Historische Gärten in Riehen

Silvia Hofmann

Das Diakonissenhaus als Institution hat den Charakter Riehens mitgeprägt und tut es heute noch auf vielerlei Art. Mit ihren grossen und vielfältigen Werken haben die Diakonissen Riehen zu einem Ort von internationaler Ausstrahlung gemacht. Doch auch der Gemeinde selber drükken sie ihren Stempel auf: Zum einen erinnern die überall präsenten Diakonissen in ihrer Tracht an das «soziale Riehen». Zum anderen gehören die Bauten, zumindest von Mutterhaus und Spital, zu den markanten des Dorfes, und schliesslich tragen die grosszügigen Garten- und Parkanlagen um das Mutterhaus, die Sonnenhalde und das Spital (seit 1973 Gemeindespital) Entscheidendes zum «grünen Riehen» bei.

Die Geschichte dieser Gärten ist natürlich eng verknüpft mit der Geschichte des Diakonissenhauses. Letzteres hat seinen Sitz auf einem ursprünglich baslerischen Landgut; Spital und Sonnenhalde sind um die Jahrhundertwende oder kurz danach errichtet worden, in einer Zeit des Stilpluralismus - was sich auch auf die Gartengestaltung ausgewirkt hat.

Die drei Parks haben durch ihre Funktion eine besondere Stellung innerhalb der historischen Gärten Riehens, dienten und dienen sie doch der Erholung von Kranken und Schwestern. Auch das hat ihr Wesen bestimmt: Abschirmung gegen aussen durch dichte Randbepflanzung, Mauern und Zäune, Vermittlung von Geborgenheit und Ruhe nach innen. Die Gärten sind insofern ein Abbild des Wesens der Diakonie überhaupt, denn zu ihr «gehört vom Ursprung her eine gewisse Verborgenheit und Unauffälligkeit»1).

Doch nicht nur zur Zierde und Schönheit waren die ausgedehnten Grünflächen von Mutterhaus, Spital und Sonnenhalde bestimmt. Genauso wichtig war die Selbstversorgung mit Gemüse, Früchten, Beeren und Blumen. Die Aufgaben der Gartenschwestern, des Obergärtners und seiner Gehilfen kann man sich gar nicht umfangreich genug vorstellen. Während des Zweiten Weltkriegs, zu Zeiten der Anbauschlacht, wurden auch die Rasenflächen in äcker und Gemüsebeete umgewandelt. Die Schwestern der Sonnenhalde zum Beispiel müssten morgens um vier aufstehen, um vor der übrigen Arbeit Kartoffeln zu pflanzen, Bohnen zu stecken und Rüebli zu säen2). Die Schwestern des Spitals monierten gar einmal, es wäre gescheiter, in den Frühbeeten Gemüse zu ziehen statt der vielen Blumensetzlinge. Sie seien nämlich gezwungen, die Patienten mit teurem Büchsengemüse zu verköstigen3).

Welche Rolle spielen Garten und Natur im geistig-religiösen und sozialen, vom Pietismus geprägten Gedankengut des Diakonissenhauses? Um es vorweg zu nehmen: Sie stehen nicht im Mittelpunkt, denn das Leben einer Diakonisse ist primär auf Glaube, Andacht, Nächstenliebe und Dienst am Mitmenschen ausgerichtet, auf innere Werte also. Die äussere Welt - und dazu gehört auch die Natur und das, was der Mensch daraus macht - ist von sekundärer Bedeutung. Als Abbild göttlichen Waltens aber kann die Natur durchaus zum Heilmittel, zur Labsal, ja zum Therapeutikum der Seele werden. Sie ist geeignet, dem Menschen die Grösse Gottes zu offenbaren. Auffallend ist, wie häufig in den Predigten und Andachten Bilder aus der Natur, Metaphern verwendet werden. So wird in den Gründungsjahren die Diakonissen-Anstalt als «Pflanzschule» bezeichnet, als kleiner Baum auch, der Wurzeln schlagen und viele äste tragen soll4). Dieser Wunsch ist in Erfüllung gegangen. Die mächtigen alten Bäume in den Gärten der Diakonissen sind äusserer Beweis dafür.

Das Mutterhaus der Diakonissen

Ein Teil des Areals, auf dem heute das Mutterhaus steht, war einst ein baslerisches Landgut. Erstmals erwähnt im 16. Jahrhundert (es ist damit eines der ältesten Landgüter)5), gehörte es im 17. Jahrhundert Felix Platter, dem Enkel des berühmten Thomas Platter. Anfang des 18. Jahrhunderts heisst es das «Islische Landguth mit Mauren umbfangen», wird vom Bürgermeister Emanuel Falkner gekauft, der die Bewilligung zur Fassung des Nollenbrunnens und zur Leitung in sein Gut erhält.

«Besonders aber ist der Springbrunnen merkwürdig, den unser Hochverdienter Herr Bürgermeister Emanuel Falkner, in seinem Garten hat anlegen lassen, und welcher das ausspülende Wasser sehr hoch treibet», schreibt Daniel Bruckner in seinen «Historischen Merkwürdigkeiten»6). Emanuel Büchel verdanken wir die erste Ansicht dieses Landguts auf seinem «Prospect von dem Dorff Riechen sambt umliegender Landschafft» (um 1750)7). über der eigentlichen Landschaft hat Büchel noch einmal das Falknersche Gut gezeichnet, und man kann sehr gut die ummauerte barocke Gartenanlage mit einer Mittelachse, in Form geschnittenen Bäumen und dem Springbrunnen in der Achse vor dem Haus erkennen.

Auf dem Ryhiner-Plan von 1786 trägt das Gut die «Nr. 17 Hrn Vischer»8). Die Büchel-Zeichnung vermittelt das Bild einer sehr ausgearbeiteten Gartenanlage, der Plan dagegen zeigt sie äusserst einfach: Mit Allee und rundem Brunnen in der Mitte. Nicht anders präsentiert sie sich auf einem - allerdings undatierten - Plan9), der im Diakonissenhaus aufbewahrt wird.

Im Jahr 1838 erwarb Pfarrer Johannes Hoch die Liegenschaft für sein Knabeninstitut; zwei Jahre zuvor hatte Christian Friedrich Spittler das Bachofengut an der Schmiedgasse gekauft, und 1838 zog dort die Taubstummenanstalt von Beuggen ein. Damit wurden zwei Landgüter in Riehen einer ganz neuen Funktion zugeführt: Sie dienten fortan sozialen Zwecken.

Als 1852 Spittler, der äusserst rührige Sekretär der Basler Christentumsgesellschaft, das Diakonissenwerk in Basel etablieren konnte, kaufte er die Liegenschaft von Pfarrer Hoch und schrieb am 21. Januar an Theodor Fliedner nach Kaiserswerth10): «Erschrecken Sie nicht, wenn ich Ihnen sage, dass ich im Lauf dieses Monats ein grosses Haus nebst geräumigem Garten, genannt Zum Pilger-Asyl in Riehen in der Nähe von dem Landgut Bischoff-Respingers11) um 14 000 Frk. erkauft habe und im Vertrauen auf den Herrn den Anfang zu einer kleinen Diakonissenanstalt darin machen möchte... Damit sie eine Idee vom PilgerAsyl erhalten, so lege ich eine kleine Zeichnung bei, der Garten ist sehr schön und über 1 Juchart gross, auch gutes Wasser dabei.»

Leider ist diese Zeichnung nicht erhalten, dennoch können wir uns ein Bild dieses «schönen Gartens» machen, und zwar aufgrund zweier Aquarelle12) aus dieser Zeit und des «Bauplans der Wiesentalbahn» von 185913). Das ganze Areal ist von einer recht hohen Mauer umgeben, nur auf der Schmalseite, also entlang der heutigen Spitalstrasse, öffnet sie sich etwas mit einem schmiedeisernen Zaun und einem prächtigen Tor. Ein gemauertes Gartenkabinett bildet die eine Ecke. Dies ist die Gartenseite des Diakonissenhauses, denn der Eingang lag damals an der Oberdorfstrasse 20. Auf dem Bahnbauplan erkennt man die Einteilung des Gartens: Unmittelbar vor dem Hauptgebäude gibt es eine kleine Anlage englischer Art - wohl der Ziergarten -, neun regelmässige Rechtecke auf der übrigen Fläche sind möglicherweise Gemüsebeete.

Der Stich «Diaconissen Anstalt in Riehen 1852»14) zeigt uns einen Teil der englischen Anlage innerhalb der Mauern. Niedere Büsche im Vordergrund, eine grosse Rasenfläche mit verschiedenen noch jungen Bäumen, auf einem Weg spazierende Diakonissen, kurz ein Bild der Kontemplation.

Das Jahr 1869 bringt grosse änderungen: Die ständige Erweiterung der Tätigkeit der Diakonissen ruft auch nach mehr Platz für den expandierenden Spitalbetrieb, und so wird angrenzendes Land dazugekauft und ein neuer Krankenhausbau nach den Plänen von Paul Reber erstellt. Natürlich verlangt dieses neue Gebäude (und mehrere Nebengebäude) eine Umgestaltung des Gartens. In einigen Sitzungen behandelt das Komitee unter anderem diese Frage15): «Sodann werden zwei Pläne für die neue Umgebung des Anstaltsgartens von Stadtgärtner Lorch vorgelegt. Man entscheidet sich für das Prinzip eines möglichst ausgedachten Spatiums für Erstellung eines englischen Gartens, in welchem Interesse für anderweitigen Bedarf noch ein Acker ausserhalb zu mieten sein würde. Herr Lorch soll aufgefordert werden, einen Kostenanschlag des ganzen Projektes zu entwerfen», heisst es im ersten Protokoll. Ferner wird durch den Riehener Gärtner Johannes Unholz die Gartenmauer versetzt und teilweise mit einem eisernen Staketenzaun versehen. Am 7. Mai 1870 berichtet Stadtgärtner Georg Lorch, bis auf die «englische Anlage» sei er mit den Arbeiten fertig, und diese wolle er im Juli in Angriff nehmen. Doch dann stirbt er Anfang Juli, und seine Frau erhält, wie im Protokoll vermerkt wird, eine «Abfindung» für Plan und Ausführung.

Diese Pläne sind nicht mehr vorhanden, aber es besteht kein Zweifel, dass der in der Folge realisierte Garten darauf basiert. Seit dem 15. April 1870 hat die DiakonissenAnstalt den Gärtner Leopold Hünenberger angestellt, der zuvor Herrschaftsgärtner bei Frau Valeria Merian-Burckhardt auf dem Surinam beim Bäumlihof gewesen ist. In seinem «Acord» (Vertrag) steht16): «Namentlich hat er die englische Anlage, den Gemüsegarten, die Mist- und Frühbeete und die Bünten sowie die Obstbäume zu besorgen und alles gehörig zu bepflanzen, dass stets für Sommer und Winter die nötigen Gemüse in hinlänglicher Anzahl vorhanden sind.»

Ausserdem hat er die Wege von Unkraut zu säubern, die Eisgrube (mit Eis für den Spitalbedarf; sie lag in die Erde eingelassen und als Geländehügel kaschiert zwischen Spital und Marthaheim) und die Heizung zu besorgen. Ausdrücklich ist festgehalten, dass seine Familie den Garten nicht betreten darf.

Ein Stich von 1870 zeigt das neue Spital samt der Gartenanlage: Der alte runde Springbrunnen aus dem 18. Jahrhundert musste etwas nach Norden verschoben wer den und ist nun Mittelpunkt eines symmetrischen Gärtchens, dass seiner Intimität und dem Schatten der alten Kastanie17) wegen als Ruheplatz von den Diakonissen geschätzt wird.

Die «englische Anlage» zitiert einen Teil des Formenkanons des englischen Landschaftsgartens: es gibt die bekannten lungenförmigen Rasenflächen, die Ringwege und viele (noch kleine) Bäume. 1873 wird entlang der nördlichen Gartenmauer noch ein Gewächshaus erstellt, eine Voraussetzung für reichen Blumenschmuck und insbesondere für die Bepflanzung der in Mode gekommenen Teppichbeete18).

«Nun konnten einjährige Pflanzen in riesigen Mengen gezüchtet und beim Erreichen der Blüte in die Freigärten umgepflanzt werden, währenddem in den Treibhäusern bereits die nächste Füllung für die Teppichbeete vorbereitet wurde.»

Solche äusserst arbeitsintensive und kunstvolle Rundbeete gab es, wie Photos vor der Jahrhundertwende zeigen, auch im Garten des Diakonissenhauses. Doch Leopold Hünenberger war für eine andere Spezialität bekannt: Seine Vorliebe galt der Königin der Blumen, der Rose, und man nannte ihn deshalb «Rosen-König»19). Den Wegen entlang standen Rosenbäumchen, und am Weg vom alten Mutterhaus zum hinteren Gartentor gab's einen Rosenhügel mit prachtvoll blühenden Rosen.

In den achtziger Jahren des letzten Jahrhunderts vergrösserte die Diakonissen-Anstalt ihr Areal abermals auf der Seite der damaligen Streitgasse und baute ein Schwesternhaus (abgebrochen). Die Fläche zwischen diesem Schwesternhaus und dem Marthaheim - entlang der Streitgasse also - wurde im gleichen «englischen» Stil gestaltet wie der übrige Garten. Es gab einen Weg zu einem Tor (es existiert noch, wird aber nicht mehr benutzt) an der Streitgasse, und wahrscheinlich stammen die grossen Bäume, die heute noch dort stehen, aus dieser Zeit: Der mächtige Mammutbaum (21 Meter hoch, fünf Meter Stammumfang und 14 Meter breite Krone)20) ebenso wie die Blutbuche und die Kastanie.

Der Garten vor dem damaligen Spital wurde offenbar bald beherrscht von der heute noch imposanteren Stieleiche. Auf einer Photographie vor 1900 sitzen die Diakonissen in ihrem Schatten.

Bis heute hat sich im Garten des Diakonissenhauses einiges verändert, vor allem ist das Schwesternhaus abgebrochen und auf der Westseite des Gartens das moderne Feierabendhaus erstellt worden. Das Gartenkabinett in der Ecke ist verschwunden, dafür gibt es ein rundes Bassin, von dem aus man einen schönen Blick aufs jetzige Mutterhaus hat. Die vielen Weglein sind vereinfacht, und das «Rasenparterre» in der Mitte ist heute eine Magerwiese statt Rosen wächst der wilde Mohn. Der Garten ist übrigens öffentlich zugänglich. Zu ihrer Erholung wurde den Diakonissen ein intimer, ummauerter Garten der Eisenbahnlinie entlang eingerichtet.

Die Gärten der Sonnenhalde und des Gemeindespitals

Anders als der Garten des Mutterhauses der Diakonissen, der eigentlich nie eine gleichzeitige und einheitliche Gestaltung erfuhr, sind die Anlagen der Sonnenhalde und des Gemeindespitals quasi in «einem Wurf» entstanden. Das heisst auch, dass sie in engem Zusammenhang mit den Gebäuden zu sehen sind. Sonnenhalde und Gemeindespital sind Bauten des Architekturbüros Eduard Vischer und Eduard Fueter (auch Architekten der Anstalt «Zur Hoff nung» in Riehen), einer Firma also, die geradezu spezialisiert war auf grosse Bauten21 ).

Die Sonnenhalde als «Evangelische Heilanstalt für weibliche Gemütskranke» ist zur Zeit ihrer Konzipierung um die Jahrhundertwende eine hochmoderne psychiatrische Klinik. Das Komitee wählt trotz allfälliger Mehrkosten das sogenannte Pavillonsystem, das heisst die Unterbringung der Patientinnen in einzelnen Häusern, so wie es bereits in der Friedmatt verwirklicht worden war. Die ganze Anlage hat demzufolge keinerlei ähnlichkeit mit einer Klinik, sondern erinnert eher an eine Wohnsiedlung an der Peripherie. (Das heisst natürlich nicht, dass sie «offen» gewesen wäre; Abschottung nach aussen war für eine psychiatrische Klinik absolut notwendig).

Der Grundriss der Sonnenhaldenanlage (siehe nebenstehenden Plan) offenbart noch eine weitere Charakteristik: Die fünf villenartigen Häuser gruppieren sich symmetrisch um ein barockisierendes Parterre mit Weiher im Zentrum das erinnert frappant an einen Ehrenhof, um so mehr, als ursprünglich ein schweres schmiedeisernes Tor den Ein gang zur Klinik bildete. Der Park, der sich hinter diesem Hof und den Gebäuden erstreckt, ist im «englischen» Stil angelegt. Bauherr (die Diakonissen-Anstalt und das Komitee) und Architekten haben damit also den Landgütern in Riehen ihre Reverenz erwiesen.

Der Park ist, wie dem Protokoll vom 12. September 1899 zu entnehmen ist, ein Werk des Gärtners Hünenberger 22 ): «Herr W. Sarasin legt zudem einen von Gärtner Hünenberger an der Diaconissen-Anstalt ausgefertigten Plan für die Gartenanlagen der Sonnenhalde vor; derselbe ist sehr hübsch und sauber ausgeführt, und der Herr Präsident beantragt, dem Gärtner dafür eine kleine Gratifikation zukommen zu lassen. Dem Antrag wird allseitig zugestimmt und Herr Ernst Iselin beauftragt, ihm gelegentlich Fr. 50.— zu überweisen.»

Es handelt sich hier jedoch nicht um Leopold Hünenberger, sondern um seinen Sohn Heinrich, der sich 1910, als sein Vater starb, um die Nachfolge bewarb, jedoch nicht eingestellt wurde.

Die Sonnenhalde liegt, wie ihr Name sagt, an bevorzugter erhöhter Lage über dem Dorf. Man hat eine schöne Aussicht auf die umliegende Landschaft bis in den Schwarzwald und in die Vogesen. Diese sonnige Lage verursachte in der ersten Zeit allerdings auch Probleme. Das Komitee musste sich am 24. Mai 1901 mit der Frage befas sen, wie man schattige Plätze schaffen könnte, ob durch Kübelpflanzen oder grosse Sonnenschirme, denn bei schönem Wetter sei es im Garten zu sonnig. Die frisch gepflanzten Bäume waren ja auch noch sehr klein.

In späteren Jahren hatte man eher mit dem Gegenteil zu kämpfen: die Bäume standen zum Teil zu dicht, es musste viel gerodet und gefällt werden (heute steht der Park unter Baumschutz), der Rasen war teilweise stark vermoost. Während des Kriegs wurden auch Bäume gefällt, um Kohlen zu sparen. In späteren Jahren verstärkte man durch eine umfassende Neubepflanzung mit Hecken und Stauden den naturnahen Charakter des Parks. So ziehen noch heute die Blumen in den ungemähten Wiesen unzählige Schmetterlinge an, und in den Bäumen nisten viele verschiedene Vogel arten23).

Der Park liegt auf einem leise ansteigenden Gelände, was den Villen zusätzlich zur waldähnlichen Randbepflanzung Geborgenheit verschafft. Trotz «englischer» Anlage ist er wie die Gebäudeanordnung der Architekten - stark der Symmetrie verpflichtet. Sein Zentrum, ein nierenförmiges Rasenparterre, liegt in der Achse des Margarethenhauses, der Villa, das den Park gegen den Hof abschliesst. Von dieser Mitte aus schlängeln sich die gekiesten Wege nach links und rechts um weitere Rasenflächen. In der südöstlichen Ecke befindet sich die sogenannte Grotte, ein aus Tuffsteinen gebildeter Felsen mit Weiher (später hat man ein Moorbeet daraus gemacht). In der südwestlichen Ecke wurde ein von dichtem Taxus umgebener Sitzplatz eingerichtet, der allerdings nie benützt wurde; er war zu düster. An der nordwestlichen Ecke des Parks schliesslich ist unter Kastanien ein «point de vue» ins Dorf eingezeichnet. Was die Bäume anbelangt, so findet sich alles, was damals für Pärke en vogue war, und zwar, der Symmetrie wegen, alles in spiegelbildlicher Bepflanzung.

Die Mitte wird beherrscht von zwei Silberlinden, zwei Mammutbäumen (der eine durch einen Blitzschlag etwas verkürzt) und im Hintergrund zwei weissblühenden Kastanien. Die seitlichen Flügel bilden eindrucksvolle Fichten und Hemlockstannen (Tsuga canadensis). Hellere Partien mit Birken und Akazien (gefällt) wechseln ab mit dunkleren, von Eiben und Taxus geprägten. Die Unterbepflanzung ist Efeu, und einen Teil des Rasens lässt man seit den sechziger Jahren als Wiese wachsen.

Am stärksten verändert hat sich im Lauf der Zeit aber das sogenannte «Mätteli», der Garten im Eingangshof. Im ganzen wurde es verkleinert, weil der Weg rundherum verbreitert werden musste, um Platz zu schaffen für den Esswagen. Zum Tor hin war es ursprünglich bepflanzt mit einer imposanten Trauerweide, die einen Gusseisenbrunnen umwuchs24). Dahinter erhob sich eine Eiben- und Taxusgruppe (zum Teil steht sie noch und verbirgt die Telephonkabine). In den Ecken des Rasenparterres standen vier Linden, von denen man im Sommer jeweils grosse äste abschnitt und mit den Patientinnen die Blüten erntete, um Lindenblütentee zu kochen. Aus Platzgründen müssten drei Linden gefällt werden. Heute stehen an ihrer Stelle zwei Vogelbeerbäume. Das Bassin aber wird wie seit eh und je von einer Entenmutter mit ihren Jungen bewohnt.

Links neben dem Eingang steht die sogenannte ökonomie, heute das Schwesternhaus, früher die «Haushaltung» der Klinik mit Küche und Waschhaus, dahinter der Gemüsegarten und die «Wöschhänki». Schmuckstück in diesem Gartenteil war zweifellos die Birnbaumallee, ein etwa zwanzig Meter langer Weg unter an Metallrahmen gezogenen Birnbäumen verschiedener Sorten. Heute ist die Sonnenhalde nicht mehr Selbstversorgerin, und der Gemüsegarten ist einem den Schwestern reservierten Beeren- und Blumengarten gewichen. Auch die Birnbaumallee steht nicht mehr.

Was über Funktion und Stil der Gartenanlagen der Sonnehalde gesagt wurde, gilt in gleicher Weise für das Gemeindespital25). Das Gebäude wurde 1908 vollendet, es hat auf alten Photos, auf denen die Bäume des Gartens noch nicht so gross sind, den Charakter eines Schlosses, ähnlich den zur gleichen Zeit entstandenen Kur- und Bäderhotels in den Bergen.

Der Plan, wie er 1906 von Vischer und Fueter gezeichnet wurde, besticht durch seine Strenge, seine fast bis ins Detail durchgehaltene Symmetrie. Kreis und Kreissegment sind die Formteile, die sich als Rasenflächen, als Ausbuchtungen in der Wegführung wiederholen. Er wirkt für sich betrachtet wie ein Jugendstilornament. Solch formale Lösungen waren damals bei den neu entstehenden Stadtparks, öffentlichen Anlagen, Friedhöfen (etwa Wolfgottesacker) und Kurparks beliebt.

Wie wirkt aber solcher Formalismus, wenn er in die gärtnerisch-gestalterische Realität umgesetzt wird? Eine Photographie (wahrscheinlich aus den zwanziger Jahren) mit Blick von der Terrasse aus zeigt, dass ein Garten durch allzu starre Symmetrie spannungslos wird, dass die Bäume, immer zwei und zwei, so hintereinandergestaffelt, kaum mehr als Kulissen sind. Der spätere Verzicht auf verschiedene Bäume und die dadurch erfolgte Auflösung der zentralen Achse waren für den Spitalgarten bestimmt ein Gewinn. Auch so strahlt der Spitalgarten Ruhe und Harmonie aus - genau das Richtige für den Spaziergang genesender Patienten. Interessant ist die Plastik von Bruno Leus, die nach der umfassenden Renovation der Gartenanlage 1986 auf der grossen Rasenfläche ihren Platz gefunden hat.

Zusammenfassung Wenn auch die Gärten des Mutterhauses der Diakonissen, der Sonnenhalde und des Gemeindespitals schöne Anlagen sind - insbesondere heute, da wir die ausgewachsenen Bäume bewundern können - sind sie doch von ihrer Anlage her nicht mit den herausragenden Gärten vom Beginn des 19. Jahrhunderts zu vergleichen. Leopold Hünenberger und sein Sohn Heinrich, der den Park der Sonnenhalde und wahrscheinlich auch den des Gemeindespitals entworfen hat, waren zu ihrer Zeit zwar sehr gute Gärtner und auf einzelnen Gebieten (Rosen) begabt. Man darf jedoch nicht vergessen, dass sie ja hauptsächlich zur Pflege der Gärten angestellt waren, und dass sie daneben noch viele andere Aufgaben zu erfüllen hatten.

Die zweite Hälfte des 19. Jahrhundertes war in Basel die hohe Zeit der Stadterneuerung. Die Grenzen der mittelalterlichen Anlagen wurden gesprengt. Auf den alten Schanzen wurden grosse Landreserven frei. Man begann in grosser Zahl Villen, Wohnhäuser und öffentliche Bauten zu errichten. Die Gartenanlagen, die, so Platz vorhanden war, dazugehörten, wurden im «englischen» Stil errichtet, kein Wunder, wenn man bedenkt, dass die Basler eine ausgesprochene Vorliebe für anglogotische - in der Sprache des Historismus: neogotische - Formen hatten. Mit der Beliebtheit dieses Gartenstils hatte wohl zu tun, dass man in der Formensprache geübt war (sowohl das Auge des Gartenbesitzers als auch das Können der Gärtner), dass die Anlage, einmal gepflanzt, relativ pflegeleicht war, und dass es auch gar keine überzeugenden Alternativen gab. Die hier beschriebenen Gärten sind also typische Beispiele ihrer Zeit. Die Tatsache, dass sie die einzigen grossen Anlagen des späten 19. Jahrhunderts und der Jahrhundertwende in Riehen sind, macht sie um so erhaltenswerter.

Anmerkungen:

1) 136. Jahresbericht des Diakonissenhauses Riehen 1988, S. 16

2) Mündliche Mitteilung von Sr. Martha Knaus ("'1914)

3) Protokolle des Komitees 1930, Archiv Diakonissenhaus

4) Vortrag über das Amt der Diakonisse von Pfarrer Franz Härter (1797-1874), Gründer der Strassburger Diakonissenanstalt, am 5. Juni 1842 in Basel, in «Hundert Jahre Diakonissenanstalt Riehen», S. 15

5) HGR Liegenschaften A

6) Bruckner, S. 769

7) StABS, Bildarchiv Falkeysen Fb 1,1

8) Plan von Samuel Ryhiner: siehe RJ 1987, S. 7 und GKR S. 85 (dort weitere Literatur); «Hrn. Vischer» = Peter Vischer-Sarasin

9) Diakonissenhaus Riehen, kolorierte Federzeichnung, undat.

10) Theodor Fliedner (1800-1864) war Begründer des Diakonissenwerks; zit. in «Hundert Jahre Diakonissenanstalt Riehen», S. 18

11 ) Hieronymus Bischoff-Respinger war der erste Präsident des Komitees der Diakonissenanstalt und damaliger Besitzer des Elbs-Birrschen Landguts (heute Musikschule).

12) Beide im Diakonissenhaus, siehe Abbildung S. 125

13) StABS Planarchiv, I 5, 14

14) StABS Bildarchiv I, A1:HS 4, 106

15) Zwischen dem 28. September 1869 und 9. Juli 1870, Protokolle des Komitees, B I 2, Archiv Diakonissenhaus

16) Vertrag im Ordner «Gärtner», Archiv Diakonissenhaus. Unter Leopold Hünenberger, dem Urgrossvater des Gemeindepräsidenten Gerhard Kaufmann, arbeiteten die Gärtner Gottlieb Iseli und Georg Kaufmann; Komiteesitzung vom 4. August 1870: «Die Unkosten für die neue Gartenanlage beliefen sich bisher auf 1925 Fr., werden aber noch höher steigen.» Leider existiert keine genaue Abrechnung.

17) Die alte Kastanie musste vor einigen Jahren durch eine neue ersetzt werden.

18) Thacker, S. 242

19) Mitteilung von Sr. Clara Schultze (*1901), Tochter des ehemaligen Vorstehers August Schultze; in einem Zusatz zum Anstellungsvertrag wird Hünenberger ausdrücklich «freie Zeit zur Besorgung seines eigenen Landes mit Rosenkultur» zugebilligt.

20) Schweiz. Mammutbaumarchiv, Christoph Wicki, Stadtgärtnerei Basel

21) Brönnimann, S. 126

22) Protokolle des Komitees B II 1 1897-1910, Archiv Diakonissenhaus. W. Sarasin = Wilhelm Sarasin-Iselin

23) Mitteilung von Dr. med. Agnes Michaelis-Tappolet (,'1899), der besten Kennerin des Sonnenhaldenparks

24) Der Gusseisenbrunnen ist leider weggeworfen worden: Mitteilung von Theo Lüthy ("1922), ehemals Verwalter des Diakonissenhauses

25) über den Garten des Gemeindesspitals gibt es leider nur sehr spärliches Material

 

Literatur:

Henry Baudin: «Villas et Maisons de Campagne en Suisse», Genève 1909 Daniel Bruckner: «Versuch einer Beschreibung historischer und natürlicher Merkwürdigkeiten der Landschaft Basel», Basel 1748 ff. Daniel Burckhardt-Werthemann: «Das Baslerische Landgut vergangener Zeit», in: Jahrbücher des Basler Kunstvereins, Basel 1912 Rolf Brönnimann: «Villen des Historismus in Basel», Basel 1982 «Der Diakonissenbote», Riehen 1897-1907 GKR Thomas Haenel: «Zur Geschichte der Psychiatrie», Basel 1982 Hans-Rudolf Heyer: «Historische Gärten der Schweiz», Bern 1980 Fritz Hoch (Herausgeber): «Hundert Jahre Diakonissenanstalt Riehen 1852-1952», Riehen o.J. (1952) L(udwig) Emil Iselin: «Geschichte des Dorfes Riehen», Basel 1923 J(ohann) J(akob) Kaegi: «Eben Ezer. Das Diakonissenhaus Riehen 18521902. Mitteilungen aus der Geschichte seines Werdens und Wirkens», Riehen 1902 Ursula Reinhardt: «Riehen», Schweiz. Kunstführer, Basel 1980 RGD Hans Schwab: «Riehen seit 1825», Basel 1935 Karl Stückelberger: «Ein neues <Eben Ezer> Das Diakonissenhaus Riehen in seinem Werden und Wirken 1852-1927», Riehen 1927 Christopher Thacker: «Die Geschichte der Gärten», Zürich 1979

 

Personen:

Soweit nicht im RRJ genannt

Falkner, Emanuel, siehe RJ 1987 S. 80 Anmerkung 18

Fueter, Rudolf Eduard (1845-1901), Architekt

Hünenberger, Heinrich (1867-1922), Gärtnermeister

Hünenberger, Leopold (1840-1910), Anstaltsgärtner

Iselin, Ernst (1852-1900), Kaufmann, Mitglied Komitee Diakonissenanstalt «Islisches Gut» nach dem Besitzer Iselin-Elbs,

Johann Heinrich (1636 1676), Handelsmann, und seinen Nachkommen

Leus, Bruno ("1943), Bildhauer

Lorch, Georg (1829-1870), Stadtgärtner

Platter, Thomas siehe S. 22

Unholz, Johannes (1834-1903), Gärtnermeister

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1989

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