Olympiaglanz in Riehen

Rolf Spriessler

Gianna Hablützel-Bürki, zweifache Olympia-Silbermedaillengewinnerin von Sydney, und ihr Verein Feehtteam Riehen-Seorpions erhielten den Riehener Sportpreis 2000.

 

Sonntag, 17. September, kurz vor 18 Uhr Lokalzeit, Sydney: Eine Fechterin sprintet an ihrer Gegnerin vorbei, reisst sich die Maske vom Gesicht, stösst einen Freudenschrei aus. Die Fechterin heisst Gianna Hablützel-Bürki, wohnt seit ihrer Heirat in Riehen und hat mit ihrem Treffer zum 13:12 in der Verlängerung gegen die russische Exweltmeisterin Tatiana Logunova soeben Historisches geleistet. Mit diesem Sieg hatte sie sich für den Olympiafinal qualifiziert, Gold oder Silber waren ihr sicher. Im Final scheiterte die Riehenerin mit 11:15 an der Ungarin Timea Nagy - es war das erste Duell zweier Mütter in einem Olympiafinal.

Damit hatte Gianna Hablützel nach ihrer «Babypause» Töchterchen Demi kam Ende August 1998 zur Welt - ein bemerkenswertes Comeback gekrönt. Schon vor dem doppelten Medaillengewinn hatte sie gute Leistungen im Weltcup gezeigt, jedoch nur in Wien als Zweite auch auf dem Podest gestanden. Allerdings hatte sie im Weltcup oft Lospech gehabt und war öfters in früheren Runden gegen sehr starke Gegnerinnen knapp ausgeschieden. Irgendwie schien ihr diese Situation aber auch recht zu sein, denn sie wusste vor Olympia, dass sie gut in Form und zu einem grossen Coup fähig war, ohne zu den ganz grossen Favoritinnen gezählt zu werden.

Zwei Tage nach dem Einzel erkämpfte sich das Schweizer Degenteam mit Diana Romagnoli, Sophie Lamon und Gianna Hablützel-Bürki mit Siegen gegen Kuba und China eine zweite Silbermedaille. Auch Romagnoli (Zwölfte im Einzel) und die erst 15-jährige Sophie Lamon (Fünfzehnte) hatten das ihre dazu beigetragen, dass das Schweizer Team einen solch guten Rang belegte. Nur die Russinnen, die zuvor die Topfavoritinnen aus Ungarn eliminiert hatten, waren stärker als das Schweizer Team.

Grösster Fechterfolg seit 1976 Letztmals hatte es für die Schweiz 1976 in Montreal eine Olympiamedaille im Fechten gegeben. Im damaligen Bronzeteam, wie auch schon im Team, das 1972 in München Silber gewonnen hatte, war ein gewisser François Suchanecki dabei. Und mit eben diesem Lehrer aus Basel beginnt die sportliche Geschichte der Weltklasseathletin Gianna Hablützel-Bürki.

Es war 1982, als an den Fechtweltmeisterschaften von Rom ein tödlicher Unfall eines russischen Athleten während eines Gefechtes Schlagzeilen machte. Als Suchanecki von jener Weltmeisterschaft an die Schule zurückkehrte, führte dieser tragische Fall natürlich im Unterricht zu Fragen und heissen Diskussionen um Sinn und Unsinn des Spitzensportes. In jener Zeit entschied sich die damals dreizehnjährige Gianna Bürki, in den Fechtsport einzusteigen.

 

Das grosse Talent der Baslerin Fiel schnell auf. Damals fochten die Frauen ausschliesslich mit dem Florett, wo nur der Rumpf als Trefferfläche gilt und spezielle Regeln für die Erteilung des Angriffsrechtes durch den Schiedsrichter gelten.

Sportart mit grosser Tradition

Fechten ist in der modernen Sportfamilie ein «Klassiker». Fechten ist seit dem Beginn der Olympischen Spiele der Neuzeit 1896 olympisch, das Florettfechten der Frauen ist seit 1924 im Programm. Die Grundzüge des modernen Sportfechtens gehen auf Entwicklungen im 15. und 16. Jahrhundert in Italien und Frankreich, auch heute noch Fechthochburgen, zurück. Die Handhabung der Waffe wurde erstmals 1536 schriftlich dargestellt. Seither haben sich die Regeln und Grundbegriffe des Fechtens nicht mehr stark verändert. Entwicklungen vom kriegerischen Fechten zum sportlichen Fechten mit blanker Waffe, das wenig mit dem modernen Sportfechten gemein hat, gehen noch viel weiter zurück und bereits in der Antike gab es Fechtschulen zur Ausbildung jugendlicher Fechter für Schaukämpfe.

Seit 1987 im Nationalkader Bereits nach einem Jahr Fechtunterricht war Gianna Bürki im nationalen Hoffnungskader. Noch als Juniorin wurde sie 1987 in die Nationalmannschaft aufgenommen. 1988 zog sie nach Bern, wo sie unter Maître Henryk Nielaba vom Florett auf den Degen umstieg, der damals für die Frauen neu eingeführt wurde. Beim Degen gibt es keine Einschränkungen des Angriffsrechtes und Treffer können am ganzen Körper gesetzt werden.

Der Umstieg hat sich gelohnt. Seit 1989, als sie mit der Degen-Nationalmannschaft Weltmeisterschaftsbronze holte, liefert Gianna Hablützel-Bürki Jahr für Jahr Weltklasseresultate ab. Sie gewann bisher vier Weltcupturniere, erreichte über zwanzig weitere Weltcup-Podestplätze, holte 1993 bis 1996 viermal in Serie eine Europameisterschaftsmedaille (1993 und 1996 Silber, 1994 und 1995 Bronze), wurde 1999 Weltmeisterschaftsvierte und 2000 Europameisterin mit der Mannschaft und ist die erste Schweizer Frau überhaupt, die eine Olympiamedaille im Fechten erringen konnte.

Empfang in Kloten und «Gianna-Fest»

Wie hoch offizielle Stellen der Gemeinde Riehen den sportlichen Erfolg ihrer Mitbewohnerin einschätzten, zeigte der Empfang, der ihr bereitet wurde. Die Gemeinde war mit einer mehrköpfigen Delegation am Flughafen ZürichKloten, als Gianna Hablützel-Bürki zusammen mit weiteren Schweizer Olympiateammitgliedern in die Schweiz zurückkehrte, und wenige Tage nach der Rückkehr fand in der Reithalle Wenkenhof ein grosser Empfang mit öffentlicher Fechtdemonstration und Nachtessen statt.

Immer wieder ist Gianna Hablützel-Bürki als unberechenbar, arrogant, als «enfant terrible» gar bezeichnet worden, sie ist beim nationalen Verband wegen nicht genehmer äusserungen schon in Ungnade gefallen, wurde von ihrem eigenen Verein mit Fechtsaalverbot belegt, hat mehrmals und nicht immer im Frieden - den Verein gewechselt. Sie war schon für den Fechtclub Bern, die Basler Fechtgesellschaft, den Fechtclub Basel, Morges und das Fechtteam Riehen-Scorpions lizenziert und wechselte zu Beginn der Olympiavorbereitungen auf Sydney wieder zum Fechtclub Bern, wo sie mit ihrem Lieblingstrainer Henryk Nielaba, den sie inzwischen als Vereinstrainer nach Riehen geholt hat, lektionieren konnte und auf starke Trainingspartnerinnen stiess.

Ein starker Wille und viel Ehrgeiz Gianna Hablützel-Bürki kann mit ihrer spontanen, offenen Art verletzend sein, mit knappen Worten etwas auf den Punkt bringen. Sie verlangt von jedem 100 Prozent und ist mit 99 Prozent nicht zufrieden und sie stellt diese hohen Ansprüche auch an sich selbst. Halbe Sachen mag sie nicht. Sie ist eine technische Perfektionistin. Und wenn sie sich etwas in den Kopf gesetzt hat, dann will sie das mit allen Mitteln erreichen. So erscheint sie hie und da als unerbittliche, zuweilen auch überheblich wirkende Kritikerin, wenn sie schier unmögliche Massstäbe ansetzt, als Phantastin, als Träumerin. Aber genau diese Charaktereigenschaften machen Gianna Hablützel-Bürki zu einer unglaublich guten und konstanten Spitzensportlerin, und dies in einer Sportart, wo sich nicht der grosse Reibach machen lässt.

Im Gegenteil. Von der finanziellen Unterstützung und vom Stellenwert her, die der Sportart in der Schweiz auf Verbandsebene zukommen, könnte man nicht meinen, dass es sich um eine Sportart handelt, in der die Schweiz schon grosse Erfolge feiern durfte. Das ärgert natürlich auch Gianna Hablützel-Bürki, da macht sie keinen Hehl daraus. Und die Behauptung, Fechten sei zu kompliziert und deshalb für ein breites (TV-)Publikum nicht geeignet, haben die TV-Bilder aus Sydney eindrücklich widerlegt.

Eigener Fechtverein in Riehen

Dass Fechten in der Schweiz einen höheren Stellenwert bekommt, dafür möchte Gianna Hablützel-Bürki etwas tun. So hat sie einerseits kurz nach ihrer Heirat mit dem früheren Handballer und ehemaligen RTV-Basel-Präsidenten Christoph Hablützel und dem Umzug nach Riehen den Verein «Fechtteam Riehen-Scorpions» mitgegründet, der in einem neu eingerichteten Fechtsaal an der Unholzgasse seinen Trainingsbetrieb aufnahm. Andererseits möchte sie zusammen mit ihrem Mann in Basel eine «Fencing Academy» aufbauen - mit ein Grund, weshalb Heniyk Nielaba den Trainerposten bei den Riehen-Scorpions übernommen hat.

Gianna Hablützel-Bürki ist heute Präsidentin des Vereines «Fechtteam Riehen-Scorpions», der durch den 1990 geborenen Alain Kertesz bereits eine Bronzemedaille an den Nachwuchs-Schweizer-Meisterschaften feiern durfte und mit dem 1989 geborenen Fabio Ruetz ein weiteres vielversprechendes Nachwuchstalent in seinen Reihen hat.

Die siebenköpfige Jury für den mit 10 000 Franken dotierten Sportpreis der Gemeinde Riehen hat mit dem Preis für das Jahr 2000 nicht nur die überragenden sportlichen Erfolge von Gianna Hablützel-Bürki gewürdigt, sondern erkannte den Preis im Sinne eines Förderpreises auch zur Hälfte dem Fechtteam Riehen-Scorpions zu. Die übergabefeier fand am Montag, 14. Mai 2001, im Lüschersaal der Alten Kanzlei statt.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2001

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