Junge Riehener Sportler Erfolgreicher Ruderer

Dominik Heitz

In rhythmischer Regelmässigkeit senken sich die Ruderblätter ins Wasser, werden von kräftigen Armen gegen die Fahrtrichtung gedrückt, über die Wasseroberfläche zurückgezogen und wieder ins Wasser geschlagen. Zug um Zug stösst sich der Athlet mit seinen Rudern im schmalen Boot Meter um Meter weiter, beugt und streckt seine Beine, streckt und beugt seine Arme, stösst und zieht sich auf dem Sessel vor und zurück: Ewig gleiche Hebelbewegungen haben hier, kombiniert mit trainierter Muskelkraft, eine optimale Motorik zu bilden, um schliesslich in sportlicher Konkurrenz gemessen zu werden.

Der Spaziergänger, der vom Riehener Rheinufer oberhalb des Kraftwerks aus die Ruderbewegungen als harmonisch hingelegte Körperstudien bewundern, ja Ruderer und Boot gar als scheinbar schwerelose, über das Wasser gleitende Einheit betrachten mag, ist sich im Moment wohl selten bewusst, welche Anstrengung hinter diesen Ruderschlägen steckt.

Und vielleicht noch weniger wird er wissen, dass unter den Ruderinnen und Ruderern, die sich da häufig Tag für Tag auf dem Rheinstück zwischen äugst und Stauwehr flussauf und -ab in die Riemen legen, manch junge, sportlich ehrgeizige und erfolgreiche Riehenerinnen und Riehener trainieren. So schob sich im letzten Jahr der Basler Achter an den Schweizer Rudermeisterschaften auf den ersten Rang bei den Junioren - am Sieg mitbeteiligt waren die Riehener Christian Flüeler, Florian Prein sowie Matti Martin. Und in der Kategorie Skiff Leichtgewicht holte sich die Riehenerin Evelyne Bolliger die Bronzemedaille. Die heute 20jährige wurde zudem von der «Vereinigung Basler Sportjournalisten» zur Basler Sportlerin des Jahres 1991 erkoren. Solche Ehre spornt an, gibt der Ausgezeichneten Auftrieb, aber auch all jenen, die sich der Randsportart Rudern widmen. Und eine Randsportart ist es, denn hier trainieren Sportlerinnen und Sportler, die nicht wie Fussballer, Skifahrer oder Leichtathleten im publikumswirksamen Rampenlicht stehen.

Einer, der das bestens weiss, ist der Riehener Peter Bolliger, Vater von Evelyne und Thomas Bolliger, Trainer der Senioren beim Ruderclub Blauweiss und BronzemedaillenGewinner im Vierer mit Steuermann an den Olympischen Spielen 1968 in Mexiko. Zum einen ist Rudern eine Sportart, die keine Breitensportwirkung zu erzielen vermag und entsprechend werbemässig wenig attraktiv erscheint. Zum anderen sind die Wettkampfmöglichkeiten beschränkt und finden an Orten statt, wo das Publikum nicht in Massen auftreten kann. All das stellt das Rudern in einen Schattenbereich, weit weg von Stadionscheinwerfern und Zuschauerarenen.

Dennoch: Als körperlich anspruchsvolle Sportart nimmt das Rudern durchaus eine Respekt erheischende Stellung ein. «Sportrudern braucht extrem viel Zeit», sagt Peter Bolliger. «Und auch wenn der Grossteil der Jugendlichen gerne an Wettkämpfen teilnehmen will, so finden von zehn Ruderern letztlich nur ein bis zwei den Weg zu den Senioren. » Peter Bolliger hält zudem trocken fest: «Das Höchstleistungsjahr bei einem Ruderer liegt beim 26. Altersjahr, und das heisst zwölf Jahre intensives Training neben der beruflichen Entwicklung.» Ob unter dieser Vorgabe die Riehener Junioren Urs Rinklin, Lukas Iselin, Patrick Buner und Thomas Zangger, die Juniorinnen Anita Jesel und Chantal Künzli sowie Christian Flüeler, Evelyne Bolliger, Thomas Jesel und Thomas Bolliger bei den Senioren (die letzteren drei sind Mitglieder des Nationalkaders) diesen Leistungsdruck annehmen wollen respektive durchhalten können, wird die Zukunft weisen. Immerhin sind sie bis jetzt allesamt begeistert von dieser Sportart.

Sei es, dass sie als Mitglieder beim Ruderclub Blauweiss ihr Bootshaus am Rheinufer der Kraftwerkinsel oder als Aktive beim Basler Ruderclub ihre Vereinslokalität direkt vis-à-vis auf Riehener Boden stehen haben - ihr Training ist nicht von irgendwelchem Club-Chauvinismus geprägt. Häufig trainieren sie gemeinsam, stellen zusammen einen Doppelzweier, einen Achter mit Steuermann oder was es der Kombinationen mehr gibt. Die meisten sind schon alles gefahren - natürlich auch Skiff, was soviel heisst wie: alleine mit zwei Rudern in einem Boot über das Wasser gleiten.

«Ich könnte heute keine anderen Ferien mehr machen»

Das «Trainingsrevier» ist ideal: Der Stausee oberhalb des Birsfelder Kraftwerks ist für Basler wie für Riehener schnell erreichbar und wegen der geringen Flussströmung ein guter See-Ersatz; zudem bietet das Bootshaus des Ruderclubs Blauweiss - genauso wie jenes des Basler Ruderclubs - mit seinem Kraftraum die Möglichkeit ergänzenden Trainings: An den diversen Maschinen beanspruchen und bilden die Ruderer die für ihren Wettkampfsport wichtigen Muskelpartien. Gleich daran schliesst die Bootshalle an. Um die 35 der unterschiedlich langen, schmalen und mehrheitlich aus Zedernholz gefertigten Boote hängen hier numeriert und namentlich beschriftet unter dem Dach.

Schon seit Jahren finden sich an diesem Ort und auf der anderen Rheinseite relativ viele Riehenerinnen und Riehener ein. Nicht zuletzt ist das Gymnasium Bäumlihof eine Art «Rekrutierungsstelle», denn der Anteil an Gymnasiasten in den beiden Ruderclubs ist grösser geworden. Für Urs Rinklin (Jahrgang 1975) war jedenfalls letztlich das Werbematerial im Bäumlihof massgebend für seinen Entscheid gewesen, mit vierzehn Jahren das Rudern zu lernen. Heute trainiert er in der Kategorie Junioren fünf- bis sechsmal pro Woche und häufig im Doppelzweier gemeinsam mit dem gleichaltrigen Patrick Buner.

Chantal Künzli und Anita Jesel (Jahrgang 1975 und 1976) haben mit dreizehn Jahren zu rudern begonnen; beide Schülerinnen fanden über ihre Brüder dazu. Heute trainieren sie Zweier ohne Steuermann respektive Doppelzweier. «Der Zweier ohne ist für mich eine Herausforderung», so Chantal Künzli, «weil es bisher immer geheissen hat, der Riemen sei zu schwer für Frauen.»

Thomas Jesel (Jahrgang 1972) kam mit vierzehn Jahren zum Rudern: «Bei mir war es ein Kollege, der mich gefragt hat, ob ich mitkommen wolle. Dann hat es mir recht schnell den ärmel hineingenommen.» Seit dem 17. Altersjahr trainiert er nun «volle Kanne», wie er sagt: achtmal pro Woche jeweils drei Stunden. Hinzukommen intensive Trainingslager, die während den Schulferien stattfinden. «Das letzte Mal, dass ich richtig in den Ferien war», erinnert sich der Skiffer in der Kategorie Senioren B Leichtgewicht, «war vor vier oder fünf Jahren. Obwohl die Trainingslager sehr hart sind, gewöhnt man sich daran; ich könnte heute keine anderen Ferien mehr machen.»

Auch Evelyne Bolliger kann nicht genau erklären, weshalb das Rudern ihr in einem Masse wichtig ist, dass sie praktisch die ganze Freizeit dafür aufwendet: «Ich kannte das Rudern von meinem Vater und meinem Bruder her. Als mein Bruder dann in den Vorbereitungen für die JuniorenWeltmeisterschaft steckte, hat es mich plötzlich gepackt.» Heute trainiert auch sie praktisch jeden Tag. Im Gegensatz aber zu den jungen Männern fährt die Studentin, in der Kategorie Damen Leichtgewicht, fast zwangsläufig Skiff, weil es im Club noch zu wenig Frauen gibt. Zudem sieht es Evelyne Bolliger als grössere Belastung an, gemeinsam mit jemand anderem zu rudern: «Ich muss als Skiff-Fahrerin weniger Rücksichten nehmen, kann entsprechend individueller planen und seriöser trainieren; die Ablenkung ist nicht so gross.»

Evelyne Bolligers Bruder Thomas fand mit 16 Jahren zum leistungsmässigen Rudern. Seine ersten Erfahrungen mit Boot und Riemen hatte er allerdings schon früher gesammelt - «zum ersten Mal in einem Boot gesessen bin ich mit zehn Jahren», erinnert ersieh. Mit Jahrgang 1969 kann dem gelernten Bauingenieur noch eine erfolgreiche Zukunft als Ruderer bevorstehen, nachdem ihn die berufliche Ausbildung gefordert hat: «In den letzten Jahren war es manchmal schwierig, eine Steigerung zu erreichen, denn die Ausbildung am Technikum in Muttenz ging für mich eindeutig dem Training vor; doch Motivationsprobleme hatte ich deswegen eigentlich nicht.» Thomas Bolliger weiss: Um den internationalen Durchbruch zu schaffen, muss er sein Skiff-Training intensivieren. Doch das will er auch, denn sein Nahziel ist die nächste Weltmeisterschaft in der Tschechoslowakei und sein sportliches Traumziel sind die Olympischen Spiele 1996 in Atlanta - Ziele, wie sie viele Sportlerinnen und Sportler früher oder später hegen, Ziele, die letztlich dem Erhalt der einzelnen Sportarten dienen können, wenn sie mit Verantwortung angestrebt werden.

Kleines Ruder-Lexikon

In den acht Bootsklassen wird unterschiedlich gerudert. Am schwersten tun sich die Athleten im Zweier mit. Man nennt dieses Boot auch Galeere, weil zwei einen dritten mitschleppen müssen. Am schnellsten sind stets die Achter. Trotz des Steuermanns hat der einzelne Ruderer hier am wenigsten Reibungswiderstand zu überwinden. Das Gewicht des Steuermanns spielt übrigens eine wichtige Rolle: Das Wettkampfreglement bestimmt, dass der Steuermann mindestens 50 kg wiegen muss. Ist er leichter, so sind die fehlenden Pfunde als sogenanntes «Totgewicht» in Form von Steinen oder Sandsäcken unmittelbar bei seinem Sitz mitzuführen. Zu diesem Zweck müssen sich die Steuerleute vor dem Start einer Wägeprozedur unterziehen.

Riemen: Ein Ruder für zwei Hände

Skull: Ruder für je eine Hand 

Achter: Acht Ruderer mit je einem Riemen

Vierer mit: Vier Ruderer mit je einem Riemen, mit Steuermann

Vierer ohne: Vier Ruderer mit je einem Riemen, ohne Steuermann

Doppelvierer: Vier Ruderer mit je zwei Skulls

Zweier mit: Zwei Ruderer mit je einem Riemen, mit Steuermann

Zweier ohne: Zwei Ruderer mit je einem Riemen, ohne Steuermann

Doppelzweier: Zwei Ruderer mit je zwei Skulls

Einer (Skiff):  Ein Ruderer mit zwei Skulls

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1992

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