Mehr als bloss eine Sportart

Rolf Spriessler-Brander

Die am 2. April 2004 gegründete Taekwondo-Schule Riehen hat sich unter der Leitung von Daniel Liederer zu einer der führenden Schulen dieser koreanischen Sportart in der Schweiz entwickelt, und zwar in der Technik-Ausbildung und der Wettkampfform des Formenlaufens. Anfang Juni 2018 wurde sie mit dem Sportpreis der Gemeinde Riehen für das Jahr 2017 ausgezeichnet.

Taekwondo zu lernen, bedeute nicht nur, einen Sport zu lernen, sondern auch, sich auf Philosophien, Gebräuche und Rituale aus einem ganz anderen Kulturkreis einzulassen. Da sei einmal die koreanische Sprache, die man soweit kennen sollte, dass man die Anweisungen des Trainers verstehe. Und da gebe es auch stark ritualisierte Abläufe und gewisse Grundsätze – darunter beispielsweise Respektbekundungen gegenüber der Landesflagge –, die für unsereins gewöhnungsbedürftig seien. Das sagte Gemeinderätin Christine Kaufmann anlässlich ihrer Eröffnungsrede zur Sportpreisverleihung am 4. Juni 2018 im Lüschersaal der Alten Kanzlei. Und sie wird es wohl wissen, hat doch ihre Tochter Cleo dieses Jahr ihre erste Schwarzgurt-Prüfung abgelegt.

EIN INTERVIEW MIT RENÉ BUNDELI IM LOKALRADIO
Dass die Gemeinde Riehen ihren Sportpreis für das Jahr 2017 der Taekwondo-Schule Riehen überhaupt verleihen konnte, liegt indirekt an René Bundeli, der diese südkoreanische Kampfkunst seit über 55 Jahren betreibt und mit dem 8. Dan der höchstdekorierte Schweizer Taekwondo-Gurtträger ist. Der Bieler hatte das Taekwondo in die Schweiz gebracht, und als in Basel eine Taekwondo-Schule gegründet wurde, war auch er es, der am Lokalradio ein Interview gab: René Bundeli sprach vom «Gentleman-Sport» unter den Kampfkünsten. Dies wiederum berührte den Riehener Daniel Liederer so tief, dass er noch am selben Tag seine Turnsachen packte und in seine erste Taekwondo-Stunde ging. Der Name Taekwondo besteht aus den drei koreanischen Silben ‹Tae›, ‹Kwon› und ‹Do›, wobei ‹Tae› für die Fusstechnik steht, ‹Kwon› für die Handtechnik und ‹Do› für den Weg. Taekwondo, der ‹Fuss-Hand-Weg› sozusagen, versteht sich von der Grundidee her als Selbstverteidigung und weniger als Angriffstechnik. Taekwondo legt viel Wert auf Schnelligkeit und Dynamik und die Fusstechniken dominieren im Vergleich mit anderen Kampfsportarten. Kraft, Selbstdisziplin, Beweglichkeit und das Fokussieren auf einen Punkt und einen Moment sind Fähigkeiten, die mit Taekwondo gefördert werden. Was dies bedeutet, wird im Bruchtest sichtbar – wenn mithilfe der erlernten Techniken mit der Hand oder dem Fuss massive Bretter entzweigeschlagen werden. Der Bruchtest ist dabei sowohl eine Herausforderung – und im Erfolgsfall die Bestätigung – für die Ausführenden als auch eine Demonstration für ein Publikum, was mit Technik und Konzentration alles möglich ist. Als Daniel Liederer später an sich zweifelte und drauf und dran war, das Taekwondo an den Nagel zu hängen, war es wiederum René Bundeli, der ihn in guten Gesprächen auf Korsika zur Besinnung brachte. Und auf Korsika keimte so bei Daniel Liederer der Gedanke, in seiner Heimatgemeinde eine eigene Schule zu eröffnen. Dies tat Daniel Liederer dann am 2. April 2004 an der Unholzgasse 17 in Riehen, wo zuvor das Fechtteam Riehen-Scorpions von Gianna Hablützel-Bürki ihr Lokal gehabt hatte, bevor die Scorpions ihr heutiges Domizil an der Grenzacherstrasse beim Rankhof bezogen. Die Taekwondo-Schule Riehen etablierte sich sehr schnell in der Schweizer Szene. Schon im Mai 2006 gab es an den Schweizermeisterschaften im ‹Poomsae› (Formenlaufen) in Bulle für die junge Riehener Schule drei Medaillen, je einmal Gold, Silber und Bronze, alle bei den Mädchen bis 13 Jahre. Im selben Jahr gewann die Taekwondo-Schule Riehen im ‹Kyorugi› (Kampf), ebenfalls bei den Mädchen, zwei Silber- und zwei Bronzemedaillen.

AUF DAS FORMENLAUFEN SPEZIALISIERT
Im Lauf der Zeit konzentrierte sich die Taekwondo-Schule Riehen immer stärker auf das Formenlaufen, ohne die Zweikampfform Kyorugi ganz aufzugeben. In der Disziplin Poomsae, in der es auch Europa- und Weltmeisterschaften gibt, die aber im Gegensatz zum Zweikampf Kyorugi nicht olympisch ist, gewann die Taekwondo-Schule Riehen von 2006 bis 2017 an zwölf Schweizermeisterschaften 166 Medaillen, 59 in Gold, 60 in Silber und 47 in Bronze. Das seit dem Jahr 2000 offiziell olympische Taekwondo ist ein Zweikampf mit Kontakt, das mit Kopfund Körperschonern betrieben wird und wo es – wie beim Judo oder Boxen – verschiedene Gewichtsklassen gibt. Beim Formenlaufen hingegen werden feststehende Bewegungsabläufe vorgeführt und benotet. Da je nach Ausbildungsstand der Schwierigkeitsgrad der verlangten Übungen unterschiedlich hoch ist, gibt es im Poomsae neben den Altersklassen auch die Leistungsklassen A bis D. In A treten die Schwarzgurte an, also die Besten und Leistungsstärksten. Bewertet werden Kriterien wie Präzision, Körperhaltung, Körperspannung, der ganze Ablauf, Geschwindigkeit und Dynamik. Ein wichtiges Kriterium ist auch, dass der Anfangspunkt der Übung auch wieder der Endpunkt ist, dass der Wettkämpfer oder die Wettkämpferin also zu Beginn und am Ende der Übung möglichst am genau gleichen Ort auf der Matte steht. Es gibt im Poomsae Solo-, Duo- und Trio-Wettkämpfe. Bereits im Juni 2007 organisierte die Taekwondo-Schule Riehen erstmals eine Poomsae- Schweizermeisterschaft und schaffte es, auch als Organisatorin neue Massstäbe zu setzen. Ein Ziel sei es für ihn, Taekwondo einer breiteren Öffentlichkeit bekannt zu machen, sagt Daniel Liederer, und dazu brauche es Anlässe, die auch für Nichteingeweihte interessant seien. Mit über tausend Besucherinnen und Besuchern und dem damaligen Rekord-Meldeergebnis von 134 Athletinnen und Athleten, die in 13 Kategorien an den Start gingen, gelang dies bei der Riehener Meisterschafts-Premiere in der Sporthalle Niederholz vorzüglich. Riehen wurde so auch zum Vorbild für andere Organisatoren. In den Jahren 2011 und 2014 fanden in der Sporthalle Niederholz zwei weitere Poomsae- Schweizermeisterschaften statt. Beim drittem Mal im Jahr 2014, pünktlich zum 10-Jahres- Jubiläum, gewann die Taekwondo-Schule Riehen zum zweiten Mal nach 2008 auch gleich die Schulwertung mit fünf Gold-, elf Silber- und fünf Bronzemedaillen.

SPORTLICH ERFOLGREICHSTES JAHR 2017
Ihr sportlich bisher erfolgreichstes Jahr erlebte die Taekwondo-Schule Riehen 2017 – mit ein Grund, dass die Schule den Sportpreis der Gemeinde Riehen gerade für dieses Jahr verliehen bekam. An den Poomsae-Schweizermeisterschaften vom 27. Mai 2017 in Sursee gewann die Schule 21 Medaillen, davon nicht weniger als zehn goldene, fünf in Silber und sechs in Bronze, und gewann zum dritten Mal die Schulwertung. Ausserdem etablierte sich Maria Gilgen, die die Schule inzwischen zusammen mit Daniel Liederer als Co-Leiterin führt, als eine der europaweit besten Poomsae-Sportlerinnen in ihrer Altersklasse bis 50 Jahre. Sie gewann diverse bedeutende internationale Turniere, qualifizierte sich für die Poomsae-Europameisterschaften und erreichte dort Anfang Juni 2017 auf der griechischen Insel Rhodos den hervorragenden 6. Platz. In der Saison 2018 standen zwei Mitglieder der Taekwondo-Schule Riehen im Schweizer Poomsae-Nationalkader – neben Maria Gilgen auch ihr Sohn Mike Gilgen als Junior. Am 1. April 2016 bezog die Schule ihr neues ‹Dojo› an der Lörracherstrasse 60 und wurde mit ihrem neuen Standort zum Trainingsstützpunkt der Poomsae-Nationalmannschaft – neben Genf und inzwischen auch Luzern. Das bedeutet, dass sich die Poomsae-Nationalmannschaft, im Turnus mit den anderen Stützpunkten, regelmässig in Riehen zum gemeinsamen Training trifft. Ausserdem führt die Taekwondo-Schule Riehen im Auftrag des Sportamts Basel im Rahmen der Leistungssportförderung die Dienstags- und Mittwochstrainings der Sportklassen durch.

AUSBILDUNG AUF HOHEM NIVEAU
Die Taekwondo-Schule Riehen geniesst einen guten Ruf für die Qualität ihrer Ausbildung. Jüngstes Beispiel dafür ist die Tatsache, dass anlässlich des nationalen Dan-Tests am 23. Juni 2018 in der Sporthalle Niederholz die Riehenerin Laura Fasciano die höchste Note aller Prüflinge erreichte. Laura Fasciano, Madleina Dietrich und Cleo Kaufmann erfüllten bei dieser Prüfung die Anforderungen für den 1. Poom und damit für den schwarzroten Gurt. Sobald sie in ihrem 16. Lebensjahr stehen, erhalten sie damit automatisch den 1. Dan und dürfen den schwarzen Gurt tragen, die höchste Gurtfarbe im Taekwondo. Direkt den 1. Dan und damit den schwarzen Gurt zugesprochen erhielt an derselben Prüfung Boris Jäggi. Im Rahmen der ersten nationalen Dan-Prüfung, die in Riehen stattfand, durften fünf weitere Riehener Schulmitglieder aus den Händen von Swiss-Taekwondo-Präsident Jean-Marie Ayer ihre in Korea beglaubigten Original-Urkunden entgegennehmen. Tobias Ehrsam (1. Dan), Gianluca Gabutti (1. Poom), Janina Lindemer (1. Poom), Daphne Margelli (1. Dan) und Daniel Morath (1. Poom) hatten ihre Prüfungen im vergangenen Dezember erfolgreich abgelegt. Taekwondo ist nicht nur eine Sportart, sondern eine Körper- und Lebensschule, die auf ein ganzes Prüfungssystem aufbaut – egal, ob man sportliche Wettkämpfe bestreitet oder einfach die vorgeschriebenen Techniken und Bewegungsfolgen lernt. Man beginnt mit einem weissen Gurt und durchläuft zuerst die Kup-Prüfungen bis zum 1. Kup. Ab dem 8. Kup trägt man in der Schweiz – hier gibt es je nach Land leichte Abweichungen – einen gelben Gurt, ab dem 6. Kup einen grünen, ab dem 4. Kup einen blauen und ab dem 2. Kup einen roten Gurt. Nach dem 1. Kup folgt der 1. Dan. Danach gibt es Schwarzgurtprüfungen bis zum 9. Dan. Der 10. Dan ist ein Ehren-Dan, der nur dem jeweils amtierenden Präsidenten des Weltverbands zusteht.

EINE SCHULE MIT GROSSER NACHWUCHSABTEILUNG
Daniel Liederer, dessen Lehrer seit Jahren René Bundeli ist, hat in seiner persönlichen Ausbildung den Rang eines Grossmeisters erreicht und trägt den 5. Dan. Der 56-Jährige führt seine Schule inzwischen zusammen mit Co-Leiterin Maria Gilgen, Trägerin des 3. Dans, und der Unterstützung von sechs Schwarzgurt-Tragenden. Die Schule hat rund 130 Schülerinnen und Schüler, davon 110 Kinder und Jugendliche im Alter zwischen 5 und 16 Jahren und 20 Jugendliche und Erwachsene über 16 Jahre. Die Taekwondo-Schule Riehen engagiert sich auch im nationalen Verband. Daniel Liederer ist Vorstandsmitglied von Swiss Taekwondo und auch als Schiedsrichter tätig. Ausserdem ist er Prüfungsexperte für Dan-Prüfungen. Den Sportpreis der Gemeinde Riehen erhielt die Taekwondo-Schule Riehen von der siebenköpfigen Jury einerseits in Anerkennung ihrer sportlichen Leistungen als eine der führenden Schulen der Schweiz in der Disziplin Poomsae und als technisch hochstehende Ausbildnerin herausragender Athletinnen und Athleten zugesprochen, andererseits aber auch für die Popularisierung des Taekwondo als Veranstalterin von nationalen Meisterschaften und weiteren Anlässen für ein breites Publikum – auch mit Shows wie zum Beispiel im Rahmen des jüngsten Riehener Dorffests Anfang September 2017. Der Preis wurde der Schule zuerkannt zugleich im Sinn einer Anerkennung des bisher Geleisteten und als Förderung im Hinblick auf die Zukunft.

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2018

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