Marsch für einen Magistraten

Franz Osswald

Emil Würmlis Blasmusik-Kompositionen sind landesweit bekannter als der Komponist selbst in seiner Wohngemeinde Riehen.

Der 31. Juli 2005 dürfte für Emil Würmli ein besonderer Tag gewesen sein. Dann nämlich wurde sein «Bundesrat Christoph Blocher Marsch» erstmals offiziell gespielt - und der damit Geehrte hat die Bundesfeier-Rede gehalten. «Es gibt zwar schon einen von Arno Jehli komponierten (Bundesrat Blocher Marsch», erzählt Emil Würmli, aber Bundesrat Christoph Blocher höchst persönlich habe ihm mitgeteilt, dass seine Partitur mm einiges melodiöser» sei.»

Ein Blick in Emil Würmlis Verzeichnis der Eigenkompositionen verrät über den Bundesrats-Marsch ein kleines «Geheimnis». Als Anmeldungsjahr des Marsches bei der «Suisa» ist das Jahr 2004 angegeben, unter der Rubrik «Opus», in der die Kompositionen nach Entstehungszeit fortlaufend nummeriert sind, steht die Zahl 63. Die Polka «Im Huggerwald» trägt die Nummer 62 und als Suisa-Anmeldungsjahr ist das Jahr 1960 verzeichnet, der «Basler Bebbi Marsch» ist unter Nummer 64 aufgeführt und dem Suisa-Jahr 1961. Beim «Bundesrat Christoph Blocher Marsch» handelt es sich um keine Neukomposition, sondern um eine Umbenennung einer früheren Komposition, dem SVP-Exponenten zur Wahl in den Bundesrat gewidmet.

Der Marsch mit der Nummer 63 hiess einstmals «Durch dick und dünn». Emil Würmli erzählt die Story: «Ein Journalist hat mich angefragt, ob ich für Bundesrat Christoph Blocher einen Marsch komponieren würde. Doch mit über 80 Jahren geht das einfach nicht mehr. Da hat er gesagt, ich könnte ja einfach eine bestehende Komposition umbenennen. Ich habe dann den Verlag angefragt, ob das möglich sei, und erhielt grünes Licht. Der Verlagsleiter meinte, ich solle den Marsch (Durch dick und dünn» wählen, das passe gut zu Christoph Blocher. Und so kam der SVP-Bundesrat zu seinem Marsch.»

Am musikalischen Wert des Marsches ändert dies nichts. In der Zürichsee-Zeitung wird die Komposition entsprechend gewürdigt: «Unverkennbar ist der <Würmli-Stil> im wunderschön klingenden, in Es-Dur geschriebenen Trio mit den prickelnden Verzierungen des Piccolo», schreibt Josef Fäh über die Komposition von Emil Würmli anerkennend.

Worte, die dem Wahlriehener gut tun, denn sein Wirken gleicht ein wenig jenem des Propheten, der im «eigenen Kanton» wenig gilt. In Riehen ist der Name Emil WürmIi in der breiten öffentlichkeit kaum bekannt, es sei denn, man gehöre zu den Volksmusikfreunden oder zähle sich zur DRS1-Hörerschaft. Auf diesem Sender vergeht nämlich kaum eine Woche, in der nicht eines von Emil Würmlis Stücken gespielt wird. Spitzenreiter unter diesen ist nach wie vor der Marsch «Frohes Wiederseh'n» aus dem Jahre 1956, der den Durehbruch brachte und Emil Würmli über die Landesgrenzen hinaus bekannt machte.

Trotz zahlreicher Preise und Auszeichnungen - Emil Würmli erhielt 1982 den «Goldenen Teil» der Schallplattenfirma TellRecord und 1990 wurde ihm der «Prix Teil» des Schweizer Fernsehens durch den «Volksmusik-Papst» Wysel Gyr verliehen - hatte der nicht studierte Musiker (und gelernte Coiffeur) stets mit Neidern zu kämpfen, weil er als Autodidakt Erfolg hatte. Zu seinem 80. Geburtstag - Emil Würmli feierte am 3. März 2005 bereits seinen 85. Geburtstag - erschien eine CD der Stadtharmonie Laufen und der Kapelle Birsfall, auf der zwanzig Würmli-Kompositionen zu hören sind.

Dass es dem aus Gommiswald (SG) stammenden Emil Würmli in Riehen gefällt, wo er auch während zehn Jahren auf dem Polizeiposten stationiert war, zeigt sich in vielen Werktiteln, so etwa «Auf nach Riehen Marsch», «Im Riechemer Moostäli Walzer» (auf der Jahrbuch-CD) oder «Riechemer Chrisi Ländler-Walzer». überhaupt steht die Namensgebung gleichsam als Lebenslauf, denn Neigungen und Vorlieben sind darin gut abzulesen. Seine Verbundenheit mit der «alten Heimat» erkennt man in «Im Adler z'Gommiswald», seine Wertschätzung zur Stadt Basel gibt er im Titel «Uf dr Basler Pfalz» Ausdruck, seiner Liebe zum Beruf mit dem «Basler Polizeischützen Marsch» und der Liebe seines Lebens, seiner Frau Lina, erweist er mit dem «Lineli-Walzer» die Referenz.

Als aktiver Trompeter, der als Erstinstrument Akkordeon lernte, hat Emil Würmli nur zwei Jahre in Riehen mitge wirkt, von 1956 bis 1958 im Musikverein Riehen. Bekannter war da schon die Kapelle «Rhybuebe», die 1947 gegründet worden ist und die nebst Schallplatten auch Radio- und Fernsehauftritte vorweisen kann. Bei der Polizeimusik spielte der Blasmusikkomponist von 1946 bis 1956 mit, bei der Formation der E. E. Zunft zu Webern leitete er die musikalischen Geschicke von 1946 bis 1972.

Heute geniesst Emil Würmli seinen Ruhestand zusammen mit seiner Frau Lina. Das Komponieren musste er aufgeben, die Altersbeschwerden zollten eben ihren Tribut, meinte er. Nicht, dass es ihm schlecht ginge, aber fürs Komponieren müsse man den Kopf bei der Sache haben und das sei nicht mehr immer der Fall. Die Beine tuns zum Glück noch - Emil Würmli steht vom Stubentisch auf, nimmt den Mantel und macht sich auf den Weg zum Mittagessen im Alters- und Pflegeheim «Zum Wendelin». Seine Frau Lina geht nach einem Sturz am Stock und kann ihm heute nicht kochen.

Auf der Strasse ist Emil Würmli nach dem Interview wieder jener Unbekannte, von dem viele nicht wissen, dass seine Kompositionen ein Stück klingendes Riehen ins Land hinaus tragen - beispielsweise bis nach Schafisheim. Denn nicht die «Herrliberger Musik» (siehe Briefzitat Christoph Blocher) hat den «Bundesrat Christoph Blocher Marsch» uraufgeführt, sondern die Musikgesellschaften Schafisheim und Hunzenschwil, an deren Bundesfeier der Justizminister am 31. Juli die Ansprache hielt.

René Widmer, Präsident der Musikgesellschaft Schafisheim, ist erfreut: «Ich wusste gar nicht, dass der Marsch offiziell noch nie gespielt worden ist und die Uraufführung unserer Musikgesellschaft zusammen mit den Hunzenschwilern zufällt.» Dass es gerade die Schafisheimer trifft, ist ein schöner Zufall, denn der Riehener Komponist Emil Würmli ist den Aargauern nicht ganz unbekannt. Als 124. Marsch figuriert in Würmlis Verzeichnis der Eigenkompositionen der «Schafisheimer Jubiläumsmarsch», eine Auftragskomposition zur Neuinstrumentierung der Musikgesellschaft Schafisheim.

Nun hat die Uraufführung eines weiteren Marsches von Emil Würmli in Schafisheim stattgefunden. Ein anderer Marsch von Emil Würmli ist auf der Jahrbuch-CD zu hören - eine Riehener Klanglandschaft: der Walzer «Im Riechemer Moostäli».

Quellen: Judith Fischer; Aus Liebe zur Musik: Emil Würmli komponiert Märsche, RJB 1995, S. 148-157. Josef Fäh; «Bundesrat Blocher gewidmet» in: Zürichsee-Zeitung Rechtes Ufer. Umschlagstext der CD «80 Jahre Emil Wümii», HM-Produktion, Ettingen. azonline.ch; Bundesrat Blocher sorgt für Grossaufmarsch, 2. August 2005.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2005

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