Erinnerung an Arnold Pauli (1900-1977)

Paul Schaller

Es gibt den Tod, der sich dem Menschen Schritt um Schritt nähert und ihn allmählich aus den Fesseln seiner Körperlichkeit befreit, und es gibt den andern Tod, der ein Leben mit schreckhafter Plötzlichkeit auslöscht. Schiller sagte es mit den schweren Worten: «Rasch tritt der Tod den Menschen an, es ist ihm keine Frist gegeben, er stürzt ihn mitten in der Bahn, er treibt ihn fort vom vollen Leben». Wie eine Lähmung hat uns am Sonntag, dem 26. Juli 1977 die Nachricht vom unerwarteten Tode Arnold Paulis getroffen, der am Tag zuvor mit dem Männerchor der Eisenbahner am Schwyzer KantonalSängerfest in Pfäffikon teilnahm und beim Vortrag der herrlichen Chorschöpfung «Gott in der Natur» von Franz Schubert am Klavier zusammensank. Ein kostbares Stück Schubertscher Chorlyrik, die er zeitlebens als sein tiefstes Klang-Glück in sich trug, wurde zum Abschiedsgesang für den herzhaft spontanen Musiker und Sänger.

Arnold Pauli studierte am Konservatorium Basel, erwarb sich Diplome als Gesanglehrer für Mittel- und Oberschulen und für Sologesang, absolvierte einen Dirigentenkurs bei Felix Weingartner und erweiterte seine Gesangsstudien in Wien. In Basel hatte er in Hermann Suter ein wegweisendes Vorbild der Chorleitung, während er in Wien als Sänger im Schubert-Bund durch die Anregungen Victor Kehldorfers wesentliche Förderung erfuhr. Ausgeprägte Begabung, grosses Interesse und ein freudiges Streben nach Wissen und Können summierten sich zu einem reichen und vielseitigen Ertrag an fachlicher Bildung und pädagogischer Mitteilungsfähigkeit. Grund und Boden waren bereitgemacht, um einem fruchtbaren beruflichen Wirken hoffnungsfroh entgegenzugehen. Sagen wir es in herzlicher Mitfreude: Hoffnung schuf Erfüllung!

Seit 1930 wirkte Arnold Pauli als temperamentvoller und berufener SchulSinglehrer, zuerst zwei Jahre in Basel, dann jahrzehntelang in Riehen. In dieser Zeit ersang er sich auch seine ersten Erfolge als Liedgestalter und als Bariton-Solist in Passionen und Oratorien. 1930 begann auch seine weithin ausstrahlende Tätigkeit als Chorleiter, als welcher er eine immense und sich bedeutsam auswirkende Arbeit der Chorerziehung und Musikvermittlung geleistet hat. Er leitete während 25 Jahren den Reveillechor der Basler Liedertafel, den Lehrergesangverein Baselland und den Männerchor Wyhlen, während Jahren auch den Männerchor Gundeldingen; über 30 Jahre den Zunftchor der Hausgenossen, während 40 Jahren den Männerchor der Eisenbahner, über 45 Jahre den Männerchor Breite-Concordia, und er war schon daran, ein Konzertprogramm zu entwerfen für sein 50jähriges Dienstjubiläum, welches er in drei Jahren beim Männerchor Birsfelden hätte feiern können. Man wird von Achtung und Bewunderung erfüllt für solchen Einsatz, solche Leistung und Hingabe. Dazu kam seine umfangreiche Tätigkeit als Experte an Gesangfesten und seine wertvolle Mitarbeit im Vorstand des Nordwestschweizerischen Chordirigentenverbandes. Und immer wieder fand er noch Zeit zu kompositorischem Schaffen, mit besonderem Erfolg in der ansprechenden Form des Liederspiels, wie im «Brunnenspiel», im «RhySpil», im «Spiel zur 500-Jahrfeier von St. Jakob an der Birs» und im «Bettinger Festspiel».

Überall, wo Arnold Pauli tätig war, wirkte er aus seiner lebendigen, sprühenden Persönlichkeit heraus, in welcher sich ein wacher Geist, eine eigenschöpferische und nachschaffende Gestaltungskraft und eine gemüthafte Erlebensart zu einer ungewöhnlich intensiven Ausstrahlung zusammenfügten. Ob am Klavier oder am Dirigentenpult, ob als Sänger und Stimmbildner oder als Singlehrer einer Schulklasse: immer stand er in der glücklich gefügten Zweiheit des zielsicheren Praktikers und des künstlerisch empfindsamen Musikers da. Seine hohe Aufgabe, singende, klingende Schönheit zu wecken, Frohmut heranzurufen und Freude zu spenden, hat er ein Leben lang aus ganzer Seele und mit gütigem Herzen erfüllt, nie verlassen von seinem erquickenden Humor und von seinem in Wort und Gestik enthusiastischen Begeisterungsvermögen. Dem Chorgesang schenkte er als Dirigent seine besten musikalisch und pädagogischen Fähigkeiten. Er pflegte das gute, schöne Lied, von einer einfachen Volksweise bis zu den unerschöpflichen Klangoffenbarungen Franz Schuberts, und er trat auch als beseelter Interpret grösserer Oratorienwerke hervor.

Mit einem wundervollen Gesang Schuberts hat Arnold Pauli von dieser Welt, die ihm eine «schöne Welt» war, Abschied genommen. Er ist gestorben, aber er lebt weiter; denn Erinnerung ist zurückgerufenes Dasein, ist Dank und geistige Wiederbegegnung. Sich an den lieben Kollegen und Freund «Noldi» zurückzuerinnern, fällt keinem schwer; denn immerfort wird dies in Freude geschehen.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1978

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