Im Dienst des Wortes

Valentin Herzog

Seit gut vierzig Jahren lädt die Literaturinitiative ‹Arena› zehn- bis zwölfmal pro Saison Autorinnen und Autoren aus der Schweiz und dem Ausland zu Lesungen, Diskussionen und Wettbewerben nach Riehen ein und schafft so einen anregenden Ort der Begegnung – mit der Welt der Literatur sowie zwischen Lesenden und Schreibenden. Seit 2000 veranstaltet das 1990 gegründete ‹Kaleidoskop› seine beliebten Mundart-Lesungen unter dem Dach der Arena.

Der Mangel an einschlägiger Erfahrung war die grösste Gemeinsamkeit jener Leute, die sich im Sommer und Herbst 1978 zusammensetzten, um in Riehen ein Forum für literarische Veranstaltungen entstehen zu lassen. Die Idee kam vom Vorstand des Riehener Verkehrsvereins (Paul Müller), das Geld aus der Gemeindekasse, der Name ‹ARENA› in Grossbuchstaben aus den rauchenden Köpfen der mit mir zusammensitzenden Gründungsmitglieder Beatrice Coerper, Lukrezia Seiler, René André, Theo In der Smitten, Paul Meyer und Lukas Schmutz. Eine Grafikerin schuf das Signet – die stilisierte Schreibfeder mit dem Dorfwappen. Dass die Leitung des Projekts in meinen Händen lag, erklärt sich damit, dass ich seit Jahren über die Veranstaltungen des Literarischen Forums Basel in der ‹National-› beziehungsweise ‹Basler Zeitung› berichtet hatte und darum einige Autorinnen und Autoren persönlich kannte. Ein tragfähiges Konzept für die Arbeit der Arena entwickelte sich erst nach und nach, aber zu Jahresbeginn 1979 waren die ersten Plakate gedruckt, Einladungen verschickt, Inserate aufgegeben, und am 23. Januar ging es im Kellersaal des Landgasthofs los: Alice Vollenweider (‹Neue Zürcher Zeitung›) und Aurel Schmidt (‹Basler Zeitung›) diskutierten mit rund fünfzig Interessierten Neuerscheinungen und Fragen der literarischen Kritik. Ein Februar-Wochenende mit Rolf Hochhuth und Hans Saner, mit Strassentheater, hitzigen Debatten und eindrucksvollen Textlesungen geriet dann äusserst vielversprechend, führte allerdings auch zu Streitigkeiten über die künftige Ausrichtung der Arena.

DIE INITIALPHASE DER VERSUCHE UND EXPERIMENTE
Die folgenden Jahre sahen viele Arena-Veranstaltungen mit Versuchscharakter: Das reichte von Märchen- und Abenteuerlesungen in verschiedenen Schulklassen über eine Micky-Maus-Debatte bis zu manchmal hochbrisanten Kritikergesprächen, Laientheater-Aufführungen und organisierten Probenbesuchen in Basel und Bern. 1980 bis 1985 gestaltete die Arena die Präsentation des ‹Jahrbuchs berührenz’Rieche› mit Lesungen und musikalischem Rahmen. In der Zeit von 1984 bis 1988 wurde jährlich ein thematischer Werkauftrag an fünf Schreibende vergeben: Guido Bachmann, Martin R. Dean, Christoph Geiser, Hanna Johansen, Ingeborg Kaiser, Alain Claude Sulzer, Urs Widmer und Heinrich Wiesner unter anderen schrieben Texte zu Themen wie «1984», «Liebe» oder «Maske». 1988 erschienen diese ‹Texte in der Arena› als Taschenbuch im Basler GS Verlag. Auch eine hierzulande noch kaum entwickelte Spezialität kultivierte die Arena in den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens: Musik und Lyrik. Berühmtester Gast in dieser Reihe war der Rezitator Gert Westphal (‹Jazz und Lyrik›), der im September 1981 mit dem Pianisten Warren Thew einen Balladenabend gestaltete, den wohl niemand im zahlreich erschienenen Publikum je vergessen wird. Daneben gab es fast jedes Jahr eine Eigenproduktion mit wechselnden Beteiligten: ‹Musik und Lyrik aus dem Barock› hiess die erste dieser meist im luxuriösen Salon des Wenkenhofs stattfindenden Veranstaltungen, in der Eva Hilbck zusammen mit dem Kammertrio Rubin und Dorn das «musikalisch-literarische Porträt einer Zeitepoche» (‹Basler Zeitung›) gestaltete. Von dieser fabelhaften Matinee zeugt eine Schallplatte mit dem Titel ‹Der Augenblick ist mein›. «Expressionismus», «Eichendorff», «Heine», «George Sand», «Fanny Mendelssohn», «Frank Wedekind», «Erich Kästner», «Wolfgang Borchert» standen neben anderen Themen im Zentrum dieser grossteils von Eva Hilbck und Matthias Schuppli rezitierten und von Maria Kullmann, Sylvia Herzog, Marianne Schroeder und anderen musikalisch gestalteten Programme.

DIE AUTORINNEN- UND AUTORENLESUNG ALS KONSTANTE
Den Kern der Arena-Arbeit aber bildete doch die klassische Lesung mit einem Autor, einer Autorin am Vortragspult samt obligatorischem Wasserglas. Zu dieser manchmal belächelten Form der Literaturvermittlung gibt es keine wirkliche Alternative. Einzig die traditionelle Einführung ersetzen wir heute meist durch eine Moderation, welche die Lesung mit gezielten Fragen auflockert. Mehr als 300 Abendveranstaltungen, Matineen und Exkursionen hat die Arena bis heute angeboten – nach bescheideneren Anfängen jährlich zehn bis zwölf. Dabei waren immer zwei Ziele wichtig: Zum einen sollte unser Publikum bekannten Autorinnen und Autoren begegnen, zum anderen sollten Schreibende, die (noch) eher im Hintergrund standen, bei uns ein Forum bekommen. So ergab sich eine Vielzahl von unvergesslichen Begegnungen, von denen hier wenigstens ein paar erwähnt seien: Da war etwa der Abend mit unserem ersten internationalen Stargast Eric Ambler 1980. Der damals bei Montreux lebende Brite hatte sich zwar ohne grosse Umstände bereit erklärt, in Riehen aus seinem Thriller ‹Send No More Roses› zu lesen, hatte es aber als einziger je von uns eingeladener Autor verschmäht, im gutbürgerlichen Landgasthof zu übernachten. Er hatte ein Zimmer im ‹Les Trois Rois› und ein ‹sophisticated dinner› dortselbst zur Bedingung gemacht. Im Jahr 1982 hatten wir keinen Geringeren als Hermann Kant zu Gast, der einzig für eine Arena-Lesung den weiten und beschwerlichen Weg von Berlin (DDR) nach Riehen auf sich nahm, brillante Passagen aus seinem Erzählband ‹Der dritte Nagel› vortrug und nicht müde wurde, bis Mitternacht über Fragen des Sozialismus und der Friedenspolitik zu diskutieren. Den grössten Publikumsandrang aller Zeiten bescherte uns Luise Rinser, die aus ihrem berührenden Jesus-Roman ‹Mirjam› las und etwa 900 Zuhörerinnen und Zuhörer anzog, sodass wir die Veranstaltung in die Dorfkirche verlegen mussten. Denkwürdig waren aber nicht nur die Begegnungen mit den Grossen der Literatur wie Sigrid Damm, Navid Kermani, Pavel Kohout, Reiner Kunze, Franca Magnani, Paul Nizon, Ingrid Noll, Ces Nooteboom oder Bernhard Schlink, um nur ein paar der bekanntesten Namen zu nennen. Auch manches Zusammentreffen mit einem Autor, einer Autorin, von dem oder der man vielleicht nie wieder etwas hörte, konnte zur Sternstunde werden. Ich denke etwa an den Elsässer Jean-Marie Schelcher, der 1992 ein leider vergessenes Buch veröffentlichte: ‹… damit Du weisst, dass ich noch lebe›. Er erzählt darin auf Elsässerdeutsch die Geschichte seines 1914 in die deutsche Armee einberufenen, 1916 bei Verdun gefallenen Grossonkels Theodor. Gerade der Kontrast zwischen dem Dialekt der erzählenden Passagen und dem etwas steifen Schriftdeutsch der wörtlich zitierten Postkarten aus dem Schützengraben lassen den Irrsinn der damaligen Situation nachempfinden. Nicht weniger wichtig war die sich oft über viele Jahre erstreckende Zusammenarbeit mit Autorinnen und Autoren aus der Schweiz, besonders solchen aus der Region: René Regenass etwa las nicht nur seit 1981 immer wieder erzählende und lyrische Texte, er übernahm 2000 sogar für eine gewisse Zeit die Stellvertretung des Präsidenten. Der in Riehen aufgewachsene Urs Widmer gehörte lange zu den Hausautoren. Verena Stössinger brachte neben ihren eigenen Romanen auch die bedeutendste dänische Dichterin Inger Christensen an unser Lesepult. Zu Ingeborg Kaiser und Heinrich Wiesner bestanden freundschaftliche Bande, die weit übers Literarische hinausgingen. Das gilt auch für Lukas Hartmann, der von 1993 bis 2015 fast jedes neue Buch – und er schrieb bekanntlich ziemlich viele – in der Arena vorstellte.

VERÄNDERUNGEN UND WANDEL IM LAUF DER ZEIT
Die Jahrtausendwende brachte der Arena herausfordernde Veränderungen. Im Jahr 2000 vereinigte sich die Arena mit dem ‹Kaleidoskop›, das seit 1990 sehr beliebte Mundart- Lesungen mit schweizerischen, badischen und elsässischen Autorinnen und Autoren veranstaltet hatte und seither als ‹Kaleidoskop in der Arena› firmiert – immer noch von Edith Lohner geleitet (vgl. unten). Ausserdem entstand der Arena 2000 eine gewaltige Konkurrenz in Gestalt des neu gegründeten Literaturhauses Basel. Zum Glück gelang es von Anfang an, kollegiale Beziehungen zu dieser Institution zu unterhalten, deren Budget etwa zwanzig Mal so gross ist wie unseres. Sie hat eine hauptberufliche Intendantin, fest angestellte Mitarbeitende und einen wunderbaren eigenen Saal im Zentrum von Basel. Damit kann die ganz auf ehrenamtliche Mitarbeit angewiesene und trotz bester Kooperation mit dem Haus der Vereine immer wieder mit Raumproblemen kämpfende Arena nicht wirklich konkurrieren. Aber wir haben gelernt, einander zu respektieren – wir haben verschiedene Gemeinschaftsprojekte durchgeführt, gewisse Werbemassnahmen koordiniert und sind uns vor allem darin einig, dass es heute mehr denn je gilt, dem literarischen Wort ein Forum zu schaffen. In den ersten Jahrzehnten ihres Bestehens war die Arena eine Fachkommission des Verkehrsvereins Riehen gewesen und wurde aus dem Budget dieser auch sonst kulturell aktiven Organisation mit den nötigen Mitteln ausgestattet. Seit dem Jahr 2000 will die Gemeinde aber die direkte Kontrolle über die von ihr geförderten Kulturaktivitäten. Also musste der Trägerverein ‹Arena Literatur-Initiative› gegründet werden, der alle paar Jahre eine offizielle Leistungsvereinbarung mit der Gemeinde abzuschliessen und jährlich einen umfangreichen Jahresbericht samt revidierter Jahresrechnung und Budgetplanung abzuliefern hat. Das bedeutete einerseits allerhand Mehrarbeit, hat aber den unschätzbaren Vorteil, dass wir in den Vereinsmitgliedern auch ein wichtiges Stammpublikum für unsere Veranstaltungen fanden – die Mitgliedschaft beinhaltet den freien Zutritt zu allen Arena-Abenden. Ausserdem entstand als Vereinsorgan die Reihe der literarisch anspruchsvollen, von Lea Meier künstlerisch gestalteten Jahreshefte, die entweder einem Autor, einer Autorin – wie etwa Wolfgang Bortlik, Katja Fusek, Valentin Herzog, Ingeborg Kaiser, Hans Platzgumer, Markus Ramseier – gewidmet sind oder einem übergreifenden Thema wie «Riehen», «Freistaat Basel», «Expressionismus», «Dada». Hier erscheinen auch die Texte der von der Arena ausgeschriebenen Wettbewerbe: 1998 acht aus 150 anonymen Einsendungen ausgewählte Kurzgeschichten (Sonderheft), 2004 elf ‹Monatsgeschichten›, 2008 die Gedichte des Arena-Lyrikpreises und 2016 neun Texte eingeladener Schreibender zum Thema «alt».

40 JAHRE UND KEIN BISSCHEN MÜDE: DIE ARBEIT DER ARENA
Die Vorbereitung, Organisation und Begleitung von jährlich (meist) elf anspruchsvollen Veranstaltungen bedeutet eine ständige Herausforderung für alle Mitglieder des Arena-Teams. Sie belohnt uns aber auch immer wieder mit wunderbaren Begegnungen, spannenden literarischen Erfahrungen und wichtigen Freundschaften. Hie und da gab es vor allem in der Frühgeschichte der Arena auch kritische Momente, etwa im Herbst 1990, als der damals für Kultur zuständige Gemeinderat versuchte, eine Lesung des ehemaligen RAF-Mitglieds Christoph Wackernagel zu verhindern, was zu einem geharnischten Protest der Gruppe Olten führte. Häufiger aber waren eher heitere Momente: Eines späten Abends klingelte mein Telefon. Am Apparat war Rolf Hochhuth, der bis zu seinem Wegzug nach Berlin 2006 einer unserer Hausautoren war: «Hör mal, ich bin gerade bei lieben Freunden auf der Insel Sylt, und da ist mir eben etwas eingefallen: Habe ich nicht irgendwann in nächster Zeit eine Lesung bei dir in der Arena?» Mir wäre fast der Hörer aus der Hand gefallen: «Allerdings – morgen Abend!» «Oh! Dann wird es ja Zeit!» Städteverbindungen waren in den 1980er-Jahren bekanntlich noch weniger dicht und schnell als heute. Trotzdem stand Hochhuth pünktlich am Rednerpult. (Und gerade, als diese Zeilen geschrieben waren, vernahm ich im Radio die Nachricht von seinem Tod.) Nicht so dramatisch, dafür etwas peinlich war, was nach der wunderbaren Lesung von Marion Gräfin Dönhoff aus ‹Kindheit in Ostpreussen› passierte. Ich erhielt einen geschäftsmässig knappen Brief: Wir hätten doch ein Honorar von 500 Franken ausgemacht. Im Honorar-Umschlag seien aber nur drei Scheine gewesen. Erst nach mehreren Rückfragen und längerem Grübeln kamen wir auf des Rätsels Lösung: Im Couvert waren tatsächlich nur drei Scheine gewesen – ein Hunderter und zwei (damals eben neu eingeführte) Zweihunderter. Die Gräfin nahm’s zur Kenntnis. Wir haben ein bewundernswertes Publikum, das uns auch dann nicht im Stich lässt, wenn Eisregen oder traumhaftes Frühlingswetter einem Besuch der Arena entgegenstehen. Mit 30 bis 40 Besucherinnen und Besuchern können wir immer rechnen; steht ein attraktiver Name auf dem Programm, sind es bald auch doppelt oder dreimal so viele. Ein einziges Mal in all den Jahren haben wir erlebt, was in anderen literarischen Veranstaltungsreihen hin und wieder passiert: Eine elsässische Autorin, deren Name hier offensichtlich niemandem etwas sagte, hatte gerade mal zwei Besucherinnen ins Kellertheater des Hauses der Vereine gelockt. Hinzu kamen Edith Lohner als Veranstalterin, ein Journalist und zwei Mitglieder des Arena-Vorstands. Eine Zeitlang standen wir etwas verloren zwischen Bühne und Büchertisch herum, dann versammelten wir uns um einen der Tische im Foyer, öffneten eine Flasche Riesling, hörten ein paar schöne Gedichte und unterhielten uns bis tief in die Nacht hinein intensiv über das Handwerk des Schreibens. Ich möchte diesen Rückblick nicht schliessen, ohne von dem Team zu sprechen, das die Arena-Arbeit wesentlich trägt und gestaltet. In den ersten Jahren war es zeitweise so, dass ich, organisatorisch fabelhaft unterstützt von Beatrice Coerper, viele Lesungen, Vorträge und Matineen ganz allein auf die Beine stellte. Die meisten Kommissionsmitglieder neigten eher dazu, ihre eigenen Interessen an bestimmten Schreibenden oder speziellen literarischen Formen zu verfolgen. Erst in den 1990er-Jahren formte sich langsam so etwas wie ein wirkliches Team aus Personen, die bereit waren, Verantwortung zu übernehmen und die Arbeit mitzutragen, auch wenn sie sich nicht mit ihren Vorlieben deckte. Ich kann hier nicht alle aufführen, möchte aber unsere langjährige Aktuarin Rosmarie Schürch erwähnen, ferner die Germanistinnen Renate Löffler und Elke Müller sowie Iren Nussberger, Bücherfrau aus Leidenschaft, die so manche Veranstaltung betreuten. Vorübergehend waren auch der brillante Literaturkritiker Urs Allemann und der leider viel zu früh verstorbene Autor Markus Ramseier Mitglieder des Vorstands. Heute besteht das kollegial funktionierende Arena-Team aus sieben Personen: den zwei Buchhändlerinnen Edith Lohner und Nicole Hausammann, dem Fachmann für Drucktechnik Beat Baltensperger und den vier Schreibenden Wolfgang Bortlik, Katja Fusek, Valentin Herzog und Armin Zwerger. Wir sind zuversichtlich, dass wir trotz der gegenwärtigen Schwierigkeiten (Corona) im kommenden Herbst und in den folgenden Jahren vielen Autorinnen und Autoren eine ‹Arena› für ihre Texte und damit unserem Publikum manch anregenden Abend bieten können.

Das Kaleidoskop in der Arena
EDITH LOHNER
‹KALEIDOSKOP Geschichten in bunter Folge› wurde 1989 ins Leben gerufen. Die Kulturabteilung der Gemeinde erkor Liselotte Reber-Liebrich dazu, eine Kommission zu bilden mit dem Auftrag, die Autorenabende von Hans Krattiger in neuer Form auferstehen zu lassen. Dem Vorstand gehörten Liselotte Reber-Liebrich als Präsidentin an, Meta Fischer-Luchetta, die das heute noch verwendete Logo kreierte, und ich als Buchhändlerin. Autorinnen und Autoren mit vorwiegend regionaler Bedeutung, Journalistinnen, Liedermacher, Sprachwissenschaftlerinnen und andere sollten zu Wort kommen. Auch Kinder waren eine Zielgruppe, um schon früh das Interesse an der Sprache und am Umgang mit der Welt der Literatur zu wecken. Gäste der Kindernachmittage waren unter anderen Lisbeth Kätterer, die bei uns durch ihre Geschichten von Blindenhunden bekannt war, die Puppenspielerin Margrit Gysin aus Liestal, Claire Ochsner und Peter Baumgartner. Leider war die Nachfrage nicht sehr gross und wir mussten die Kindernachmittage nach einigen Jahren einstellen. Die erste Kaleidoskop-Lesung fand 1990 in der damaligen Schlipferhalle statt: Die in Weil am Rhein aufgewachsene Schauspielerin Hilde Ziegler las aus ihren Erinnerungen ‹Während der Verlobung warf einer einen Hering an die Decke›. Der Abend war ein voller Erfolg. In den ersten Jahren bot das Kaleidoskop vor allem Mundartautorinnen und -autoren ein Podium. Hilda Jauslin (Baseldeutsch), Vreni Weber-Thommen (Baselbieterdeutsch), Gerhard und Klaere Jung (Alemannisch), der Liedermacher Fritz Widmer (Berndeutsch) seien hier als Beispiele genannt. Beat Trachsler und Rudolf Suter stellten im Zwiegespräch die Neuausgabe des ‹Baseldeutschen Wörterbuchs› vor. Als Hochdeutsch Schreibende lasen im Kaleidoskop Hansjörg Schneider, Jürg Schubiger, Ulrich Knellwolf (mit Texten von Johann Peter Hebel). Rudolf Stalder gestaltete einen wunderbaren Abend mit Texten von Jeremias Gotthelf. Gute regionale Mundartliteratur war und ist nicht eben dicht gesät. So mussten wir bereits in den Anfangsjahren unser Wirkungsfeld auf die ganze Schweiz, das Badische und das Elsass ausdehnen. Schon 1994 fand eine erste Zusammenarbeit mit der Arena statt. Die in Inzlingen lebende Schauspielerin Hanna Burgwitz gestaltete mit Gerhard Mohr (Rezitation), Claudia Adrario (Gesang) und Uli Pfleiderer (Laute und Gitarre) einen literarisch-musikalischen Abend zum Erntedank. Schon ein Jahr später folgte die zweite Zusammenarbeit. So konnte der aus Damaskus stammende, in Deutschland lebende Autor Rafik Schami für eine Lesung gewonnen werden. Es wurde ein höchst genussvoller Abend, denn Rafik Schami las nicht, er erzählte sein Werk in der Art der orientalischen Geschichtenerzähler – Erzählen ist für ihn eine Lebensform. Im Kaleidoskop-Vorstand gab es auch hin und wieder Veränderungen. Nach dem Austritt von Meta Fischer- Luchetta trat anfangs der 1990er-Jahre die Buchhändlerin Jeannette Gallus in die Kommission ein und bald erhielten wir weitere Verstärkung durch Christian Schmid, Redaktor der DRS-Radiosendung ‹Schnabelweid› und Autor, der damals in Riehen wohnte und einige Jahre seine Kenntnisse über Dialekt-und Regionalliteratur einbrachte. Im Jahr 2000 schloss sich das Kaleidoskop, dessen Vorstand auf eine Person zusammengeschrumpft war, organisatorisch mit der Arena zusammen. Unter dem Namen ‹Kaleidoskop in der Arena› werden seither pro Saison zwei bis drei Lesungen organisiert, die sich der Mundart in all ihren Facetten widmen. In 30 Jahren Kaleidoskop waren viele Autorinnen und Autoren in Riehen zu Gast, einige von ihnen möchte ich stellvertretend erwähnen: Ernst Burren, Pedro Lenz, Guy Krneta mit Michael Pfeuti (Bass), Markus Manfred Jung aus dem Wiesental mit seiner Schwester Sabine Ging (Gitarre), Oscar Peer, Leo Tuor, Bruno Epple, die beiden Elsässer Pierre Kretz und Jean-Christophe Meyer, Anna-Maria Bacher aus dem Val Formazza, Rolf Hermann, Dominic Oppliger, Ursula Rychen und natürlich Christian Schmid.

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2020

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