Herzblut und Melancholie

Nikolas Neeke

Ein Weggefährte von Nadia Leonti besehreibt den Werdegang der Popmusikerin und Kulturpreisträgerin.

 

Es muss etwa im Jahr 1989 gewesen sein, als ich Nadia Leonti zum ersten Mal begegnete. Wir besuchten zur gleichen Zeit das Gymnasium Bäumlihof und gehörten zu denen, die nach der Schule nicht sofort nach Hause gingen, sondern noch etwas bei den Fahrrädern rumstanden und plauderten. Natürlich auch über Musik. Ich erinnere mich, dass Nadia damals Bands wie Depeche Mode, Sisters of Mercy und Eurythmies mochte. Zusammen mit Andreas Hess gründeten wir «Die Langen Erlen» und verbrachten viele Nachmittage in den Kellern unserer Elternhäuser, wo wir mit einer Mischung aus Synthi-Pop, Punk und Psychedelic Rock experimentierten. Zum Glück waren unsere Eltern sehr geduldig und beschwerten sich nur selten über die Lautstärke. Aufnahmen aus dieser Zeit zeigen, wie Nadia Leonti schon damals ein Flair für popige und eingängige Melodien und Songs hatte, die zugleich einfühlsam und leicht melancholisch waren. Dieses Flair, mit dem sie ihre Zuhörer im Herzen berührt, hat sie bis heute bewahrt. Es ist mit ihr gewachsen und gereift. An die Stelle des unbeschwerten Ausprobierens ist heute ihre sehr professionelle Auseinandersetzung mit Musik und Text getreten.

Ihr erstes Instrument, eine Gitarre, bekam Nadia Leonti im Alter von vier Jahren geschenkt. Als Achtjährige nahm sie Klavierunterricht, ihre Stimme trainierte sie bereits als Kind. Sie sang zu den Liedern im Radio und erfand oft spontan eine zweite Stimme dazu. Als 14-Jährige nahm sie Unterricht in Kirchenorgel bei Felix Pachlatko und besuchte Kurse in Gehörbildung an der Musikschule in Basel.

Mit 19 Jahren stieg sie bei der Folk-Pop-Band «Bartrek» als Keyboarderin ein. Als diese zur schweizweit bekannten Band «Popmonster» mutierte, stand sie erstmals als Sängerin und Bassistin im Rampenlicht und trat parallel dazu mit der Basler Band «Shilf» auf. Beiden Formationen gab sie mit ihrer Stimme eine markante Färbung und ein unverwechselbares Charisma.

Neben ihrer Bandtätigkeit hatten auch ihre Brotjobs oft etwas mit Musik zu tun. Während dem Gymnasium arbeitete sie in der Keyboardabteilung von Musik Hug, wo sie nach der Matura eine Lehre als Instrumentenverkäuferin absolvierte. Später stand sie viele Jahre am Tresen des Roxy, bis zur Schliessung vor einem Jahr einer der wichtigsten Plattenläden der Stadt. Interessierte Kunden konnten von ihrem breiten Musikgeschmack und ihren Empfehlungen reichlich profitieren. Heute sieht man sie gelegentlich als Velokurierin durch die Basler Strassen flitzen.

Neben dem Schreiben und Komponieren von Songs interessierte sich Nadia Leonti zunehmend auch für die Prozesse im Studio, für Technik und Produktion. Mit dem Wissen, wie Musik aufgenommen, abgemischt und arrangiert wird, erarbeitete sie sich ein gutes Stück Unabhängigkeit, wie es für das Umsetzen eigener Ideen nur von Vorteil sein kann. Als sich die Band «Popmonster» 2006 auflöste, bedauerten viele Freunde und Fans das Untergehen dieses Sterns am Schweizer Pophimmel. Umso grösser die Freude, als Nadia Leonti nach einer schöpferischen Pause im Mai 2009 wieder an die öffentlichkeit trat. Zusammen mit Manuel Neubauer am Keyboard, Stefan Strittmatter am Bass und Beni Bürgin am Schlagzeug präsentierte sie ihr erstes Soloalbum «Everyone/I» bei Faze Records. In zehn Eigenkomposilionen besingt sie das Leben - poetisch, verführerisch, aber auch herb. Ein gelungenes und überzeugendes Debüt, das von grossem Talent und kompromissloser Hingabe an die Musik zeugt.

Ich wünsche der Preisträgerin des Riehener Kulturpreises, dass sie weiterhin so offen und wach durch die Welt wandert und dabei viel Inspiration findet für weitere Texte und Melodien.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2010

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