Paul Basilius Barth

Hans Krattiger

Am 24. Oktober 1981 jährte sich zum hundertsten Mal der Geburtstag von Paul Basilius Barth; Grund genug für die Kunstkommission der Gemeinde Riehen, mit einer Ausstellung im Berowergut des bedeutenden Schweizer Malers zu gedenken, der von 1939 an bis zu seinem unerwarteten Ableben - er erlag einem Herzschlag in seinem Atelier am 25. April 1955 - am Vierjuchartenweg 24 in Riehen gewohnt hat. Zwischen diesen beiden Daten entfaltete sich ein Künstlerleben von sprühend-schöpferischer, zugleich aber auch vornehm-zurückhaltender Vitalität.

Als Sohn des Arztes und Chirurgen Paul Otto Barth (1848-1921) und der Emma, geborener Schäffer (1851-1922), wuchs Paul Basilius mit seiner älteren Schwester Emma Clara (1880-1959) und dem jüngeren Bruder Felix Martin (1883-1960), der in die Fußstapfen des Vaters trat und ebenfalls Arzt wurde, in einem kunstsinnigen Kleinbasier Arzthaus auf, wo viel gezeichnet und musiziert wurde, wobei sich das angeborene künstlerische Talent von Paul Basilius schon früh offenbaren konnte. Da auch die Eltern dieses Talent erkannten, Hessen sie ihren Sohn eine Lehre als Dekorationsmaler absolvieren, gestatteten ihm aber den Besuch von Abendkursen an der Allgemeinen Gewerbeschule. Als 19jähriger begann Paul Basilius Barth seine eigentliche künstlerische Laufbahn, zunächst als Tagesschüler an der AGS (1900-1902), dann in München (1902-1904) und anschliessend in Italien (Florenz, Rom, Neapel, Amalfi), wo er von 1904 bis 1906 weilte. Aber weder München noch Rom, wo er an der Via Margutta 33 eine Atelierwohnung besass und wo er unter anderem an der ersten Fassung eines Doppelporträts, auf dem er sich mit seiner Braut, Margaretha Zaeslin, darstellte, arbeitete, waren die Kunststätten, die das in ihm schlummernde Feuer zu entfachen vermochten. Der Durchbruch zur eigenständigen Künstlerpersönlichkeit gelang erst in Paris, wo sich Barth von 1906 bis zum Ausbruch des Ersten Weltkrieges 1914 und dann wieder - mit kürzeren Unterbrüchen - von 1919 bis zum Ausbruch des Zweiten Weltkrieges 1939 aufhielt. Paris war seine zweite Heimat, und von der Wertschätzung, die der Basler in Frankreichs Metropole genoss, zeugt seine 1938 erfolgte Ernennung zum Sociétaire du Salon d'Automne. Als Barth, mehr der Not als dem eigenen Trieb gehorchend, 1939 in die Schweiz zurückkehrte, bezog er das Atelierhaus am Vierjuchartenweg in einem damals noch kaum besiedelten Teil Riehens.

Auffallend ist, dass sich Barth immer wieder zum Wasser hingezogen fühlte; während seiner Pariser Jahre reiste er des öftern an die Meeresküsten der Bretagne oder der Provence sowie auf die im Bodensee gelegene Insel Reichenau oder an den Thunersee, später an den Genfersee, wo er in Chexbres Freundschaft mit Wilhelm Gimmi schloss, und an den Bodensee, wo er sich in Güttingen ein Refugium schuf. Er liebte die weiten, sehnsuchtsträchtigen Horizonte, und vergeblich ermunterte der Augenarzt, Kunstfreund und Sammler Dr. Alfred Bader in einem Brief von 1937 Paul Basilius Barth zur Bergmalerei, wenn er schreibt: «Dank Ihres gesund-wuchtigen Wesens wären Sie vielleicht doch begabt für die Bergmalerei. . . In diesen Formriesen steckt soviel, was mit Leidenschaft kräftig herauszuholen wäre; Bergmalerei gibt auch Impulse zur Monumentalität, der Sie ja doch entgegentreiben. Wenigstens deute ich in diesem Sinne Ihr grosses Frauenporträt mit den keck hingesetzten SchwarzRot-Blau-Akzenten, das durch eine locker moderne Fassung auffällt.» (Alfred Bader: Briefe an Künstler. Verlag Birkhäuser Basel, 1938, Seite 20). Aber mit Ausnahme eines Temperabildchens (12,5 x 8 cm) «Winterlandschaft mit Skiläuferinnen», das um 1900, vermutlich zur Zeit, als P.B. Barth noch in der Dekorationsmalerlehre steckte, entstanden sein muss und das ich in der Frühjahrsauktion 1981 bei Dobiaschowsky in Bern sah, kenne ich keine Bergbilder von Paul Basilius Barth. Dass ihn die Berge gleichwohl faszinieren konnten, schildert Martin Wackernagel im Katalog zur P.B. Barth-Jubiläumsausstellung 1951 in der Basler Kunsthalle, wo er schreibt: «Eine noch schärfere Lektion wurde mir zuteil beim Spaziergang in der Campagna, als ich mich nach dem grossartigen Effekt des glühenden Abendhimmels, mit ein paar antiken Ruinenstücken in dunkler Silhouette davor, umwendete und Paul Basilius auf dieses prächtige Schauspiel aufmerksam machte. 'Pfui Teufel', schrie er mich an, 'das ist ja ein Rüdisühlü' - 'aber sieh dort hinüber', und dabei zeigte er auf die Sabinerberge, die der ferne Widerschein der Abendröte mit sehr delikaten blassvioletten, aus zartgrauer Dunstschicht allmählich aufleuchtenden Tönen bestrahlte - 'So etwas ist schön, so etwas kann ein anständiger Mensch malen.' Und damit hatte ich auch gleich seine bündige Definition des Schönen überhaupt in der Natur.»

Wohl hatte Alfred Bader recht, wenn er bei Barth einen Hang zur Monumentalität feststellte. Aber diese Monumentalität fand weder in Berglandschaften noch in Wandbildern, wie sie seine Freunde Numa Donzé und JeanJacques Lüscher (altes Gemeindehaus Riehen) schufen, ihren Niederschlag, sondern in seinen Tafelbildern, auch in den kleinformatigen. Und Paul Basilius Barth war ein Meister des Tafelbildes, weshalb er auch die öltechnik bevorzugte, währenddem ihm das Aquarellieren nicht lag.

Hingegen war er ein hervorragender Zeichner, von dem Gotthard Jedlicka sagt: «Paul Basilius Barth hat zu allen Zeiten gezeichnet. Wir wissen auch, wie wichtig ihm das Zeichnen als Ausdrucksweise, als Vorbereitung für die Malerei, als Erholung neben dem Malen, als formale Disziplinierung, als Mittel der künstlerischen Selbstbesinnung ist. . . Seine zeichnerische Gestaltung umfasst dieselbe Stoffwelt wie seine Malerei. Vor seinen Zeichnungen erkennt man aber noch deutlicher als vor seinen Bildern die kühle Sensibilität seiner menschlichen und künstlerischen Persönlichkeit.» (Zitiert im Katalog zur Jubiläumsausstellung 1951). Dem widerspricht nun allerdings nicht, wenn der Dichter und Maler Hermann Burte, mit Barth befreundet, im Vorwort des Katalogs der BarthAusstellung von 1932 in der Basler Kunsthalle schon damals Paul Basilius Barth einen «Maler, einen Nichts-alsMaler» nannte. Und eben deshalb, weil er ein Nichts-alsMaler war, sind auch seine Zeichnungen malerisch und auch ohne Farben farbig empfindbar.

Die Entwicklung des Malers Paul Basilius Barth, für den das Leben keine leichte Angelegenheit war, wie der damalige Präsident des Basler Kunstvereins, Emanuel Hoffmann, in der Vernissage-Ansprache von 1932 sagte, ging von der dunkeltonigen Malerei der Basler Schule anfangs des 20. Jahrhunderts, wie sie uns noch eindrücklich in frühen Porträts und Landschaften wie denjenigen von der Insel Reichenau (1909 und 1910) begegnet, über zu einer kraftvolleren Malerei, in der mehr und mehr die beiden Farben Rot und Blau eine dominierende Rolle zu spielen begannen. Auf diese Dominanten Rot/Blau in einer Umfrage des «DU» 1946 angesprochen, erklärte Barth: «Wie ich Ihnen schon mitteilte, kann ich über die blaue Farbe nicht schreiben, sie höchstens malen mit Mühe und Not. Denn Rot und Blau sind ganz schwierige Farben.» Und Robert Th. Stoll, der damalige Konservator, knüpft im Katalog der Jubiläumsausstellung 1951 an dieses Bekenntnis Barths die Worte: «Blau ist die geheimnisvollste Farbe, und sie ist dem Rot, nicht etwa dessen komplementäres Grün, bedeutungsmässig der Gegenpart. Das ist höchst bemerkenswert, auch für die koloristisch so ausgewogenen Bilder Barths, die durch eben diese Blau-RotSpannung eine starke innere Erregung im einfühlenden Betrachter wachrufen können. Das gibt den Stilleben Barths die ihnen eigentümliche Intensität, indem aus dunklem Grunde da ein Rot aufleuchtet und dort ein Blau, wie zwei Kräfte, die sich messen und ausgleichen müssen und sich gleichzeitig steigern. Oft sind sie auch als entscheidender Akzent zusammengefasst in einer kleinen Figur mitten in der Landschaft. . . Was beide eint, ist das schöne Mass.»

Und eben dieses «schöne Mass», diese harmonische Ausgewogenheit der Proportionen, ist m.E. ebenso bedeutsam für Barths Schaffen wie seine Beherrschung des Koloristischen. Ob Landschaft oder Porträt, ob figürliche Komposition wie das bedeutsamste Werk dieser Art, die «Fremdenlegionäre», das geradezu eine Symphonie von Rot und Blau ist, oder Stilleben, immer sind die Bilder nach ungeschriebenen Gesetzen gebaut, wenn auch ganz von der Farbe her gestaltet.

Und das Werk, das Paul Basilius Barth im Verlauf eines halben Jahrhunderts geschaffen hat, ist nicht nur umfangreich, sondern auch vielseitig, wenn sich auch drei hauptsächliche Gruppen herauskristallisieren: Landschaften, Stilleben und Porträts. Wie sein Freund Numa Donzé, mit dem er 1922 durch Nordafrika reiste, hat sich Paul Basilius Barth sehr oft selbst porträtiert, nicht selbstgefällig, sondern selbstkritisch, wobei er seinen markanten Kopf, gleichsam getragen vom obligaten roten Halstuch, vor meistens dunklem Hintergrund darstellte. Schon in den ersten Ausstellungen von 1904 und 1905 fiel er durch seine Porträts auf, weshalb er auch immer wieder Porträtaufträge erhielt. Eines seiner letzten Bildnisse, 1954 in zwei Fassungen gemalt, ist das Porträt seines Vetters, des bekannten Professors der Theologie, Karl Barth. Zu den von Barth Porträtierten gehören aber auch u.a. sein Vater, der Dichter Dominik Müller und Dr. h.c. G. Bohny; zahlreicher aber sind seine Frauenporträts, so vor allem seiner zweiten Frau Elsa, geb. Wassmer, was bei Barths ausgeprägtem Sinn für das Schöne nicht verwunderlich ist. Im Gegensatz jedoch zu Donzé wandte sich Barth oft und gern dem Stilleben zu und bevorzugte bei solchen Bildern kleinere Formate. Die Beschäftigung mit der «nature morte» war für ihn mehr als nur ein Ausgleich zur Porträtund Landschaftsmalerei, sondern so wichtig wie das andere und deshalb mit gleicher Intensität und Leidenschaft betrieben. Das Zusammenstellen von Gegenständen wie Früchte und Eier, Pfeife und Weinglas, Krug und Suppenschüssel, seltener auch Blumen, zu einem Stilleben, einer auf das Farbenspiel ausgerichteten Komposition, muss ihm sichtlich Freude bereitet haben. Und so wie er diese Dinge malte: kraft- und spannungsvoll im Aufbau und im Wechsel von hellen und dunklen Tönen, im Aufleuchtenlassen von Akzenten, sind diese Stilleben zugleich auch ein Bekenntnis zur Schönheit, die in den Dingen, die zu unserem Alltag gehören, verborgen ist. Die Brücke zwischen den Porträts und den Stilleben bilden die Interieurs: der Raum, der vorzugsweise durch einen Frauenakt belebt wird.

Gleichwertig neben Porträts und Stilleben figurieren die Landschaften aus der Schweiz und aus verschiedenen Gegenden Frankreichs, hauptsächlich der Bretagne und der Provence, seltener aus andern Ländern. Und wie bereits erwähnt, sind es vor allem am Wasser, am Meer oder einem See gelegene Landschaften, die den Blick in einen weiten Horizont öffnen. Und es ist bezeichnend für Barths Einstellung und Verhältnis zu einer Landschaft, dass er zwar die Behausungen weitgehend meidet, jedoch den Menschen in die Landschaft miteinbezieht, nicht nur als belebende Staffage, sondern so, dass Mensch und Landschaft ein Ganzes bilden. Allem Pathetischen und Dramatischen abhold, sucht er in der Landschaft die Ruhe und die Erhabenheit der Natur, die sich in ein paar Bäumen oder auch nur in einer spärlich bewachsenen Düne offenbaren können. Geradezu Seltenheitswert haben deshalb die in Riehen entstandenen Landschaften, wie der Blick auf den badischen Blauen (von seinem Atelier aus), ein Bild, das sich im Besitz der Gemeinde Riehen befindet.

Von den Ausstellungen in Basel, Baden-Baden, Berlin, Darmstadt, Dresden, Freiburg, Hannover, Karlsruhe, München, Nordamerika (auf Einladung der CarnegieStiftung), in Paris, Prag, Venedig (Biennale 1920 und 1926), Winterthur und Zürich gingen zahlreiche Werke Barths in Privatbesitz und in alle bedeutenden Schweizer Museen, wo sie zum ehernen Bestand der zeitgenössischen Schweizer Kunst gehören.

26 Jahre sind seit Barths Tod vergangen, aber das Werk des im 74. Lebensjahr verstorbenen Künstlers hat die Zeit überdauert und spricht uns heute nicht minder unmittelbar an wie vor Jahrzehnten. Wohl war der junge Barth in Paris beeindruckt von den Werken Daumiers, Courbets und Manets, wohl verehrte er Gauguin und Cézanne, doch alle diese Vorbilder haben ihm geholfen, zu sich selber zu finden, seinen eigenen, seinem Wesen entsprechenden Stil zu entwickeln und als starke Künstlerpersönlichkeit auch in den Jahrzehnten der neuen Kunstrichtungen wie Kubismus und Abstraktion sich selber treu zu bleiben, «ein Abglanz oder Echo von humanistischer Bildung, etwas von der Basler Kultur eines Jacob Burck hardt», wie Wilhelm Gimmi erkannte, der seine «Erinnerungen an Paul Basilius Barth» im Katalog der Basler Gedächtnis-Ausstellung von 1956 mit den Worten schloss: «Im letzten Jahr klagte er einmal in einem Brief über Altersbeschwerden, doch fügte er hinzu: . . aber im Kopf ist noch alles in Ordnung. Ich weiss zwar nicht, was die lieben Kollegen darüber denken!' - Das war Barth, in dieser Mischung von Melancholie und maliziösem Humor!»

Was «die lieben Kollegen» darüber dachten, ist heute irrelevant angesichts des eigenständigen Werks, mit dem sich Paul Basilius Barth seinen bleibenden, verehrungswürdigen Platz in der Schweizer Kunst des 20. Jahrhunderts geschaffen hat.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1981

zum Jahrbuch 1981