Gespräche

Rosmarie Tscheer

Dazwischen Menschen

 

Tram, Autobusse, Lastwagen,

Lärm von Motorfahrzeugen

und dazwischen Menschen.

Gesprächsfetzen,

ein zum Gruss

erhobener Arm,

und wieder Autobusse,

Lastwagen

und Motorfahrzeuge.

Menschen, vom Lärm umtost,

eingekeilt zwischen

Routinearbeit

und täglichem Kleinkram.

Immerfort und erfolglos

auf der Suche nach

Mitteilung,

nach einer Antwort

auf ihre Fragen,

 

nach den Umrissen

eines Echos,

nach den Spuren eines

Zusammenhangs

zwischen den abgerissenen

Gesprächen,

die wie Vögel fortfliegen,

im Winde flattern

und verwehn

wie Stoffresten

von abgewetzten Tüchern.

 

Spital

Abteilung der Betagten

Weisse Gänge, weisse Türen.

Manchmal eine wie zufällig

nicht geschlossen,

und durch die Türöffnung

werden weisse Kissen,

Betten mit Bügeln sichtbar,

Menschen

mit rückwärts gewendeten Blicken.

Auf den Gängen braune Stühle

und in den Stühlen das gesammelte Warten

auf das Unvermeidliche,

von dem man hofft,

dass es eine Weile noch

vermeidbar sei.

Gedämpftes Sprechen

in dieser Welt,

die sich vor die frühere,

die wirkliche geschoben hat,

in diesen geraden Korridoren,

die mählich länger werden.

 

Mauern und Menschen

Mauern.

Uber den Mauern Blütenzweige,

die über den grauen Stein hinausranken.

Die unergründlichen Gesichter

der Stiefmütterchen aus samtenem Blättergrund.

Hinter den Mauern uralte Bäume mit knorrigen Stämmen.

Rundherum Rasenflächen,

über die dann und wann

ein eiliger Schritt geht.

Im steinernen Hof

ein Brunnen mit blauem Trog,

in den zuweilen gelbe Blütenblätter fallen

und das Lachen und Schreien der Kinder,

die aus der Welt jenseits der Mauern kommen.

 

Der Kastanienbaum im Pfarrgarten

 

Kastanien zwischen braun-gelb farbenen Blättern.

Vor kurzem herabgefallene Kastanien mit glänzender Haut

auf dem Kies und zwischen spärlichem Herbstgras.

Im Spiel aufgehobene und wieder fortgeworfene Früchte

wie Gedanken, die rasch geformt,

kaum erwogen, achtlos liegen gelassen werden,

 

als ob sie zu lebensvoll, lästig

und gänzlich unangebracht wären

in der bleichgesichtig werdenden Zeit.

 

Der Herbst kommt

Der Herbst kommt, Freunde,

der Herbst und die Zeit der langen Gänge

auf blätterübersäten Wegen

mit dem Wind als Begleiter.

Richtet euch in euren vier Wänden ein

mit dem ausgehenden Jahr,

mit den Worten, die nicht gesagt,

mit den Briefen,

die nie geschrieben wurden.

Bescheidet euch mit euch selbst

und nehmt die Stille zur Gefährtin.

Es ist unnötig, die Läden zu schliessen,

denn niemand wird hereinsehen.

Niemand wird kommen

 

ausser dem roten Kater.

 

Gespräche

 

Wer vermöchte zu leben

ohne das Gespräch mit Freunden?

Die Kastanien sind abgefallen.

Die Nussbäume stehen ohne Früchte.

Die Trauben sind längst ausgepresst in der Kelter.

Gedanken voller Zuneigung

überstehen den Kahlschlag der Zeit.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1982

zum Jahrbuch 1982