Moole-n-und Dichte

Hans Krattiger

Am 30. April 1984 feierte Hans Krattiger seinen 70. Geburtstag. Seine Verdienste als Pfarrer und Redaktor, als Mitglied der Riehener Kunstkommission und Gründer der Autorenabende wurden an anderer Stelle gewürdigt. Wir möchten im Riehener Jahrbuch, dem Hans Krattiger seit zehn fahren als Redaktor angehört, nicht über den Jubilar sprechen, sondern ihn selber zu Wort kommen lassen mit jenen Dingen, die ihm besonders am Herzen liegen: mit seinen Gedichten und seinen Aquarellen. Diese beiden künstlerischen Ausdrucksmöglichkeiten ergänzen sich in seinem Werk aufs schönste, so wie er es in seinem Gedicht «Moole-n-und Dichte» sagt: «'s isch Beides e Gob und Beides e Gschänk vo de Muse». Die Redaktion

 

Moole-n-und Dichte

 

Moole-n-und Dichte - 's isch Beides e Gob

Und Beides e Gschänk vo de Muse,

Wo in mer inne schlummre-n-und huuse

Und wirke - em Schöpfer zum Lob.

Dichte-n-und Moole - si sinn bynenand

Wie Zwilling und düen sich ergänze.

Und 's cha keins ohni 's andere glänze,

Sinn zämme - wie Härz und Verschtand.

Mool y, so git's drus e-n-Art e Gedicht,

Und Bilder entstöhn mer bym Dichte;

In Wörter verwandle sich Fälder und Fichte,

In Farbe-n-und Form denn e Gschicht.

's dät's au an eim vo de musische Gschänk,

Am Dichte-n-oder am Moole.

Ha wäder 's eint no 's ander eim gstohle,

Und keins fallt mer lycht us em Glänk.

's het Beides sy Sinn - und y dänk,

Y chönnt mi bym Moole vom Dichte-n-erhole.

 

Zwüsche Nacht und Morge

 

Oh Stilli zwüsche Nacht und Morge,

Wenn alles schlooft und nüt sich regt

Und no kei Vogel sich bewegt;

Denn d'Sunne-n-isch no tief verborge.

Und doch: am Horizont e Schimmer

Verkündet Liecht und neue Tag.

No eh en chuum erahne mag,

So dysselet er lys ins Zimmer.

Stumm stöhn Gebüsch und Wald und Gipfel

Rings um der See als blaui Wand,

Nur überragt vo schwarze Wipfel,

Wo schemehaft zum Himmel fasse

Us nacht- und traumverdingtem Land

Und nach de Starne, wo verblasse.

 

's dritti Aug

 

Zwei Auge het me, und das längt

Zum luege, was zringsum passiert:

's wird kriegerlet und bombardiert,

's wird zünserlet und demonschtriert.

Me gseht die Not und dänkt,

Es goht efange truurig zue

Uff däre Wält, 's losst eim kei Rueh.

Und handchehrum - das Augepaar

Gseht Chirsibluescht und Bluemepracht,

Mängg Wunderwärk, vo Mentsche gmacht

Und Stärne funkle-n-in der Nacht;

Me dänkt: wie wunderbar

Isch doch die Wält, isch dä Planet,

Wie wunderbar e-n-Aug, wo gseht.

Doch 's dritti Aug, das gseht no meh:

Gseht blaui Ryter übrem Rhy

Und Märliland us Wind und Wy.

Das dritti Aug heisst Phantasie.

Und dät's das Aug nit geh,

Wie arm wär doch die rychi Wält:

E blasse Stärn am Himmelszält.

 

E lychte Wind

E lychte Wind, und d'Bletter falle

In alle Farbe vo de Bäum,

Als fiele halbvergässni Träum

Us färne, unsichtbare Halle.

's fallt Blatt um Blatt, und luutlos schwäbe

Si z'Bode-n-uff der letschte Reis,

Und lige-n-um der Stamm im Kreis,

Und do und dort e Blatt dernäbe;

Wie zuemne Teppig dicht verwobe

Im füechte Gras - us Gääl und Rot.

E bunti Pracht - und doch scho tot

Und nümme-n-in der Chrone-n-obe,

Wo laublos sich zum Himmel windet

Und gspängschterhaft wie-n-e Skelett,

Wo wäder Bluet no Läbe het,

Sich ufflöst und im Grau verschwindet.

So isch der Herbscht: so schön und schuurig;

Nach Aernt und Frucht zum Tod parat,

Zum stille-n-Abschid im Ornat

Es macht mi zueglych froh und truurig.

 

Rieche

 

's isch wohr, y gseh als wie im Traum

E blüeteryche Chirsibaum,

Wyss wie-n-e Brutchleid und voll Duft.

Und 's isch mer, y ghör Glockeglüt,

Grad wie-n-e Lied zur Oobezyt

Und gsunge-n-in der klare Luft.

Und us em hälle Blüetegwand

Erhebt sich wie im Märliland

E Teppig zwüsche Brüehl und Moos.

Es lüüchte roti Dächer drus

Vo mänggem Wohn- und Heerehuus,

Absyts vo Staub und Stress und Strooss.

Und wie-n-e güetig Augepaar

So rage-n-us der Hüüserschar

Zwei Chirchtürm geege 's Firmamänt.

Der eint isch neu, der ander alt; Si stöhn und gänn enander Halt

Und wie zwei gueti Brüeder d'Händ.

Und z'Füesse wimmlet's dort und do

Vo Lüt, es isch e Goh und Choh,

Und gschäftig zeigt sich Ma und Frau.

Au Chinder gseh-n-y uff der Gass,

Si spile, und e ganzi Klass

Spaziert no use geege d'Au.

Dort äne fliesst in aller Rueh

Und bhäbig d'Wise Basel zue,

In d'Aerm vom alte Vatter Rhy. Und hindedra am breite Hang

Stöhn d'Räbe stramm em Barg entlang,

Und 's isch mer scho, y schmeck der Wy.

Und winkt mer nit der Giggishans,

Und funklet nit der Schlipfer-Glanz

Wie Gold im Bächer und im Chrueg?

Chumm unschyniert und nimm e Schluck!

De gohsch denn früscher wider zrugg

Ans Wärk, und z'schaffe git's no gnueg.

Doch dunkt's mi, unter mänggem Dach

Syg au - verborge - Weh und Ach,

Ganz bsunders aber im Spital.

Gott hälf ech, wenn's ech Chummer macht,

Und gäb ech jetz e gueti Nacht,

E Schloof au, ohni Not und Qual.

So isch mer als, y gsäch im Traum

E blüeteryche Chirsibaum

Und Rieche drunter - wie verklärt.

E Traum nur? Nei, es isch eso.

's isch Rieche, und es macht mi froh;

's isch Rieche, und my Liebi wärt.

 

Luege-n-und loose

 

Wie schön isch's doch, dass y zwei Auge ha

Und luege cha. Y gseh, wie d'Sunne chunnt und abegoht,

Der erschti Morgestrahl und 's Ooberot,

Gseh Blueme blüehje-n-in de Gärte

Und Reh und Hirsch uff ihre Fährte. Y lueg de Wolke-n-und de Wälle zue

Und gseh, si hänn kei Rascht und Rueh.

Wie schön isch's doch, dass y zwei Auge ha

Und luege cha.

Wie schön isch's doch, dass y zwei Ohre ha

Und loose cha. Y ghör der Amsle-n-ihre Jubelklang

Hoch obe-n-in de Bäum wie Morgegsang. Y ghör em Bach sy eige Ruusche,

Als wett er mit keim Sänger tuusche.

Und gang y dur der Wald, vernimm y gly

E wundersami Melodie. Wie schön isch's doch, dass y zwei Ohre ha

Und loose cha.

Wie schön isch's, dass y Aug und Ohre ha

Und dänke cha. Wohl gseh-n-y näbe Liecht und Bluescht au Bluet,

Und isch nit alles, wo-n-y hör, au guet. Und gseh-n-y amme Träne fliesse,

Denn möcht y lieber d'Auge schliesse.

Und doch, y loos und lueg nit dra verby,

Es chönnt vyllicht my Brueder sy. Wie guet isch's, dass y Ohr und Auge ha

Und danke cha.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1984

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