Episoden vom Wenken

Robert Sigl

Der Wenken, Jahrhunderte selbständige Siedlung und Herrschaftshof mit dem Recht niederer Gerichtsbarkeit, im Besitze der Klöster St. Gallen und St. Blasien, wird anfangs des 17. Jahrhunderts Sommerwohnung und später dauernder Wohnsitz von Bürgern aus der Stadt. Das Leben auf dem Wenken, dessen Jahrhunderte währende Abfolge sich in einem fast unerschöpflichen Reichtum von Schriftund Bildquellen spiegelt und sich auch in der heutigen baulichen Erscheinung des Ensembles deutlich ablesen lässt, ist reich an Glanzlichtern, Merkwürdigkeiten und Ereignissen. Eine bunte Reihe von Bewohnern des Landgutes tritt in diesen Dokumenten aus dem Dunkel der älteren Geschichte hervor, und mit zunehmender Nähe zu unserer Zeit lässt sich ein immer deutlicheres Bild vom Leben auf dem Hofe Wenken zeichnen.

Die Persönlichkeit, die wohl, über die ganze Geschichte des Hofes gesehen, als Einzelner den Wenken am stärksten gestalterisch geprägt hat, war Johann Heinrich de Jakob Zäslin. Er war es, der die Anlage, als er sie 1735 kaufte, über den zweckorientierten Gutsbetrieb hinaus zur «Lustbarkeit» erweitert hatte. In jungen Jahren war er in Paris gewesen und hatte an französischer Lebensart Geschmack gefunden, was dann in der Umgestaltung des Wenken zum Schauplatz für galante Feste markanten Ausdruck fand. In einem zeitgenössischen Portrait, das dem Hofmaler von Ludwig XIV., Hyacint Rigaud, zugeschrieben wird, tritt er uns als vornehm gekleideter Edelmann mit gepuderter Perücke, distinguiertem und durchaus selbstzufriedenem Gesichtsausdruck gegenüber. Zwei Veduten vom Wenken, die kurz nach der Umgestaltung à la française entstanden sein müssen, zeigen im Vordergrund je eine vornehme Gesellschaft und Liebespaare im fröhlichen Spiel. Das Dorf Riehen und die Stadt liegen weitab in der Ferne. Wer dieser ausgewählte Kreis gewesen ist, mit dem sich Zäslin in seiner «splendid isolation» auf dem Wenken umgab, wissen wir im einzelnen nicht. Auf jeden Fall war das Haus eingerichtet, um eine stattliche Gesellschaft zu empfangen. Das Inventar führt eine beträchtliche Anzahl prunkvoller Betten, mit denen auch die Salons ausgestattet waren, auf. Dennoch, das Glück im Geschäft, das Zäslin die grosszügige Ausstattung seines Sommerwohnsitzes ermöglichte, scheint nicht unbedingt mit persönlichem Lebensglück gepaart gewesen zu sein. So sehr er sich als erfolgreicher Kaufmann und Financier rühmen konnte, so wenig war sein Lebenswandel ein Ruhmesblatt. Die schwere Krankheit seiner letzten Jahre und Monate scheint ihn aber wieder auf den Pfad der Tugend zurückgeführt zu haben, was den Pfarrer zu St. Peter, Joh. Heinrich Brucker, in der am 6. August 1752 im Münster gehaltenen Leichenpredigt, die unter dem Motto «der göttlichen Züchtigungen Nutzbarkeit» stand, zur Schlussbemerkung «Ende gut, alles gut» veranlasst hat. Der Verstorbene habe «seine vielen und grossen Sünden, und den öfteren Missbrauch des zeitlichen Wohlstandes erkannt, bereut» und Einsicht in sein geführtes Leben gezeigt. «Seine Krankheit war zwar beschwerlich: Gelobet aber sei der Herr, der ihn dadurch in seine Zucht genommen, und nunmehr zu seiner wahren Ruhe gebracht hat.»

Letzteres war offenbar eine irrige Annahme. Man sagt, Zäslin, der zeitlebens unverheiratet war, habe im Tode keine Ruhe gefunden und er erscheine in seiner RokokoKleidung mit der Allonge-Perücke all jenen Bewohnern des Wenken, die Sinn für solche Sachen haben.

So haben frühere Bewohner berichtet, er sei ihnen im Herrenhaus vor wenigen Jahren zweimal des Nachts erschienen. Die Türe zur Schlafstube sei hell erleuchtet gewesen und die Person Zäslins habe im Türrahmen gestanden, habe stumm gegrüsst und sei wieder verschwunden. Auch Alexander Clavel erzählt in seinem Buch vom Wenkenhof von einer Begegnung mit Zäslin (vor dem Empire-Pavillon): «An dieser Stelle war es auch, wo mir der sagenhafte Wenkengeist, Johann Heinrich Zaeslin selig, zum ersten Mal begegnete. Es heisst, er habe frühere Bewohner des Wenkenhofs oftmals erschreckt und keine Ruhe gefunden wegen seines allzu freien Lebenswandels. Aber vielleicht war es auch nur die Sorge um sein Werk, den Wenken, die ihn nicht schlafen liess. So wäre es wohl zu erklären, dass er mir gerade an jenem sonnigen Juninachmittag erschienen ist, als ich allein, in Pläne und Zeichnungen vertieft, vor dem Pavillon sass. Ich hatte alle Entwürfe um mich ausgebreitet und sann darüber nach, wie man die alten Pläne zu neuem Leben erwecken könne, als plötzlich ein würdiger alter Herr in dunklem Rock vor mir stand. Erschreckt fuhr ich auf und fragte die seltsame Erscheinung nach ihrem Begehren, worauf sie sich schnell und wortlos nach der offenen Tür des Pavillons wandte und darin verschwand. Erst nachträglich wurde mir bewusst, wer mein Besucher gewesen, und ältere Wenken-Bewohner, wie Minister Bourcart, bestätigten meine Schilderung. - Kurz danach zeigte sich der Wenkengeist noch einmal vor dem Fenster unseres Esszimmers - seitdem ist er uns nicht mehr begegnet. Dürfen wir wohl der überzeugung sein, dass er sein Werk in guter Hut befunden und sich endlich zur Ruhe begeben habe? Auf jeden Fall bildete er nicht nur ein Gesprächsthema, sondern es war mir später noch oft, als müsste ich den Willen eines längst Verstorbenen vollziehen und als umschwebten mich bei meinen oftmals recht folgenschweren Entschlüssen manche guten Geister.»

Die auf Zäslin folgenden Besitzer-Generationen von Samuel und Johann Jakob Merian, dem Grossneffen und Patenkind von Zäslin, und Johann Jakob Bischoff, in denen der Wenken wiederum grosse Bauherren hatte, die das Gut bedeutend arrondierten und die Gebäude grosszügig erneuerten und erweiterten, will ich übergehen und komme auf Dr. med. Martin Burckhardt-His, den Doktor vom Wenken, der als geschätzter Landarzt vom Wenkenhof aus eine ausgedehnte und segensreiche Landarzt-Praxis betrieb. An ihn erinnert heute noch der Name «Martinsrain», als Bezeichnung für die unterhalb des Parks gelegene Verbindungsstrasse zwischen Bettinger- und Wenkenstrasse. Es wird gesagt, er habe jeweils seinen Patienten zuerst ein Glas Wein vorgesetzt und sie erzählen lassen, was ihnen fehle. Diese etwas unorthodoxe Methode hat sicherlich mit zu seiner grossen Beliebtheit bis weit ins Markgräflerland beigetragen. Sowohl er als auch seine Frau waren ita lienbegeistert. Die von Frau Burckhardt-His verfassten Tagebücher der beiden grossen Italienreisen, die Ausgestaltung des Ostflügels mit der italienisch anmutenden Loggia und die verschiedenen südländischen Pflanzen legen davon beredtes Zeugnis ab. Die Ehegatten Burckhardt-His erwählten 1851 den Wenkenhof zur dauernden Wohnstätte und richteten ihn auch entsprechend ein. Bis zu Beginn der 1860er Jahre ist er als Ganzjahreswohnung bewohnt worden. Danach nahm die Familie wieder Sitz in der Stadt, freilich auch jetzt nur, um daneben so oft und so lange als möglich den geliebten Wenken zu bewohnen, dessen ganze Eigenart und Poesie aus Landleben, Geselligkeit, Jagdlust, Arbeit wunderbar gewoben, Martin Burckhardt im Innersten empfand.

Einige Jahre später wurde das glückliche Familienleben auf dem Wenken durch die aus finanziellen Gründen notwendige Teilung des Gesamt-Gutes getrübt. Martin Burckhardt-His schreibt: «1875 Nov. entschied das Unglück sich auf die Seite des Herrn J. J. Burckhardt-Stefani (Bruder von M. Burckhardt-His, mit dem dieser das Hofgut ererbt und ungeteilt besessen hatte), der im Effektenhandel sich viel zu weit für sein Vermögen eingelassen hatte. Der Wenkenhof wurde feil geboten, nachdem im Sommer 1875 ein Mieter in Burckhardt-Stefanis Haus (Neuer Wenken) wohnte. Da aber kein entschiedenes Angebot gemacht worden war, hingegen im Herbste J. J. BurckhardtStefani gedrängt wurde Bezahlung zu leisten, so trat dessen lieber Bruder, Herr Eduard Burckhardt-Burckhardt (Halbbruder von M. Burckhardt-His), auf und erwarb sich den einten Hof mit Brunnen, Pflanzen, Hühnerhof, Badhaus und Vi Wasserrecht, das Wohnhaus, die anschliessenden Remisen und Gemüsegärten nebst äckern, Matten und Hofgarten.

Somit ist 1876 im Januar der Wenkenhof in zwei Teile gefallen, den Oberen- und den Unteren und dennoch seit 1736 in einer Familie verblieben.»

Mit dem Schwiegersohn Martin Burckhardts, Prof. Dr. Rudolf Wackernagel, dem Staatsarchivar und Verfasser der Geschichte der Stadt Basel, zog 1903 nach dem Tode Martin Burckhardts der grosse Historiker unserer Stadt im Alten Wenken ein. Er selbst war sehr erfreut, als er in der definitiven Erbteilung von 1909 den Alten Wenken zu alleinigem Eigentum übernehmen und 1910, nach verschie denen, an Stelle grosser Umbaupläne ausgeführten Renovationen, im Wenken dauernden Wohnsitz nehmen konnte. über dem Portal gegen den Ehrenhof liess er die Aufschrift «ANNO SALUTIS 1909» anbringen. Man versteht die Freude des Besitzers, an dessen Frau, Elisabeth Wakkernagel-Burckhardt, Hermann Hesse 1908 schrieb: «Ihre Sehnsucht nach dem Wenken begreife ich wohl, auch ich muss noch jedes Frühjahr an den Wenken und die Sonntage und Abende dort denken, der Frühjahrsbeginn dort steht mir immer wie etwas besonders liebes und paradiesisches im Gedächtnis.»

Wackernagel war ein richtiger Gelehrter. Jeden Tag war er schon morgens um 6 Uhr am Schreibtisch hinter den Büchern und Schriften. In seinem Studierzimmer war auch der Ort, wo jeweils die Enkelkinder ihre Schulaufsätze zu schreiben hatten. War wieder ein Thema vom Lehrer zur Behandlung aufgegeben, so nahm Wackernagel die Kinder ins Studierzimmer, wo sie sich zwei Stunden hinsetzen und den Aufsatz schreiben mussten. War die Arbeit fertig, las er sie kritisch durch und brachte seine Korrekturen und sein Urteil an.

Eine Behinderung des Professors brachte es mit sich, dass in der Regel nicht er zur Visite ging, sondern Freunde und Bekannte ihn auf dem Wenken aufsuchten. Teilweise fand sogar das Kolleg bei ihm zu Hause statt und die Studenten kamen zu ihm. Das Haus war damit Mittelpunkt eines regen geistigen und kulturellen Lebens. So waren re gelmässig literarische Abende veranstaltet, an welchen vorgelesen und diskutiert wurde. Am Sonntag nachmittag war immer viel Betrieb im offenen Haus. Man machte keine grossen Umstände und hielt herzliche Gastlichkeit. Die Enkelkinder hatten immer drei bis vier Kannen Tee bereitzustellen, man schnitt einen grossen Stollen auf und so hatte man seine Geselligkeit, zu welcher auch regelmässig interessante Gesprächspartner beitrugen.

Regelmässig hielt man auch Familientage auf dem Wenken, wo die weitläufige Familie mit Bekannten zusammentraf. So war es auch Tradition, dass am Sonntag Kind und Kindes-Kinder auf dem Wenken zum Mittagessen in der grossen Essstube gegen den Ehrenhof zu Gast waren, da wo noch heute in zweien der kleinen Scheiben die Namen und Geburtstage der Eltern, Kinder und Enkel eingeritzt sind.

Gekocht wurde im Sommer in der grossen Küche, die ehemals auch für die Feste im Zäslinschen Lusthaus diente. Ein gewaltiger Schüttstein, fliessendes Wasser von der Wenkenmattquelle, die heute noch die Hofbrunnen und die Springbrunnen des Neuen Wenken speist, und ein mächtiger Herd mit Rauchfang bildeten die Einrichtung. Das Wenkenwasser wurde übrigens im Gegensatz zum Riehener Wasser hoch gerühmt. Man sagte ihm sogar Heilwirkung nach und oft hiess es, wenn einer der Verwandten in der Stadt krank war, «gang bring em Wänkewasser». Für den Winter war die kleinere Winterküche im Haupttrakt in Gebrauch. Gewohnt wurde vorwiegend im ersten Stock, wo die grosse, um 1830 erbaute Empire-Stube mit dem Blick auf die Münstertürme den Rahmen für die Zusammenkünfte bildete.

Für die Kinder hatte das geräumige und labyrinthische Wohnhaus, in dessen Estrich sich an Regentagen hervorragend Versteckeriis spielen liess, etwas Heimeliges und die alten, aber grosszügigen Einrichtungen waren so recht für sie geschaffen. Im ersten Stock des Ostflügels befand sich im Abortturm ein doppelsitziger Klosettkasten, aus Holz natürlich. Die Sitze wurden wöchentlich von der Spetterin geschrubbt. Die doppelsitzige Einrichtung war angesichts der zahlreichen Kinder nicht nur praktisch, sondern für diese auch eine köstliche Sache. Man sass stets zu zweit, plauderte und trieb allerlei Neckereien.

Professor Wackernagel und seine Frau hatten, wie schon die Schwiegereltern Burckhardt, eine Vorliebe für alles Italienische. Auch sie waren verschiedentlich in Italien und hatten immer wieder italienische Schützlinge auf dem Wenken. So ist denn auch nicht verwunderlich, dass der Wackernagelsche Garten in ganz italienischer Ambiance neu arrangiert wurde. Das Terrain östlich des Wohnhauses gegen den Bettingerbach, ehedem ein etwas verkommener Hühnerhof, wurde in zwei Stufen terrassiert und mit Vasen, italienischem Brunnen, Buchshecken, Bosketten und einer Pergola ausgestattet.

Wenn im Buchhaus grosse Wäsche für den ganzen Weiler war, wurden die mächtigen Eichengestelle im Hof in den eigens in der Pflästerung eingelassenen Verankerungen befestigt und so über den ganzen Hof mit mehreren Seilen die Wäsche getrocknet. Zum Bleichen wurden die Leintücher im Garten auf der Wiese ausgebreitet.

Zur Zeit Rudolf Wackernagels war die Lage vom Wenken noch durchaus solitär. Eine malerische Hofgruppe inmitten von Feldern und lichten Obstbaumhainen. Flankiert wurden die imposanten Bauten durch die Lindenallee und das mächtige Kastanienboskett im Nordwesten, das ehedem Johann Heinrich Zäslin konzipiert hatte; es handelte sich um einige der ersten Rosskastanienbäume, die auf Schweizer Boden gepflanzt wurden und von welchen vier noch heute stehen. Sie umgaben einstmals die «Venus avec les belles fesses», eine der neun grossen, nach den mythologischen Skulpturen von Versailles geschaffenen Bildsäulen, die heute verstreut und leider zum Teil verkommen im Gebiet um ihren ursprünglichen Standort, dem Französischen Garten des Neuen Wenken stehen. Im Südosten wurde die Hofgruppe durch das um 1780 angelegte romantische Wäldchen mit der Römersäule aus Augusta Raurica, dem Hirschengraben und dem Rindenhäuschen mit den buntfarbigen Scheiben, in welchem die Kinder so herrlich spielen konnten, umrahmt. Die Bettingerstrasse führte noch direkt am alten Wohnhaus und an der Remise vorbei. Der Hellring war ein Viehweg gegen die Hell, ein Stück Weidland unterhalb des Wenkenbergs, und bis weit gegen den Bäumlihof breitete sich Acker- und Wiesland aus.

Erst in der Zeit Alexander Clavels, der den Wenkenhof 1917 erwarb, hat sich das Bild verändert und es erfolgte erneut eine grundlegende Neugestaltung der ganzen Anlage.

Clavel liess die Bettingerstrasse entsprechend der Linienführung der anfangs dieses Jahrhunderts projektierten Chrischona-Bahn verlegen und gab der Gebäudegruppe mit der Achse gegen die 1925 erbaute Reithalle eine neue Orientierung. Die Einfahrt gegen den Ehrenhof liess er von einem breiten Gittertor abschliessen, das von zwei mächtigen Hirschen dominiert wird.

Die gewonnene Distanz zwischen Strasse und Ehrenhof ermöglichte eine monumentale Eingangspartie, die nach den Ideen von Alexander Clavel eine etwas imposante schlossartige Wirkung haben sollte. Erst die siebente Planung brachte eine Lösung, die befriedigte. Sie ist inspiriert von dem berühmten, Mitte des 16. Jahrhunderts geschaffenen Kunstwerk, Diana mit dem ruhenden Hirsch, das ursprünglich in einem Hof des Château d'Anet aufgestellt war, und dem Gitterportal des Schlosses von Versailles. Nach dieser Idee schuf der Pariser Bildhauer Plumet 1922 die gegenüber der historischen Vorlage stark vergrösserten Gipsmodelle für den Bleiguss der beiden monumentalen Sechzehn-Ender, die auf den die Toranlage flankierenden Podesten Aufstellung finden sollten.

Der Transport der beiden Skulpturen von Paris nach dem Wenkenhof verlief nicht ohne Schwierigkeiten. In seinem Buch vom Wenkenhof beschreibt Clavel die mit der überführung verbundenen Probleme, für welche er aber eine elegante Lösung fand, wie folgt: «Obschon auf einem tiefen Camion verladen, blieben die Hirsche mit ihren mächtigen Geweihen von 2,80 m Höhe und ihren langen Ohren bereits vor Troyes an den Ulmen und Platanen mit ihren tiefen ästen hängen. An Ort und Stelle musste man sie einer Operation unterziehen. Mit viel Mühe wurden die Geweihe und bald auch die Ohren abmontiert. Endlich gelangten sie an die Grenze. Ich begrüsste sie in St-Louis, wo jedoch der Schweizer Zoll zu meinem Schrecken den tarifmässigen Einfuhrzoll für Blei nach dem Gewicht im Betrage von 4000 Franken forderte. Um Abhilfe zu schaffen, musste ich die beiden Hirsche zunächst an der Grenze Wache halten lassen. Endlich war eine Lösung gefunden: durch eine Schenkung an die Stadt Basel wurde die zollfreie Einfuhr gesichert, mit der Verpflichtung, dass die dekorativen Figuren auf ewige Zeit den Eingang des Wenkenhofs an der Bettingerstrasse schmücken würden.»

Schliesslich musste den beiden mächtigen Tieren auch noch der Hals durchtrennt werden, da sie immer noch zu gross waren, um mit hoch erhobenem Haupt das Trassee der Badischen Bahn in Basel zu unterqueren.

Obwohl die Stadt heute mit zahlreichen Einfamilienhäusern und überbauungen an den Wenken herangerückt ist, ist dank den heutigen Eigentümern, der Alexander ClavelStiftung sowie den Einwohnergemeinden Basel und Riehen, der Bestand der Anlage grosszügig gesichert. Somit bleibt der Wenken als kleiner selbständiger Weiler und in seiner geographischen Schlüsselstellung zwischen Berg und Tal auch heute noch weitgehend erlebbar. Man darf zu Recht hoffen, dass im Wenken etwas von jenem Geiste in die Zukunft weitergetragen werde, der seit alters her die einmalige pastorale Einheit am Ausgang des Bettingertales geprägt hat.

Zum vorliegenden Beitrag sind mir von verschiedener Seite in liebenswürdiger Weise Informationen und Anregungen zugegangen, für die ich mich sehr herzlich bedanke. Ganz besonderen Dank schulde ich Frau M. Gertrud Zimmerli-Boerlin, die mir als Enkelin von Professor Rudolf Wackernagel-Burckhardt zahlreiche persönliche Erlebnisse aus der Zeit ihres Grossvaters mitgeteilt hat.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1984

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