Grenzüberschreitende Geothermie

Richard Grass

Seit November 2000 liefert Riehen warmes Wasser in die Heizzentrale der Regiotherm GmbH in Stetten Süd. Ein «grenzunterfliessendes» Projekt mit unerwarteten Hindernissen.

Am Abend des 25. September 1996 fasste der Einwohnerrat Riehen einstimmig einen Beschluss, der im wahrsten Sinne des Wortes Auswirkungen über die Landesgrenze hinweg haben sollte. Das Parlament ermächtigte den Gemeinderat, mit der Regiotherm GmbH einen Vertrag über die Wärmelieferung vom Wärmeverbund Riehen nach Lörrach abzuschliessen, und bewilligte einen Kredit in der Höhe von 766000 Franken für den Bau einer Verbindungsleitung. Im Auftrag der Stadt Lörrach hat die Regiotherm GmbH die Aufgabe übernommen, das Neubaugebiet in Lörrach-Stetten Süd mit Nahwärme zu versorgen. Bereits einen Monat nach der Sitzung des Einwohnerrates unterschrieben der Gemeindepräsident Gerhard Kaufmann und der Gemeindeverwalter André Grotsch für die Gemeinde sowie die Geschäftsführer der Regiotherm Gerhard Haury und Werner Bahre den Wärmelieferungsvertrag.

Die Planerin des Wärmeverbundes Riehen, die Gruneko AG in Basel, hatte in der frühen Planungsphase für das Neubaugebiet in Lörrach die Idee, Wärme von Riehen nach Stetten Süd zu liefern. Schon 1991 wurden Vertreter der Gruneko AG beim Oberbürgermeister der Stadt Lörrach vorstellig und empfahlen, für die Grundlastversorgung Wärme aus Riehen zu beziehen und auf die damals vorgesehenen Blockheizkraftwerke zu verzichten. Dieser Vorschlag fand jedoch kein Gehör. Die Verantwortlichen der Gruneko AG waren jedoch von ihrer Idee so überzeugt, dass sie 1995 einen zweiten politischen Anlauf wagten. Durch Vermittlung der inzwischen neu gewählten Oberbürgermeisterin Gudrun Heute-Bluhm konnten Verhandlungen mit der Geschäftsführung der Regiotherm GmbH aufgenommen werden. Sowohl die Stadtregierung als auch die Geschäftsführung zeigten grosses Interesse an einer ökologisch sinnvollen Energieversorgung in Stetten Süd.

Die Regiotherm GmbH wurde 1993 durch die Badische Gas- und Elektrizitätsversorgung AG und die Kraftübertragungswerke Rheinfelden AG gegründet. Die Regiotherm GmbH erbringt Dienstleistungen im Energiebereich mit Schwerpunkten in der Beratung, Planung, Projektierung, Errichtung und im Betrieb von Wärme-Kraft-Kopplungsanlagen einschliesslich Wärmeverbundanlagen. Kunden sind die Industrie, private Bauträger und Kommunen. Am 30. September 2000 schied die Badische Gas AG aus der Regiotherm GmbH aus, behielt aber das Heizwerk Stetten Süd als Alleinverantwortliche in ihrem Geschäftsbereich.

Die Zusammenarbeit zwischen der Regiotherm GmbH und der Gemeinde Riehen als Betreiberin des Wärmeverbundes Riehen ist nur zustande gekommen, weil sie beiden Vertragspartnern Vorteile bringt. Wie erwähnt, deckt der Wärmebezug aus Riehen in Stetten Süd nur den Grundlastbedarf ab, denn die Heizzentrale des Wärmeverbundes stösst an kalten Wintertagen schon ohne Lieferung nach Stetten beinahe an ihre Leistungsgrenze. Da in Riehen jedoch keine Betriebe ansässig sind, die in den Sommermonaten und in den übergangszeiten vor und nach der Heizperiode viel Wärme benötigen, sinkt der Wärmebedarf in dieser Zeit erheblich und die Geothermie, die das ganze Jahr über zur Verfügung steht, kann nicht vollständig genutzt werden.

Die Wärmelieferung nach Stetten Süd erhöht also die jährliche Betriebsdauer des geothermischen Kreislaufes. Dadurch steigt der Strombedarf der Wärmepumpen, was dazu führt, dass auch die Blockheizkraftwerke, die der Stromproduktion dienen, länger und somit wirtschaftlicher betrieben werden können. Bei Aussentemperaturen von weniger als 5°C wird die Wärmelieferung nach Stetten Süd abgeschaltet. Die zur Versorgung des Neubaugebietes notwendige Wärme wird dann nicht vom Wärmeverbund Riehen mit öl, sondern durch die Regiotherm selbst mit Gas erzeugt. Diese Regelung mit der abschaltbaren Wärmelieferung bringt folgende Vorteile: • kein Mehrverbrauch an Heizöl in Riehen • keine Angebotsminderung in Riehen • um rund 15 Prozent bessere Auslastung der Grundlastzentrale Die Vorteile für Stetten Süd sind: • niedrigerer Wärmetarif • geringerer Schadstoffausstoss im Gebiet Lörrach durch 30 Prozent weniger Gasverbrauch • kleinere Investitionskosten für das Heizwerk Stetten Süd durch Verzicht auf Blockheizkraftwerke Der Bau der Verbindungsleitung war natürlich nicht ohne Hindernisse. So drückten die hohen Kosten der langen Verbindungsleitung auf die Wirtschaftlichkeit. Deshalb stellten die Verantwortlichen bei der EU ein Gesuch, um über das Interreg-Il-Programm für das grenzüberschreitende Projekt einen Förderbeitrag zu erhalten. Leider kam aus Brüssel ein abschlägiger Bescheid, weil im Zeitraum 1995 bis 1999 keine Infrastrukturen gefördert wurden. Auf einer Baustelle, die durch die Landesgrenze durchschnitten wird, waren auch zolltechnische Probleme zu lösen. Obwohl die Zollbehörden auf beiden Seiten dem Projekt viel Sympathie entgegenbrachten, mussten die Zollvorschriften eingehalten werden. Innerhalb der Baustelle hätten Baumaterial und Maschinen nicht einfach verschoben werden können, sondern hätten den Umweg über den Zoll an der Lörraeherstrasse machen müssen. Schweizer Firmen hätten für länger dauernde Arbeiten in Deutschland für ihre Arbeiter eine Arbeitserlaubnis einholen müssen genauso wie deutsche Firmen für Arbeiten in der Schweiz.

Eine einfache Lösung ergab sich zum Glück in der Organisation der Baufirmen. Die Tiefbauarbeiten teilten die Basler Unternehmung Meier+Jäggi AG und die ABG Bauunternehmung aus Rheinfelden D unter sich auf und die Rohrbauarbeiten erledigte die Caliqua AG, Basel, welche ihre Tochterfirma Caliqua Powertec GmbH aus Weil mit den Arbeiten in Lörrach beauftragte. Schnittstelle für die Arbeitsteilung war jeweils die Landesgrenze, sodass für den Hauptteil der Arbeiten keine Zollformalitäten notwendig waren. Damit waren aber noch nicht alle Probleme mit der Landesgrenze gelöst, denn der deutsche Zoll erkannte, dass die durch die neue Leitung transportierte Wärme als Import zu gelten hat und somit verzollt werden muss, nur gab es für Wärme keinen Zolltarif. Die Beamten hatten rasch eine Lösung zur Hand. In der Leitung fliesst ja Wasser, also wendet man den Zolltarif für Wasser an.

Die Überbauung Stetten Süd konnte nur schrittweise realisiert werden. Für den geringen Wärmebedarf der ersten Gebäude hätte sich die Investition für die Verbindungsleitung nicht gelohnt. So wurde mit dem Bau der Leitung bis ins Jahr 2000 zugewartet. Am 24. November 2000 wurde die Leitung offiziell eingeweiht. Technisch gesehen verbindet die Leitung zwei Heizzentralen, sie verbindet aber auch zwei Gemeinden über die Landesgrenze hinweg und gibt die Möglichkeit, die in den vorangegangenen Jahren abgekühlten Beziehungen zwischen den beiden Gemeinden neu zu beleben und die grenzüberschreitende Zusammenarbeit auf anderen Gebieten zu intensivieren.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2001

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