Riehen macht Schule

Brigitta Kaufmann

Seit dem Schuljahr 2009/10 führt die Gemeinde neben dem Kindergarten auch die Primarschulen wieder selbst. Riehen kann auf eine lange Schultradition zurückblicken. Bereits im Jahr 1538 wurde erstmals in Riehen ein Lehrer namentlich erwähnt.

Die Schule war wie überall, so auch in Riehen, bis ins 19. Jahrhundert stark kirchlich geprägt. Im Jahre 1821 wurde die offizielle Abtrennung der Schule von der Kirche vollzogen. In der Folge erhielt der Lehrer 100 Franken Lohn aus der Staatskasse, die Schüler mussten ihm 6 Rappen Schulgeld pro Woche bezahlen. In diesem Jahr ging das Schulhaus amtlich in den Besitz der Gemeinde über, mit der Bedingung, dass es weiterhin nur als Schulraum genutzt werden durfte. Ab 1839 bildeten Bettingen, Riehen und Kleinhüningen einen gemeinsamen Inspektoratsbezirk und wurden unter dem Namen «Landschulen» zusammengefasst.

1891 gingen aus finanziellen Gründen die Riehener und Bettinger Schulen an den Kanton über. Bis 1957 war weiterhin ein Inspektor für die Riehener und Bettinger Schulen zuständig, danach erhielten sie ein eigenes Rektorat. Dieses blieb insofern ein Unikum im Kanton, als ihm als einzigem verschiedene Schultypen unterstanden.

Im Frühling 2000 wurde die Initiative «Stopp der Steuerspirale», die so genannte «Steuerinitiative», eingereicht. Sie enthielt unter anderem die Forderung, dass die Steuerunterschiede in den drei baselstädtischen Gemeinden bei maximal 5 Prozent liegen dürften. Es war schnell klar, dass diese Initiative grosse Chancen hatte, angenommen zu werden, weshalb sich Vertreter aus den Landgemeinden wie aus den kantonalen Gremien zusammensetzten, um über Alternatiworschläge zu diskutieren. Anstatt die Steuern in Riehen und Bettingen zu erhöhen, gab es die Möglichkeit, mehr Aufgaben zu übernehmen. Das würde zwar ebenfalls eine Steuererhöhung erfordern, aber das Geld könnte in den Gemeinden selbst eingesetzt werden und die als unerfreulich angesehene Erhöhung der «Ablieferung» an den Kanton würde entfallen.

 

 

Steuerinitiative als Diskussionsauslöser

Der in diesem Sinn ausgearbeitete Gegenvorschlag sah vor, dass Riehen und Bettingen die Primarschule und die Orientierungsschule übernehmen würden. äusserst knapp und pikanterweise unter (passiver) Mithilfe zweier Grossräte, die auch als Riehener Gemeinderäte amteten, ist dieser Gegenvorschlag im Grossen Rat gescheitert.

Am 2. Juni 2002 wurde ein anderer Gegenvorschlag zur Steuerinitiative vom Volk angenommen, der direkt keine Aufgabenübernahme der Landgemeinden vorsah, aber die Steuerschlüsseländerung von 60:40 auf fünf Jahre beschränkte. In dieser Zeit konnten die Landgemeinden Aufgaben definieren, die sie vom Kanton übernehmen wollten, was zu einer Rückstellung des Steuerschlüssels auf 50:50 führen würde.

Im Rahmen des Projekts NOKE (Neuordnung des Verhältnisses zwischen Kanton und Einwohnergemeinden) sollten Vorschläge für Aufgabenübernahmen ausgearbeitet werden. Nach der Prüfung verschiedener Bereiche wurde beschlossen, die übernahme der Grundschulen, einschliesslich Tagesschule, Tagesbetreuung und besondere Förderangebote, schwergewichtig weiterzuverfolgen.

Gegen den Beschluss des Grossen Rates, die Primarschulen von Riehen und Bettingen zu kommunalisieren, wurde das Referendum ergriffen, das Volk stimmte aber am 23. September 2007 der übernahme mit einem 2:1-Verhältnis zu. Auch die wenig später stattfindende Referendumsabstimmung zur geplanten Schulgesetzänderung (Teilautonomie der Schulen und Volksschulleitung) führte zu einer, wenn auch diesmal knappen, Mehrheit. Damit rückten Kindergarten und Primarschule näher zusammen und die Gemeinden waren beauftragt, die diesbezügliche änderung des Schulgesetzes schrittweise umzusetzen.

Die Eckpunkte der Vorlage Die Zielsetzungen der Schulübernahme wurden in der Vorlage an den Einwohnerrat vom 6. Januar 2009 wie folgt definiert: • Die Gemeindeschulen mit Kindergarten und Primarschule werden unter der Trägerschaft der beiden Gemeinden so organisiert, dass der operationeile Schulbetrieb optimal funktioniert.

• Die Kosten der Primarschule sind auf die bisherigen Kosten beim Kanton zu beschränken. Gleichzeitig soll durch die kleinere Organisationseinheit und durch kürzere Entscheidungswege eine bessere Situation für die Schulhäuser und die Schulklassen erreicht werden.

• Die Gemeindeschulen sind mit der kantonalen Schulorganisation so zu vernetzen, dass das Ganze unterstützt wird und das Spezielle unter Nutzung des kommunalen Autonomiespielraums möglich ist.

Die Projektorganisation wurde einem Team mit Vertreterinnen und Vertretern aus Politik, Fachleuten aus der Verwaltung sowie Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern der Schulen übertragen. Die Schulübernahme sollte auf Anfang Schuljahr 2009/10 erfolgen. Der Zeitplan war also überaus knapp bemessen.

Von Beginn weg war klar, dass der Kanton weiterhin die pädagogischen und didaktischen Inhalte der Schulen sowie den Umgang mit Schülerinnen und Schülern weitgehend festlegen würde. Dem Autonomiespielraum waren somit enge Grenzen gesetzt. Er beschränkt sich auf Personalfragen, gewisse Bereiche bei der Ausgestaltung der Teilautonomie der Schulhäuser und bei der Zusammensetzung und den Aufgaben der Schulräte.

Ein heikler Punkt war zweifellos die überführung des Personals vom Kanton in das gemeindeeigene Lohnsystem. Bei der Zuordnung der verschiedenen Stellen der Primarschule in den Funktionsraster und die Anforderungsniveaus der neuen Lohnordnung tauchten glücklicherweise fast keine Probleme auf. Die Lohnsumme wird sich zudem voraussichtlich um nur etwa 1,1 Prozent erhöhen und niemand wird weniger Lohn als bisher erhalten.

Verbindung mit Einführung der teilautonomen Schulen In Riehen und Bettingen wurde zusammen mit der Schulübernahme das Konzept der teilautonomen Schulen umgesetzt. Die Stellen der Schulleitungen Primarschule und der

Organisatorisch bedeutet die Schulübernahme, dass das Rektorat der Orientierungsschule von Riehen weg zur Volksschulleitung des Kantons geht, das Kindergartenwesen aber zu den Primarschulen dazustossen und eine gemeinsame Leitung der Gemeindeschulen bilden würde. Riehen und Bettingen einigten sich zudem darauf, dass es eine bei der Gemeindeverwaltung Riehen angesiedelte operative Leitung für die Schulen der beiden Gemeinden geben sollte.

Quartierleitungen Kindergärten wurden im September 2008 ausgeschrieben und die gewählten Stelleninhaberinnen und -inhaber haben ab Schuljahr 2009/10 ihre Funktionen unter der Co-Leitung von Regina Christen und Gertrud Perler übernommen.

Mit der Genehmigung des Schulvertrages und der Schulordnung durch den Einwohnerrat stand der Schulübernahme durch die beiden Landgemeinden ab August 2009 nichts mehr im Wege.

Die Entstehung des Schulhauses Erlensträsschen Der heutige Schulstandort «Erlensträsschen» bekam erstmals 1630 eine Bedeutung, als Balthasar Fuchs sein Haus am Erlensträsschen 6 (damals noch Ochsengasse) der Gemeinde zum Zweck der Betreibung einer Schule verkaufte. Schnell wurde es in diesem Gebäude zu eng, weshalb die Hälfte des Hauses Erlensträsschen 4 dazugekauft wurde. Die beiden Gebäude befanden sich aber in einem so schlechten Zustand, dass sie 1730 abgerissen wurden und stattdessen ein Neubau erstellt wurde, der im Parterre eine Schulstube, im 1. Stock Lehrerwohnungen und im Dach einen Kornspeicher enthielt. Mit der Schulqualität war es aber in Riehen noch längere Zeit nicht zum Besten bestellt. Die Lehrer wurden nur schlecht entlöhnt, weshalb sich allzu oft Personen für diesen Posten zur Verfügung stellten, die nicht wirklich dazu qualifiziert waren. Manche Eltern schickten ihre Kinder lieber in Lörrach, Weil oder Grenzach zur Schule. Erst 1810 brach mit Hans Ulrich Jundt, einem Anhänger Pestalozzis, in Riehen eine erfolgreichere Schulepoche an.

Aufgrund der Trennung in eine Unter- und Oberstufe wurde an der Ecke Schmiedgasse/Bahnhofstrasse ein neues Schulhaus gebaut, das allerdings mit dem Bau der Bahn 1862 so lärmig wurde, dass der Betrieb als Schule bald wieder aufgegeben werden musste.

Damit bekam der Standort Erlensträsschen wieder eine grössere Bedeutung: 1863 erwarb die Gemeinde das Rüdin'sche Landgut (auch Werthemann'sches Landgut genannt), in dessen Herrschaftshaus (Nr. 10) zwei Schulzimmer und eine Lehrerwohnung eingerichtet wurden. Die Schülerzahlen nahmen kontinuierlich zu und dem Platzmangel konnte nur noch mit einem Schulhausneubau beigekommen werden. Anstelle des Lehenhauses wurde 1879 nach Plänen des Stadtbaumeisters Heinrich Reese das neue Schulhaus errichtet, die Scheune und der Stall wurden zu einer Turnhalle umfunktioniert. Stattdessen konnte im alten Schulhaus (Nr. 6) und im ehemaligen Rüdin'schen Herrschaftshaus je eine weitere Lehrerwohnung eingebaut werden. Wegen Baumängeln musste das neue Schulhaus bereits 1883 saniert und beispielsweise der Lehmboden in der Turnhalle durch einen Holzboden ersetzt werden. Zwischen Kanton und Gemeinde entstand ein Streit, wer die Kosten für diese Fehlplanungen zu tragen habe.

Noch vor 1939 plante der Grosse Rat einen Erweiterungsbau am Erlensträsschen. Der Kriegsausbruch verhinderte den Baubeginn und nach Kriegsende verzögerte sich der Bau unter anderem wegen rationierter Zementzuteilungen. Die Einweihung des neuen Schulhauses erfolgte 1950, zwei Jahre nach dem Niederholzschulhaus.

Etwas Gutes hatte die Bauverzögerung am Erlensträsschen trotzdem: Das Haus Nr. 10 wurde nicht, wie noch vor dem Kriege geplant, abgerissen, sondern ab 1957 als Sitz des neu gegründeten «Rektorats Landschulen» genutzt. Auch nach der Schulübernahme vom Kanton werden die Geschicke der Riehener und Bettinger Primarschulen und Kindergärten von dort aus geleitet.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 2009

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