Riehens Geschenk an uns alle
Christine Kaufmann
MUKS? Was soll das bedeuten? Im Moment ist er noch erklärungsbedürftig, der neue Name für die Museen im Wettsteinhaus in Riehen. Bald wird er zur Marke. MUKS bedeutet ‹Museum Kultur & Spiel› und drückt aus, was im Museum stattfindet: ‹Spiel› für das Spielzeugmuseum – wo viel mehr gemacht werden kann, als sich nur Spielzeuge anzuschauen – und ‹Kultur› für das Dorfmuseum. Kultur steht aber auch als Klammer für alles, was im Museum zu finden ist: Alltagskultur und Geschichte, eine Spielzeugsammlung von internationalem Rang, die Figur des Namensgebers des Hauses, Johann Rudolf Wettstein, und natürlich das wunderschöne Haus selbst.
Am Wochenende vom 12. und 13. Juni 2021 konnte das Museum im Wettsteinhaus wieder eröffnet und damit der Bevölkerung übergeben werden. Der Eröffnung waren eine 14-monatige Umbauzeit, eine vierjährige Planungsphase und noch längere politische Diskussionen vorangegangen.
Wie kam es dazu, dass sich die Gemeinde entschieden hat, dieses Museum fortzuführen und Geld in seine Renovation und Neukonzeption zu investieren? Oder, wie mich ein Journalist gefragt hat: Warum leistet sich eine Gemeinde heutzutage noch so etwas? Tja, wenn das so rasch zu beantworten wäre.
Ein kurzer Blick zurück in die Geschichte zeigt, dass sich selbige mitunter wiederholt. Das in seinen Ursprüngen im 16. Jahrhundert erbaute, mehrfach erneuerte und seit 1945 unter Denkmalschutz stehende Wettsteinhaus wurde – in keinem guten Erhaltungszustand – 1958 von der Gemeinde erworben. Es folgten Jahre des Werweissens und vieler Kommissionsberatungen darüber, was mit dem Haus zu tun sei. Man erwog unter anderem den Einbau von Hotelzimmern oder die Verwendung als Kindergarten oder Verwaltungsgebäude. Der Einbau von Hotelzimmern wurde abgelehnt, weil die zuständige gemeinderätliche Kommission «das Haus der Öffentlichkeit erhalten wollte»1 – und nicht zuletzt auch, weil die Renovation teuer zu werden versprach.
Aber was anstellen damit? In den 1950er-Jahren hatte Paul Hulliger begonnen, Alltagsgegenstände und Objekte der zu verschwinden drohenden Kultur des einstigen Bauerndorfs und der Region zu sammeln, auch mit der Absicht, damit dereinst ein Heimatmuseum zu gründen. So entstand die Idee eines Dorfmuseums. Allerdings war die Sammlung zu klein, um damit das ganze Wettsteinhaus zu bestücken. Es erwies sich als Glücksfall, dass sich das Schweizerische Museum für Volkskunde in Basel2 bereit erklärte, aus seiner Spielzeugsammlung den Teil ‹europäische Spielzeuge›, die Sammlung His, als Dauerleihgabe zur Verfügung zu stellen. Das ‹Spielzeug- und Dorfmuseum› im Wettsteinhaus konnte der Öffentlichkeit im Jubiläumsjahr 1972 (450 Jahre Riehen bei Basel) übergeben werden und erfreute sich nach seinem Start grosser Beliebtheit. Seit 1992 wurde die Spielzeug-Sammlung des Völkerkundemuseums gemischt mit gemeindeeigenen Objekten präsentiert, nachdem die Dauerausstellung mithilfe eines durch den Einwohnerrat gesprochenen Kredits umfassend erneuert worden war.
EIN MUSEUM ODER KEIN MUSEUM?
Erste Fragezeichen, ob das Museum so weiterbestehen solle, tauchten nach der Jahrtausendwende auf. 1997 war dem Spielzeugmuseum in Riehen durch die Eröffnung des Puppenhausmuseums am Barfüsserplatz Konkurrenz erwachsen, die sich auch in den Besucherzahlen niederschlug – von einstmals über 30 000 Personen pro Jahr gingen sie bis auf rund 12 000 zurück. Die Politik verlangte eine Reaktion, wie sich am Bericht zum Politikplan des Gemeinderats für das Jahr 2009 ablesen lässt. Für den Bereich Kultur ist dort Folgendes festgehalten: «Die für das Museum Verantwortlichen werden sich im Jahr 2009 konzeptionell mit der Zukunft des Museums befassen. Angebot, Zielpublikum und Infrastruktur müssen hinterfragt werden, soll das Museum in der regionalen Museumslandschaft weiterhin gut positioniert sein.»3
Diese Vorgabe hatte diverse Analysen und Beratungen einschliesslich Zukunftswerkstätten und Planeraufträgen zur Folge, die hier nicht alle detailliert aufgezählt werden sollen. Der Ideen-Reigen für die Zukunft des Museums respektive des Wettsteinhauses war nicht minder umfangreich als vor der erstmaligen Eröffnung: Von einer Auslagerung des Dorfmuseums als Schaudepot im Estrich des Gemeindehauses, der vollständigen Aufgabe des Museums bis zu – wieder! – dem Einbau von Hotelzimmern im Wettsteinhaus war alles dabei. Es zeigte sich jedoch bald, dass das schlecht frequentierte Dorfmuseum so leicht nicht aufgegeben würde. So hielt die zuständige Sachkommission im September 2010 fest, «dass erkannt wurde, dass diese Institution in die Jahre gekommen ist und der Anschluss an die Gegenwart gesucht werden muss. Der Kommission ist es wichtig, dass die lokale Museumskultur mit dem Spielzeugmuseum gemeinsam gefestigt wird. Es müssen neue Ideen und Konzepte gesucht werden, um die bestehenden Dorfmuseen wieder in Schwung zu bringen».4
Um die unterschiedlichen Haltungen zur Zukunft des Museums in einem Konsens zusammenzuführen, setzte der Gemeinderat 2013 schliesslich einen Steuerungsausschuss aus Behördenmitgliedern und Fachleuten ein.
Dieser kam zum Schluss, dass die Museen im Wettsteinhaus einen festen Platz in der Gemeinde hätten und in diesen Räumlichkeiten weiterbestehen sollten. Dieser Grundsatzentscheid wurde vom Gemeinderat übernommen und nach aussen kommuniziert.5
In der Folge wurden die Rahmenbedingungen für die Weiterentwicklung der Museen definiert: die Verbesserung der Besucherführung, die Nutzung des unterirdischen Kulturgüterschutzraums für Sonderausstellungen, die Verlegung des Eingangs in den Gartensaal sowie die Thematisierung der Person Johann Rudolf Wettsteins im historischen Gebäude waren einige davon. Sie halfen, Vorgaben für die Ausschreibung des im Jahr 2015 realisierten Wettbewerbs in Form eines Planerwahlverfahrens zu formulieren, die garantierten, dass die eingereichten Konzeptideen die grundsätzlichen Erwartungen der Verantwortlichen erfüllten.6 An der Präqualifikation nahmen 23 Teams teil, von denen die Jury fünf in die engere Wahl aufnahm. In der zweiten Phase löste das Team des Architekturbüros Fistarol Sintzel und des Szenografenbüros Emyl die Wettbewerbsaufgabe mit ihrem Lösungsvorschlag ‹Dorf & Spiel› aus Sicht der Jury am besten: Er berücksichtigte die Rahmenbedingungen, überzeugte diesbezüglich insbesondere durch eine optimale Besucherführung und die Anordnung der verschiedenen Museumsteile, und enthielt einen tollen Ansatz für die thematische Vermittlung der Spielzeugsammlung. Er bestach aber auch durch sein Verständnis für das Wettsteinhaus und vor allem durch die Idee, das Museum gegen die Wettsteinanlage zu öffnen unter Einbezug einer Nutzung des dortigen Gartens.
Nun galt es einmal mehr, die Politik zu überzeugen. Die zuständige Sachkommission beschäftigte sich eingehend mit der Geschichte und dem Vorhaben einer Neukonzeption. Schliesslich vertrat sie die Vorlage für einen Projektierungskredit im April 2017 überzeugt vor dem Einwohnerrat. Auch die frischen, unter der neuen Museumsleiterin Julia Nothelfer bereits erprobten Konzepte für die Sonderausstellungen, welche die Besucherfrequenzen wieder ankurbelten, trugen zur Überzeugung bei, dass dieses Museum eine Zukunft haben kann. So sagte der Einwohnerrat schliesslich nicht nur A, sondern auch B und bewilligte im November 2018 den Investitionskredit für die Sanierung des Wettsteinhauses und die Neukonzeption der Ausstellungen in der Höhe von 3,6 Millionen Franken.
Die Sachkommission hielt fest, dass der Teil ‹Geschichte› nach wie vor seinen Platz im Wettsteinhaus haben soll, wie ihr Bericht verdeutlicht: «Für die Sachkommission ist es wichtig, dass die Gemeinde die Verantwortung übernimmt, indem das Museum in Riehen die Vermittlung der regionalen Geschichte und historischer Bezüge an die nächste Generation sicherstellt und dies mit der Dauerausstellung ‹Dorf & Spiel› gewährleistet wird.»7 Der gewichtige Zustupf des Kantons Basel-Stadt an die Investition aus dem Swisslos-Fonds von 450 000 Franken war ein starkes Zeichen, dass nicht nur ‹aus der Nabelschau› an die Zukunft des Museums geglaubt wurde.
EIN HAUS FÜR DIE ZUKUNFT VOLLER GESCHICHTE UND GESCHICHTEN
Nachdem die Arbeit für die Politik erledigt war, begann sie für die Planerinnen und Planer und die Museumsverantwortlichen erst richtig. Die Detailplanung hielt unzählige Herausforderungen bereit, und die Umsetzung während der 14 Monate dauernden Umbauzeit erst recht. Davon können aber andere kompetenter berichten. Darum kommen in den folgenden Interviews die verantwortliche Architektin Anna Katharina Sintzel und die Museumsleiterin Julia Nothelfer zu Wort.
Das MUKS jedenfalls hält mit seinen neuen Ausstellungen für die grossen und kleinen Besucherinnen und Besucher viel bereit. Im Teil ‹Spiel› kann unter dem Oberthema «Wachsen» in vielen unterschiedlich und spannend eingerichteten Räumen alles Mögliche erlebt werden, was mit dem Grosswerden zu tun hat. Die Spielzeuge nehmen immer noch einen sehr wichtigen Raum ein, können aber nicht nur bestaunt, sondern zum Teil auch bespielt werden. Der ehemalige Rebkeller ist dem Thema «Sammeln» gewidmet: Er ist eine Plattform für Objekte aus der Museums-Sammlung, aber auch für Präsentationen privater Sammlerinnen und Sammler. Daneben ist er mit Sitztribüne, Tischen und Leinwand optimal eingerichtet als Raum für Bildung und Vermittlung, aber auch für private Anlässe. Der Teil ‹Dorf› erzählt – und sammelt – Geschichten: nicht nur die Chronik des Dorfes Riehen, sondern auch viele ganz persönliche Geschichten in Bild und Ton aus den letzten 150 Jahren, die durch den Ort geprägt sind. Und schliesslich begegnet uns der alte Hausherr Wettstein immer wieder an Hörstationen, wo Episoden aus seinem Leben sehr unterhaltsam erzählt werden.
Das MUKS lässt grosse und kleine Besucherinnen und Besucher Geschichte und Geschichten erleben und hört ihren Geschichten zu. Das Wettsteinhaus selbst ist ein zauberhafter Ort voller Geschichte, die mit dieser Erneuerung einmal mehr weitergeschrieben wird. Und es ist ein Geschenk an uns selbst und an alle, die – hoffentlich immer wieder – zu Besuch kommen.
1
Bericht der Kommission für die Renovation
des Wettsteinhauses. Vorlage des Weiteren Gemeinderats No. 39, Dezember 1965. Dokumentationsstelle Riehen.
2
Heute ist das die Abteilung ‹Europa› im Museum der Kulturen.
3
Politikplan des Gemeinderats 2009–2012, URL: www.riehen.ch/sites/default/files/files/geschaeft/polp_09_12.pdf, Zugriff: 30.06.2021.
4
Bericht der Sachkommission Kultur, Freizeit und Sport (SKFS) zum Leistungsauftrag und Globalkredit für die Produktgruppe 5, Kultur, Freizeit und Sport für die Jahre 2011–2013,
URL: www.riehen.ch/sites/default/files/files/geschaeft/10-14.019.1_bericht_skfs_zum_la5_2011_2013_mit_synopse.pdf, Zugriff: 30.06.2021.
5
Zwischenbericht des Gemeinderats an die SKFS vom 13. Februar 2014. Dokumentationsstelle, Riehen.
6
Gemeinderat, 23. Juni 2015. Beschluss auch zur Information der SKFS, Steuerungsausschuss, Museumskommission. Privatarchiv Christine Kaufmann.
7
Bericht der SKFS zur Vorlage «Investitionskredit Neukonzeption Dauerausstellungen
(Dorf & Spiel), Sanierung und Umbau Museum im Wettsteinhaus», Reg. Nr. 1.3.1.8, URL:
www.riehen.ch/sites/default/files/files/geschaeft/18-22.10.02_br_skfs_neukonzeption_museum_bereinigt.pdf, Zugriff: 30.06.2021.
INTERVIEW MIT JULIA NOTHELFER, LEITERIN DES MUKS
CHRISTINE KAUFMANN: Du bist heute die Leiterin des MUKS und hast die Neukonzeption begleitet. Seit wann arbeitest du eigentlich schon im Riehener Museum?
JULIA NOTHELFER: Schon eine Weile – ich begann im Bereich Bildung und Vermittlung mit einem kleinen Pensum. 2013 wurde ich Kuratorin, und nach dem Weggang der damaligen Museumsleiterin übernahm ich 2015 zunächst ad interim die Leitung des Museums.
Das Museum hatte früher bis zu 30 000 Besucherinnen und Besucher im Jahr, 2009 waren es nur noch 13 000. 2019 aber – nachdem du die Leitung übernommen hast – wieder über 25 000. Wie erklärst du dir den Erfolg, der hier schon vor der Neukonzeption sichtbar wurde?
Wir achteten darauf, kindergerechte Sonderausstellungen zu gestalten. Dabei setzten wir stärker auf Themenausstellungen, das heisst, wir griffen für Kinder spannende Themen und bekannte Figuren auf und verknüpften diese mit der Spielzeugwelt. Für viele Themen, zum Beispiel bei ‹Heidi›, konnten wir dafür auch gut Objekte aus der Sammlung des Dorfmuseums verwenden. Wir handhabten die Abgrenzung zwischen Kunst und Kultur nicht mehr so streng – exemplarisch dafür war die Ausstellung ‹Alice im Wunderland›. Vorher wurden mit Sonderausstellungen eher die Sammlerinnen und Sammler mit ihren Interessen bedient.
Das Schöne ist: Mit Spielzeug kann man alles vermitteln, man kann es mit allem verknüpfen, da es unseren Alltag abbildet und damit alle etwas angeht. Es gibt also viele Verbindungen zum Leben der Menschen. Wir legten auch Wert auf dieses Schmuckstück von Haus und bespielten den Hof stärker, ganz buchstäblich. Es ist doch ein traumhafter Ort!
Da wir kein grosses Werbebudget haben, sind wir auf Mund-zu-Mund-Propaganda angewiesen. Das scheint funktioniert zu haben, und viele Besucherinnen und Besucher kamen mehrmals.
Soll dieses Erfolgsrezept auch im MUKS weitergeführt werden?
Bisher war es so, dass die Sonderausstellungen einen Kontrapunkt zu den Dauerausstellungen bildeten. Wir vermittelten viel über Stimmungen, nicht allzu viel über Text. Atmosphärische Themenausstellungen, die beide Sammlungen berücksichtigen, werden wir beibehalten.
Inhaltlich wollen und können wir aber mehr in die Tiefe gehen, da es nur eine Sonderausstellung pro Jahr geben wird, die länger läuft – das heisst, wir haben auch mehr Vorbereitungszeit. Die Sonderausstellung zur Puppensammlung von Doris Im Obersteg ist ein Beispiel, bei dem wir schon sehr in die Tiefe gingen, es entstand ja auch eine Publikation dazu. Das ist besonders schön, wenn etwas Bleibendes geschaffen wird.
Jetzt ist uns aber auch klar, dass nicht nur die Sonderausstellungen ziehen sollen, sondern auch die Dauerausstellung. Entsprechend ist sie gestaltet. Bei den Sonderausstellungen werden wir auch mehr gesellschaftliche Themen aufgreifen, wir wollen historische Themen und Kindergeschichten verknüpfen und so weiter die Kategorien aufbrechen.
Wie hast du die politische Diskussion um das Museum und den Planungsprozess erlebt?
In die Planung war ich früh involviert, schon bei den ersten grundsätzlichen Überlegungen ab 2013. Ich habe durch die Diskussionen auch gleich viel gelernt über die Gemeinde! Es war ein spannender Prozess, gerade die scharfe Frage: Geben wir uns ein Profil oder schliessen wir? Für mich war auch nachvollziehbar, dass diese Frage gestellt wurde und eine sehr kritische Diskussion im Gange war, während sich das Museum im Dornröschenschlaf befand. Es gab damals aber einen richtigen Graben zwischen der Kultur und der Politik. Die kritischen Stimmen waren im Prozess lange die lauteren. Erst bei der Abstimmung im Parlament über den Projektierungskredit 2017 tönte es plötzlich anders und ein Bekenntnis zum Museum war zu hören. Das Konzept überzeugte, es gab positives Feedback und das Gefühl: Wir machen das zusammen.
Nach dem Beschluss über den Investitionskredit im November 2018 war die Aufgabe der Politik erledigt, für euch begann sie. Wie war die ganze Umsetzungsphase für dich?
Es war vor allem eine sehr lange Zeit – mit unglaublich vielen Sitzungen und Besprechungen. Und, ehrlicherweise: Ich habe Lehrgeld gezahlt. Das meine ich im positiven wie negativen Sinn. Ich musste viel lernen und habe viel gelernt. Das Projekt war ein richtig grosser Brocken – nebenher galt es, weiterhin den Betrieb zu leiten und zu Beginn auch noch eine Sonderausstellung auf die Beine zu stellen. Jetzt habe ich aber einen sehr gut gepackten Rucksack an Erfahrungen, was viele praktische Dinge wie auch den Umgang miteinander anbelangt. Die Zeit war wirklich sehr intensiv. Jetzt sind wir gespannt: Wie wird der Normalbetrieb?
Ja, das tönt intensiv. Wie ist deine Gefühlslage jetzt im Endspurt, wenige Wochen vor der Eröffnung?
Es ist wirklich ein typischer Endspurt, den muss man aushalten können. Hektik und schlaflose Nächte gehören dazu, dafür werden jetzt rasche Entscheide getroffen, weil es nicht anders geht. Mein Job ist es, Zuversicht auszustrahlen, dass es gut kommt! Das wird es auch. Es ist – auch wegen Corona – nicht alles 100 Prozent so, wie wir es geplant haben, und es wird weiter wachsen. Und darauf freue ich mich.
Wie du gesagt hast – jetzt geht das Museum in Betrieb und muss sich bewähren. Was sind deine Ziele für das MUKS?
Erst einmal freuen wir uns, wenn der Betrieb sozusagen wieder ‹uns gehört›. Auch das Team muss sich jetzt auf den Betrieb einstellen und wieder in seine Rollen finden, das braucht Zeit und darum will ich mich kümmern.
Mein wichtigstes Ziel für das MUKS ist, dass die Menschen hierher kommen und die Besonderheit des Ortes spüren. So, dass sie wiederkommen wollen. Das wäre unser grösstes Kompliment: dass man sich hier wohlfühlt. Denn das Museum soll ja für das Publikum da sein.
INTERVIEW MIT ANNA KATHARINA SINTZEL, FISTAROL SINTZEL JACOBS ARCHITEKTEN, BASEL
CHRISTINE KAUFMANN: Am Anfang dieses Vorhabens stand ein Wettbewerb. Was hat dich und deinen Partner Gian Fistarol bewogen, daran teilzunehmen?
ANNA KATHARINA SINTZEL: Da wir bereits vorher für die Gemeinde Riehen Planerstudien verfassen konnten – unter anderem eine Analyse des Dorfkerns – waren uns die Gemeinde und ihre historischen Gebäude bereits vertraut. Wir hatten die Besonderheiten des Dorfes entdecken können und haben darum eine Verbundenheit gespürt. Beim Studium der Baugeschichte beeindruckten uns die Bedeutung der Landgüter und von Institutionen wie der Diakonie sowie die Grosszügigkeit des Dorfes. Wir beschäftigten uns mit der Entwicklung und vollzogen zum Beispiel die Verlagerung des Zentrums von der Baselstrasse hin zum heutigen Dorfkern rund um die Schmiedgasse nach. Die bestehenden Landgüter, wozu das Wettsteinhaus gehört, sind aussergewöhnlich, aber auch typisch für Riehen.
Die Aufgabe der Neukonzeption der Museen in dieser spannenden Umgebung reizte uns sehr. Mit dem Szenografenbüro Emyl hatten wir bereits im Naturhistorischen Museum zusammengearbeitet, darum fragten wir sie auch hier wieder für eine Zusammenarbeit an.
Worauf legtest du bei der Entwicklung des Lösungsvorschlags für die Neukonzeption ein spezielles Augenmerk?
Durch unsere gute Kenntnis des Dorfzentrums und der historischen Entwicklung – die erwähnte Verschiebung des Zentrums – hatten wir sofort den Gedanken, dass wir das ‹Vorne› und das ‹Hinten› des Wettsteinhauses besser verbinden müssten. Daraus resultierte die Idee, das Haus gegen die Wettsteinanlage zu öffnen und auch von dort her zugänglich zu machen.
Die Entwicklung der Gartenanlage ist interessant. Ursprünglich war das ein Nutzgarten, der bis zum Immenbach reichte. Der Landschaftsarchitekt wünschte darum auch, dass die Gartenanlage offen bleiben möge. Um 1800 kam ein hausnaher barocker Garten dazu und im 19. Jahrhundert der Landschaftsgarten der Wettsteinanlage. Das Gegenüber dieser beiden Gartentypologien ging bei den Umbauten ab den 1970er-Jahren verloren. Als Museums-garten interessierte uns eine zeitgemässe Neuinterpretation des barocken Gartens.
Wir beschäftigten uns auch mit der Baugeschichte des Hauses und überlegten, was im Innern möglich ist. Wichtig war uns die innere Organisation: den Gartensaal als beidseitigen Ankunftsort auszubilden und eine neue Treppe, um Erd- und Obergeschoss im Hinterhaus besser zu verbinden und den Verbindungsgang für das Publikum zu öffnen. Von Emyl stammt die Idee, im Obergeschoss die Ausstellung ‹Spiel›, im Erdgeschoss die Ausstellung ‹Dorf› anzuordnen und den Rebkeller als gemeinsamen Sammlungsraum zu gestalten sowie den Rundgang neu vom Hinterhaus ins Vorderhaus und wieder zurück zu organisieren. Wir legten auch ein spezielles Augenmerk auf die Kosten – wir spürten, dass diese politisch entscheidend sein dürften und kein zu grosses Projekt möglich sein wird.
Was ist speziell, wenn man als Architektin ein solches Haus ‹anfasst›?
Man begegnet einem solchen Gebäude mit Respekt. Das bemerkte ich auch bei vielen Fachleuten und Handwerkern während des Baus. Das Wettsteinhaus gilt als das am besten erhaltene Wohngebäude aus dem 17. Jahrhundert in der Region. Es wurde ja bereits anfangs der 1970er-Jahre stark renoviert, damals aber aus denkmalpflegerischer Sicht mit einer ganz anderen Philosophie, als man das heute tut. So wurde das Haus quasi aus dem Barock auf die Periode um 1650 zurückgebaut. Heute würde man das nicht mehr so machen, sondern die Nutzungsperioden ablesbar lassen. Ein Beispiel für diesen neuen Ansatz ist die Renovation der Klingentalkirche – sie stammt ursprünglich aus dem 13. Jahrhundert und wurde als Lagerhalle, Kaserne und Atelierhaus genutzt – dort beliess man zum Beispiel auch die Gipsverkleidungen aus dem 19. Jahrhundert.
Bei der nun durchgeführten Sanierung im Wettsteinhaus legte man Wert darauf, neben der Substanz auch die Stimmung im Haus zu erhalten. Gewisse Bauteile, von denen nicht immer klar war, von wann sie stammten, wurden belassen. Wo nötig, unterstützte man die bestehenden Strukturen zum Beispiel mit additiven Massnahmen, so durch die Applikation von wenigen Stahlträgern neben den alten Balken oder einer zusätzlichen Holzstütze im Vorderhaus.
Aus diesen Ausführungen lässt sich erahnen, dass bei einem solchen Haus auch mal mit Überraschungen gerechnet werden muss.
Ja, das ist so. Ich würde von Herausforderungen sprechen. Manche der vorhandenen Konstruktionen und Installationen waren vielleicht nicht lehrbuchmässig, aber pragmatisch, und dann ging es darum, wie mit diesen unter Beachtung der modernen Anforderungen an Brandschutz, Statik und Denkmalpflege umzugehen sei. Es liess sich mit vereinten Kräften immer eine Lösung finden, aber es war nicht immer einfach.
Da man das Bild des Hauses erhalten wollte, mussten neue Elemente so eingefügt werden, dass sie sich gut einpassten. Das heisst, die Gipserarbeiten zum Beispiel durften nicht zu perfekt sein, nicht so, wie man es in einem Neubau machen würde. Das ist auch für den Fachmann eine Herausforderung!
Mit der Baubewilligung kamen extrem viele Auflagen der verschiedenen Ämter – insgesamt 133. Alle Lösungen mussten funktionell sein und überhaupt in das Haus passen, aber auch den Ansprüchen der Denkmalpflege, der Feuerpolizei, des Arbeitsinspektorats et cetera genügen.
Genaue Masse vorab zu definieren, war schwierig, weil nicht alles im Lot ist – die Wände sind schief. Es ist auch alles eng, und während den Arbeiten waren dadurch immer wieder An- und Einpassungen notwendig. Es gab keine digitale Aufnahme des Gebäudes, darum war wirklich viel buchstäblich ‹Handwerk› – und die Kommunikation mit den Ausführenden war sehr wichtig. Von den Handwerkern war viel Verständnis und ein Gespür für die Erfordernisse des Baus gefragt. Bei sehr vielen war das auch vorhanden.
Nun ist der Bau fast abgeschlossen. Welche Gefühle sind damit verbunden?
Für mich ist viel Erleichterung damit verbunden: darüber, dass vieles geschafft und gut herausgekommen ist. Es war offengestanden eine sehr strenge, intensive Zeit. Jeden Tag waren Entscheidungen gefragt, und man kann sich nicht immer sicher sein, ob sie richtig sind, bis alles fertig ist. Natürlich muss man manchmal auch Kompromisse eingehen, sei es aus baulichen oder finanziellen Gründen. Jedenfalls liegt viel Verantwortung bei der Architektin. Aber ich hatte auch gute Unterstützung, vor allem von der Abteilung Hochbau der Gemeinde Riehen als wichtige Ansprechpartnerin – die Mitarbeitenden standen immer, auch bei Konflikten, zur Verfügung.
Natürlich ist die Anspannung jetzt noch da, bis die behördliche Abnahme vorbei ist, und dann ist man gespannt, ob auch die Nutzerinnen und Nutzer mit dem Ergebnis zufrieden sind. Aber eine solch intensive Arbeit an einem Projekt ist schön, und die positiven Reaktionen auf das vollbrachte Werk sind die Belohnung.