Rebbau in Riehen - einst und jetzt

Hans Reutlinger

Vor mir steht ein Glas Schlipfer Blauburgunder. Die Abendsonne senkt sich gegen die Vogesenberge und lässt den Tüllinger Hügel orange-rot aufleuchten. Das heutige, dicht überbaute Riehen liegt vor mir. Das Häusermeer wird in der Abenddämmerung immer undeutlicher sichtbar, und ich kann es nur noch verschwommen erkennen...

Nun taucht das Dorf Riehen, wie es im vorigen Jahrhundert ausgesehen haben mag, vor mir auf. Eine Häusergruppe schart sich um die befestigte Kirche und bildet das Unterdorf. Ostwärts, am Aubach gelegen, befindet sich eine weitere Häusergruppe: das Oberdorf. Wiesen, Acker, Reben und im Westen Streueland umgeben das mit einem Lebhag eingezäunte Dorf. Nicht zu übersehen ist der grosse Anteil an Rebland. Im Schlipf mögen es 10 ha sein, im Kilchgrund/Esterli etwa 28 ha und am Hackberg gegen 11 ha.

Aus der Ferne dringen Stimmen an mein Ohr: Rufe, Jauchzer, Gesang, immer wieder unterbrochen durch den Knall von Feuerwerkskörpern. Die Rebleute haben den ersten Tag Wimmet hinter sich und kehren in geradezu festlicher Stimmung heim. Wohl kaum bei einer andern Gelegenheit im Laufe des Jahres zeigt sich die Dorfjugend derart ausgelassen und fröhlich. An der Spitze des Zuges marschieren die «Trätterbuebe», gefolgt von den Bücktiträgern; den Schluss bildet das übrige Volk. Das Krachen der Schwärmer und Püffertli, das Knattern der Frösche schwillt an. Im Dorf drin darf nicht mehr geknallt werden, aber bis zum Dorf muss natürlich jeder Meter (und noch einige dazu) ausgenützt werden. Die Landjäger versuchen zu verhindern, dass innerhalb des Dorfes geknallt wird. Grösster Wunsch der übermütigen Burschen ist es aber, dem Bemühen der Landjäger zum Trotz in den Gassen des Dorfes einige Kracher abzubrennen. So folgt nun das Katzund Maus-Spiel zwischen den Hütern der Ordnung und der Dorfjugend. Es ist ein hoffnungsloses Unterfangen der braven Landjäger, eine Ubermacht von dreissig, vierzig oder noch mehr jugendlichen einigermassen im Zaum zu halten. So endet der erste Tag des Herbstens unter Gelächter und Geschrei, bis sich der Abend über das Dorf senkt.

Das alte Rebdorf Riehen - Wein im Überfluss

Aus der Geschichte des Rebbaues in Riehen, in und um Basel, wissen wir einiges. Die ersten Spuren der Rebe finden wir zwar nicht in Riehen selbst, aber in nächster Nähe. 1939 entdeckte man in Kleinkems eine Grube, in der die Menschen der jüngeren Steinzeit Material für ihre SteinWerkzeuge holten. In dieser Grube fand man auch verkohltes Holz der Wildrebe. (Ob man aus den Früchten dieser Reben Wein hergestellt hat, scheint aber fraglich!) Anno 1966 fand man in Aesch (BL) bei Grabarbeiten Rebholz-Reste, deren Alter auf 1700 Jahre geschätzt wird. Aus den Jahren 660-670 stammt eine Urkunde, wonach dem Kloster St. Gallen Weinberge von drei untergegangenen Weilern bei Haltingen übereignet worden seien.

In Riehens Geschichte taucht der erste Hinweis auf Rebbau im Jahre 751 auf. 1246 erwarb Konrad von Oeschgen anderthalb Mannwerk Reben in Riehen. Einem Einkünfteverzeichnis aus dem Jahre 1341 ist zu entnehmen, dass zum Meierhof damals 16 Jucharten Rebland am Schlipf gehörten.

Das «Kurtze Substantzliche Verzeychnis meiner Sachen» vom 1. Januar 1641 enthält Hinweise auf den Hauskauf von Bürgermeister Johann Rudolf Wettstein: «... das Haus Zue Riehen hab ich von Jacob Mettlern erkauft pro 400 Pfd... Zue sampt zween sehr guetten Juchertten Reben, die bishero / Gott Lob / stattlich Ihr theil geben, sampt Fassen, Trotten usw....» In Inventaren aus Wettsteins Todes jähr (1666) finden wir aufgeführt: Bockhten, Tröttgeschirr, Fasshaspel, Trächter usw. Einem seiner Erben hinterlässt er 10 Fässer Wein, enthaltend total 115,5 Saum ( = 15 765 Liter) nebst 5 leeren Fässern mit einer Gesamtfassung von 238 Saum ( = 32 487 Liter).

Christian Adolf Müller gibt uns Hinweise auf die mengenmässigen Erträge: «Der weisse Wein war in der Menge dem roten natürlich weit überlegen. So hatten z.B. im Herbst 1645 zwei Mann während 7 Tagen zu tun um den roten Wein zu sammeln; daneben aber sammelten sechs Zehntknechte während sechs Tagen den weissen Zehntenwein. Im Jahre 1669 brauchten die Zehntenknechte 24 Tage um den roten und 60 Tage um den weissen Wein zusammenzutragen.» Man kann daraus errechnen, dass dreibis viermal mehr Weisswein als Rotwein angebaut wurde.

C. A. Müller vermittelt uns verschiedene Angaben über den Zehntenwein. Aus diesen Zahlen lässt sich der Gesamtertrag des Riehener Rebbaues errechnen:

Alte Weinmasse 1 Saum = 136,5 Liter 1 Ohm = 45,5 Liter 1 Eimer = 34,1 Liter 1 Mass 1,42 Liter Abweichungen je nach Gegend möglich.

Alte Flächenmasse (Oberrhein) 1 Jauchert/Juchart = 36 Aren 1 Badischer Morgen = 36 Aren 1 Mannshauet = 4,5 Aren 1 Mannswerk = l,5Jucharten = 54 Aren 1 Schuppos = 10-12 Jucharten

 

JahrWeinzehntenentspricht einer GesamtErnte (Liter)
in Saum= Liter
16321  385 18751 870 Liter
163521028 665286 650 Liter
165929 RW 95 WW16 926169 260 Liter
1707267 WW 57 RW44 226442 260 Liter
171219326 345263 450 Liter
1719239253 508535 080 Liter

1) magerer Herbst 2) Rekordjahr In Basel sollen anno 1539 14 560 Saum (annähernd 2 Millionen Liter) Wein geerntet worden sein, wovon innerhalb der Mauern 4 480 Saum. Aus dem Jahre 1666 ist ein Ertrag von 4 063 Saum überliefert.

Diese Zahlen zeigen einerseits, dass damals in unserer Gegend beachtliche Mengen Wein erzeugt wurden. Andererseits sind daraus die ungeheuren Ernteschwankungen ersichtlich.

Aus einem undatierten Ortsplan (ca. 1835) von Riehen haben wir versucht, die Anbauflächen nachzumessen und sind auf folgende Zahlen gekommen:

Schlipf 10 ha Kilchgrund, Im Esterli 28 ha Hackberg 11 ha Vor dem Berg 4 ha Hungerbachreben 3 ha Hinterengeli am Inzlingerweg 4 ha Im Moos am Chrischonaweg  1,5 ha Wenkenberg 2 ha Total 63,5 ha In alten Dokumenten ist für das Jahr 1877 eine Rebfläche von 62,2 ha aufgeführt.

Dezimierung des Rebbaus

Ohne Zweifel erlebte der Rebbau in den zweihundert Jahren zwischen Dreissigjährigem Krieg und Mitte des letzten Jahrhunderts eine «hohe Zeit». Dann folgte aber eine in verschiedener Hinsicht kritische Phase, die den Weinbau stark dezimierte, vielerorts sogar ganz verschwinden liess. Bereits seit 1850 war am Oberrhein der Echte Mehltau (Oidium) bekannt. Schwere Schäden durch diese Krankheit stellte man ab 1872 fest. Zehn Jahre später tauchte in der badischen Nachbarschaft die Blattfall-Krankheit, auch Falscher Mehltau (Perenospora) genannt, auf. Die Reben serbelten dahin und gingen nach einigen Jahren zugrunde. über die Ursache des Rebensterbens war man sich vorerst nicht im klaren. Man redete von Bodenmüdigkeit und Degeneration. Professor Müller-Thurgau vertrat anno 1889 in einem Vortrag die These, dass weder Bodenmüdigkeit noch Degeneration als Ursachen anzusehen seien, sondern Pilzkrankheiten. Er empfahl deren Bekämpfung mit Bordeaux-Brühe (Kupfervitriol und Kalkmilch). Schon früher, im Jahre 1885, erzielte Major Wipf in Marthalen damit einen durchschlagenden Erfolg. Seine mit Bordeaux-Brühe behandelten Reben prangten in üppigem Grün, während dicht daneben alle nichtbehandelten Weinstöcke abserbelten. Aber die Praxis war noch nicht reif, diese neuen Erkenntnisse systematisch anzuwenden.

Die Reblaus wurde 1854 in Nordamerika entdeckt. In unserer Gegend tauchte sie 1905 auf, obwohl seit 1875 ein Verbot für die Einfuhr amerikanischen Rebholzes bestand. Dieser tierische Schädling versetzte dem darniederliegenden Weinbau einen vernichtenden Schlag. Den Bekämpfungsmassnahmen (Bodendesinfektion, Anbau von resistenten Hybriden oder veredelten Reben) zum Trotz tauchte die Reblaus bis in die 30er Jahre immer wieder auf.

Pilzkrankheiten und Reblaus haben dem heimischen Rebbau schwer zugesetzt. Es wäre aber falsch, die starke Dezimierung des Weinbaues nur diesen Schädlingen zuzuschreiben. Mindestens ebenso stark (wenn nicht mehr) daran beteiligt sind die wirtschaftlichen Umstände. Das Aufkommen der Eisenbahn ermöglichte den Import billiger ausländischer Weine. Die Industrie bot den Arbeitnehmern besseren Verdienst als der Rebbau. Die steigende Nachfrage nach Bauland trieb die Bodenpreise in die Höhe und verunmöglichte einen lohnenden Weinbau.

Aus dem 19. Jahrhundert bis gegen 1930 finden wir im Staatsarchiv Basel-Stadt zahlreiche Hinweise auf Riehens Weinbau. Während z.B. 1884 in Weil noch immer das Bürgermeisteramt den Beginn des Herbstens bestimmte, machen sich Riehens Rebbauern (1888 sind es 170) selbständig und führen nach 1905 eigene Rebbesitzer- oder Herbstgemeindeversammlungen durch. 1878 wird die Rebkommission als kantonale Expertenkommission für die Reblausbekämpfung ins Leben gerufen. Bis 1930 taucht die Reblaus in Hegenheim, in Grenzach (1922 und 1928) auf. Ein Bericht über das Vorkommen der Reblaus aus dem Jahre 1901 wird erwähnt, findet sich aber nicht in den Akten. Schwer zu schaffen machen die Pilzkrankheiten. 1888 hat te die Gemeindeversammlung das obligatorische Spritzen beschlossen. Trotzdem blieben die Erträge unbefriedigend. 1912/13 wird die Idee einer kantonalen Rebschule diskutiert. 1921 wird gemeldet, dass es in Bettingen keine Reben mehr gebe. In diesem Jahr erbrachte die Riehener Ernte 99 800 Liter.

Zur Eindämmung der Pilzkrankheiten und der Reblaus wurden 1909 in Weil die ersten Amerikaner-Reben gepflanzt. Zwei Stöcke kamen auf Schweizer Gebiet zu stehen, was eine scharfe Reaktion des Volkswirtschafts-Departementes auslöste. Wenige Jahre später wurde die Taylor-Rebe zugelassen. Sie brachte 1917 den ersten Ertrag; qualitativ enttäuschend. 1930 wird sie als minderwertig bezeichnet und deren Ersatz empfohlen.

Schlipf 10 ha 71a 74 m2 Hackberg 6 ha 78 a 54,5 m2 Wenkenberg 2 ha 36 a 44 m2 Vor dem Berg 1ha 85 a 80 m2 Hinterengeli 1 ha 64 a 05 m2 Hungerbach 1 ha 08 a 25 m2 Kilchgrund 59 a 91 m2 Moos 35 a 90 m2 Hohlweg 21 a 39 m2 Total 1911 25 ha 62 a 02,5 m2

Riehener Rebbau im 20. Jahrhundert Niedergang und Neuanfang

Die Berichte der Rebkommission vermitteln uns noch einige Angaben aus den 30er und 40er Jahren dieses Jahrhunderts. Bei den Erträgen erstaunt uns der hohe Anteil an Amerikaner-Reben oder Hybriden, der zwischen 60% und 80% schwankt. Diese Amerikaner-Reben und Hybriden ( = Kreuzungen zwischen Amerikaner-Reben und Europä

Aus dem Jahre 1911 wird folgende Statistik überliefert:

Erträge in Litern

 1931193519361937193819391947
Edelgewächs, weiss13 98024 85516 26920 14012 1108 75721 400
Edelgewächs, rot 3204001 4801 1101 3405 030
Hybriden, rot12 99019 6258 03020 3658 71020 76815 680
Hybriden, weiss13 01024 88512 84521 75011 71024 91411 350
Total Liter39 98069 68537 54463 73533 64055 77953 460

Areal in Aren

 192719371938193919431947
Edelgewächs, weiss  336,1249,1405494,7
Edelgewächs, rot  41,811160100,7
Hybriden, rot  181,6238,4175174,4
Hybriden, weiss  198,2238,2190145,8
Total831736757,7836,7830915,6

ischen Edelreben) wurden angepflanzt, weil sie weitgehend resistent waren gegen Pilzkrankheiten und Reblaus; leider waren aber die daraus gewonnenen Weine qualitativ ungenügend.

Über die Anbauflächen haben wir in den Berichten der Rebkommission auch einige Zahlen gefunden, deren Interpretation uns aber etwas Mühe bereitet. Die Schwankungen in der Anbaufläche scheinen uns nicht ganz glaubwürdig (z.B. Edelgewächse weiss 1938: 336 Aren; 1939, also nur ein Jahr später, 249 Aren; 1943: 405 Aren). Das Total des Rebareals dürfte aber stimmen.

Die Berichte der Rebkommission geben uns auch Einblicke in die rebbaulichen Ereignisse der 30er Jahre.

1931 Später Austrieb, dann aber früher Blühet (10.6.); ein Drittel Hagelschaden im Moos; nasse Witterung im Spätsommer und Herbst, sehr kleine Ernte.

1931 Eingabe der Rebkommission an den Gemeinderat, dass das bewährte Spritzmittel «Kukaka» für obligatorisch erklärt werden sollte, weil Bordeaux-Brühe in der Anwendung schwieriger sei.

1933 Austrieb schlecht, Spätfröste verursachen Schäden, kalte Witterung während des Blühet; am besten hielten sich die Riesling x Sylvaner. Gesamtertrag nur 9465 Liter, Preise für Weine aus Edelsorten Fr. 1.20 per Liter. Es wird angeregt, die vielen kleinen Rebstücke zusammenzulegen.

1934 In einem Verzeichnis werden 44 Rebbesitzer aufgeführt. An Traubensorten werden aufgezählt: Oberlin (Hybride), Elbling, Gutedel, Riesling x Sylvaner, Taylor (Hybride), Kühlmann (Hybride), Grüner Sylvaner und Blau-Burgunder.

Das Departement des Innern nimmt Stellung zu einem Gesuch um Beiträge für eine Rebberg-Erneuerung mit reblausresistenten Sorten. «Da die Reblaus im eigenen Kantonsgebiet noch nicht aufgetreten ist, sind wir noch nicht in den Fall gekommen, über Entschädigungsfragen zu entscheiden.» «Wir denken an eine ähnliche Regelung wie im Kanton Baselland.» «..., dass die Eigentümer 70% der Kosten tragen würden. Der Rest wäre von Bund und Kanton und Gemeinde zu gleichen Teilen zu übernehmen.»

1934

1935 Gemeinderat von Riehen an die Rebkommission (11. Januar): «Bevor jedoch irgendwelche Beträge bewilligt werden, wünscht es (das Departement des Innern) eine genaue Aufstellung, welche Rebstücke umgestellt werden sollen, wie hoch sich die Kosten belaufen würden...». Die Rekonstruktion müsste nach einem auf mehrere Jahre verteilten Programm durchgeführt werden.

Departement des Innern an den Gemeinderat Riehen (8. April): «Wir beehren uns, Ihnen mitzuteilen, dass wir Ihnen den Betrag von Fr. 78.20 als kantonale Subvention an die Kosten der Rekonstruktion von Rebparzellen im Schlipf überweisen lassen!» (Wie grosszügig!) 1936 Verregneter Blühet, starker Befall mit Falschem Mehltau. Seit drei Jahren werden im Schlipf anstelle von Direktträgern Blaue Burgunder, veredelt auf Teleky 5BB oder 8B und 5C, angepflanzt. (Der «moderne» Rebbau hat also begonnen.) Nasskaltes Wetter zwang zu früher Lese. Die Ernte war sowohl bezüglich Qualität wie auch mengenmässig (54% des Vorjahres) absolut unbefriedigend. Der Preis für roten Hybriden-Wein wurde auf 85 Rappen/Liter festgesetzt, weisser «Edelwein» kostete 90 Rappen per Liter.

1938 Die Spätfröste wirkten sich nach dem frühen Austrieb verheerend aus. Der Ertrag von 336 hl macht nur etwas mehr als die Hälfte der letztj ährigen Ernte aus...«Mit Bangen sehen wir einer Lösung der Reblausangelegenheit im Wenkenberg entgegen... Finden wir es kaum von Gutem, dass ein solcher Seuchenherd einfach fortbestehen bleibt.» 1940 Die durch den Krieg ausgelöste Zuckerrationierung bringt neue Probleme. Der Gemeinderat ersucht das Departement des Innern nicht nur für die Verbesserung der Edelsorten, vorab Riesling x Sylvaner, zwei kg/hl Zucker freizugeben, sondern auch für die ca. 850 Hauswein-Hersteller. Gesamtbedarf: 9000 kg.

Nach dem Krieg sank die Rebfläche rasch ab: 1960: 97 Aren, 1978: 35 Aren. 1961 regte Dr. Fritz Bachmann in einem parlamentarischen Vorstoss die Anpflanzung eines ge meindeeigenen Rebberges an. Anno 1979 beschloss der Gemeinderat eine Neuanlage im Schlipf. Heute präsentiert sich der Rebbau im Schlipf wie folgt:

 GemeindeRebbergPrivate Besitzer (10)Total%
Riesling x Sylvaner116 Aren11 Aren127 Aren47,7
Gutedel 39 Aren39 Aren14,7
Blauburgunder85 Aren8 Aren93 Aren35,0
Hybriden 7 Aren7 Aren2,6
Total201 Aren1'65 Aren2»  266 Aren100

1 ) Die von der Gemeinde dieses Jahr neu mit Riesling x Sylvaner bepflanzten 16 Aren sind in den 116 Aren inbegriffen.

2) Die Neuanlagen im Hinterengeli (etwa 4 Aren), im Wenkenberg (etwa 4 Aren) und im Schlipf (etwa 5 Aren) sind in den 65 Aren eingeschlossen.

Es ist erstaunlich, wie viele Riehener ihre eigenen Weinetiketten kreierten. Aus der Fülle der Etiketten zeigen wir eine Auswahl auf der nächsten Doppelseite.

Noch ein Traum (anstelle eines Nachwortes)

Der Abend senkt sich über den Wenkenhof. Ich sitze auf einer Bank und bewundere die grosszügige Parkanlage. Die Beschaulichkeit des Abends wird durch plötzliche Geschäftigkeit in und um den Wenkenhof unterbrochen. Mehrere Autos und ein Motorrad werden vor dem imposanten Portal parkiert. Mit Aktenmappen bewehrte Damen und Herren streben dem Wenkenhof zu. Pferdegetrappel erweckt meine Aufmerksamkeit. Eine vornehme, mit vier edlen Pferden bespannte Kutsche nähert sich. Der Kutscher hält die Pferde an, steigt vom Bock und reisst die Türe auf. Wer entsteigt würdevoll dem prächtigen Gefährt? Bürgermeister Hans Rudolf Wettstein höchstpersönlich! Gemessenen Schrittes begibt er sich in den Wenkenhof-Salon, wo sich bereits bekannte Persönlichkeiten versammelt haben. Er setzt sich auf den Präsidentenstuhl, verlangt mit einem Gongschlag Silentium und begrüsst die Anwesenden mit folgenden Worten: Meine Damen und Herren, ich eröffne die heutige Arbeitssitzung des Regio-Senates der Oenophilen! Es haben sich für die Sitzung entschuldigt: Herr von Wasserstelz, er sei nun doch schon sehr betagt und er möge sich nicht mehr mit den Problemen der heutigen verrückten Zeit beschäftigen.

Markgraf Karl von Baden sehe sich nicht in der Lage, der Einladung Folge zu leisten, weil die Riehener der von ihm an den Rhein geholten Gutedel-Traube nicht die Treue gehalten hätten. Man habe dem Riesling x Sylvaner den Vorzuggegeben, obwohl deren Züchter Müller-Thurgau kein Adeliger gewesen sei.

Im weiteren äussert sich der Vorsitzende zur Traktanden-Liste. Im fahre 1935 sei das erste Riehener Winzerfest gefeiert worden. 1985 könnte man nun mit einer grossartigen Neuauflage das 5O-Jahr-fubiläum feiern. Senats-Mitglied Fritz Bachmann ist nicht gegen ein Winzerfest. Hingegen betrachtet er 1985 als zu früh. 2,5 ha Reben rechtfertigen noch keine grosse Festivität. Bevor es im Schlipf wieder 10 ha Reben gibt, sollte man flicht an ein Winzerfest denken. Der Gemeindeverwalter gibt zu bedenken, ein Winzerfest koste viel Geld. Er wehre sich vehement dagegen, dass die Gemeindekasse bluten müsse. Winzerfest ja, aber so organisiert, dass «öppis uuseluegt». Nach einigem Hin und Her in der Diskussion beschliesst der Senat mit allen gegen eine Stimme, das Winzerfest durchzuführen.

Der Präsident stellt noch eines klar: Es muss ein würdiges Fest geben. Es genügt nicht, dass ein Jodlerchörli «Luegit vo Bärge-n-und Tal dulidu... » singt und ein paar Veteranen der Schützengesellschaft mit Vetterli-Gewehr auf der Schulter einen Gang durchs Dorf machen. Ein Festspiel muss her! Mit Szenen aus der grossartigen Geschichte des Weinbaues, z.B. den römischen Kaiser Probus darstellend, wie er in einer feierlichen Erklärung den Weinbau am Oberrhein wieder erlaubt, den einer seiner Vorgänger verboten hatte, oder den Schlipf er Schwur: den Paul Dreyfus, den Nicolas Hödel und den Ruedi Rinklin, die bei allen Weinheiligen geloben, den Weinbau am Schlipf niemals aufzugeben. Zwischenruf: Dies gäbe auch ein schönes Wandgemälde fürs Gemeindehaus. Eifriges Nicken bekundet die Zustimmung der Senats-Mitglieder, worauf der Vorsitzende ergänzt: Als Festspiel-Autor schlage ich Michael Raith vor! (Starker Beifall).

Die Sitzung wird kurz unterbrochen. Der Giggishans, des Bürgermeisters Diener, erscheint mit einem grossen Steinkrug und schenkt den Senatsmitgliedern zu deren Stärkung ein Glas Schlipf er ein (sorgsam bemüht, dass im Krug auch noch ein Rest für ihn übrigbleibt). Der Vorsitzende ergreift erneut das Wort: Ins Festspiel könnte auch die Einweihung des Bachmann-Denkmals «eingebaut» werden. Frage aus der Senats-Mitte: Was für ein Bachmann-Denkmal? Für den Fritz Bachmann natürlich, den Wiedererwekker des Riehener Rebbaues, in Uberlebensgrösse, in Stein oder Bronze. Lange zu diskutieren gibt die Frage des Materials für das Denkmal. Marmor wird abgelehnt, weil zu fremdländisch; Granit kommt nicht in Frage, weil zu wenig fein; schliesslich einigt man sich auf Bronze. Der Senat glaubt auch, dass im Rahmen des Winzerfestes dem Johannes Wenk eine Ehrung zuteil werden sollte. Seit Jahrzehnten sammelt er fein säuberlich alles, was mit der Geschichte Riehens im allgemeinen und im speziellen mit dem Weinbau zu tun hat. Dieser grossartigen Dokumentation gebühre eine Anerkennung, z.B. ein Ehren-Doktor! Man habe sich bereits an die Universität Basel gewandt; diese habe aber an heimischer Prominenz wenig Interesse. Die oenologische Fakultät der Universität Bordeaux sei aber bereit, diese Angelegenheit wohlwollend zu prüfen. Als Gegenlei stung erwarte die Universität Bordeaux, dass die Gemeinde Rieben ein Elektronen-Mikroskop spendiere. Der Finanzminister erbleicht, verlangt einen Marc de Schlipf und greift zum Taschenrechner, um die notwendige Erhöhung des Steuersatzes zu kalkulieren.

Als letztes Traktandum kommt die Frage «Festhütte» zur Sprache. Das Festspiel muss natürlich an einem witterungsunabhängigen, würdigen Ort durchgeführt werden können. Man rechnet mit 10 000 Besuchern pro Aufführung. Dem Vorsitzenden erscheint ein Festzelt zu primitiv. Er neigt eher zu einer permanenten Festhalle. Diese müsste unterkellert sein, so dass die Gemeinde Riehen einen richtigen eigenen Weinkeller einrichten könnte (beifälliges Nicken von Senator Bachmann). Das Errichten einer grosszügigen Festhalle sollte keine Schwierigkeiten ergeben, da gute Architekten zur Verfügung stehen (beifälliges Nicken des Gemeindepräsidenten; der Finanzminister erbleicht um eine weitere Nuance und verlangt einen zweiten Marc de Schlipf).

Senatspräsident und Bürgermeister Hans Rudolf Wettstein bedankt sich für die speditive Erledigung der Geschäfte und schliesst die Sitzung. Gemessenen Schrittes verlässt er den Salon und begibt sich zur bereitstehenden Kutsche. Der Giggishans schlägt die Türe zu und klettert zum Kutscher auf den Bock. In flottem Trab entfernt sich das vornehme Gespann.

Der Berichterstatter reibt die Augen und überlegt sich, ob das Winzerfest, das Bachmann-Denkmal, der EhrenDoktor und die Festhalle Traum oder Wirklichkeit sind. Das Jahr 198S wird es zeigen.

Der Verfasser dieses Rückblickes auf Riehens Rebbau wurde von verschiedenen Persönlichkeiten mit Dokumentationen unterstützt. Herzlicher Dank für diese tatkräftige Mithilfe gebührt Fräulein Christel Sitzler, Herrn Pfarrer Michael Raith, Herrn Johannes Wenk, Herrn Jakob Kurz.

Literatur: - M. Raith: Gemeindekunde Riehen - Verschiedene Riehener Jahrbücher - H. Reutlinger: Räbe, Trotte, Schlösser, vom Bölche bis zum Schlipf - Fierhauser/ Schön: Im badischen Weingarten - Berichte der Rebkommission Während der Drucklegung des Artikels «Rebbau in Riehen - einst und jetzt» verstarb Rudolf Rinklin (1911 bis 1984). Seit hundert Jahren widmet sich seine Familie im Schlipf der Weinkultur: für manche waren der Riehener Traubenhang und der Name Rinklin sozusagen gleichbedeutend - und das nicht allein deswegen, weil Rudolf Rinklin das einzige Rebbauernhaus im Schlipf bewohnte. Er war wie sein Wein: echt und charaktervoll. Zu Zeiten, als die Pflege des einheimischen Weinbaues nicht eben viel galt, setzte er sich treu für diesen ein. Dem politischen, wirtschaftlichen und geselligen Leben Riehens diente er in verschiedenen Vereinen, als Mitglied des Gemeinderates und des Grossen Rates sowie als Mitglied und Präsident des Weiteren Gemeinderates. Unvergessen bleibt auch seine Wirksamkeit als Hausvater des Landpfrundhauses (siehe RJ 1982, S. 71 f.) ' Die Redaktion

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1984

zum Jahrbuch 1984