Riehener Kindergärten

Simone Burgherr

Mit dem Aufkommen der Fabrikarbeit in der Mitte des letzten Jahrhunderts, die in langen Arbeitstagen Väter und Mütter beanspruchte, blieben viele kleine Kinder sich selbst überlassen, unbeaufsichtigt und unbetreut. Im Rahmen privater Wohltätigkeit wurden für sie Kleinkinderanstalten gegründet, wo sie allerdings einfach mehr oder weniger aufbewahrt waren. Als einer der ersten forderte Friedrich Fröbel (1782-1852), ein von Heinrich Pestalozzi beeinflusster Pädagoge, die Schaffung solcher Einrichtungen. Er sprach aber bewusst nicht von einer Kleinkinderschule, sondern von einem Kindergarten, in dem das Kind sich frei bewegen und seine Gaben entfalten kann. Diese Zielsetzung ist, den neuesten pädagogischen Erkenntnissen angepasst, bis heute erhalten geblieben. So heisst es in der neuen Riehener Kindergartenordnung: «Der Kindergarten dient, in Unterstützung und Ergänzung der Erziehung im Elternhaus, der altersgemässen Förderung der geistigen, seelischen, körperlichen Fähigkeiten sowie der Entwicklung des sozialen Verhaltens des Kindes.»

In Basel kam es zu Beginn des 19. Jahrhunderts zur Gründung verschiedener Kindergärten. Der erste bekannte wurde 1843 im Klingental durch die Gesellschaft zur Förderung des Guten und Gemeinnützigen (GGG) ins Leben gerufen. In Riehen entstand der erste Kindergarten schon drei Jahre zuvor, gegründet durch Dorothea Bischoff-Respinger. Sie genoss dabei die Unterstützung von Christian Friedrich Spittler. Anfangs Jahr mit zehn Kindern eröffnet, wurden im Juni bereits dreissig Kinder betreut, und nur drei Jahre später nahm ein zweiter Kindergarten für den unteren Teil des Dorfes die Arbeit auf.

Bereits im Gründungsjahr 1840 ersuchte C.F. Spittler die wohlhabenden Basler Gutbesitzerfamilien um einen Beitrag. Das Schulgeld pro Kind und Woche betrug zu jener Zeit 20 Rappen, der Lohn der Lehrerin 400 Franken im Jahr. Auf den Brief gingen Spenden von insgesamt 200 Franken ein. 1845 wurden die beiden Kleinkinderschulen vereinigt und fürs erste in der Liegenschaft an der Ecke Baselstrasse/Schmiedgasse, bald aber wegen der gefährlichen Verkehrslage - schon damals - in ein Zimmer der Unterschule und später ins Schulhaus an der Bahnhofstrasse 1 verlegt. Als 1871 die Kleinkinderschule auch dieses Lokal verlassen musste, reifte der Entschluss, mit Hilfe der Gemeinde Riehen ein eigenes Haus zu bauen, in dem ausser der «Häfelischule» auch noch ein Zimmer für die Lehrerin und zwei Wohnungen zum Vermieten untergebracht werden sollten. So wurde ein Areal südlich der Bahnlinie - Schmiedgasse 46 - erworben und so überbaut, dass noch Platz für einen geräumigen Spielplatz und einen kleinen Garten vorhanden war. Das Gebäude dient noch heute seinem damaligen Zweck.

Das Diakonissenhaus Riehen stand schon früh in Beziehung zum Kindergarten. Es übernahm 1859 die Verantwortung für den Betrieb und behielt sie sieben Jahrzehnte lang inne. Doch gegen Ende des Ersten Weltkrieges bereitete es den Diakonissen zunehmend Schwierigkeiten, die nötigen Mittel dafür aufzubringen. Während die Gemeinde Riehen eine finanzielle Unterstützung verweigerte, erklärte sich der Kanton Basel-Stadt 1918 bereit, eine Subvention an den vom Diakonissenhaus betriebenen Kindergarten auszurichten.

Im Jahre 1927 baute der Kanton am Siegwaldweg 9 einen ersten staatlichen Kindergarten und übernahm nur zwei Jahre später die Verantwortung für den Betrieb sämtlicher Kindergärten auf Kantonsgebiet.

Über ein halbes Jahrhundert später, 1982, wurde im Rahmen der Autonomiegespräche erstmals über die übernahme der Kindergärten durch Riehen und Bettingen diskutiert; die beiden Landgemeinden begrüssten diesen Vorschlag. Doch bis es dazu kam, sollten 14 Jahre mühsamer und zäher Verhandlungen verstreichen. Widerstand erwuchs der Idee vor allem von den Kindergartenlehrkräften selbst. Sie sahen insbesondere die pädagogischen Ziele und ihre Mitspracherechte in Frage gestellt. Der Grosse Rat folgte in der Debatte vom März 1985 den Argumenten der Gegnerinnen und Gegner und wies die Vorlage mit 52 zu 36 Stimmen an die Regierung zurück. Riehen aber liess nicht locker und suchte in den nächsten Jahren immer wieder das Gespräch mit allen Beteiligten. Im Jahre 1990 endlich gelangte man zu einer Einigung, die auch vom Gemeinderat gutgeheissen wurde. Nun aber hatte auf einmal der Kanton kein Interesse mehr an Verhandlungen; sie wurden erst anfangs 1994 wieder aufgenommen. Die Abstimmung vom 19. November 1995 fiel knapp aus: mit 23'022 gegen 21'618 Stimmen wurde der übernahme von heute 22 Kindergärten, davon zwei neueröffneten, zugestimmt. Die Riehener Stimmbürgerinnen und Stimmbürger sprachen sich jedoch mit 2638 zu 3620 Stimmen klar gegen die Vorlage aus.

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1996

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