Riehener Gewerbe einst und jetzt

Peter Zinkernagel, Nicolas Jaquet

Als um das Jahr 1592 an der «Zehntentrotte» im Landvogteihaus ihr wichtigster Bestandteil, der Trottbaum samt weiteren Teilen, ersetzt werden musste, beteiligten sich an den Instandstellungsarbeiten der Zimmermann, Tischmacher, Wagner, Schmied, Küfer und Kübler, wie einem Artikel von Christian Adolf Müller über die «Ernte und Weinlese in Riehen zur Zeit der Landvögte» im Riehener Jahrbuch 1971 zu entnehmen ist. Bis zu Beginn dieses Jahrhunderts war Riehen ein Bauern- und Rebbaudorf, und neben gewissen amtlichen, geistlichen und gesundheitlichen Funktionen für die Bedürfnisse der Einwohner waren die Berufe im Dorf sozusagen ausschliesslich auf die Inganghaltung der Landwirtschaft ausgerichtet.

Wassernutzung und Fabriken

Die vom Fluss Wiese abgezweigten Teiche dienten in früheren Jahrhunderten der Nutzung der Wasserkraft durch Mühlen. Dazu gehörten seit dem 14. Jahrhundert diejenige an der heutigen Weilstrasse Nr. 12, ferner die Holzmühle in der Nähe des heutigen Sportplatzes Grendelmatte und eine weitere auf dem Areal Bachtelenweg 41. An den Mühlestandorten liessen sich um die Jahrhundertwende die ersten Fabriken in Riehen nieder, so an der Weilstrasse von 1911 bis 1929 die Spezialfabrik für Watte und pharmazeutische Produkte Schonlau und auf dem Mühleareal am Bachtelenweg 41 von 1898 bis 1905 die Fabrik Ernst Weber, die sich mit der Herstellung des ersten Knirps-Schirmes und der «Weber-Bahre» für den Sanitätsdienst der Armee befasste.

Unabhängig von der Lage am Wasser entstanden 1913 an der Baselstrasse 5 das Isolierungswerk Löliger, 1896 am Eisenbahnweg 83 die öl- und Fettwarenfabrik Strütt und 1907 an der Burgstrasse 118 die Bodenwichsefabrik Tripet. Die meisten dieser Fabrikgebäulichkeiten wurden später abgerissen oder für Wohnungen gebraucht. Die seit 1946 an der Lörracherstrasse niedergelassene Vohland und Bär AG, Metall- und Stahlbau, zog 1991 von Riehen weg, und die W. & P. Irion, Maschinenbau, an der Aeusseren Baselstrasse 325 plant ebenfalls einen Wegzug von Riehen.

Das Riehener Gewerbe heute

Die bisherigen Ausführungen zeigen, dass Riehen keine nennenswerte Industrialisierung erfuhr und dass Fabriken heute sozusagen ganz fehlen, was die Bedeutung der Gemeinde als Arbeitsort minderte und ihren Wohnwert erhöhte. Riehen erlebte in diesem Jahrhundert eine aussergewöhnliche Wohnbautätigkeit, was für viele hiesige Gewerbebetriebe die Existenzgrundlage schuf.

Von den vermutlich rund 500 Riehener Firmen waren im Jahre 1986 420 im Handelsregister eingetragen. Etwa ein Viertel der Einträge betraf die Branche Handel und Finanz, ein Fünftel Handwerk und Gewerbe und ein Achtel Soziales-Kulturelles und Karitatives.

Seit Riehen, vor allem mit der Eröffnung des Trams im Jahre 1908, immer mehr zum begehrten Wohnort vor der Stadt wurde, nahm auch die Bevölkerung langsam zu. Dies beflügelte wohl manchen Handwerker oder Geschäftsmann, einen eigenen Betrieb zu eröffnen. Bei der Durchsicht von Unterlagen im Gemeindearchiv und der Ausgaben der «Riehener-Zeitung» aus ihren Anfangsjahren entdeckt man zahlreiche Neugründungen von Ladengeschäften und Gewerbebetrieben. Beim Durchblättern stösst man auf die Gründung verschiedenster neuer Geschäfte, von Blumenläden, Gemüseläden, Spezereihandlungen, Zigarren- und Tabakgeschäften, Bäckereien/Kon ditoreien, Mercerie-Bonneterie-Läden, bis hin zur Fusspflege/Massage und zum Fotogeschäft. Auffallend ist, wie zahlreich damals noch die Massschneidereien und Schuhmacher waren.

Bei den Gewerbebetrieben der Baubranche und verwandter Bereiche findet sich die Eröffnung einer Metallgiesserei als etwas Selteneres. Daneben gibt es in allen Branchen, seien es Schreinereien, Baugeschäfte, Spenglereien, Zimmereien, natürlich immer wieder Neugründungen oder Geschäftsübernahmen von Firmen, die sich im immer grösser werdenden Dorf entfalten konnten oder dies wenigstens hofften. Im Jahre 1928 scheint Riehen für das Auto salonfähig geworden zu sein, denn damals erschien in der «Riehener-Zeitung» ein Inserat über die Eröffnung einer Kraftfahrzeug-Reparaturwerkstätte im Haus DreiKönige an der Baselstrasse.

Nicht alle gegründeten Geschäfte hatten Bestand. Einige existierten nur kurze Zeit oder wechselten in kurzen Abständen mehrmals die Hand, viele aber entwickelten sich im Laufe der Jahrzehnte immer weiter und gehören heute zu den alteingesessenen Betrieben am Ort. Im Rahmen dieses Berichtes kann aus Platzgründen nicht im einzelnen auf die Entwicklung des Riehener Gewerbes eingegangen werden. Zudem ist dessen Geschichte noch kaum erforscht, so dass nur wenige Unterlagen ausgewertet sind.

In der heutigen Zeit haben in der Gemeinde insbeson dere diejenigen Gewerbebetriebe, die viel Fläche benötigen, Schwierigkeiten. Einerseits lassen die neuen Vorschriften über die Grundwasserschutzzone dort keine Ansiedlung mehr von Gewerbebetrieben zu, andererseits hatten die hohen Bodenpreise zur Folge, dass vom Gewerbe benutzte Flächen für den Wohnungsbau freigemacht wurden. In beiden Fällen konnten die ausgesiedelten Betriebe in der Gemeinde oft keine Ersatzareale finden und stellten deshalb entweder ihren Betrieb ein oder zogen aus der Gemeinde weg. Die Eröffnung des im Bau befindlichen Gewerbehauses an der Lörracherstrasse dürfte dieses Problem etwas entschärfen.

«Das Riehetier Gewerbe zeigt sich»

Dennoch hat Riehen immer noch ein starkes Gewerbe. Dies wurde auch durch die im und um das Gemeindehaus veranstaltete Gewerbeausstellung des Handels- und Gewerbevereins Riehen vom 7. bis 9. September 1990 eindrücklich dokumentiert.

Unter dem Motto «Das Riehener Gewerbe zeigt sich» präsentierten sich rund 50 Riehener Handels-, Gewerbeund Dienstleistungsbetriebe der Bevölkerung und stellten ihre Leistungsfähigkeit unter Beweis. In rund einjähriger Vorbereitungsarbeit hatte das Organisationskomitee bestehend aus Reinhard Bammerlin, Bartolino Biondi, Hans Heimgartner, Peter Hohler, Christine Krebs, Edmund Rund, Thomas Rutishauser und Peter Zinkernagel (Präsident) mit aller Sorgfalt diese Ausstellung vorbereitet. Doch auch die einzelnen Aussteller haben für die Gestaltung ihrer Stände eine grosse Denk- und Planungsarbeit geleistet. Um die öffentlichkeit frühzeitig auf die Ausstellung aufmerksam zu machen, wurde bereits Anfang August das Signet in Form einer grossen blauen Kugel mit dem Ausstellungsslogan «Das Riehener Gewerbe zeigt sich» vor dem Gemeindehaus aufgestellt.

Als Auftakt zur Ausstellung nahmen unter der Leitung von Hans-Rudolf Bachmann Gemeindepräsident Gerhard Kaufmann, Peter Grieder, Christoph Eymann und Paul Schönholzer an einem Podiumsgespräch zum Thema «Das Gewerbe in Riehen - Zukunftsperspektiven» teil. Im Verlauf dieses Gesprächs führte Gemeindepräsident Gerhard Kaufmann aus, dass Riehen über fast keine Industriebetriebe, sondern hauptsächlich über Gewerbebetriebe aus dem baulichen und Dienstleistungssektor verfüge. Diese haben vorwiegend die Aufgabe, die bauliche inklusive gartengestalterische Infrastruktur der Riehener Liegenschaften zu erweitern oder zu erneuern und den täglichen Bedarf der Einwohner abzudecken. Die Betriebe seien also zu einem grossen Teil am Ort für den Ort tätig. Daneben gebe es aber, besonders seit einigen Jahren, vermehrt Betriebe aus dem Dienstleistungssektor, die ihren Kundenkreis nicht vorwiegend in Riehen haben.

Entsprechend der Zahl von 20'000 Einwohnern wäre es erwünscht, wenn für die privaten Haushalte am Ort möglichst lückenlos Einkaufsmöglichkeiten, nicht nur für Waren des täglichen, sondern auch des periodischen Bedarfs vorhanden wären. In Riehen wird in absehbarer Zeit die Schwelle von 4000 Arbeitsplätzen überschritten sein; dies bei stagnierender Bevölkerungszahl. Dabei dürfte rund die Hälfte der in Riehen angebotenen Arbeitsplätze von Zupendlern eingenommen werden, das heisst, dass nur etwa jeder zehnte Riehener Einwohner auch in Riehen arbeitet.

Die Ausstellungsstände im Gemeindehaus und auf dem Freigelände waren durchwegs sehr ansprechend gestaltet. Zur sauberen und übersichtlichen Anordnung im Gebäudeinnern hat sicher auch der Beizug einer Fachfirma des Messewesens beigetragen, die mit Wandplatten und Leichtmetall-Tragelementen die einzelnen Stände in einem Rastersystem aufbaute und so der Ausstellung ein einheitliches Gepräge verlieh. Im Freien stellten vorwiegend Firmen des Baugewerbes und damit verwandte Betriebe aus. Diese bauten ihre Stände selber auf und konnten damit gleichzeitig ein Beispiel ihres Könnens zeigen.

An allen drei Tagen konnte die Ausstellung einen sehr guten Besuch aufweisen, und oft herrschte ein echtes Gedränge. Erfreulich war auch die grosse Anzahl von Kin dern und Jugendlichen, die in der Ausstellung zu sehen waren. Die Ausstellung wollte ja gerade auch ihnen Ausbildungsmöglichkeiten aufzeigen und sie zu einer gewerblichen Lehre motivieren.

Mit der Ausstellung verbunden war ein umfassendes Unterhaltungsprogramm, grösstenteils dargeboten von verschiedenen Riehener Vereinen. Auch eine Modeschau und an den Abenden Musik und Tanz standen auf dem Programm. Für alle diese Aktivitäten und ganz allgemein als Treffpunkt der Bevölkerung mit dem Gewerbe bot das grosse Festzelt auf der Spielwiese hinter dem Gemeindehaus den geeigneten Rahmen. Die Gewerbeausstellung hat gezeigt, dass das Riehener Gewerbe kein isoliertes Dasein führt, sondern mit dem Dorf fest verbunden ist.

 

Personen

(soweit nicht schon in der GKR, im RRJ oder in RJ 1986ff. vorgestellt)

Bachmann, Hans-Rudolf 1946), lie. rer. pol., Unternehmungsberater, Mitglied Grosser Rat Bammerlin, Reinhard ("'1936), Dipl. Schreinermeister, Mitglied Einwohnerrat

Biondi, Bartolino (''1958), lie. rer. pol., Redaktor «Riehener Zeitung»

Eymann, Christoph (*1951), Dr. iur., Direktor Gewerbeverband, Mitglied Grosser Rat Heimgartner, Hans ("'1956), Dipl. Sanitär-Installateur, Mitglied Einwohnerrat

Hohler, Peter (*1945), Bankangestellter

Krebs-Schneider, Christine (''1947), Grafikerin

Röthlisberger, Werner (*1942), Verkaufsingenieur

Rund, Edmond ("'1948), Dipl. Versicherungsfachmann

Rutishauser, Thomas ("'1963), kaufmännischer

 

Angestellter Verzeichnis der Aussteller der Riehener Gewerbeaussteilung 1990

Fritz Ackermann, Schloss und Schlüssel Architekten: Rolf Brüderlin, Gerhard Kaufmann, Walo Niedermann, Peter Zinkernagel Baier Transport AG, Mulden- und Kippertransporte Bammerlin und Schaufelberger AG, Bau- und Möbelschreinerei Basler Versicherung, Agentur Riehen/Bettingen Baumaterial Riehen GmbH, Holz- und Baumaterial Baumeisterverband Bawag, Badewannen-Reparaturen, Acryleinsätze Remo Biondi, Garage Werner Blättler, Fahrlehrer Hermann Bürgenmeier, Maler- und Tapezierergeschäft Rolf Bürgin, Spezial-Transporte, Umzüge Chäs-Märt/Miba Jürg Dreher, Büroeinrichtungen Stefan Frei, Augenoptik Güntlisberger und Ruckstuhl AG, Heizung/Lüftung/Sanitär Hans Heimgartner, Sanitäre Anlagen, Spenglerei Peter Heinzel, Pianos und Service Hofmann und Böschung AG, elektrotechnische Unternehmung Holzbau und Zimmerei AG Rudolf Jauslin, Goldschmied Joe's Video Palast, Videothek Kremser & Graf AG, Möbel- und Bauschreinerei Kyklus AG, Isolierungen Lergenmüller AG, Wand- u. Bodenbeläge Hans Luchsinger, antike Möbel H. Merkel AG, Offset-Druck Hubert Reiser, Storenbau AG Riehener Banken: Basler Kantonalbank, Schweizerische Bankgesellschaft, Schweizerischer Bankverein, Schweizerische Kreditanstalt, Sparkasse Basel Riehener Zeitung, A. Schudel & Co AG / Schudeldruck Röag AG, Werkzeugmaschinen Wilhelm Schoch AG, Glas- und Gebäudereinigung Paul Schönholzer, Gartenbau Schranz AG, Bauspenglerei, Sanitäre Anlagen Karl Schweizer AG, elektrotechnische Unternehmungen Theo Seckinger, Bauunternehmung Reinhard Soder, Baugeschäft Travel Point, Berberat & Co, Reisebüro Ueli-Service, Bettwaren Videothek Casablanca Video VRD Vereinigung Riehener Dorfgeschäfte Weber und Imbach AG, Maler- und Tapezierergeschäft René Weidele, Gipsergeschäft Hanspeter Wenk, Zaunmaterial Felix Wetzel, Inh. Jürg Blattner, Papeterie Windlin AG, Bedachungen u. Isolationen Züblin AG, Steinhauerei

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1991

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