Grünes Licht für die Rote Linie

Niggi Tamm

Riehen verfügt über ein dichtes und populäres Netz an öffentlichen Verkehrsmitteln. In den letzten Jahren ist das Angebot schrittweise optimiert worden. Das nächste Ziel: die Rote Linie der Regio-S-Bahn.


Die Bevölkerungsumfrage 2001 hat es gezeigt: Die Riehener Bevölkerung weiss «ihre» öffentlichen Verkehrsmittel zu schätzen. über 90 Prozent der Antwortenden erklären sich als zufrieden oder sogar sehr zufrieden. Die Tramlinie 6 (der «Sechser») bildet seit jeher das Rückgrat des Riehener öffentlichen Verkehrs; dies wird wahrscheinlich noch längere Zeit so bleiben, obschon das Trassee südlich des Dorfkerns am Siedlungsrand entlangführt und deshalb nicht optimal liegt. Mit dem «Combino» setzen die BVB seit kurzem auf ihrer Paradelinie modernstes Rollmaterial ein. Die immissionsgeplagten Anwohnerinnen und Anwohner entlang der Hauptverkehrsachse kommen damit in den Genuss einer wesentlichen Lärmreduktion.


Die traditionell guten Grundleistungen der BVB werden seit vielen Jahren auf Veranlassung und Kosten der Gemeinde durch besondere Angebote ergänzt und mit beträchtlichem planerischem und finanziellem Einsatz stetig optimiert. Seit mehr als zwanzig Jahren verkehren die Kleinbusse der Linien 35 und 45, deren Betriebskosten je zur Hälfte von den BVB und der Gemeinde getragen werden; sie sorgen für die Feinerschliessung derjenigen Gebiete, die weiter als fünf Gehminuten von einer Haltestelle des Trams oder der «grossen» Buslinien 31 und 34 entfernt sind. Das Ruftaxi, das seit gut zehn Jahren die verbleibenden Lücken abdeckt, wird von den Riehener Steuerzahlern sogar alleine finanziert (aber leider ohne klar ersichtliche Gründe von Jahr zu Jahr weniger benützt). Zudem subventioniert die Gemeinde das Umweltschutzabonnement («U-Abo») des Nordwestschweizer Tarifverbundes mit jährlich über 850 000 Franken. Insgesamt wirft Riehen jährlich über 2,5 Millionen Franken für den öffentlichen Verkehr auf.


Dieser Aufwand lohnt sich: Die Riehenerinnen und Riehener benutzen für zwei Drittel aller Fahrten zur Arbeit den öffentlichen Verkehr oder das Velo, bloss ein Drittel kann oder will nicht auf das Auto verzichten. Die Vorteile für die Allgemeinheit bezüglich Sicherheit und Wohnlichkeit sind offenkundig. Dieser hohe Anteil des öffentlichen Verkehrs («Modal Split») am Pendlerverkehr kann sich im nationalen und internationalen Vergleich mehr als sehen lassen. Ihn zu halten oder nach Möglichkeit sogar noch zu steigern, ist ein erklärtes Ziel des Riehener Leitbildes 2000-2015. In den letzten Jahren hat der Gemeinderat mit Unterstützung des Einwohnerrates eine «Fünfer und Weggli»-Politik verfolgt und Wege gefunden, um das Angebot mit planerischer Feinarbeit weiter zu verbessern, ohne die Kosten auszuweiten. Dabei konnte er jederzeit auf die bewährte Zusammenarbeit mit den BVB zählen, deren Direktion sich sehr genau Rechenschaft gibt, dass Riehen ein lukrativer «Markt» ist, in den es sich zu investieren lohnt.


Erfolg auf ganzer (Bus-)Linie

Die Buslinien 31 und 34 gewährleisten neben dem Sechser die Verbindung in die Stadt hinein. Für beide war aber bis anhin in den Habermatten Endstation, so dass nur Teile des Niederholzquartiers von der Direktanbindung profitieren konnten. Mit dem Fahrplanwechsel im Herbst 2000 haben die BVB im Einvernehmen mit dem Gemeinderat eine markante Angebotsverbesserung eingeführt, und dies erst noch ohne Kostenfolge für Riehen. Die Buslinie 34 ist seither mit dem früheren 37er zu einer so genannten Durchmesserlinie durch die Basler Innerstadt verknüpft; sie bringt jetzt die Riehener Fahrgäste nicht mehr bloss bis zum Claraplatz, sondern via Mittlere Brücke ohne Umsteigen bis nach Bottmingen und zurück. Für viele noch vorteilhafter: Jeder zweite Kurs hält nicht mehr an der traditionellen Endhal

testelle Habermatten, sondern führt via Otto-Wenk-Platz und den Grenzacherweg bis zur Schlaufe am unteren Ende der Bettingerstrasse, die zugleich die letzte Haltestelle des Sechsers vor Riehen-Dorf ist. So können wesentlich mehr Riehenerinnen und Riehener einen stark vergrösserten Teil des Stadtgebiets ohne Umsteigen erreichen. Aber auch für die Erschliessung innerhalb des Gemeindegebiets leistet der neue 34er einiges; vor allem wird das Gymnasium Bäumlihof für Schülerinnen und Schüler aus den Bereichen Kornfeld und Wenken viel bequemer erreichbar. Und wer aus Bettingen kommt, muss nur noch einmal umsteigen.


Auf denselben Fahrplanwechsel hin sind die Kleinbuslinien 35 und 45 «generalüberholt» worden. Die BVB haben den Betrieb auf Anregung des Gemeinderates von der bisherigen privaten Firma übernommen und die «Büssli», wie sie liebevoll genannt werden, zum Einstand gleich gesamthaft durch fabrikneue Niederflurfahrzeuge ersetzt. Sie waren doch arg in die Jahre gekommen, und in der Bevölkerung hatte sich ein gewisser Unmut über mangelnde Zuverlässigkeit und Sauberkeit breit gemacht. Die neue Flotte ist nun mit einer automatischen Standorterfassung ausgerüstet und an die BVB-Leitstelle angebunden, die auf Fahrplanabweichungen oder Betriebsstörungen umgehend reagieren kann. Mit der übernahme der Verantwortung durch die BVB, mit komplett neuer «Hardware» und insbesondere mit neu rekrutiertem und besser ausgebildetem Personal ist es innert kurzer Zeit gelungen, frühere Unstimmigkeiten in Vergessenheit geraten zu lassen.


Der Erfolg des neuen Buskonzepts darf als durchschlagend bezeichnet werden. Die Zahl der Fahrgäste ist alleine auf den Buslinien (also ohne Tram) im ersten Betriebsjahr von 6,8 Millionen auf 7,4 Millionen Personen gestiegen, also um annähernd 10 Prozent. Noch eindrücklicher ist die Steigerung der so genannten Personenkilometer, das heisst der mit dem Bus insgesamt zurückgelegten Distanzen: Diese sind von 14,5 Millionen auf 17,4 Millionen Kilometer gestiegen, mithin um gute 20 Prozent.


Trassee der Wiesentalbahn: Hindernis oder Weg in die Zukunft?


Die Wiesentalbahn ist einerseits ein Symbol für die Verbindung mit der badischen Nachbarschaft, andererseits für das Dorf selbst bis heute nur von eingeschränktem Interesse und Nutzen gewesen. Es ist deshalb in den vergangenen Jahrzehnten verschiedentlich die Idee propagiert worden, das Tram in das Trassee der Wiesentalbahn zu verlegen. Die Kosten erwiesen sich aber als zu hoch, um das Projekt weiter zu verfolgen.


Das Trassee der Wiesentalbahn ist unter dem Gesichtspunkt der Erreichbarkeit für die Fahrgäste grundsätzlich sehr günstig gelegen, hat aber auch einen gewichtigen Nachteil: Es zerschneidet das Dorf der ganzen Länge nach in zwei Teile, was besonders im nördlichen Teil ab Bettingerstrasse störend ist, wo es nicht mehr mit über- oder Unterführungen gequert werden kann. Der Strassen- und Fussgängerverkehr ist durch die vielen Schliesszeiten der durch Barrieren gesicherten Bahnübergänge empfindlich beeinträchtigt. Dies gibt Vorstellungen Auftrieb, die das Trassee der Wiesentalbahn durch überdeckung beziehungsweise Untertunnelung des Dorfkerns gewissermassen zum Verschwinden bringen und damit ganz neue Perspektiven für die Siedlungsentwicklung eröffnen wollen. Insbesondere der letztgenannte Vorschlag wird zurzeit wieder auf seine Machbarkeit, insbesondere seine Finanzierbarkeit hin geprüft. Nach groben Schätzungen würden sich die Kosten jedenfalls bei einem hohen zweistelligen Millionenbetrag bewegen, wofür erst noch ein Träger zu finden wäre.


Riehen-Zürich (oder Paris): Nur noch einmal umsteigen

Mit der so genannten Roten Linie der Regio-S-Bahn soll nun das Trassee der Wiesentalbahn in zukunftssicherer Weise genutzt werden, indem eine schnelle Direktverbindung von Zell i. W. her über den Badischen Bahnhof hinaus zum Bahnhof SBB und später bis nach ölten etabliert wird. Um es mit einem populären Bild auszudrücken: Wer nach Berlin, Paris oder Mailand reist, wird nur einmal umsteigen müssen; dies mit einem Billett, das man in Riehen selbst gelöst hat. Aber besonders wer zur Arbeit etwa nach Zürich oder Bern pendelt, wird den Zeitgewinn und die grössere Bequemlichkeit bald nicht mehr missen wollen. Ausserdem darf mit einer gewissen, zurzeit allerdings noch schwer zu prognostizierenden Entlastung des Dorfs vom Durchgangsverkehr gerechnet werden.


Das sich im Aufbau befindende trinationale Netz der Regio-S-Bahn wird von allen Beteiligten dies- und jenseits der Landesgrenzen als eine strategische Investition verstanden, die nicht heute oder morgen, sicher aber mittelfristig bereitstehen muss, um einen substanziellen Teil der wohl weiterhin wachsenden Verkehrsmenge aufzufangen. Die Regio-S-Bahn wird zwar aus verschiedenen Gründen voraussichtlich nie die (schon heute überaus grosse) Bedeutung der S-Bahn im Grossraum Zürich erreichen; es ist aber anzunehmen, dass sie in 15 bis 20 Jahren auch bei uns nicht mehr wegzudenken sein wird.


Regio-S-Bahn: Fahrplan nicht eingehalten

Auf Aussenstehende wirkt der Planungs- und Realisierungsprozess der Regio-S-Bahn fast quälend langsam. Die Federführung für die Verhandlungen mit den involvierten Stellen des In- und Auslands liegt aus staatsrechtlichen Gründen beim Kanton, der die Gemeinde mitvertritt. Sie wird zwar regelmässig und gut informiert, ist aber in den eigentlichen Planungsprozess nicht eingebunden. Dieser leidet ohnehin darunter, dass eine wohl allzu grosse Zahl von Beteiligten koordiniert werden muss. Die Gemeinde kann somit zwar nicht die planerisch-technisch und politisch treibende Kraft sein, was da und dort verkannt wird. Das selbstverständliche Bestreben des Gemeinderates besteht aber darin, dass für Riehen der grösstmögliche Nutzen entsteht, und er macht diesbezüglich auch seinen Einfluss geltend.


In Riehen hat man der oft angekündigten, leider aber immer wieder hinausgeschobenen Einführung der Roten Linie über Jahre hinweg mit Wohlwollen oder sogar Vorfreude entgegengesehen. Nicht wenige betrachten sie auch heute noch als Patentrezept für Riehens Entlastung vom Durchgangsverkehr aus dem Wiesental. Seit einiger Zeit sind jedoch vermehrt skeptische Stimmen zu hören. Leider ist die Wiesentalbahn in den letzten Jahren von der deutschen Betreiberin eher stiefmütterlich behandelt worden. Die zum Einsatz gelangenden Zugskompositionen sind veraltet, unansehnlich und lärmig. Die Verantwortlichen haben wohl zu wenig bedacht, dass sie schlechte Reklame für sich und damit unwillentlich auch für die Regio-SBahn machen.


Manchenorts wird denn auch befürchtet, dass es mit der S-Bahn noch schlimmer kommen werde und auf Riehen zusätzliche Belastungen zukommen könnten, vor allem durch Lärm oder noch ausgedehntere Schliesszeiten bei den übergängen. Diese Annahmen sind aber insofern unbegründet, als die Rote Linie auf Schweizer Territorium nicht zu einem rein quantitativen Ausbau, sondern vor allem zu betrieblichen Verbesserungen führen wird. Das Ziel besteht nämlich darin, die eigentlich schon vorhandene, aber unternutzte Infrastruktur bezüglich Technik und Komfort auf einen zeitgemässen Stand zu bringen und damit für alle attraktiver zu machen. Ein zentraler Punkt ist sicherlich die Beschaffung von modernstem Rollmaterial, das allen Ansprüchen an Kundenfreundlichkeit

genügt und bedeutend leiser fährt; anders Hessen sich keine neuen Passagiere gewinnen und könnten sich die Investitionen gar nicht rechnen. Wegen der Lärmreduktion wird die Regio-S-Bahn also gerade denjenigen viel bringen, die sie selber gar nicht benutzen.


Ausarbeitung ist und die längerfristigen Perspektiven der Gemeinde aufzeigt, soll alle diese Vorhaben zu einem kohärenten Gesamtbild vereinigen und dadurch die Diskussion in Politik und Wirtschaft, vor allem aber mit der Bevölkerung anstossen und begleiten.


Flankierende Massnahmen geplant

Die Gemeinde plant flankierende Massnahmen, und zwar keineswegs allein, um der Regio-S-Bahn den Erfolg zu sichern, sondern um eigenständige, übergeordnete Ziele zu verfolgen. Diese bestehen namentlich in der Aufwertung des bisher stark vernachlässigten Bahnhofs im Dorf sowie in der Errichtung eines zusätzlichen, neuen Haltepunktes im Niederholzquartier, voraussichtlich im Gebiet Rauracher. Auch kann mittelfristig an eine dritte Haltestelle in Richtung Landesgrenze gedacht werden.


Es ist bekannt und aufgrund zahlreicher Beispiele belegt, dass S-Bahnhöfe Kristallisationspunkte für die Siedlungsentwicklung bilden und somit zum wirtschaftlichen Aufschwung beitragen. Für den Dorfkern liegt mit dem «PROJEKT julia» ein ganzes Bündel von Vorschlägen für Massnahmen vor, die unter anderem die umfassende Verbesserung der Situation im und um den Bahnhof RiehenDorf herum zum Ziel haben. Auch im Niederholz sollen der Planung neue Impulse gegeben werden, und dabei wird von der Regio-S-Bahn eine wesentliche Magnetwirkung ausgehen. Der neue Riehener Richtplan, der zurzeit in

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2001

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