Kommunikation, Information, Spass in der Gemeindebibliothek

Bea Berczelly

Die 107 Jahre alte Bibliothek verbindet gekonnt Bewährtes mit Neuem: Nebst Literatur bietet sie auch «Nonbooks» wie Videos, DVDs, Kassetten und CDs an. Gross geschrieben wird — wie bereits 1895 — der Service.

 

Historisches

Vom Bücherschrank zur Computerregistration

Die Bibliothek geht auf das Jahr 1895 zurück: Lange ist sie im Schulhaus am Erlensträsschen mitten im Dorf untergebracht, wo jeden Sonntag von elf bis zwölf Uhr die wenigen Mitglieder des damaligen Lesevereins ihre Bücher aus dem anfangs einzigen Bibliotheksschrank von der Bibliothekarin ausgehändigt erhalten. Als «Volksbibliothek» geht die Bücherei 1923 in den Besitz der Gemeinde Riehen über.

 

Kinder und Jugendliche finden erst am neuen Standort im Gemeindehaus ihren eigenen Lesestoff: Dort dürfen sie ihre Bücher gar selber im Regal aussuchen und die so ent-standene Freihandbibliothek erweist sich als ein solcher Erfolg, dass 1963 die Filiale im Wasserstelzenschulhaus eröffnet wird.

 

Die Bibliothek entwickelt sich stetig weiter: Vom Gemeindehaus zieht sie 1990 ins «Haus zur Waage», wo sie seitdem ihr grosses, zeitgemässes Angebot auf vier Stock-werken präsentiert. Im Jahre 2000 feiert sie das Jubiläum ihres zehnjährigen Bestehens. Die Verhältnisse im Wasser-stelzenschulhaus genügen den gestiegenen Anforderun-

gen immer weniger, weshalb die Filiale im Herbst 1996 in die grosszügigen, über Tageslicht verfügenden Räumlichkeiten des Rauracherzentrums zieht.

 

Die Tätigkeit der Bibliothekarinnen

«Ich beobachtete ein kleines Mädchen, das neugierig durch die Kinderabteilung wandelte. Es verweilte kurz bei den Pferdegeschichten für Teenies, danach schlug es Wurzeln bei der Abteilung Märchen», so beginnt eine der Anekdoten von Anne de Haller, der Leiterin. «Plötzlich kommt die Kleine zu mir und fragt: Darf ich auch nach Hause gehen, ohne etwas mitgenommen zu haben?»

 

Ein Beruf im Wandel: vielseitig, spannend und aktuell

Ende des 19. Jahrhunderts nahm die damals noch so genannte «Ausleihefrau» im Dorfschulhaus die Wünsche der Kundinnen und Kunden entgegen, holte aus dem Schrank die in Packpapier gebundenen Bücher und notierte sich den Namen in ein Ausleiheheft. Sie aktualisierte die «Lesemappen» mit den neu erschienenen Zeitschriften und Zeitungen, die unter den Abonnenten im Wochenturnus zirkulierten. Die Arbeit einer heutigen Bibliothekarin ist vielschichtiger und anspruchsvoller geworden.

 

Arbeit mit den Kunden - Arbeit hinter den Kulissen

Zur ersten Kategorie gehören als Wichtigstes die Beratung und die Auskunft: Schriftlich, telefonisch und im direkten Gespräch an der Theke wird Auskunft darüber erteilt, was wo wie zu finden ist. Häufig suchen die Mitglieder etwas Gutes zum Lesen: «Ich liebe Krimis, die nicht zu grausam, aber trotzdem spannend sind - und die von Donna Leon kenne ich bereits alle. Hätten Sie mir einen Vorschlag?» Solche Fragen sind die Zückerchen des Bibliothekarinnendaseins: «Das Wichtigste für uns ist, dass jedes Mitglied etwas bei uns findet und die Bibliothek zufrieden und mit <neuem Materiah verlässt», meint eine Mitarbeiterin im Rauracher.

Wenn ein Kind mit dem Anliegen kommt, dass es einen Vortrag über Frösche schreiben muss und wissen will, was an Froschliteratur vorhanden ist, befragen die Angestellten den Katalog. Wenn sie vor Ort nichts Passendes haben, geben sie sich Mühe herauszufinden, wo das Mitglied das Richtige finden kann.

Eine weitere Arbeit im Zusammenhang mit dem Publikum ist das Präsentieren: Aktuelle Romane, Sachbücher und DVDs werden ansprechend aufgelegt. So war zum Beispiel Ende Juni 2002, im Rahmen der FIFA-Fussballweltmeisterschaft, ein ganzer Tisch mit Literatur über Fussball, aber auch mit Fahnen und Zeitungsausschnitten zum Thema im Eingang der Dorfbibliothek zu finden. Hier sind die Ideen und das gestalterische Talent der Mitarbeiterinnen gefragt. Das Vermitteln: Durch regelmässige Werbung, eine gezielte öffentlichkeitsarbeit und Veranstaltungen im Haus versucht die Gemeindebibliothek neue Kunden zu gewinnen und teilt so gleichzeitig ihren derzeitigen Bestand mit, wobei sie regelmässig über die Neuzugänge informiert. Zur Angebotsvermittlung gehört das Pflegen der Räumlichkeiten, der Gestelle und der Medien: Von Zeit zu Zeit reinigen die Angestellten jedes einzelne Buch und die Bücherregale.

Doch auch hinter den Kulissen spielt sich vieles ab. Das Erwerben: Die Bibliothekarinnen entscheiden gemeinsam, was neu eingekauft wird. Jedes Ressort hat eine Hauptverantwortliche, die über ihr Gebiet besonders gut informiert ist. Das sind zum Beispiel: Romane für Erwachsene, inklu sive Grossdruckbücher und Hörbücher; fremdsprachige Bücher in Englisch, Französisch, Italienisch und Spanisch; Romane sowie Sachbücher für Kinder und Jugendliche und Comics für alle Altersstufen; CDs für E-Musik und U-Musik; Videos und DVDs; CD-ROMs, um nur einige zu nennen.

Der nächste Arbeitsschritt ist das Katalogisieren. Alle wichtigen Angaben über das neu eingegangene Medium werden am Computer eingetippt oder aus einer bereits bestehenden Datenbank kopiert. In welches Regal gehört es? Unter welchen Schlagwörtern soll es gefunden werden? Da nicht nur die Mitarbeiterinnen, sondern auch das Publikum mit Computern arbeitet, ist diese Tätigkeit besonders wichtig, um allen, Mitarbeiterinnen wie Kunden, die Suche und das Finden zu erleichtern. Diese Arbeit gestaltet sich so interessant wie zeitaufwändig.

Das Überprüfen und Kontrollieren der zurückgekommenen Objekte sind weitere Arbeitsgänge. Diese werden zum Teil am Computer erledigt, können aber hin und wieder Handarbeit bedeuten: Beim Kleben, Neueinbinden und Reparieren sind von den Mitarbeiterinnen Fingerfertigkeit, Präzision und Liebe zum Detail gefordert. Ebenfalls zur Bestandespflege gehört die Ausschussarbeit: Medien und Bücher, die länger als zehn Jahre im Bestand sind, und solche, die das Publikum wenig verlangte, werden ausgeschieden.

Lesen versus PC-Spiele, DVD und Video Anne de Haller ist überzeugt, dass das Lesen nicht aussterben wird: «Es ist eine ganz andere Sinneserfahrung als Video oder DVD. Diejenigen, die mal Geschmack am Lesen finden, werden nie davon loskommen.» Und die Statistik gibt ihr Recht: Das Lesen von Büchern wurde bereits vor zwanzig Jahren totgesagt, als Videos global die Industrienationen, aber auch Teile der so genannten «zweiten Welt» überrollten. Die Prognose erwies sich als falsch. Die Leserzahlen bleiben konstant, was auch die unzählbaren Buchneuerscheinungen jeglicher Richtung bestätigen.

Die Mitarbeiterinnen beider Bibliotheken berichten, dass Kinder und Jugendliche oft zum ersten Mal die Bibliothek besuchen, um Nonbooks auszuleihen: Die neusten Videos und DVDs, bestimmte Märchen- oder Krimikassetten sind gefragt. Deren Ausleihe ist reglementiert: Drei Nonbooks und sieben Bücher dürfen auf einmal mitgenommen werden. Die Fachfrauen sind neuen Medien gegenüber offen und betonen: «Die Bibliothek hat keinen Bildungsauftrag, sie soll Vergnügen und Unterhaltung schaffen.» Trotzdem ist im Gespräch mit den Angestellten spürbar, dass sie das geschriebene Wort lieben. Oft hängen nach einigen Besuchen selbst Jugendliche an einem Thema fest und wenden sich mit einer Frage an eine Bibliotheksmitarbeiterin.

Weiterbildung der Mitarbeitenden: ein geschätztes Muss

Die stete Weiterbildung der Mitarbeiterinnen ist im Konzept der Gemeindebibliothek Riehen verankert und die Angebote werden gerne von allen in Anspruch genommen. Viele Kurse bietet die kantonale Bibliothekskommission Baselland an, bei der auch Basel-Stadt mitmacht. Themen sind zum Beispiel: Wie benütze ich das Internet? Vertiefung in die Schlagwortkatalogisierung. Wie entsteht ein Bilderbuch? Wie organisiere ich optimale Klassenführungen durch die Bibliothek? Neue Medien. Jede Mitarbeiterin besucht als Einstieg den sechsmonatigen «Grundkurs für Bibliothekarinnen und Bibliothekare» der SAB (Schweizerischen Arbeitsgemeinschaft der Allgemeinen öffentlichen Bibliotheken).

Die Bibliothek ist aktiv

Regelmässig organisiert die Gemeindebibliothek Anlässe für Gross und Klein: Das ganze Team engagiert sich am jährlich stattfindenden «Bibliothekstag»; es gibt InternetEinführungskurse, Kasperlitheater und Märchenvorlesestunden. Auch werden spezielle Gäste eingeladen: Im Jahr 2001 war Trudi Gerster zu Gast, dieses Jahr las Gabriela Hofer, eine Märchenerzählerin für Erwachsene. Einmal jährlich nimmt die Bibliothek mit einem eigenen Stand am «Dorfmärt» teil, wo sie den Kontakt zu der Bevölkerung sucht.

 

PERSONELLES

Gesamthaft arbeiten zehn Personen, die alle teilzeitlich angestellt sind, in der Gemeindebibliothek Riehen. Anne de Haller ist die Leiterin der Gemeindebibliothek, Simone Meier-Minder ist die Geschäftsstellenleiterin im Dorf und Christina Schmidlin diejenige im Rauracher. Alle lieben ihre Arbeit, was folgende Aussagen wunderschön belegen:

 

Anne de Haller

Meine Stunde im Ausleihdienst bringt mir grosse Freude und ist die Belohnung meiner Arbeit. Kontakt mit der Kundschaft, ihre Anregungen, Wünsche und Kritik regen mich und das Team zu neuen Ideen an.

 

Regula Siegrist

«Lies, um zu leben» (Gustave Flaubert). - Diesem Motto möchte ich mich anschliessen. Die Bibliothek bietet den idealen Rahmen.

 

 

Ursula Schlumpf

Mit Kindergartenkindern und Schulklassen die Bibliothek zu erforschen, ist das Grösste!

 

Marianne Escher

Ob Jung und Alt, sei es in der Beratung, sei es als Abhörperson von alltäglichen Problemen: Es ist ein schöner Job!

Agnes Probst

Die Freude am Lesen steht selbstverständlich an oberster Stelle, aber auch das individuelle Vermitteln und Empfehlen der Literatur macht immensen Spass. Somit ist mir auch die Pflege und das Sauberhalten der Bücher ein Anliegen.

Simone Meier-Minder

Diese Arbeit mit Menschen und Büchern bedeutet mir sehr viel, weil ich dabei Tag für Tag Neues lerne.

Elsbeth Kaiser

Ich liebe es, mit persönlicher, engagierter Bedienung ein Lächeln auf das Gesicht unserer Kunden zu zaubern.

Susanne Stettier

Lesen war schon immer meine Leidenschaft. Es ist, als ob ein Virus mich befallen hätte. Diesen auf die Kunden zu übertragen, sie zu beraten und zu spüren, welchen Spass sie daran haben, ist für mich eine der schönsten Aufgaben in der Bibliothek.

Christina Schmidlin

Lesen, beraten, empfehlen, begeistern. Immer wieder eine Herausforderung und eine grosse Freude.

Andrea Ringier

Es ist jedes Mal eine Freude, leuchtende Kinderaugen zu sehen, wenn die Kleinen mit ihren ausgewählten Medien vor der Theke stehen und gespannt warten, bis der Ausleihzettel herausrattert.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2002

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