem Gelände gab es Stände, an denen man sich verpflegen konnte, ein Sanitätsposten war vorhanden, Jugendliche mit Funkgeräten standen Posten, um Tumulte zu verhindern, die Polizei war in zivil anwesend.»

Peter Gabriel kann sowohl die Ängste der Anwohnerschaft verstehen, musste aber nach eigenem Augenschein auch konstatieren, dass «der illegale Anlass gute vielfältige Musik bot und gut organisiert war. Denn am Sonntag wurde das Areal tiptop aufgeräumt». Die Zettel «Keine Randalen» nützten indes so wenig wie die Vorkehrungen an Fussballspielen: Wenige Chaoten sorgten für erheblichen Sachschaden.

Gemeindepräsident Willi Fischer, der von der Polizei nicht im Vorfeld orientiert worden war, zeigte sich im ersten Moment erschrocken. «Ich habe mich mehrmals auf dem Gelände aufgehalten und die Zerstörungen gesehen.» Fischer verurteilt das illegale Vorgehen der Veranstalter, er konnte aber auch gute Gespräche mit den Jugendlichen wie auch mit Grossrat Urs Müller, der als Vermittler zwischen Veranstaltern und Polizei vor Ort war, führen und war «erstaunt, dass am Sonntag alles sauber aufgeräumt war». Willi Fischer hatte schon im Vorfeld gewarnt, dass es zu illegalen Zwischennutzungen kommen könnte, wenn die Häuser nach den Kündigungen nicht sofort abgerissen würden.

Barbara Neidhart, Leiterin Kommunikation und Marketing Immobilien Basel-Stadt, wollte dies nicht gelten lassen. «Die letzten Mieter sind vor wenigen Wochen ausgezogen. Die Vorbereitungen für den Rückbau waren bereits im Gange.» Ein früherer Abbruch der Gebäude sei nicht möglich gewesen, weil noch keine Bewilligung vorlag. Der Polizeieinsatz wurde vom Liegenschaftsbesitzer Immobilien Basel-Stadt mit der Polizei koordiniert. Neidhart: «Wir wollten abwarten, ob sich die Veranstalter an ihr Wort halten und nach zwei Tagen das Gelände abtreten. Ein Grosseinsatz wäre weder verhältnismässig noch in solch kurzer Zeit möglich gewesen», erklärte sie. Ob Immobilien Basel-Stadt Strafanzeige erstatten wird, sei noch offen, sagte Barbara Neidhart damals.

Die Sache ist mittlerweile abgeschlossen, dafür blieb Immobilien Basel-Stadl offen für eine mögliche Zwischennutzung. Die Gemeinde Riehen war ebenfalls der Ansicht, dass dieses über 12 000 Quadratmeter umfassende Areal nicht einfach bis zur bevorstehenden Bebauung «weggesperrt» werden sollte und suchte deshalb das Gespräch mit Immobilien Basel-Stadt. Und so steht das Gelände am Rüchligweg, das am 20. August zur Zwischennutzung freigegeben worden ist, für die Bevölkerung offen.

Zuvor aber galt es, Ideen zu sammeln, Wünsche aufzunehmen, Bedürfnisse abzuklären. Da es sich um eine «Spielwiese» auf Zeit handelt, sollten auch die Einrichtungen den Charakter des zeitlich Begrenzten aufweisen - also eine Möblierung, die in nützlicher Frist und mit vertretbarem Aufwand installiert und wieder abgebaut werden kann.

Da sich gleich in unmittelbarer Nachbarschaft das Freizeitzentrum Landauer befindet, sollte das Angebot eine Ergänzung zum bestehenden Programm darstellen, erklärt Christian Lupp, Fachbeauftragter Freizeit und Sport der Gemeinde Riehen.

Dass das Gelände bei einem Augenschein einen etwas trostlosen Eindruck hinterliess, soll aber kein Grund zur Sorge sein. Zwar standen auf dem Areal Anfang September lediglich einige Bankgarnituren und Abfallfässer sowie zwei Fussballtore und ein paar Baumstämme, geplant ist aber nebst diversen Veranstaltungen - auch ein Veloparcours.

Damit auf einer Freifläche Anlässe verschiedenster Art stattfinden können, muss sie vor allem eines sein: frei und nicht verstellt. Und Events haben im Herbst 2010 bereits diverse stattgefunden: Am 11. September boten die Riehener Jugendarbeiterinnen und Jugendarbeiter den hiesigen Bands eine Bühne, auf der sie ihr musikalisches und tänzerisches Können präsentieren konnten. Die «Robi-Spiel-Aktion» und das Freizeitzentrum Landauer organisierten Spielanlässe lur Kinder und Familien und am 24. September diente das Areal als Austragungsort eines Herbstfestes.

Für mindestens knapp zwei Jahre steht der Riehener Bevölkerung und der Gemeinde Riehen eine «Spielwiese» zur Verfügung, die genutzt werden will. Gute Ideen und Vorschläge sind willkommen und können beim Quartierverein Niederholz, den Jugendorganisationen oder bei der Gemeindeverwaltung vorgebracht werden, sagt Christian Lupp, dem die Mitwirkung aller interessierten Kreise ein Anliegen ist.

Zwei Jahre oder etwas mehr - dann werden Bagger und Baumaschinen das Regime übernehmen. Wenn dereinst Wohnungen und der Neubau des Alters- und Pflegeheimes Humanitas fertiggestellt sein werden, wird wieder das einkehren, was für Riehen so typisch ist: Ruhe.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2010

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