Liebe Freunde und Nachbarn

Stefan Suter

Die Tatsache, dass die Stadt Lörrach und Riehen Nachbargemeinden sind, scheint heute fast selbstverständlich zu sein. Dies war aber vor achtzig Jahren noch nicht der Fall, denn bis zum Jahre 1908 grenzte das kleine Dorf Stetten im Nordosten unmittelbar an Riehen, und erst durch seine Eingemeindung rückte das Territorium der Stadt Lörrach an die Schweizer Grenze vor.

Wer heute von Riehen kommend nach Lörrach fährt, passiert dabei zwar altes Stettener Gebiet, kommt aber wohl selten in den Genuss, den alten Dorfkern Stettens zu besuchen. Dieser liegt östlich der Hauptstrasse und war früher durch einen eigenen Weg mit Riehen verbunden, der direkt über das Stettenfeld führte und von der Strasse nach Lörrach gänzlich verschieden war.

Im folgenden Aufsatz soll versucht werden, die Beziehungen unserer Gemeinde zum Nachbardorf Stetten während der vergangenen Jahrhunderte aufzuzeigen. Dass bei diesem Versuch nur einige Aspekte gestreift werden können und kein Anspruch auf Vollständigkeit besteht, liegt auf der Hand.

Stetten und Säckingen

Um die Beziehungen zu unserer Nachbargemeinde Stetten zu verstehen, müssen wir vorerst auf deren komplizierte Herrschaftsverhältnisse im Laufe der vergangenen Jahrhunderte eingehen. Stetten wurde im Jahre 763 erstmals als «Stettiheim» (andere Lesart: «Stettheim») in einer Schenkungsurkunde zugunsten des Klosters Sankt Gallen erwähnt. Solche geschichtliche Erwähnungen sind ein Spiel des Zufalls. Man vermutet daher, dass die Siedlung etwa 200 Jahre älter als ihre erste Nennung sei.

Während heute der Dienst an der gemeinsamen Grenze von deutschen und schweizerischen Grenzwächtern verse

Stefan Suter

hen wird, standen sich bis vor 200 Jahren an dieser 3,93 Kilometer langen Grenzlinie die Eidgenossenschaft und Osterreich gegenüber. Stetten gehörte nämlich bis zum Jahre 18061) zum reichsfürstlichen Damenstift Säckingen, welches unter dem Schutze des Hauses Habsburg stand.

Durch diese Herrschaftsverhältnisse unterschied sich Stetten wesentlich von Riehen. Unsere Gemeinde gehörte bekanntlich seit 1270, wie übrigens auch Lörrach (bis 1102), dem Basler Bischof. Das Kloster Säckingen besass in Riehen zwar keine Güter, hatte aber Anspruch auf Gülten (Renten), die aber schon 1395 abgelöst wurden.

Die Bindung Stettens an Säckingen war für das Schicksal unseres Nachbardorfes während Jahrhunderten massgebend. Von Stetten lässt sich daher auch eine Verbindung zum Lande Glarus ziehen. Sowohl Stetten als auch Glarus unterstanden dem Stift Säckingen (Glarus bis 1393). Dies hing mit dem heiligen Fridolin (gestorben 538) zusammen, der, so berichtet die Legende, als Irenmönch nach Säckingen kam und dort ein Frauen- und ein Männerkloster gründete2). Der heilige Fridolin genoss sowohl in Glarus als auch in Stetten grosse Verehrung; in Glarus ziert er das Kantonswappen, in Stetten wurde er Kirchenpatron.

In der Mitte des 14. Jahrhunderts tauchte in Stetten erstmals ein Angehöriger jenes Geschlechtes auf, welches später das Meieramt, beziehungsweise das Lehen innehatte und sich Herren von Stetten nannte: Ritter Rudolf von Schönau. Die Schönauer waren als unmittelbare Herrscher in Stetten ununterbrochen von 1495 bis 1727 Vertreter der Säckinger Grundherren. Die Familie stammte aus dem Elsass aus der Nähe von Schlettstadt im heutigen Département Bas-Rhin, besass später das Stettener Schlössli und hinterliess ihr Familienwappen an Grenzsteinen, die zum Teil heute noch erhalten sind.

Die Herrschaftsverhältnisse wurden noch schwieriger dadurch, dass die Niedere Gerichtsbarkeit (Kriminalgerichtsbarkeit über kleinere Vergehen) in Stetten dem Stift Säckingen zustand, aus kirchenrechtlichen Gründen aber die Hohe Gerichtsbarkeit (Malefizgerichtsbarkeit über Leib und Leben) einem weltlichen Fürsten, nämlich den Herren von Rötteln und später den Markgrafen von Baden zustand.

Der Kampf um die Reformation

In vielen Gegenden war die Konfessionswahl im 16. Jahrhundert keineswegs eine Frage des freien Bekenntnisses. Oftmals handelte es sich um politische Machtkämpfe der Landesfürsten, welche sich auf Grund ihrer Konfession grösseren Einfluss erhofften. Während in Riehen anno 1528 der Ubergang zum reformierten Glauben relativ friedlich vor sich gegangen war, kam es in Stetten zu einem Kampf um die Reformation. Die Ursache lag vor allem darin, dass Stetten - am Ausgang des Wiesentales und als Grenzort zu Riehen und damit seit 1522 zur Eidgenossenschaft - sowohl wirtschaftlich als auch politisch eine eminent wichtige Lage einnahm. Wer in Stetten die Macht hatte, kontrollierte den gesamten Handel vom Wiesental nach Basel und umgekehrt. Die Markgrafschaft, zu welcher auch unsere Nachbarorte Weil und Grenzach sowie auch Lörrach gehörten, trat im Jahre 1556 zum neuen Glauben über. In Stetten konnte der Markgraf aber das evangelische Bekenntnis nicht ungehindert einführen, da zwar er die Hohe Gerichtsbarkeit in Stetten besass, das Territorium aber dem Damenstift Säckingen gehörte, welches unter dem Schutz des katholischen Hauses Habsburg stand.

Trotzdem liess der Markgraf 1559 dem katholischen Stettener Pfarrer das Lesen der Messe verbieten. Die Proteste aus Säckingen blieben nicht aus. Dennoch berief aber der Markgraf anno 1564 den reformierten Pfarrer Ulrich Koch, genannt Essig (1525-1585), von der Basler Peterskirche nach Stetten. Im November desselben Jahres begannen die reformierten Gottesdienste. Nun schaltete sich gar Kaiser Maximilian II. (1527-1576) ein, welcher energisch die Rücknahme der Reformation in Stetten forderte, da dieses Dorf zu österreich gehöre. 1566 wurde durch die Säckinger äbtissin wieder ein katholischer Priester angestellt. Bei diesem Zustand blieb es dann, und die Grenze zu Riehen bildete fortan nicht nur eine Landes-, sondern auch eine Konfessionsgrenze.

Stetten nahm künftig eine etwas isolierte Stellung ein, da es - abgesehen von Inzlingen - ganz von Nachbargemein den umgeben war, die zum neuen Glauben übergetreten waren. Es stiess also nicht nur gegen Riehen, sondern auch gegen Lörrach an eine Landes- und Konfessionsgrenze.

In Riehen werden wir übrigens noch heute indirekt an die versuchte Reformation Stettens erinnert. So wurden zwei Strassen in Riehen mit Geschlechternamen betitelt, die auch von Kontrahenten während der Reformationszeit in Stetten getragen wurden. Zum einen erinnert die Essigstrasse an die Familie des Stiefvaters des deswegen auch Essig genannten Pfarrers Koch; zum andern hiess die damalige äbtissin in Säckingen Agathe Hegentzer von Wasserstelz - sie stammte aus derselben Burg wie das Geschlecht, nach welchem 1936 der Wasserstelzenweg benannt wurde.

Verwandtschaftliche Beziehungen

Naturgemäss gab es zwischen nebeneinanderliegenden Dörfern stets kleinere Rivalitäten, aber auch mannigfache verwandtschaftliche Beziehungen. Gerade zwischen Bewohnern von Stetten und Riehen scheinen in vorreformatorischer Zeit des öftern Ehen geschlossen worden sein. Ein Indiz hierfür liefern verschiedene Geschlechtsnamen, welche damals in beiden Orten geführt wurden. Heute seltener gewordene Familiennamen wie Hagist, Hüsler (nach Basel ausgewandert nannte sich diese Familie Heusler) oder Hauswirth waren damals ebenso häufig in Stetten wie in Riehen anzutreffen.

Im 15. Jahrhundert soll eine österreichische Kompanie, bestehend aus Stettenern und Riehenern, gebildet worden sein, um gegen die Eidgenossenschaft zu kämpfen3). Solche Ereignisse können unter anderem Anlass gewesen sein für ein damals vielleicht bestehendes Zusammengehörigkeitsgefühl.

Als sich im Jahre 1528 in Riehen die Reformation durchsetzte und Stetten nach verschiedenen Wirren doch beim katholischen Glauben blieb, nahmen die vermutlich regen verwandtschaftlichen Beziehungen ein Ende. Die Konfessionsgrenze kam in der Folge faktisch einem Eheverbot gleich.

Der Augsburger Religionsfriede von 1555 sah vor, dass jeder Landesherr seine Konfession wählen und diese für seine sämtlichen Untertanen verbindlich erklären konnte. Er legte aber auch fest, dass Andersgläubige weder bestraft noch zum übertritt, wohl aber zur Auswanderung gezwungen werden konnten. Just in jenen Jahren tauchten in Riehen zwei Stettener auf, die hier heirateten und alle ihre Kinder reformiert taufen liessen. Vermutlich handelte es sich hier um Männer, die im Zuge des Augsburger Religionsfriedens wegen ihrer reformatorischen Gesinnung aus Stetten emigriert waren. Der eine, Hans Haas («Haß»), verheiratete sich mit Maria Schmid und trug, vermutlich um von den vielen andern Trägern des Vornamens Hans unterschieden werden zu können, den übernamen «Stetten Hanß»4).

Der zweite Stettener war Melchior Haas, welcher sich mit der Riehenerin Anna Meyerhofer vermählte. Am 23. April 1570 wurde ihre Tochter Barbell getauft. Der Eintrag im Taufbuch lautet: Obwohl in nachreformatorischen Zeiten nun keine Ehen mehr eingegangen wurden, scheint dies verschiedenen Freundschaften keinen Abbruch getan zu haben. Ein besonderer Beweis reger Beziehungen ist die Tatsache, dass Stettener in Riehen als Paten figurierten. So war etwa Fridlin Haas, der Müller von Stetten, Pate der Maria Linck, die anno 1594 als Tochter der Riehener Hans und Anna Linck-Sutter getauft wurde4).

Im Laufe der Zeit waren verschiedene Riehener nach Stetten und Stettener nach Riehen ausgewandert. Im Jahre 1545 stritten sich deswegen Basel und Säckingen, da beide ihre Auswanderer noch immer als Eigenleute betrachteten. Man einigte sich dann aber darauf, dass die betreffenden Menschen fortan Untertanen der Herrschaft ihres Wohnortes sein sollten5).

In Stetten genoss, wie wir gesehen haben, der heilige Fridolin grosses Ansehen. Viele Knaben erhielten dort den Namen ihres Kirchenpatrons. Aber auch in Riehen war «Fridli» - wenn später auch oft mit Friedrich gleichgesetzt oder verwechselt - ein beliebter Vorname. Als Beispiel für viele andere Riehener, die diesen Vornamen trugen, möchte ich Fridlin Hagist ( 1652-1726 ) und den 1626 geborenen Fridlin Meyerhofer erwähnen. Ob einige Riehener auch nach der Reformation im Herzen den beliebten Bauernund Stettener Kirchenpatron verehrten, bleibt fraglich. Sicher hat aber in vorreformatorischer Zeit dieser Heiligenname einen Einfluss auf die Namensgebung in Riehen ausgeübt. Diese Tradition hielt sich dann trotz der Glaubensspaltung über Jahrhunderte.

Die Grenze, ein Hindernis

Während in Friedenszeiten die Landesgrenze weit weniger beachtet wurde als heutzutage, brachten Kriegsperioden oft grosse Probleme für die Angehörigen beider Gemeinden. In Stetten waren seit alters die drei Klöster Säckingen, Wettingen und St. Alban begütert. Die Zehntabgaben für Wettingen und St. Alban mussten nach Riehen geliefert werden. Schon im Frühjahr 1451 trafen sich deswegen Vertreter der drei Klöster, um verbindliche Richtlinien für die Verteilung der Zehnten festzulegen. An jener Konferenz nahm auch der Riehener Leutpriester Meister Steffen teil, denn es ging unter anderem auch um die Festsetzung der Summe, die dem Riehener Pfarrer zustehen sollte (Pfarrzehnten).

Auch nach der Reformation wurde die Zehntpflicht der Klöster Wettingen und St. Alban durch deren Rechtsnachfolger, die Stadt Basel, eingezogen. Auf Grund der komplizierten Verhältnisse - Stettener mussten Abgaben in Riehen entrichten und Riehener in Stetten - kam es immer wieder zu Konflikten. Ein Schiedsgericht in einer solchen Frage trat zum Beispiel im Jahre 1712 mit den beiden Vertretern Riehens, Obervogt Joseph Socin (1662-1736) und Pfarrer Paulus Euler (1670-1745) zusammen.

Der Transport der Zehntabgaben nach Riehen war für die Stettener Bauern während Kriegszeiten alles andere als einfach. So wurden zum Beispiel anno 1701 im Vorfeld des Spanischen Erbfolgekrieges (1702-1710) und anno 1740 während des österreichischen Erbfolgekrieges (17401748) die Fuhren mit den Zehntabgaben von der vorderösterreichischen Regierung gestoppt, weil man befürchtete, dass die Güter via Riehen in die französische Festung Hüningen gelangen könnten. Der Riehener Pfarrer beschwerte sich aber sogleich in Freiburg im Breisgau, denn er sei auf die Lieferung angewiesen, müsse er doch täglich viele Bettler verköstigen.

An der Grenze zu Stetten wurden oft Auslieferungen zwischen Basel, der Markgrafschaft und österreich vorgenommen. So führte man zum Beispiel 1706 einen Wildfrevler aus der Markgrafschaft, nachdem er mit Ruten gehauen und an den Pranger gestellt worden war, durch den Stettener Bann und stiess ihn nach Riehen aus. Andererseits lieferte Basel beim «grossen Bannstein», der Riehen und Stetten trennte, Gefangene an die Markgrafschaft aus.

Die Grenze zwischen Stetten und Riehen bildete in Kriegs- und Notzeiten stets ein unangenehmes Hindernis, doch war sie kaum mit derjenigen während der beiden Weltkriege in unserm Jahrhundert zu vergleichen. In diesen Kriegszeiten war sie hermetisch abgeriegelt; ihre Bewachung bot vor allem im Gebiet der Eisernen Hand grosse Probleme6).

Einzelne Lokalhistoriker glauben, dass Riehen und Stetten einst einen gemeinsamen Bann gebildet haben. Für diese Annahme spricht tatsächlich Verschiedenes7). Hauptpunkt ist der auffällige Grenzverlauf bei der Eisernen Hand8). Auch der wechselseitige Grundbesitz, der seit alters vorhanden war, könnte ein Indiz für eine einst gemeinsame Gemeinde sein.

Der Streit um die Abgaben - der Prozess von 1726

Während die vielen freundschaftlichen Beziehungen zwischen Riehen und Stetten kaum in Urkunden erwähnt werden, mussten zur Klärung von Differenzen immer wieder Briefe ausgetauscht werden. Infolgedessen finden sich in den Archiven vor allem Akten, die einseitig über negative Vorfälle berichten. Ein solcher Vorfall war der Streit um Abgaben, der in jener Zeit zweifelsohne die Gemüter in Riehen und Stetten bewegte.

Durch den Umstand, dass Stetten zu österreich gehörte, wurde das kleine Dorf oft indirekt in Kriege europäischen Ausmasses hineingezogen. Bei grossen Feldzügen der habsburgischen Armee wurden den Untertanen spezielle Kriegssteuern, sogenannte Kontributionen, auferlegt. Auch in Stetten geschah dies öfters, wodurch die arme Dorfbevölkerung in Bedrängnis kam. Eine stattliche Anzahl Riehener - es waren anfangs des 18. Jahrhunderts etwa vierzig Personen - besass seit alters Grundstücke im Stettener Bann. Als anno 1725, vermutlich im Zusammenhang mit dem Polnischen Erbfolgekrieg (1733-1738), in Stetten wieder eine solche Kriegssteuer erhoben wurde, kam man auf die Idee, die Last der Stettener Bürger durch die Besteuerung der Riehener Landbesitzer zu erleichtern. Dieser Gedanke und die damit zusammenhängenden Streitigkeiten waren keineswegs neu, denn schon um 1692 war es zu ähnlichen Auseinandersetzungen gekommen.

Die Riehener wehrten sich gegen diese «unrechtmässige Stür» mit denselben Gründen, die sie auch im Streit um die gleiche Frage mit Inzlingen vorbrachten9). Man stützte sich auf das Privileg des Kaisers Sigismund (1368-1437), der im Jahre 1431 der Stadt Basel das Privileg erteilt hatte, dass «alle in dem teutschen Reich gelegenen Güter auf ewige Zeiten von aller auflage frey seyen». Der Streit, der gelegentlich von blutigen Auseinandersetzungen zwischen Riehenern und Stettenern begleitet war - wenn etwa die Stettener die Riehener Landbesitzer daran hinderten, ihre Früchte nach Hause zu transportieren - wurde allmählich zu einer Auseinandersetzung zwischen den Rechtsgelehrten. Stetten machte geltend, dass das Privileg von 1431 zwar bestehe, aber keineswegs für Riehen gelten könne. Riehen gehöre nämlich erst seit 1519 (!) zu Basel. Das alte Privileg könne nicht einfach auf alle neuen Untertanen ausgedehnt werden. (Es ist erstaunlich, dass auch der Basler Rechtsgelehrte stets davon spricht, dass Riehen seit 1519 zu Basel gehöre. Gemeinhin gilt doch 1522 als Vereinigungsjahr Riehens mit Basel.) Das Privileg, sollte es auch für Riehen gelten, hätte also erneuert werden müssen, meinte Stetten. Entscheidend sei überdies, dass praktisch sämtliches Land der Riehener erst 1540 erworben worden sei. Das Privileg könne unmöglich für Neuerwerbungen gelten10).

Der Basler Vertreter erklärte, das Privileg von 1431 sei am 23. April 1553 von Kaiser Ferdinand (1503-1564) erneuert worden. Im übrigen habe auch das alte Privileg für Basel und alle seine damaligen und künftigen Angehörigen gegolten. Tatsächlich hätten die meisten Riehener ihre Güter erst 1540 in Stetten erworben. Dieses Land habe man aus geistlicher Hand, nämlich von dem sich aus unserer Gegend zurückziehenden Kloster Wettingen, gekauft. Geistliche Güter aber seien in allen Zeiten steuerfrei gewesen, da sie sich schon in den Händen der Klöster befanden, als es das Dorf Stetten überhaupt noch nicht gegeben habe.

Eine Basler Grenze, die an österreichisches Gebiet anstösst, gab es in jener Zeit ja nicht nur zwischen Riehen und Stetten, sondern auch gegen das Fricktal, das zum Habsburgischen Herrschaftsbereich gehörte. In Kriegszeiten spielten sich dort dieselben Auseinandersetzungen ab, da auch die Baselbieter Bauern, die im Fricktal begütert waren, Kriegssteuern entrichten sollten. Im Frieden zu Möhlin vom 17. Juni 1681 schloss man zwischen dem österreichischen Amt Rheinfelden und dem Stand Basel das Abkommen, dass alle vor dem Westfälischen Frieden (1648) von Baslern oder deren Angehörigen erworbenen Güter von Auflagen frei seien. Alle Erwerbungen aber, die erst nach dem Dreissigj ährigen Krieg in Basler Hände gekommen waren, durften mit Monatsgeldern belegt werden. Dieses Abkommen sollte nun nach Meinung der Basler Juristen auch für die Differenzen mit Stetten Geltung haben. In der Tat ist es vorgekommen, dass Riehener nach 1648 in Stetten Ackerland und Matten erwarben. Als sie aber darauf Abgaben zu bezahlen hatten, verkauften sie das Land sofort wieder an Stettener.

Da keine der beiden Gemeinden bereit war, von ihrem Standpunkt abzuweichen, spitzte sich die Sache zu, und bald darauf standen sich Stetten und Riehen in einem Prozess gegenüber. Riehen klagte im Jahre 1726 vor der «königlichen kayserlichen katholischen mayestätischen österreichischen geheimen Rathskammer» in Freiburg im Breisgau gegen die Nachbargemeinde Stetten wegen der Abgaben. Am 14. Dezember 1726 wurde in Freiburg das Urteil verkündet: Das Gericht sprach Stetten das Recht, die Riehener Güter mit Kriegsabgaben zu belegen, vollumfänglich ab. Stetten hatte darüber hinaus die Gerichtskosten nach richterlichem Ermessen zu tragen10).

Während man in Riehen mit dem erfolgten Urteil vollkommen zufrieden sein konnte, war der verlorene Prozess für Stetten ein harter Schlag. Die ohnehin nicht reiche Gemeinde hatte nun noch die Gerichtskosten zu übernehmen. Vermutlich fiel es vielen Stettenern auch schwer zu begreifen, dass sie von Osterreich mit Kriegssteuern belegt wurden, die österreichischen Gerichte es ihnen aber verwehrten, ihre Armut dadurch zu lindern, dass sie auswärtige Grundbesitzer besteuerten.

Der Mühleteich

Der Mühleteich bot im Laufe der Jahrhunderte immer wieder Anlass zu Verhandlungen zwischen Stetten und Riehen11). Die Riehener Mühle bezog ihr Wasser über einen Teich, der teils direkt durch ein Wuhr aus der Wiese gespiesen wurde. Zum andern Teil stammte das Wasser aus dem Stettener Mühleteich, welcher sich mit dem genannten Be wässerungskanal kurz vor der Grenze vereinigte. Die Ableitung des Wiesewassers in den Riehener Mühleteich lag unter dem Schutze des Markgrafen. Es liegt auf der Hand, dass sich deswegen Konflikte zwischen den verschiedenen Wasserbezügern in den umliegenden Gemeinden anbahnten. Das Recht der Riehener Mühle auf einen eigenen Wasserzulauf beruhte auf einem Privileg des Markgrafen zugunsten des Schwarzwälder Klosters St. Blasien, dem die Riehener Mühle ursprünglich gehörte. Stetten besass zwei Mühlen, und im Jahre 1751 liess die Säckinger äbtissin hart an der Grenze noch eine Hammerschmiede errichten.

In Stetten sorgte man sich verständlicherweise nicht besonders um die Riehener Mühle. Vor allem in Trockenzeiten entnahmen die Stettener den Teichen und der Wiese Wasser, um ihre Matten zu wässern. Andererseits wässerten auch die Riehener, wenn genügend Wasser vorhanden war, ihre Grundstücke und liessen dafür die Kleinbasler Mühlen leer ausgehen, weswegen diese auch verschiedene Male stillgelegt werden mussten. Als die Kleinbasler Teichkorporationen beim Markgrafen Beschwerde gegen Stetten und die Gemeinden des Wiesentales wegen der Wässerung der Matten erhoben, erklärte dessen Stellvertreter, der Landvogt zu Rötteln, dass er, solange selbst die Riehener in Trockenzeiten dem Teich Wasser entzögen, nicht bereit sei, seinen Untertanen das gleiche Handeln zu verbieten. Die Basler Obrigkeit war bezeichnenderweise nicht bereit, den Riehenern das Wässern zu untersagen, da sie selbst Güter in Riehen besass, die mit Wasser aus dem Teich versorgt wurden. Die vielfältigen Streitereien um den Mühleteich sind andernorts ausführlich dargestellt worden12).

Wegen der vielen Wasserläufe in Stetten gab es dort früher natürlich auch viele Frösche. Stettener Froschschenkel waren denn auch weit über die Gemeindegrenzen hinaus eine geschätzte Spezialität. Die Frösche trugen den Stettenern dann in der Nachbarschaft den übernamen «Stettemer Frosch» oder auch «Frösche Fösi» ein.

Carl Maria von Weber und Riehen

Um es vorwegzunehmen: Die Beziehungen des grossen Komponisten Carl Maria von Weber zu Riehen sind rein konstruiert. Der Originalität wegen und nicht zuletzt, um die Beziehung des Musikers zu Stetten darzulegen, soll aber auf die folgenden Ausführungen nicht verzichtet werden.

Wie wir gesehen haben, gab es früher in Stetten zwei Mühlen; die untere war die sogenannte Fronmühle. Diese war seit 1677 im Besitz der Witwe Kunigunde Herbster ( 1652-1699 ). Im Jahre 1678 heiratete sie den Müller Hans Georg Weber (gestorben 1704). Weber wurde zum Stammvater einer weit verzweigten Nachkommenschaft; zu seinen Urenkeln gehörte auch der Komponist Carl Maria von Weber (1786-1826). Carl Maria von Webers Grossvater wurde in Stetten geboren, er war später Amtmann in Zell. Auf Grund dieser Tatsache trägt heute in Stetten eine Strasse den Namen von Stettens grösstem Kind, beziehungsweise Grosskind.

Auch die Frau von Wolfgang Amadeus Mozart (17561791), Constanze geborene Weber (1763-1839), war eine Urenkelin jenes Stettener Müllers.

Die obere Stettener Mühle nun, welche unweit der Fronmühle gelegen war, gehörte zur Hälfte seit dem Jahre 1712 dem Riehener Rössliwirt Hans Jacob Stump (16801733)13). über alles Weitere kann nur spekuliert werden. Es ist aber anzunehmen, dass die Besitzer beider Mühlen miteinander verkehrten, d.h. Angehörige der Familie Weber hatten Kontakt zur Riehener Familie Stump. Ob aber Constanze Mozart-Weber ihrem Wolfgang Amadeus je berichtet hat, dass die obere Stettener Mühle einst einem Riehener gehörte, entzieht sich leider unserer Kenntnis...

Von Grenzsteinen und Offizieren

Anlass für einen regen Briefwechsel zwischen Riehen und Basel einerseits und Stetten andererseits gab oft das Setzen von neuen Grenzsteinen. So hatte sich etwa 1738 beim Maienbühl ein Markstein gesenkt, und man beschloss, einen neuen Stein zu setzen. Da das Fundament des alten Grenzsteines noch vorhanden war, wickelte sich die Angelegenheit relativ einfach ab14).

Grössere Schwierigkeiten ergaben sich am 15. März 1760. Die Wiese führte nämlich ein derartig gefährliches Hochwasser, dass der «hochherrliche Stein» fortgeschwemmt zu werden drohte. Der Stettener Vogt machte die Riehener auf diese Gefahr aufmerksam und man beschloss gemeinsam, den Stein zu entfernen. Eine halbe Stunde vor Dämmerung trafen sich die «Marchleut» von Stetten und Riehen und befanden, dass der Stein «morgen nicht mehr stehen werde». Er wurde deshalb «weggethan und mit seilernem Zeug in die Matten geschleift»14).

Unsere badischen Nachbargemeinden wurden in der Zeit von 1618 bis 1814 von nicht weniger als neun Kriegen betroffen15). In Basel war es deswegen wichtig, bei Konflikten im nahen Ausland eine geschickte diplomatische Haltung einzunehmen, um das eigene Territorium nicht zu gefährden. Es ist deswegen nicht verwunderlich, dass man eine genaue Untersuchung vornahm, als in Riehen 1784 ein unbekannter Offizier auftauchte und bald darauf wieder verschwand. Gemäss den Aussagen des Riehener Bannwartes, des Untervogts und des Ochsenwirts, die nach dem Vorfall vernommen wurden, habe der fremde Offizier eine blaue Uniform mit weissen Revers und goldenen Epauletten getragen. Der Unbekannte habe zwar deutsch gesprochen, doch sei die Aussprache «etwas französisch gewesen». Der Offizier stieg im Ochsen ab und fragte den Wirt, ob er ihm einen Mann empfehlen könne, der ihm die Grenze zwischen Riehen und Vorderösterreich, d.h. also den Grenzverlauf gegen Stetten und vermutlich auch Inzlingen, zeige. Der Ochsenwirt liess dann den Bannwart kommen und zeigte vorerst dem Offizier auf dessen Karte, die er auf dem Tisch ausgebreitet hatte, den Grenzverlauf. Der Bannwart fragte sicherheitshalber zuerst den Untervogt Theobald Wenk (1716-1797), ob er den Auftrag, mit dem Fremden die Grenze abzuschreiten, ausführen solle. Wenk schickte ihn zum Obervogt Lucas Fäsch (1732-1792), doch dieser weilte gerade in der Stadt. So erlaubte der Untervogt dem Bannwart, in aller Stille zur Grenze zu gehen und dem Fremden den Grenzverlauf zu zeigen. Anschliessend begleitete der Bannwart den hohen Gast nach Kleinhüningen.

Der Offizier habe zwar eine Landkarte bei sich getragen, habe aber während der Besichtigung der Grenze diese niemals zur Hand genommen, sondern nur Notizen in ein Calendarium gemacht, erklärte später der Bannwart während der Einvernahme durch die Basler Behörden. Der Unter vogt war sich keiner Schuld bewusst und erklärte, dass die Grenzen momentan offen seien und jedermann den Grenzverlauf studieren könne. Vom Ochsenwirt erfuhr man, dass der fremde Offizier mit einem Knecht von Basel hergereist sei. Als man im Hotel Drei Könige nachfragte, erfuhr man endlich, wer der Fremde war: 'Berguet LieutColonel du Regiment Bouillon'. Warum dieser hohe französische Offizier den Grenzverlauf studieren wollte, und ob seine Notizen für einen späteren Kriegszug entscheidend waren, entzieht sich leider unserer Kenntnis, denn er reiste einen Tag nach seinem Riehener Besuch wieder nach Frankreich zurück14).

Die einfache Bevölkerung in Riehen und Stetten schlug sich aber in jener Zeit mit andern Problemen herum. In Stetten erschien nämlich im Frühling 1776 auf höchsten Befehl ein österreichischer Feldmesser, der die Stettener Grenze neu vermessen sollte. Der Stettener Vogt Baptist Germann fragte deshalb in Basel an, ob man allenfalls auch einen Vermesser schicken wolle. Aus dem Verlauf des späteren Streites ist aber zu vermuten, dass die Basler Herren auf diesen Vorschlag nicht eingingen. Wie wir schon gesehen haben, existierte seit alters Grundbesitz, der durch die Landesgrenze einfach entzweigeschnitten wurde. Am sogenannten «Homberger Weg» beim Maienbühl folgte die Grenze, nach damaliger Auffassung, dem sich durch den Wald schlängelnden Weg (vergleiche Plan Seite 81). Der Feldmesser erklärte aber nun der Stettener Bevölkerung, die Grenzlinie verlaufe in einer Geraden von einem Bannstein zum andern. Die Stettener freuten sich über diesen Gebietszuwachs und machten sich daran, die Grenzlinie zu roden und auf dem nun neu zu Stetten gehörenden Gebiet Bäume zu schlagen. Von dieser Aktion waren 16 Riehener Landbesitzer betroffen, die in jenem Gebiet zusammen 43/t Jucharten (171 Aren) grenzüberschreitenden Wald besassen. Man sagte, diese Waldparzellen seien seit «undencklichen Zeiten» im Besitz von Riehener Familien gewesen. Die Riehener liessen sich diese Enteignung nicht bieten und schlugen zurück, indem sie in Stetten im Verlauf der folgenden Jahre etwa zwanzig Eichen und etliche Kirschbäume fällten. Während dieser verbissenen Auseinandersetzungen kam es aber auch zu versöhnlicheren Tönen. So schrieb der Stettener Vogt Baptist Germann an die Riehener14): «Liebe Freunde und Nachbarn, es wäre unser herzlicher Wunsch mit der Nachbarschaft in Frieden und guter Eintracht zu leben, wir wünschen auch sehnlichst, dass die Streitigkeiten zwischen beyden Gemeinden je Ehender je lieber ihre Endschaft entwickeln möchten...»

Trotzdem beharrten beide Seiten auf ihrem Standpunkt. In Basel stimmte man dem neuen Grenzverlauf zwar zu, kritisierte aber, dass die Stettener die «durch die Grenzlinie bestimmte Herrlichkeit mit dem Privat Eigenthums Recht» vermischt hätten. In der Tat gehörten nun gemäss der Vermessung etwas mehr Güter zu Stetten, doch änderte dies nichts am privatrechtlichen Eigentumsrecht der Riehener Waldbesitzer. Die Auseinandersetzungen dauerten lange an und wurden wohl erst beendet, als die französische Armee die Grenzen Frankreichs überschritt, Europa mit Krieg überzog und unter anderem Stetten (1797) und Riehen (1798) besetzte.

Die Kapelle

Seit alter Zeit stand in Stetten, nahe der Riehener Grenze, eine Kapelle. über dieses Gotteshäuslein wissen wir leider nur sehr wenig. Während der vielen Kriegsperioden wurde bei der Kapelle in Stetten stets eine ständige Wache gehalten. Sie muss deshalb hart an der Grenze gestanden haben, vermutlich irgendwo unterhalb der Hauptstrasse nach Lörrach, denn dort ist noch 1897 der Flurname «Käppelmatt» bezeugt. In Riehen erinnert heute die Käppeligasse an das kleine Kirchlein.

Der Stettener Besitz in Riehen

Wie wir gesehen haben, besteht seit «undencklichen Zeiten» ein wechselseitiger Grundbesitz zwischen den beiden Nachbargemeinden16). Sowohl in Riehen als auch in Stetten hatten sich über Generationen Landparzellen im Nachbarort weitervererbt. Schliesslich wusste niemand mehr so genau, wie das betreffende Land eigentlich erworben worden war. Genaue Zahlen vom Stettener Besitz in Riehen sind vor allem im 19. Jahrhundert auszumachen. Im Jahre 1825 besassen 18 Bürger aus Stetten Grundstücke in Riehen. Ihr Besitz konzentrierte sich fast ausschliesslich der Grenze entlang, war oft grenzüberschreitend und lag im Schwerpunkt beim «Stettenloch» und im Gebiet «auf dem Haselrain»17). Aber auch beim «Rothengraben» und beim Maienbühl existierte Stettener Grundeigentum. Etwa um 1849 kaufte ein in Stetten neuzugezogener Einwohner ansehnliche Grundstücke entlang der Lörracherstrasse. Wenige Jahre später muss er aber alles wieder veräussert haben, da er im folgenden Grundbuch nicht mehr verzeichnet ist. Auf diesem Gelände steht heute der schweizerische Grenzwachtposten.

Stetten - die Pfarrei der Riehener Katholiken

Für die seit dem 19. Jahrhundert in Riehen zugezogenen Katholiken war neben Inzlingen vor allem die Pfarrei Stetten zuständig18). So kam es, dass die Riehener Katholiken den Sonntagsgottesdienst in Stetten besuchten und ihre Kinder dort in den Religionsunterricht schickten. Im Laufe der Zeit war man in Stetten mit diesem Zustand nicht mehr einverstanden. Die Einheimischen beklagten sich um 1850, dass sie wegen der vielen auswärtigen Kirchgänger aus Riehen, aber auch aus Lörrach und Weil, in ihrer eigenen Kirche fast keinen Platz mehr fänden. Die gleichen Probleme stellten sich beim Religionsunterricht und auf dem Friedhof. Dem Stettener Pfarrer wurde es überdies lästig, ihm völlig unbekannte Riehener Katholiken in Stetten zu beerdigen. Er schlug deshalb dem Riehener Pfarrer Lucas Wenk (1786-1895) im Jahre 1817 vor, einen in Riehen verstorbenen Katholiken in Riehen reformiert zu beerdigen, «da es wichtiger sei, dass am Grabe eines Verstorbenen jemand spreche, der den Verstorbenen gekannt habe, als den Konfessionalismus zu pflegen»18). Ein weiterer Brief in dieser Angelegenheit zeugt, besonders auch in der Anrede, von einer entspannten ökumenischen Gesinnung: «Hochgeehrter Herr Pfarrer, und Mitbruder, Ich habe die Ehre die so eben von dem Bezirksamt Lörrach erhaltene Rückantwort Ihnen mitzutheilen, die dahin gehet, dass Euer Wohlehrwürden diesen verstorbenen Schwarzwälder beerdigen mögen,... »18a).

Vom Dorf zum Quartier

Bis in unser Jahrhundert hinein blieben die Beziehungen zwischen Riehen und Stetten rege. So erzählen ältere Riehener gerne, dass sie vor dem Ersten Weltkrieg viel eher im nahen Stetten einkauften als in Basel, das man eigentlich nur während der Messe besuchte. Auch zum Zahnarzt oder zum Coiffeur ging man häufig nach Stetten. Der Weg führte übers Stettenfeld, der Bahnlinie entlang, wo ein praktisch unkontrollierter Grenzübergang jederzeit offenstand. Auch Stettener kauften häufig in Riehen ein, da der hohe Kurs der Reichsmark den Einkauf, besonders im Konsum an der Rössligasse, verbilligte. Stettener Marktfrauen brachten ihre Produkte nach Riehen und Basel, aber auch Riehener Bäuerinnen fuhren mit dem Handwagen nach Stetten, wo sie eine feste Kundschaft für ihre Waren hatten19).

Dass zwischen der Dorfjugend benachbarter Gemeinden gelegentlich Streit ausbrach, war früher ein recht häufiges Vorkommnis. So gerieten sich um die Jahrhundertwende auch die jungen Stettener und Riehener einmal in die Haare, weil der Verdacht bestand, die Riehener hätten den Stettenern das Fasnachtsfeuer frühzeitig angezündet. Sonntag für Sonntag zogen nun die jungen Streithälse am «Humperg» auf der Bischoffshöhe gegeneinander los, bis es Verletzte gab und die beidseitigen Gemeindebehörden die Schlägereien verboten20).

Im Jahre 1908 hörte Stetten auf als eigenständiges Dorf zu existieren; es bestand fortan nur noch als Quartier Lörrach-Stetten weiter. Als zudem mit Ausbruch des Ersten Weltkrieges der Grenzübergang im Stettenfeld geschlossen wurde, nahmen die Kontakte zwischen Riehen und Stetten rasch ab. Doch besteht Stettens kleiner, schmucker Dorfkern auch heute noch und bildet ein nahes und lohnenswertes Ausflugsziel, dies umso mehr, als seit dem 16. November 1984 der Grenzübergang im Stettenfeld wieder geöffnet und damit der alte Verbindungsweg zwischen Riehen und Stetten wieder hergestellt ist.

 

Quellen Otto Deisler, «Lörrach-Stetten», Lörrach 1963

Michael Raith, «Gemeindekunde Riehen», Riehen 1980

«Riehen - Geschichte eines Dorfes», Riehen 1972

 

Anmerkungen

1) Hans H. Hofstätter und Hans J. Wörner, «Lörrach-Stetten St. Fridolin», in: Schnell Kunstführer Nr. 1056, Seite 2: Hier wird als Auflösungszeitpunkt des Klosters Säckingen das Jahr 1805 genannt.

2) Heinz Bischof, «Im Schwarzwald und am Hohen Rhein», Kehl 1983, Seite 142 ff.

3) Otto Deisler, «Lörrach-Stetten», Seite 51: Deisler schreibt, dass im sogenannten Schweizerkrieg Leute aus Stetten, Riehen, Inzlingen und Grenzach unter einem Hauptmann Kriegsfolge geleistet hätten. Deisler nennt als Zeitpunkt für diesen Schweizerkrieg das Jahr 1464. Der Schweizerkrieg heisst bei uns Schwabenkrieg und fand 1499 statt. Es geht also nicht genau hervor, welchen Krieg Deisler hier meint.

4) StABS Kirchenarchiv DD 34,1 Taufregister 1568-1651.

5) «Riehen - Geschichte eines Dorfes», Seite 160, Anmerkung 6.

6) Nicolas Jaquet, «Riehen im Zweiten Weltkrieg», in: «z'Rieche 1985».

7) Gerhard Moehring, «Die rechtsrheinische Grenze um Basel», in: «Das Markgräflerland 1-2», Schopfheim 1973.

8) Gemäss Emil Iselin, «Geschichte des Dorfes Riehen», Riehen 1923, Seite 46, stritten sich schon im Jahre 1510 Riehen und Stetten um das Eichbüel ( = Maienbühl). Noch 1871 beim Kauf des Herrenwaldes durch Riehen wollte Stetten seine Ansprüche auf dieses Gebiet geltend machen.

9) Stefan Suter in: «z'Rieche 1985», Seite 57 ff.

10) StABS Adelsarchiv S 8,2 Schönau-Stetten 1700-1720.

11) Eduard Schweizer, «Der Riehener Mühleteich», in: «Basler Zeitschrift für Geschichte und Altertumskunde», Basel 1902 ff., Band Nr. 27,1928, Seite 112. Fritz Lehmann in:«Riehen - Geschichte eines Dorfes», Seite 286.

12) Otto Deisler, «Die Riehener Mühle», in: «z'Rieche 1963», Seite 33 ff.

13) Paul Wenk-Löliger, «Das Stettener Schlössli».

14) StABS Grenzacten C 2 1510-1792.

15) Hans Stohler, «Die Schweizerische Landesgrenze bei Basel», in: «Zollrundschau», Bern, September 1961.

16) StABS Gemeindearchiv Riehen G 2,1 Kataster II 1825. - StABS Grundbuch J 2, 1849, Band II. - StABS Grundbuch J 4, Band II, «Cataster der Gemeinde Riehen». - StABS Planarchiv T 281 und T 273.

17) Folgende Flurnamen waren vertreten: «Stettenloch, auf dem Haselrain, Rothengraben, Stettengraben, hinter der Mühle, Meyenbühl, auf dem Hungerbach, hinter Engelin, zwischen Teich und Strasse».

18) Michael Raith, «Die römisch katholische Gemeinde in Riehen» in: «Riehen - Geschichte eines Dorfes», Seite 198 ff.

18 a) StABS Kirchenarchiv DD 25. 19) Angaben von Paul Bertschmann, Riehen.

20) Hans Lengweiler, «s'Fasnachtsfüür», in: «z'Rieche 1964», Seite 79 f.

Für wertvolle Anregungen möchte ich den Herren Michael Raith und Johannes Wenk herzlichst danken.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1986

zum Jahrbuch 1986