Orte des kreativen Schaffens

Klaus Spechtenhauser

Wohn- und Atelierhäuser sind eine spezielle Gattung. Sie verbinden kreatives Schaffen und profanes Leben unter einem Dach; und dies meist in ansprechender architektonischer Gestalt. In Riehen haben sich Künstler – und auch die eine oder andere Künstlerin – solche Bauten oft von namhaften Architekten ihrer Zeit errichten lassen.

Riehen verfügt über einen reichen baukulturellen Bestand. Neben bedeutenden historischen Landgütern wie den Wettsteinhäusern oder dem Wenkenhof sind es vor allem Bauten aus dem 20. Jahrhundert, die unsere Aufmerksamkeit verdienen: dem Späthistorismus und der aufkommenden Reformarchitektur verpflichtete Villen und Wohnhäuser, mehrere bedeutende, teils international ausstrahlende Bauten des Neuen Bauens, für ihre Zeit beispielhafte Schulbauten, zwei moderne Kirchenbauten, Genossenschaftssiedlungen, Einfamilienhäuser der Nachkriegsmoderne, die Fondation Beyeler oder das Naturbad. Dem breiten architektonischen Spektrum an Bauten, die aus der gängigen Alltagsproduktion herausstechen, entspricht die Vielzahl bedeutender Architekten, die in Riehen gebaut haben. So bietet das Riehener Ortsgebiet auf kleinstem Raum einen prägnanten Überblick über die wesentlichen architektonischen Strömungen und Tendenzen des 20. Jahrhunderts. Dass dies vor allem Wohnbauten betrifft, erstaunt nicht. Denn um 1900 gewann Riehen als stadtnaher, ab 1908 durch das Tram erschlossener Wohnort im Grünen enorm an Attraktivität; was bis heute – dank den grossen Wasserschutzzonen, den Parkanlagen herrschaftlicher Landsitze sowie dem Fehlen von Hochhäusern und Industrie – auch so geblieben ist.

Viele Riehener Wohnbauprojekte gingen auf Freundschaften, Verwandtschaften, Arbeitsallianzen oder Empfehlungen zurück; gerade Einzelwohnhäuser mit zeittypischer, mitunter gar avantgardistischer Gestaltung konnten nur dank aufgeschlossener Bauherrschaften umgesetzt werden. Ein Widerhall davon ist auch die stattliche Zahl an Wohn- und Atelierhäusern, die hier errichtet wurden. Denn die Anziehungskraft Riehens erfasste nach 1900 auch zahlreiche Künstler – und mitunter die eine oder andere Künstlerin. Es waren vor allem Kunstschaffende aus Basel, in einigen Fällen von weiter her, die sich hier niederliessen. Ihre Beweggründe mögen unterschiedlich gewesen sein; eine wesentliche Rolle aber dürfte sicher die Naturnähe gespielt haben, als Kontrapunkt zum städtischen Leben. Denn was könnte die konzentrierte Arbeit im Atelier besser ergänzen als die Inspiration im Grünen – bei einem Spaziergang im Wald, entlang der Wiese oder über die sanft ansteigenden, noch in der Zwischenkriegszeit spärlich bebauten Matten und Hügel gegen Dinkelberg und Ausserberg. Und wenn dies dann doch zu kontemplativ wurde, war der Weg in die Stadt ein kurzer. Oft waren es vielleicht auch ganz profane Beweggründe, die den Entscheid für Riehen bestimmten. In Basel wurde es langsam eng, und hier in Riehen konnte noch ein geeigneter Bauplatz gefunden werden, um – etwa nach unsteten Wanderjahren und längeren Auslandaufenthalten – in Form eines Wohn- und Atelierhauses die kreative Arbeit im Atelier und das Familienleben unter einem Dach zu verbinden. Jedenfalls wurden die Wohn- und Atelierhäuser der Kunstschaffenden häufig zu geschätzten Treffpunkten für Freunde, Künstler und Intellektuelle. Die über lange Zeit hinweg kultivierte, auch immer wieder künstlerisch dargestellte Anziehungskraft des Ateliers als Ort des kreativen Schaffens dürfte dabei ebenso mitgewirkt haben wie die durchaus etwas romantische Verheissung auf eine anregende Landpartie ins idyllische Riehen. Der Bau von Wohn- und Atelierhäusern in Riehen ist ein Phänomen, das sich auf die erste Hälfte des 20. Jahrhunderts konzentrierte; danach begannen für jüngere Künstlergenerationen andere Orte und andere Arten der Inspiration relevant zu werden. Oder der Erwerb eines Stück Lands für ein eigenes Domizil in Riehen wurde ganz einfach unbezahlbar.

Unternehmen wir eine kleine Tour d’Horizon zu Künstlern und ihren Häusern in Riehen, ehe wir uns einigen Wohn- und Atelierhäusern im Detail zuwenden. Nach längeren Aufenthalten in Frankreich kehrte der in Basel aufgewachsene Marinemaler William de Goumois (1865–1941) 1892 nach Basel zurück. 1909 liess er sich von Emil Dettwiler an der Äusseren Baselstrasse 91 ein Wohn- und Atelierhaus errichten. Der unverzeihlicherweise 1997 abgerissene Bau mit dem abgedrehten Atelieranbau, dessen grosses Fenster elegant über die Traufe in die Dachfläche überging, war ein prägnantes Beispiel für die damaligen architektonischen Erneuerungsbestrebungen im Zeichen von Jugendstil und Reformarchitektur beziehungsweise Heimatstil. Dettwiler war denn auch 1912 Hauptinitiant und Projektant der in ihrem geplanten Umfang nur fragmentarisch umgesetzten Gartenstadtsiedlung in Münchenstein. Nur einen Steinwurf entfernt vom Haus de Goumois, an der Äusseren Baselstrasse 121, liess sich der bedeutende, international gefragte Medailleur, Graveur und Bildhauer Hans Frei (1868–1947) ein vom Basler Architekten Oscar Abend geplantes und von Burckhardt, Wenk & Cie. ausgeführtes Atelierhaus errichten. An das schmucke, eingeschossige Gebäude mit Mansardwalmdach wurde 1925 von Bercher & Tamm ein Wohnhausteil angebaut, zudem eine Giesserei ergänzt, sodass Frei über eine komplett ausgestattete Werkstatt zur Herstellung seiner Kunstwerke und kunsthandwerklichen Objekte verfügte. Das Gebäudeensemble wurde 1969 zugunsten von vier Reiheneinfamilienhäusern abgerissen. An das Wirken Freis erinnert noch heute wenig entfernt die von ihm 1925 geschaffene weibliche Figur aus Bronze am Jubiläumsbrunnen bei der Einmündung der Burgstrasse in die Aeussere Baselstrasse. Ganz in der Nähe von hier, an der Äusseren Baselstrasse 186, steht noch heute das 1912 von Emil Faesch für den Glasmaler und Restaurator historischer Glasmalereien Emil Gerster (1876–1937) gebaute Wohn- und Atelierhaus ‹Zum Mohr›. Gerster entwarf selber, war aber vor allem auch als versierter Könner seines Fachs gefragt und führte schweizweit zahlreiche Künstlerentwürfe für Glasmalereien aus – in Basel etwa von Burkhard Mangold oder Emil Schill (Wappenscheiben im Grossratssaal des Rathauses). Sein Wohn- und Atelierhaus ist in wesentlichen Merkmalen der Reformarchitektur verpflichtet, zur künstlerischen Ausgestaltung gehörten auch von Gerster selbst ausgeführte und teilweise bis heute erhaltene Glasmalereien. Der zweigeschossige Atelierraum nahm die rückseitige Hälfte des langrechteckigen Gebäudes ein und öffnete sich mit einer grossen Fensterfläche im Giebelfeld gegen Norden. Der Architekt des seit Längerem vom angrenzenden Schulheim Gute Herberge genutzten Gebäudes, dessen Fassaden 2016/17 sorgfältig renoviert wurden, hat in Basel stadtbildprägende Spuren hinterlassen: als Architekt der neuen Mittleren Brücke (mit Friedrich von Thiersch sowie den Firmen Buss und Holzmann, 1903–1905) und des neuen Bundesbahnhofs (Bahnhof Basel SBB/SNCF, mit Emanuel La Roche, 1904–1907).

Des Weiteren: Der Maler und Bildhauer Otto Roos (1887–1945) lebte ab 1927 in einem Atelierhaus am Schlipf (Schlipfweg 40), der Kunstmaler Numa Donzé (1885–1952) von 1930 bis 1952 bei seiner Schwester Valerie Brunner-Donzé an der Paradiesstrasse 4, wo er auch sein Atelier hatte. Lebensmittelpunkt des Malers Jean Jacques Lüscher (1884–1955) – und ein Treffpunkt der Basler Kunst- und Kulturszene – war ab 1926 dessen Elternhaus, das ‹Lüscherhaus› (Neues Wettsteinhaus) an der Baselstrasse 30. Und die Bildhauerin Rosa Bratteler (1886–1960) – bekannt als Gestalterin mehrerer Brunnenskulpturen – wohnte und wirkte in einem Haus der Genossenschaftssiedlung ‹Gartenfreund› am Siegwaldweg 14. Die Architekten der 1922 errichteten Siedlung, Emil Bercher und Eugen Tamm, zeichneten 1928 auch für das Wohn- und Atelierhaus des bedeutenden Basler Malers und Grafikers Niklaus Stoecklin (1896–1982) an der Morystrasse 6 verantwortlich. Mit dem breitgelagerten Baukörper und dem tief heruntergezogenen Satteldach weist es denn auch eine klare gestalterische Nähe zu den Häusern der benachbarten Siedlung auf. Präzis geschnitten und sorgfältig proportioniert sind die Innenräume; Stoecklin selbst dürfte sich beim Entwurf aktiv beteiligt und auch für die dezente Farbgebung der Zimmer gesorgt haben. Sein Atelier war in die nördliche Hälfte des Hauses integriert, belichtet durch ein grosses Dachfenster. Über eine Veranda vor dem grossen Wohnzimmer öffnet sich das Haus auf einen quadratischen Garten mit Wasserbassin, der in seiner präzisen und klaren Gestaltung die Einheitlichkeit der gesamten Anlage unterstreicht. Von besonderem Reiz ist letztlich auch die Lage des Hauses an der Hangkante zum Niederholz: Von hier bietet sich ein prächtiger Ausblick über die zur Bauzeit noch weitgehend unbebaute Rheinebene bis nach Basel.

EMANUEL LA ROCHE MIT ADOLF STÄHELIN FÜR HANS SANDREUTER
Zu den ersten Künstlern, die Riehen zu ihrem neuen Ort des Schaffens wählten, gehörte der bedeutende Landschafts- und Figurenmaler Hans Sandreuter (1850–1901), der gemeinhin als der engste Schüler Arnold Böcklins gilt. Er liess sich 1897/98 nach eigenen Ideen vom Basler Architekten Emanuel La Roche ein Wohnhaus mit Atelier erbauen. Der zweigeschossige Baukörper unter flachem, durch Lukarnen aufgebrochenem Walmdach vereinigt im vorderen Teil die Wohnräume, im hangseitigen Teil gegen Norden das Atelier und gegen Süden eine Loggia. Die überaus reichen Dekorationen an den Fassaden und im Innern, die Sandreuter selbst entwarf und ausführte, zeugen von einer Wiederbelebung vorindustrieller Handwerkstechniken vor dem Hintergrund der damals in ganz Europa propagierten Aufwertung des Kunstgewerbes zur Dekorationskunst. Die Innenräume gestaltete Sandreuter in unterschiedlichsten Techniken mit stilisierten floralen Motiven, die Loggien mit figürlichen Wandmalereien. Eigenhändig entworfene Möbel, Täfer und Türen versah er mit Flachschnitzereien und Beschlägen, sogar die Reliefkacheln der Öfen modellierte er selbst. Die ‹Mohrhalde› widerspiegelt die in den Jahren um 1900 lebhaft verfolgte Tendenz, alle künstlerischen Sparten zu einer Einheit zu verschmelzen, und darf deshalb zu Recht als Gesamtkunstwerk bezeichnet werden. Das Haus nimmt in der Biografie des Künstlers eine wichtige Position ein: Sandreuter bewies sich nicht mehr nur als Maler, sondern auch als Gestalter des Hauses, als Entwerfer von Dekorationen, Möbeln und anderen Einrichtungsgegenständen. Darüber hinaus ist die ‹Mohrhalde› ein für die Schweiz seltenes Beispiel eines integral erhaltenen Künstlerhauses, hier in der Formensprache zwischen Späthistorismus und Jugendstil. Die Bedeutung des Bauwerks, in dem Sandreuter nur wenige Jahre bis zu seinem Tod am 1. Juni 1901 vergönnt waren, wurde erst 1984 erkannt und die durch ein Überbauungsprojekt vom Abbruch bedrohte ‹Mohrhalde› unter Denkmalschutz gestellt.

ARTARIA & SCHMIDT FÜR WILLI WENK
Nach dem Haus ‹Im Schlipf› (1924/25) konnte Hans Schmidt einen weiteren bemerkenswerten Holzbau in Riehen realisieren: das Wohn- und Atelierhaus für den Riehener Kunstmaler Willi Wenk (1890–1956) und seine Frau Lisbeth. Den Auftrag eingebracht hatte sein neuer Büropartner Paul Artaria, der mit dem Bauherrn befreundet war. Das Haus steht auf einem 16,5 Meter breiten und ursprünglich fast 150 Meter langen, leicht abfallenden Grundstück und besteht aus zwei im rechten Winkel aneinandergefügten Baukörpern mit gegenläufigen Pultdächern. Im kompakten Kopfbau ist das Atelier mit grossem, nordseitigem Fenster gegen die Strasse und als geschlossene Galerie ausgebildetem Gästezimmer untergebracht. Dahinter erstreckt sich der langgezogene Wohntrakt mit WC, Küche, kleinem Eingangsbereich sowie, ökonomisch hintereinander aufgereiht, Wohn-, Schlaf- und Badezimmer. Die eingezogene Südostecke nimmt einen geschützten Sitzplatz auf, der sowohl direkt vom Schlafzimmer als auch über den längs des Wohnflügels verlaufenden Aussengang erschlossen ist. Aufgebaut ist das Haus als innen und aussen vertikal verschalte Holzständerkonstruktion, die Kellermauern und der Sockelbereich sind betoniert. Der moderne Holzbau an der Mooshalde ist vor allem aus zwei Gründen wegweisend: Zum einen zeigt er, wie ein zwar bescheidenes, aber durchdachtes Raumprogramm und ein einfacher Materialeinsatz kostengünstig qualitätvolles und individuelles Wohnen ermöglichen können. Zum andern experimentierten die Architekten hier mit der traditionellen Holzständerkonstruktion und erreichten eine Lösung, die in ihrem skelettartigen Aufbau konzeptuell die Stahlskelettbauweise mit den Vorzügen der freien Grundriss- und Fassadengestaltung vorwegnahm. Lisbeth und Willi Wenk wussten ihr modernes Eigenheim an der Mooshalde sehr zu schätzen und öffneten es immer wieder für das gesellige Beisammensein von Gästen und Freunden. Ein besonderer Anziehungspunkt dürfte dabei sicher auch der weitläufige Garten samt der heute verschwundenen Boccia-Bahn gewesen sein. Das denkmalgeschützte Haus, dessen ungeschützte Fassadenbereiche bereits 1939 mit Eternitplatten verkleidet worden waren, befindet sich in weitgehend originalem Zustand.

FRANZ BRÄUNING UND HANS LEU FÜR BRUNILDE KIND-DAMIRA
Mit seiner kompromisslos modernen Formensprache dürfte das 1929 errichtete Wohn- und Atelierhaus für die Malerin und Bildhauerin Brunilde Kind-Damira (1884–1978) auf den damals noch weitgehend unbebauten Hängen Riehens für ähnliches Aufsehen gesorgt haben wie die kurz zuvor fertiggestellten Stahlskelett-Wohnhäuser von Artaria & Schmidt. Der konventionell gemauerte Flachdachbau gliedert sich in zwei zueinander vertikal wie horizontal versetzte kantige Kuben, die harmonisch in das gegen Osten abfallende Terrain gesetzt sind. Im hangseitigen Baukörper ist das grosse Bildhaueratelier mit Oblicht und nordseitigem Fenster untergebracht, gegen das Tal schliesst ein grosszügig bemessener Arbeitsraum an. Darunter liegt eine kleine Wohnung mit direktem Ausgang zum Garten. Brunilde Kind-Damira, die Bauherrin dieses in seiner elementaren Gestaltung exemplarischen Gebäudes des Neuen Bauens, wohnte und arbeitete im Verlauf ihres bewegten Lebens 1924–1937 in Riehen. Die Künstlerin mit italienisch-schweizerischen Wurzeln war offen für die Anliegen einer modernen architektonischen Gestaltung und wünschte sich einen möglichst sachlichen Rahmen für ihr Schaffen. Franz Bräuning und Hans Leu konnten so einen ihrer ersten konsequent modernen Bauten errichten, ehe sie – ab 1931 in Bürogemeinschaft mit Arthur Dürig – in den 1930er- bis 1950er-Jahren zu viel beschäftigten Architekten in Basel avancierten. Neben zahlreichen, teilweise in Arbeitsgemeinschaft mit anderen Büros errichteten öffentlichen Gebäuden, Geschäftshäusern, Büro- und Industriebauten in Basel realisierten sie den Schweizer Pavillon an der Weltausstellung in Paris 1937. In Riehen bauten sie zusammen mit Suter & Burckhardt den Zentralfriedhof am Hörnli (1926–1932) und den Landgasthof mit Dorfsaal an der Baselstrasse 38 (1951/52). Das Riehener Atelierhaus war nicht nur privates Arbeitsrefugium für Brunilde Kind-Damira. Immer wieder lud die Künstlerin ihren Freundeskreis zu Ausstellungen ihres Werks und anderen kulturellen Veranstaltungen hierher ein, ehe sie 1937 aus gesundheitlichen Gründen Riehen in Richtung Italien verlassen musste. Das später vom Künstlerpaar Christoph (1910–1987) und Elly (1910–1999) Iselin bewohnte und heute denkmalgeschützte Haus ist 2007 sorgfältig restauriert worden. Dabei wurde auch die ursprüngliche polychrome Fassung der Innenräume mit kräftigen, kontrastierenden Farben wiederhergestellt.

 

PAUL ARTARIA FÜR PAUL BASILIUS BARTH
Nach zahlreichen Auslandaufenthalten beschloss der Basler Künstler Paul Basilius Barth (1881–1955) Mitte der 1930er-Jahre, sich in Riehen niederzulassen, und beauftragte Paul Artaria mit dem Bau eines Wohn- und Atelierhauses. Dessen Entwurf entsprach in der Gesamtdisposition der Lösung für das 1926 errichtete Haus Wenk. Auch hier sind zwei Baukörper mit eigenen, minimal geneigten Pultdächern L-förmig aneinandergeschoben, wobei die Nordwestecke für den Eingangsbereich eingezogen ist. Im kubusförmigen, in Massivbauweise errichteten Baukörper gegen die Strasse sind das Atelier mit grossem Fenster gegen Norden sowie eine Garage mit darüberliegendem Bilderdepot untergebracht. Im als Holzständerbau ausgeführten Wohntrakt erschliesst ein grosszügiger Gang Atelier, Schlafzimmer, Bad/WC und Küche sowie das mit einem Cheminée ausgestattete Wohnzimmer. Letzteres ist schmaler ausgebildet zugunsten eines gedeckten Aussensitzplatzes, der sowohl von der Küche als auch vom Wohnzimmer zugänglich ist. Der Wohnteil des Hauses wurde bereits 1941 von Bräuning, Leu, Dürig in Anlehnung an die bestehende Architektur aufgestockt und mit einem schwach geneigten Giebeldach abgeschlossen. Auch nach dem Tod Barths blieb die kunstsinnige Atmosphäre im Haus bestehen, zogen hier doch 1956 Ernst und Hildy Beyeler ein. Seit 2004 ist das sorgfältig unterhaltene Haus im kantonalen Denkmalverzeichnis eingetragen. Paul Artaria hatte nach dem Weggang von Hans Schmidt in die UdSSR 1930 ein eigenes Büro in Basel eröffnet. Ein Schwerpunkt sowohl seiner praktischen Tätigkeit als auch publizistisch wurde der konstruktive Holzbau. Im Sinn eines modernen Regionalismus schuf er Bauten mit einem starken Bezug zur Umgebung und einem individuell zugeschnittenen Raumprogramm. In Riehen errichtete er zwei weitere Holzwohnbauten und ein Wohnhaus an der Niederholzstrasse.

BECK & BAUR FÜR CELESTINO PIATTI
Der charakteristische illustrative Stil mit den farbigen Flächen und den dicken schwarzen Umrisslinien ist vielen von uns vertraut; nicht zuletzt von den dtv-Taschenbüchern. Der Gestalter dahinter ist natürlich Celestino Piatti (1922–2007). Nicht allen geläufig dürfte hingegen sein, dass die erste Schaffensphase des weit über die Landesgrenzen hinaus bekannten Grafikers und Illustrators eng mit Riehen verbunden war. Piatti gründete hier 1948 zusammen mit seiner Frau Marianne ein eigenes Grafikatelier, 1953/54 liess er sich an der Mohrhaldenstrasse 164 von den Basler Architekten Hans Beck und Heinrich Baur ein Wohn- und Atelierhaus errichten. Bei dem wohl in stetem Austausch mit der Bauherrschaft entstandenen Bau kombinierten die Architekten einen zweigeschossigen Wohnteil mit einem rechtwinklig daran anschliessenden Ateliertrakt zu einer sorgfältig ins Terrain gesetzten L-förmigen Anlage. Gegen Süden ergab sich dadurch ein vor Einblicken geschützter Gartenbereich, in dem 1963 ein Schwimmbassin ergänzt wurde. Ein klar strukturierter Grundriss, funktional angeordnete und gut geschnittene Räume sowie der ökonomische Einsatz der Baumaterialien Beton, Backstein und Holz sind für diesen Bau von Beck & Baur charakteristisch. Äusserlich ist er eher einem traditionellen gestalterischen Ansatz verpflichtet, wie er damals in Form des gemässigten, von Hans Hofmann verfochtenen Landi-Modernismus immer noch grossen Einfluss hatte. Das reizvolle Spiel der ineinander verschachtelten Baukörper sowie der Pult- und Satteldachformen bezeugt aber den gut entwickelten Gestaltungswillen der seit 1950 assoziierten Architekten auf dem Weg zu einer zeitgemässen, modernen Architektursprache. Wie das dann aussah, zeigt etwa die 1961–1964 entstandene Mädchenoberschule (heute Fachmaturitätsschule FMS) an der Engelgasse 120 in Basel. Mit dem Wohn- und Atelierhaus in Riehen schufen Beck & Baur jedenfalls einen stimmigen Ort, der Celestino Piatti die bereichernde Symbiose von Beruf und Familienleben ermöglichte. Dies allerdings nur bis Mitte der 1960er-Jahre, als der Grafiker aufgrund familiärer Veränderungen seinen Arbeits- und Wohnort in die Basler St. Johanns-Vorstadt verlegte. Das Haus in Riehen, seit ein paar Jahren in neuen Händen, ist bis heute weitgehend in seinem bauzeitlichen Zustand erhalten. Bis zu ihrem Tod 2018 wohnte hier Piattis erste Frau Marianne Piatti-Stricker.

Die kleine Rundschau zu den Wohn- und Atelierhäusern in Riehen lässt zahlreiche Themenfelder anklingen, die mit dem Ort verbunden sind, wo Künstlerinnen und Künstler leben und arbeiten. Für die einen war die architektonische Gestaltung ihres Hauses vielleicht eher sekundär, Hauptsache ein grosser, gut belichteter Raum fand darin Platz. Andere beteiligten sich aktiv am architektonischen Entwurf oder setzten den Architekten zumindest klare Vorgaben. Oder sie kümmerten sich – wie Hans Sandreuter – gleich um die gesamte dekorative Ausgestaltung ihres neuen ‹Künstlerhauses›. So legt die ‹Mohrhalde› wie wohl kein anderes Wohn- und Atelierhaus in Riehen Zeugnis ab vom künstlerischen Selbstverständnis ihres Bauherrn. Überhaupt: Ein Atelierraum ist alles andere als nur Werkstatt oder Produktionsraum; es ist ein magischer Ort, wo ein Kunstwerk ersonnen, entworfen und umgesetzt wird. Die eine wünscht ihn sich als von Ordnung und Übersicht bestimmten Raum, der andere findet seine Inspiration gerade in der Ansammlung bedeutsamer Gegenstände und Objekte der eigenen Biografie, jener ‹collection particulière›, mit der sich auch Le Corbusier zeit seines Lebens umgeben hat. Auch kann das Atelier ein höchst privater Raum sein, der tunlichst vor Einblicken geschützt wird; oder aber ein Ort, wo auch ein geselliges Zusammensein mit Freunden oder gar eine rauschende Party stattfinden können. Der Blick auf diese Orte der Kreativität unterschiedlichster Art ist jedenfalls ein sehr anregender. Und Riehen verfügt über eine stattliche Anzahl solcher Wohn- und Atelierhäuser. Sie sind ein wichtiger, schätzens- und schützenswerter Bestandteil der baukulturellen und kulturhistorischen Identität der Gemeinde.

Zum Weiterlesen: 
Beiträge im Jahrbuch z’Rieche (Print und online, www.zrieche.ch) und im Gemeindelexikon Riehen, www.lexikon-riehen.ch.
Heimatschutz Basel (Hg.): Baukultur entdecken: Neues Bauen in Riehen, Riehen / Basel 2005.
Anne Nagel / Klaus Spechtenhauser: Riehen, Gesellschaft für Schweizerische Kunstgeschichte GSK, Bern 2014 (Schweizerische Kunstführer, Nr. 942–943).

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2022

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