Kein Stein blieb auf dem andern

Stefan Suter

Riehener Steinbrüche und Kiesgruben

Im Riehener Wald finden sich an verschiedenen Stellen tiefe Einschnitte in das Gelände, welche von Menschenhand geschaffen wurden. Es handelt sich um alte Steinbrüche, welche einst gewerblich genutzt und ausgebeutet wurden. Neben unzähligen kleineren Aushebungen, welche schon in frühester Zeit angelegt worden waren, wurden seit dem Mittelalter auch in grösserem Umfang Steinbrüche genutzt. Es handelt sich hauptsächlich um die im Laufe der Jahrhunderte immer weiter ausgebauten Brüche beim Maienbühl.

Das Maienbühl und das Basler Münster

Der bereits im 15. Jahrhundert erstmals erwähnte Steingrubenweg zeugt von der mittelalterlichen Nutzung und führte direkt zu den Steinbrüchen im Maienbühl. Dass es sich bei den dortigen Vorkommen nicht lediglich um einfachen Kalkstein, sondern um roten Buntsandstein handelt, zeigt bereits der Flurname «Roter Graben» oberhalb des Steingrubenwegs.

Der rote Sandstein aus dem Maienbühl wurde für den Bau des Basler Münsters, des Rathauses und vieler weiterer Gebäude, für Tür- und Fensterrahmen sowie auch für Parkmauern eingesetzt. Für die Verwendung beim Bau des Basler Münsters spricht auch der Umstand, dass das Gebiet beim Maienbühl im Mittelalter lehensrechtlich dem Bischof von Basel gehörte.

Das Basler Münster besteht zu grossen Teilen aus Sandstein, welcher in Brüchen bei Degerfelden gewonnen wurde. Dieser ist schwer zu bearbeiten, relativ grob, konnte jedoch deswegen für die dem Wetter ausgesetzten Mauerteile bestens verwendet werden. Für die figürlichen Teile zog man hingegen Buntsandstein aus dem Wiesental bei Hauingen und Steinen bei. Der beim Maienbühl auf Riehener und Inzlingerboden abgebaute Buntsandstein nahm eine Art Zwischenstellung ein. Das Bruchmaterial war feiner zu bearbeiten als dasjenige von Degerfelden, eignete sich jedoch weniger gut für die Herstellung von Figuren. Laut Auskunft der Basler Münsterbauhütte finden sich in den untersten Teilen auf der Innenseite des St. Georg-Turms Sandsteinquader, die im Mittelalter im Maienbühl abgebaut wurden. Diese Mauerteile sind sicher vor dem grossen Basler Erdbeben von 1356 eingebaut worden. Es ist dies ein Beweis für die mittelalterliche Nutzung der Steinbrüche beim Maienbühl. Auch beim Kreuzgang des Basler Münsters finden sich bis heute in den Rippen Teile, die geologisch dem Maienbühl zuzuordnen sind. Nur schwer sind die Aufwendungen zu erahnen, mit denen das Material vom Maienbühl in die Ebene, und dann mit Ochsenkarren zum Bauplatz des Münsters transportiert wurde.

Vom Hornfelsen zur Festung Hüningen

Der seit Jahrhunderten abgebaute rote Sandstein findet sich in Riehen nur beim Maienbühl. Die übrigen Waldhügel von Riehen, wie der Ausserberg, das Wenkenköpfli, der Linsberg und der Mittelberg bestehen hauptsächlich aus grauem Kalkstein. Der an diesen Orten auch vorkommende Muschelkalk wurde ebenfalls als Baustein benutzt. Der 1661 erstmals erwähnte Steinbrecheweg deutet darauf hin, dass es bereits damals einen kleinen Steinbruch beim Wenkenköpfli gegeben haben muss.

Ausser den Gruben beim Maienbühl existierten jedoch lediglich kleinere Gruben, die höchstens für den lokalen Eigenbedarf benötigt wurden. Eine besondere Bedeutung hatte hingegen der auf Grenzacher Boden liegende Hornfelsen, welcher bereits 1379 als Steinbruch erwähnt wurde. 1428 verliehen der Bürgermeister und der Rat der Stadt Basel den Hornfelsen samt Gipsgewinnung an einen Handwerker. Umfangreiche Steinladungen sollen sodann auch für den Bau der Festung Hüningen von den Brüchen beim Grenzacher Hornfelsen beschafft worden sein. Nach der Schleifung der Hüninger Festung ist dieses Material als Baumaterial für diverse zivile Bauten verwendet worden.

Eisenbahn- und Strassenbau

Der Strassenbau, vor allem aber der rasante Ausbau des Eisenbahnnetzes in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts liess die Nachfrage nach Kalksteinschotter enorm ansteigen. Im benachbarten Inzlingen entstanden aufgrund der idealen geologischen Voraussetzungen in der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts etwa fünfzehn teilweise recht grosse Kalksteinbrüche. Dementsprechend war ein Grossteil der dortigen Bevölkerung auch in diesem Gewerbezweig aktiv. Die Riehener Geologie war hingegen weniger geeignet, grössere Kalksteinbrüche anzulegen. Im kleineren Umfang wurde jedoch auch bei uns versucht, die Nachfrage nach Steinen zu decken.

Wiederum wurden im Maienbühl eifrig Steine abgebaut, wobei für die neuen Zwecke auch der graue Kalkstein verwendet werden konnte. Vermutlich um 1850 wurde der Steinbruch unterhalb des Maienbühlhofes angelegt, der zum Teil auf Riehener-, zum Teil auf Inzlingerboden lag. In einer 1857 «neuerbauten Behausung» am Rand des Steinbruchs wohnten bei der Volkszählung von 1860 nicht weniger als 14 Personen, darunter Steinhauer, Steinbrecher, Taglöhner, ein Steinhauerlehrling, ein Schmiedgesell, eine Dienstmagd und eine sechsköpfige Familie. Adolf Karth-Walter von Inzlingen, der 1892 einen Teil dieses Steinbruchs kaufte, wanderte im darauffolgenden Jahr nach Riehen aus und baute sich zuoberst an der Inzlingerstrasse (Nr. 301) ein Haus. Er beutete den Steinbruch vor allem zu Beginn des Jahrhunderts aus; nach dem Zweiten Weltkrieg ging die Grube an die Gemeinde Riehen über, welche sie als Abfallgrube verwendete und auffüllte.

Später wurde auch eine kleine Grube oberhalb des Maienbühls genutzt, welche heute noch zu sehen ist. Sie befindet sich wenige Meter innerhalb des Waldes auf dem Grenzweg zur «Eisernen Hand» auf der Stettener Seite.

Bis zum Jahre 1873 war der Zentralbahnhof (Bahnhof SBB) mit dem Badischen Bahnhof noch nicht verbunden. Am 22. Januar 1872 wurde deswegen der Auftrag zum Bau der heute noch bestehenden Eisenbahnbrücke erteilt.

Es war naheliegend, das entsprechende Baumaterial aus der näheren Umgebung herbeizuschaffen. Am 31. Januar 1872 schloss deshalb der Gemeinderat Riehen mit der Firma Lanterburg und Thormann, einer Gesellschaft aus dem Kanton Bern, einen Pachtvertrag für die Nutzung des Steinbruchs am Horngraben ab. Die Firma Lanterburg und Thormann war als Unternehmerin des Unterbaus der Eisenbahnbrücke in Basel beschäftigt und war aufgrund der kurzen Distanz an der Ausnützung eines Riehener Steinbruchs interessiert. Der Pachtzins betrug jährlich 1000 Franken. Der Vertrag war befristet bis zum 31. Januar 1874 und scheint nachher nicht mehr erneuert worden zu sein; die Eisenbahnbrücke war damals auch bereits fertiggestellt und ihrem Zweck übergeben worden.

Dieser Steinbruch, dessen Material als Fundament für die Basler Eisenbahnbrücke verwendet wurde, war im Jahre 1860 eröffnet worden. Damals hatte der Gemeinderat dem Basler Baumeister Johannes Müller eine grosse Fläche Waldbodens beim Horngraben für sechs Jahre zur Pacht abgetreten. Dem Pächter wurde erlaubt, das übernommene Areal «ungehindert auszubeuten, u. Schutt darauf zu lagern». Hingegen bestand der Gemeinderat darauf, dass das zu schlagende Holz bei der Errichtung des Steinbruchs der Gemeinde zufalle. Da es sich beim Abschluss des Pachtvertrags lediglich um Waldboden handelte, wurde dem Pächter eine sechswöchige Frist für Probearbeiten zugestanden, innert welcher er sich definitiv zur Ausbeutung des Steinbruchs entscheiden konnte. Bei Rücktritt innert dieser Frist wäre er gehalten gewesen, «das aufgebrochene Erdreich, wieder so zu erebnen wie er es angetreten». Dies war jedoch nicht nötig, die Ausbeutung dieses Steinbruchs beim Horngraben hat sich offenbar gelohnt.

Ein recht grosser Steinbruch befand sich oberhalb des Wenkenhofs, beim sogenannten Bierkeller, im Gebiet «An der Buchhalde». Um die Jahrhundertwende und bis in die zwanziger Jahre wurde er von Ernst Dannacher-Tanner und seinen Söhnen ausgebeutet. Auch der Steinbruch beim Bettinger Bierkeller gegenüber dem ehemaligen Schweizerischen Zollamt wurde von Dannacher betrieben; er übernahm ihn 1928 von seinem Vorgänger Fuhrhalter Heinrich Tanner-Karlin, der die abgebauten Steine zu vielen Strassenbaustellen in Riehen und Basel transportiert hatte.

Die meisten der heute vor allem noch im Wald zu findenden alten Steinbrüche wurden hingegen erst in der ersten Hälfte des 20. Jahrhunderts angelegt. Solche Steinbrüche findet man gelegentlich im Ausserberg und Mittelberg.

Auch die mittelalterlichen Brüche beim Maienbühl wurden bis in unser Jahrhundert abgebaut, zuletzt durch die Familie Seckinger. Es ist davon auszugehen, dass das gesamte Gebiet des Maienbühls im Laufe der Zeit aboder umgegraben wurde. Vermutlich blieb kein einziger Stein auf dem anderen.

Im 20. Jahrhundert wurden die Steine hauptsächlich für den Strassenbau verwendet, während nach dem Zweiten Weltkrieg der Abbau zum Erliegen kam und diverse Gruben aufgefüllt wurden.

Löss- und Schottergruben

Der Löss, als Lichsen und Letten in Flurnamen zu finden, ist ein hellgelbes poröses Material in Form feinen Gesteinstaubes. Dieser Staub wurde während der Eiszeiten aus den Kiesfeldern durch den Wind an die Hänge geblasen. Löss ist sehr fruchtbar und hat zum Gedeihen der Riehener Landwirtschaft beigetragen. Der Löss bedeckt einen höher gelegenen Schotter aus Schwarzwaldmaterial. Diese Schotter traten an der Schlossgasse, an der Inzlingerstrasse und im Stettenloch zu Tage. Beim Stettenloch fand denn auch eine entsprechende Nutzung und der Abbau einer Grube statt. Diese Grube wurde vor wenigen Jahren zu einem Parkplatz für die etwas oberhalb befindlichen Familiengärten umfunktioniert.

Der Löss bildet oft eine mehr oder weniger mächtige Decke, in die sich die Wege als von steilen Wänden begleitete Hohlwege einschneiden. Der Grenzpfad beim Stettenloch hinauf zu den Familiengärten ist ein eindrück liches Beispiel dafür, ebenso wie der Hohlweg, der Leimgrubenweg und die Mohrhaidenstrasse.

Erwähnung finden soll schliesslich auch die GiessereiSandgrube, welche an der Schlossgasse Ende des 19. Jahrhunderts eröffnet wurde. Die Nachfrage nach Giessereisand war erheblich, zumal in Riehen ebenso wie in Stetten eine Giesserei existierte. Nach dem Ausbruch des Ersten Weltkrieges im Jahre 1914 kam die Angelegenheit zum Erliegen.

In der zweiten Hälfte des 19. Jahrhunderts hat die Gemeinde beim Haselrain eine gemeindeeigene Grube eröffnet. Diese wurde für Gemeindezwecke gebraucht, offenbar aber auch von Privatpersonen genutzt. Im Jahre 1886 protestierte der Bauer Alfred Vogelbach beim Gemeinderat, dass das Material dieser Grube sich dem Ende zuneige. Deswegen hätten die diversen Abbauer begonnen, die Seitenwände der Grube zu untergraben. Dies führte dazu, dass bei Regengüssen im Frühling die Wände einstürzten und es zur Erosion auf dem Nachbargelände des Bauern Vogelbach kam.

Riehener Kies für das Goetheanum

Um der Nachfrage des Strassenbaus nachzukommen, wurde in den Niederungen der Wiese und des Landauer gebiets auch Kies abgebaut. Dieser Gewerbezweig hängt seit 1891 eng mit der damaligen Firma Braun und der heute noch existierenden Hupfer AG zusammen.

Zu Beginn dieses Jahrhunderts verfügte die Firma Hupfer-Braun am Rüchligweg über rund 30 Pferde und entsprechende Fuhrwerke zum Transport des abgebauten Materials. Auf diese Weise wurde in Riehen gewonnenes Material im Jahre 1923/24 nach Dornach zum Bau des Goetheanums gebracht. Bereits 1928 stellte Otto Hupfer das gesamte Unternehmen auf Lastwagen um. Alle Zugpferde konnten verpachtet werden. Die Kiesgewinnung im Gebiet Schäferstrasse/Bluttrainweg wurde im Winter 1925 abrupt unterbrochen, als infolge einer elektrischen Störung sämtliche Holzgebäude bei der Grube niederbrannten. Aufgrund der grossen Kälte war das Wasser in den Hydranten eingefroren. Die bereits vorhandenen Lastwagen wurden in der Folge für Transporte von Zucker und Kaffee eingesetzt, bis die Kiesgewinnung wieder aufgenommen werden konnte.

Im gleichen Gebiet lag die staatliche Landauergrube, auf deren Gebiet 1977 die Freizeitanlage Landauer erbaut worden ist. Auch die Kiesgrube Karlin jenseits der Wiese, die sich über die Grenze hinaus auf Weiler Gebiet ausdehnte, war von beachtlicher Grösse. Sie wurde von Fritz Karlin-Stoll kurz nach dem Ersten Weltkrieg gekauft und wurde vorerst von Hand abgebaut; Pläne zum Ausbau einer Wasserkraftanlage auf Weiler Boden zerschlugen sich offenbar, doch später wurde der Betrieb durch das auf Schweizerseite erbaute Maschinenhaus erleichtert. Nach dem Tode Fritz Karlins, im Kriegsjahr 1942, als Deutschland die Grenze rund um Basel und Riehen mit einem mächtigen Stacheldrahtverhau abriegelte, sollte die Grube von einem Tag auf den andern geschlossen werden. Erst nach zähen Verhandlungen in Freiburg im Breisgau erreichte sein Sohn, dass ein Grenzhag rund um das ganze Grubenareal gelegt wurde, so dass die Arbeit tagsüber auch auf deutscher Seite weitergehen konnte.

Trotz der beachtlichen Ausdehnung dieser Kies- und Sandgruben sind sie nicht mit der Kiesgewinnung in der grossen Hupfer-Grube zu vergleichen, die unmittelbar an der Grenze in Weil am Rhein liegt. Grosse Teile jener Grube sind bereits wieder einer neuen Nutzung übergeben worden.

Uferschwalben in der Kiesgrube

Heute gibt es in Riehen keine Steinbrüche mehr, die genutzt werden. Einige Brüche und Gruben sind aufgeschüttet worden, was aufgrund des teilweise bedenklichen Auffüllmaterials wie etwa im Maienbühl heute zu Schwierigkeiten führt. Andere Gruben sind verlassen und von der Natur langsam wieder zurückerkämpft worden. Gerade dieses Wechselspiel zwischen der ehemaligen Ausbeutung der Bodenressourcen verbunden mit der Rodung des Waldes, der Veränderung der Topographie einerseits und den heute aufsteigenden Bäumen und Sträuchern andererseits lässt die Steinbrüche in einem faszinierenden Bild erscheinen.

In der Weiler Kiesgrube unmittelbar hinter der Riehener Grenze sind während der Sommermonate seltene Uferschwalben zu Gast, welche ihre Nester in die Wände der Grube graben. Es ist erfreulich und zugleich erstaunlich, dass gerade solche Gebiete, die einst von Menschenhand ausgebeutet wurden, ohne spezielle Unterschutzstellung durch die Natur neu belebt und zurückerobert werden.

 

Personen (soweit nicht schon im RRJ oder im RJ 1986 ff. vorgestellt)

Barbara Dannacher-Schlegel (1899-1989)

Johannes Dannacher-Schlegel (1892-1965), Steinbruchbesitzer

Alphons Gysin (1885-1954), Zollbeamter Wilhelm Jungck (1886-1949), Arbeiter Johannes Müller-Stähelin (1823-1902), Baumeister, Basel

Jakob Schanz-Schultheiss-Hintermann (1879-1938), Feuerschaubeamter/ Wirt Lindenhof Karl Spiess (1877-1958), Malermeister

Ernst Sulzer-Schultheiss (1877-1921), Arbeiter K

Karl Sulzer-Probst (1902-1969), Gemeindearbeiter

Quellen

StABS Gemeindearchiv Riehen, D 2,2

F. de Quervain: «Der Stein in der Baugeschichte Basels», Basel 1981

Erhard Richter; «Grenzach-Wyhlen», 1983

Werner Schär: «Riehens Grund und Boden», in: RZ vom 17. Mai 1963

«100 Jahre Hupfer 1891-1991, Festschrift», Riehen 1991 GKR/RGD

 

Auskünfte

Folgende Fachstellen erteilten Auskünfte: Dr. Lukas Hauber, Kantonsgeologe; Marciai Lopez, Münsterbauhütte Basel; Michael Raith; Albin Kaspar, HGR; Staatsarchiv des Kantons Bern.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1994

zum Jahrbuch 1994