Henry Dunant und Riehen

Hans Pachlatko

Zu Recht wird in diesem Jahr des Mannes gedacht, dessen Geburtstag sich am 8. Mai 1978 zum 150. Male jährte und der als Gründer des Roten Kreuzes eine weltweite Bedeutung erlangte: Henry Dunant aus Genf.

Hat er sich auch einmal in unserer Gemeinde aufgehalten? Ich weiss es nicht; aber, dass er von Riehen immer wieder hörte und gerade von hier aus für sein persönliches Ergehen in den langen Jahren seines einsamen Alters und bis an sein Lebensende eine wesentliche Hilfe erfuhr, das ist sicher.

 

Am 30. April 1892 bezog er — verkannt und von der öffentlichkeit vergessen — zwei grosse, helle Zimmer im 2. Stock des Bezirkskrankenhauses in Heiden. Das war allerdings weder ein Armenhaus noch ein Versorgungsheim, wie in verschiedenen Darstellungen der Lebensgeschichte Dunants fälschlicherweise berichtet wird. Es handelte sich vielmehr um das Vorderländische Spital, dessen ärztliche Leitung in den Händen von Dr. H. Altherr, einem Freunde Dunants, lag. Freilich kam er nicht als Patient hieher, sondern als bezahlender Pensionär. Und hier verbrachte er die letzten achtzehn Jahre seines I ehens.

Dieses Spital aber wurde damals ausschliesslich durch Riehener Diakonissen geführt. So geschah es, dass unsere Schwestern, und vor allem Oberschwester Elise Bolliger, als die engsten Vertrauten den Lebensabend dieses berühmten Mannes mitgestalteten und mit ihrer Fürsorge umgaben. Hier fand er Verständnis und die ersehnte Geborgenheit. Henry Dunant sagte selber einmal zu dem ihn besuchenden Oberfeldarzt Dr. A. Mürset: «Herr Dr. Altherr und die Diakonissen sind von den wenigen Freunden, die mir geblieben sind, die besten.»

Und im Mutterhaus-Archiv in Riehen befindet sich ein Brief der Krankenhaus-Kommission Heiden vom 22. September 1909, in dem darum gebeten wird, die Oberschwester Elise Bolliger unter keinen Umständen aus dem Spital zurückzuziehen. (Sie war schon 71 Jahre alt!) Die Begründung lautet: «Wie Sie wissen, ist das Vorderländische Bezirkskrankenhaus seit einer langen Reihe von Jahren das selbstgewählte Asyl des greisen Philanthropen Henri Dunant, der heute in seinem 81. Altersjahre steht. Schwester Elise war während der ganzen Zeit die Pflegerin des Eremiten, der, ausser mit ihr, nur mit dem Krankenhaus-Arzt verkehrt. Es wäre der Weggang von Schwester Elise ein eigentlicher Schlag für den alten Herrn, der sich schwerlich mehr an neue Personen gewöhnen könnte.»

So blieb Schwester Elise bei Henry Dunant in Heiden, bis er am 30. Oktober 1910 starb. Knapp eineinhalb Jahre später wurde dann auch seine langjährige Betreuerin heimgerufen.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1978

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