Junge Riehener Musiker

Dorothee Gysin-Ninck

Dass Riehen eine musizierfreudige Gemeinde ist, dürfte bekannt sein. Man denke da an die viele, allerorten praktizierte Hausmusik, an die diversen Musikvereine, an die sich grösster Beliebtheit erfreuende Musikschule und an das hohe Niveau der Konzerte der «Kunst in Riehen» im Landgasthof und im Wenkenhof. Im nachfolgenden werden vier junge Musiker aus unserer Gemeinde porträtiert. Die Beziehung der jungen Musiker zu ihrem Heimatort könnte man als «sehr positiv» bis «eher gleichgültig» bezeichnen. In einem Punkt sind sie sich jedoch alle einig: Sie erlebten hier eine hervorragende Musikausbildung, und dafür sind sie dankbar.

Vera Fischer

Vera, geboren 1973, ist seit Sommer 1992 Musikstudentin am Konservatorium Zürich. Ihr Hauptinstrument ist die Querflöte; sie spielt aber auch wunderbar Klavier. Trotz vielem Interessantem und Anregendem findet sie ihr Studium nicht nur ideal: Der ganze Betrieb ist ihr ein bisschen zu schulmässig. Von Günter Rümpel, ihrem Flötenlehrer, ist sie jedoch sehr begeistert. Er arbeitet technisch sehr genau mit ihr, lässt ihr aber in der Interpretation viel Freiheit, so dass sie sich selbständig und allein mit jedem Werk gründlich auseinandersetzen muss.

Rumpel ist ihr vierter Lehrer. Ihre allererste Bekanntschaft mit einem Blasinstrument machte sie in der Primarschule, wo Lehrer Alfred Rentsch ihr das Blockflötenspielen beibrachte. An ihn, an seine Schulstunden, an das Musizieren mit ihm erinnert sie sich gerne. Bei Vreni Peter an der Riehener Musikschule erhielt sie ihren ersten, prägenden Querflötenunterricht. Sie machte rasche Fortschritte; ihre grosse musikalische Intelligenz erlaubt es ihr, technische und musikalische Schwierigkeiten rasch zu erkennen, zu überblicken und zu meistern. Noch während ihrer Gymnasiumszeit erhielt sie Unterricht bei Marina Wiedmer und Kiyoshi Kasai, beide Musiker am Basler Sinfonieorchester; diese Lehrer förderten ihre Technik und ihr Tonempfinden noch mehr. So entstand in ihr der Wunsch und die Gewissheit, Musikerin zu werden. Von all ihren Lehrern spricht sie mit Bewunderung und der Uberzeugung, von jedem wichtige und grundsätzliche Impulse mitbekommen zu haben.

Veras Interesse für moderne Musik ist gross; dort kann sie ihre Lust an Klangexperimenten ausleben und viel Neues entdecken. Zur Zeit hat sie Stücke von Boulez, Jolivet, Stockhausen und Holliger in Arbeit. Kammermusik, zum Teil in ganz originellen Besetzungen (mit Saxophon, Trompete, Cello, Schlagzeug), ist ihre eigentliche Leidenschaft. Noch viel mehr Kammermusik zu machen, das Improvisieren viel intensiver zu üben, alternative Musikformen kennenzulernen und eventuell auch in einer Jazzformation mitzumachen, dies sind für sie Wunschträume, zu deren Verwirklichung das Studium mit seinen um fangreichen Theorie- und Nebenfächern leider zu wenig Zeit übrig lässt.

Im Orchesterspiel hat sie schon einige Erfahrung; allerdings könnte sie sich vorderhand noch nicht vorstellen, ihr Leben lang im Orchester zu spielen. Genausowenig würde sie sich jetzt schon festlegen, ihr Leben lang Flöte zu unterrichten, aber über beides kann man ja seine Meinung durchaus noch ändern...

Vera spielt nicht nur Flöte; sie fotografiert viel, mehr als nur hobbymässig; auch malen, basteln, irgend etwas gestalten ist ihr ein tiefes Bedürfnis.

Es ist gewiss, dass Vera Fischer mit ihrem feinen, klaren, beseelten Flötenton und ihrer grossen technischen Brillanz viele Menschen beglücken wird.

Daniel Buess

Daniel, geboren 1976, hat als Achtjähriger angefangen, Schlagzeug zu spielen. Seit zehn Jahren nimmt er Unterricht beim gleichen Lehrer, bei Gerhard Huber. Er hat sich schon vor ein paar Jahren entschlossen, das Schlagzeug zu seinem Beruf zu machen, Musiker zu werden. Im Herbst 1994 hat er seine Ausbildung an der Musikakademie der Stadt Basel begonnen.

Das Schlagzeug ist ein ausgesprochen vielseitiges Instrument. Die grundlegende Technik, die man für das Spiel am Drumset benötigt, erlernt man an der kleinen Trommel. Die Spieltechnik und die Haltung der Schlegel unterscheidet sich ziemlich stark von derjenigen der Basler Trommel. Das Schlagzeug in seiner heutigen Form und Vielseitigkeit existiert erst in unserem Jahrhundert. Seine Variationsmöglichkeiten sind unendlich, wenn man all die exotischen Schlaginstrumente miteinbezieht wie Gongs, Woodblocks, afrikanische Trommeln und all die südamerikanischen Instrumente oder auch ganz alltägliche Gegenstände wie Büchsen, Töpfe und vieles andere, worauf man rhythmisch schlagen kann. Wunderschöne Melodien lassen sich auf dem Marimba- und Vibraphon spielen. Daniel lässt herrliche Bach-Cello-Suiten auf dem Marimbaphon erklingen.

Er spielt seit langem schon klassische Musik neben Jazz und Rock. Er kategorisiert und unterscheidet nicht gerne, die verschiedenen Stile haben bei ihm friedlich in- und nebeneinander Platz. Daniel macht einfach Musik, wenn er am Schlagzeug sitzt, ungeachtet dessen, ob es sich um sogenannte E-Musik oder Unterhaltungsmusik handelt. Die Kammermusik, das Spielen mit andern Instrumenten, interessiert ihn besonders. Auch im Orchester spielt er gerne aushilfsweise; das gibt Erfahrung und Routine.

Seit einem Jahr geht Daniel nicht mehr zur Schule; das Bäumlihofgymnasium hat er freiwillig verlassen. Er bezeichnet sich selbst als sehr untypischen Gymnasiasten, dem es nicht gegeben war, auf äusseren Befehl so viel Wissen in sich «hineinzuschaufeln». Nun kann er dies freiwillig tun und eignet sich mit Leichtigkeit Kenntnisse an. Zur Zeit beschäftigt er sich mit dem Komponisten John Cage, dessen Musik und Schriften er eingehend studiert. Cages Philosophie spricht ihn an: Das Leben ist ein Kunstwerk, und die Alltagsgeräusche sind Musik. Die meisten Menschen haben Angst vor neuen Ideen, Cage hat Angst vor den alten. Er predigt absolute Freiheit, die Befreiung von jeglicher Tradition. Viele Ideen von Cage findet Daniel jedoch wiederum viel zu extrem; es stört ihn auch, dass Cage die Musik der Klassiker und Romantiker vollkommen verwirft und ihre Gültigkeit nicht anerkennt.

Mit grossem Interesse studiert er unter anderem auch fernöstliche Philosophie und setzt sich auseinander mit moderner Malerei. Das künstlerische Schaffen von Josef Beuys fasziniert ihn. Man darf annehmen, dass aufgrund der Vielseitigkeit seines Instrumentariums und seiner sonstiger Interessen Langeweile bei Daniel Buess wohl kaum zu befürchten ist!

Nico Schuppli

Nico, geboren 1976, stammt aus einer ausgesprochenen Künstlerfamilie. Seine Eltern besitzen ein eigenes Theater, das Figurentheater «Vagabu». Die kunstvollen Figuren und Marionetten werden von Nicos Vater hergestellt; am Theatergeschehen ist mehr oder weniger die ganze Familie beteiligt. Nicos schauspielerisches und musikalisches Talent konnte sich in dieser anregenden Umgebung schon früh entfalten. Seine Grossmutter war Tänzerin, sein Grossvater Geiger im Basler Sinfonieorchester - und Geigenbauer. Nico hat ihm früher in seiner Werkstatt oft bei der Arbeit zugeschaut und liess sich von ihm in die Klanggeheimnisse neuer und alter Geigen einführen.

Als Siebenjähriger erhielt Nico seinen ersten Querflötenunterricht. Paul Ragaz, der damals mit Nicos Eltern «Alice im Wunderland» inszenierte, respektive die Musik dazu komponierte und ausführte, war sein Lehrer. Bei ihm lernte Nico nicht nur eine gute Flötentechnik, viele Etüden und Flötenstücke kennen, sondern er lernte vor allem von Anfang an auf seinem Instrument zu improvisieren und seine eigenen Ausdrucksmöglichkeiten zu finden, was für ihn bis heute das Wichtigste geblieben ist.

Nico ist Schüler des Bäumlihofgymnasiums; 1995 wird er seine Matur dort machen. Für die Musik nimmt er sich viel Zeit; sie beschäftigt ihn intensiv, zur Zeit auf dreierlei Weise: Zur Querflöte ist das Saxophon hinzugekommen, das Sopransaxophon, dessen Klänge ihn begeistern. In den oberen Regionen entlockt er ihm schmale, leichte, glockenähnliche Töne, während die tiefen Töne kräftig erklingen, schwer und breit ausgedehnt. Natürlich improvisiert Nico auch auf diesem Instrument leidenschaftlich gerne.

Und dann ist da seine Rockband, die «Chocco-pobbs», bei welchen er als Flötist, Saxophonist, Akkordeonspieler und Sänger auftritt. Die jungen Musiker erfinden ihre Musik selber; sie geht im Stil quer durchs ganze Rock-Geschehen und trägt auch deutliche Jazzelemente. Die Texte zu seinen Liedern dichtet Nico teils in Mundart, teils auch in englischer Sprache.

Ihren Proberaum haben die «Chocco-pobbs» in der Freizeitanlage Landauer; sie haben ein sehr freundschaftliches Verhältnis zum Landi-Team und spielten auch zur Eröffnung des neuen Jugendtreffs im Sarasinpark im Mai dieses Jahres. Beim Stadtfest 1993 gewannen sie den ersten Preis, worauf sie zu einer Aufnahme in ein Tonstudio eingeladen wurden.

Nicos Interesse für Politik ist gross; er informiert sich täglich und hat durchaus seine Meinung, ohne jedoch parteipolitisch irgendwie aktiv zu sein. Seine Lieblingslektüre sind Dramen und Phantasiebücher oder philosophische Texte.

Wird er Musiker oder Schauspieler werden? Dies steht heute noch nicht fest. Mit Sicherheit aber kann Nico Schuppli sagen, dass er auch als Schauspieler die Musik in seinen Beruf miteinbeziehen und ihr in seinem Leben gewiss immer genügend Zeit und Raum gönnen wird.

Andreas Witwer

Andreas, geboren 1971, studiert Musik gleich mit zwei Hauptfächern: Neben der Konzertklasse für Klavier bei Peter Efler absolviert er ein volles Theorie- und Kompositionsstudium bei Balz Trümpy. Seine Begabung für Klavier trat schon früh zutage; sein Vater, ein musizierender Autodidakt und Leader einer Rockband, schenkte dem Sechsjährigen eine kleine Klavierorgel und lehrte ihn, darauf einfache Melodien und Lieder zu spielen. Mit acht Jahren kam er an die Musikschule Riehen und wurde Schüler von Klaus Rupprecht, der ihn sehr förderte und überhaupt ein ganz ausgezeichneter Lehrer für ihn war. Nach der Matur trat er direkt ins Konservatorium Basel ein und studierte die ersten Jahre Klavier bei Jean-Jaques Dünki, mit dem zusammen er in die Welt der ganz modernen Musik eindrang. Sein jetziger Lehrer, Peter Efler, ist wiederum besonders inspirierend für die klassisch-romantische Klaviermusik, was Andreas sehr entgegenkommt; er spricht mit Begeisterung über diesen Unterricht.

In die Geheimnisse des Kontrapunkts und des Komponierens lässt Andreas sich von Balz Trümpy einführen. Das Theoriestudium umfasst viele verschiedene, interessante Fächer wie zum Beispiel die Geschichte der alten Musik, der Musik des Mittelalters und der Renaissance, Gregorianik und Kirchentonarten, Formen- und Instrumentierungslehre, das Partiturspielen in alten, heute nicht mehr gebräuchlichen Notenschlüsseln, oder auch ein kulturphilosophisches Seminar bei Hans Saner.

Andreas reflektiert viel über die Musik und trägt Fragen an sie heran: «Was ist ihre soziale Aufgabe? Inwieweit kann sie uns heutige Menschen vom passiven Konsumverhalten, welches so vieles zerstört in der Kunst, wegbringen? Durch die Vermarktung der Musik wird sie gewissermassen ihres ursprünglichen Sinnes beraubt. Musik ist viel zu elitär, jedenfalls im heutigen Konzertbetrieb. Der Musiker auf dem Podium ist abgetrennt vom Publikum.» Gemäss Andreas' Erfahrungen - er unterrichtete aushilfsweise ein halbes Jahr Schulmusik an der Sekundärschule und dem Progymnasium in Allschwil könnte letzteres einer der Gründe sein, warum Jugendliche heutzutage sich im klassischen Konzert überhaupt nicht angesprochen fühlen. Zudem machen die Strukturen der Schule (Notensystem, Leistungsdruck, Konkurrenz) einen schöpferisch-produktiven Musikunterricht sehr schwer.

Ein paar von Andreas' Kompositionen wurden 1992 in einem Konzert im Wenkenhof, zusammen mit Werken des jungen Rieheners Beat Gysin, uraufgeführt. Momentan hat er eine sehr spezielle Komposition in Arbeit: Er vertont einen altägyptischen Text in Gedichtform, ein Lied der Einsamkeit; es ist «das Gespräch des Lebensmüden mit seiner Seele». Die Singstimme wird von einem Saxophon begleitet. Aus reinem Interesse belegt Andreas einen Kurs für klassisches Hieroglyphenägyptisch am ägyptologischen Seminar bei Elisabeth Staehelin.

Früher improvisierte Andreas viel; solche Improvisationen schrieb er dann auch ab und zu auf. Hieraus entwickelte sich mehr und mehr die kompositorische Arbeit. Es ist ihm primär beim Komponieren nicht wichtig, ob er tonale oder atonale Musik schreibt. Seine Kompositionen sind nicht direkt auf Tonarten bezogen, aber dennoch lässt sich meist ein Zentral-, respektive ein Bezugston finden.

Wie stellt sich Andreas Witwer seine berufliche Zukunft vor? Am ehesten als Theorielehrer. Ein guter Theorielehrer, erklärt er, kann man jedoch nur sein, wenn man gleichzeitig ein guter Praktiker und am besten auch noch Komponist ist. Nun, da hat er ideale Voraussetzungen!

 

Personen Jean-Jaques Dünki (*1948), Pianist und Komponist, Lehrer Musikakademie

Peter Efler (*1944), Pianist, Lehrer Musikakademie

Gerhard Huber (*1957), Schlagzeuglehrer Musikschule Basel und Riehen

Kiyoshi Kasai (*1947), Soloflötist Basler Sinfonieorchester

Vreni Peter-Barth (*1956), Flötenlehrerin Musikschule Riehen

Paul Ragaz (*1949), Musiker, Multi-Instrumentalist, Lehrer

Alfred Rentsch (*1929), Lehrer, Mitglied Kirchensynode

Günter Rümpel (*1939), Flötist, Lehrer Konservatorium und Musikhochschule Zürich

Klaus Rupprecht (*1938), Klavierlehrer Musikschule Riehen

Balz Trümpy (*1946), Komponist, Lehrer Musikakademie

Marina Wiedmer (*1956), Flötistin Basler Sinfonieorchester

 

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1994

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