Schiffsmodellbau als Freizeitbeschäftigung

Fritz Hodel

Die Schiffsmodellbauer, die in der «Vereinigung zur Förderung des Baues historischer Schiffsmodelle» zusammengeschlossen sind, konnten, dank der Grosszügigkeit des Riehener Gemeinderates, vom 26. April bis zum 7. September 1981 einen Teil ihrer Werke in einer Wechselausstellung im Dorf- und Spielzeugmuseum vorstellen. Es war rund ein Drittel der in der Gruppe im Laufe der Jahre hergestellten Modelle zu sehen.

In der Vereinigung sind Schiffsmodellbauer aus der Region Basel sowie von Genf, Schwanden, Emmen und Eggingen im badischen Landkreis Waldshut zusammengeschlossen. Wir gehen alle einem Beruf nach. Keiner von uns ist also «Profimodellbauer». Mit anderen Worten, die ausgestellten Werke entstanden alle in unserer Freizeit. Jeder von uns ist dem schönen Hobby, Schiffsmodelle nach alten Plänen nachzubauen, mit Haut und Haaren verfallen. Dass das Herstellen von alten Segelschiffsmodellen, das Beschaffen von entsprechenden Unterlagen, das Studieren der einschlägigen Literatur in Museen, Werftarchiven oder Staatsbibliotheken nicht nur uns Modellbauer fasziniert, zeigte der grosse Besucheraufmarsch aus der ganzen Region Basel. Noch nie hat das Dorf- und Spielzeugmuseum an einer Vernissage und während einer Ausstellung so viele begeisterte Besucher gesehen.

Die Idee, einmal eine Wechselausstellung mit alten Schiffsmodellen durchzuführen, entstand, als der Konservator des Dorf- und Spielzeugmuseums, Eduard MeierJenni, den Schreibenden besuchte und ihm in seiner Werkstatt über die Schulter schaute. Eduard Meier, selbst ein «Düftler» - sonst wäre er bestimmt nicht Konservator unseres Museums -, konnte sich nicht genug satt sehen an den feinen «Fischharassen», die ich gerade herstellte. Ich benötigte eine Anzahl solcher kleiner Harasse zur Vervollständigung meines soeben fertig gewordenen Sailing Trawler «The Three Brothers RX 153».

 

Seit ich historische Schiffsmodelle baue, galt diesen Schiffstypen mein Interesse. Ich habe mich vollkommen dem Nachbau von Fischereifahrzeugen aus den letzten anderthalb Jahrhunderten verschrieben. Mich faszinieren die verschiedenen Typen von der Küste Portugals an nordwärts bis in die Ostsee. Jedes Land, ja praktisch jeder Küstenstreifen, hat seine spezifische Bauart.

So wird jedermann, der die Ausstellung gesehen hat, verstehen, dass bei diesem Hobby Genauigkeit bis ins letzte Detail erforderlich ist. Die Harasse, welche Eduard Meier so begeisterten, mussten im gleichen Maßstab wie das ganze Schiff - auf 1:50 verkleinert - hergestellt werden. Ihre Masse betragen somit in der Länge 12 mm, in der Breite 8 mm und in der Höhe zwischen 2 und 4 mm. Dabei berücksichtigt der genaue Modellbauer auch noch die Dicke der Brettchen, aus denen solche Harasse angefertigt sind. Im Original sind dies ca. 10-20 mm, im Modellmaßstab hingegen noch 0,2-0,4 mm und, wie man sehen kann, ist das machbar.

Von diesen und vielen anderen Arbeiten, welche Eduard Meier bei mir zu sehen bekam, war er derart begeistert, dass er mir den Vorschlag machte, alte Segelschiffsmodelle einmal in einem grösseren Rahmen einem breiten Publikum im Riehener Dorf- und Spielzeugmuseum zu zeigen.

Der Grundsatz, dass Modelle in Form und Material dem Original zu entsprechen haben, bringt häufig Probleme mit sich. Die Beschaffung der Grundlagen erfordert zahllose Besuche und Anfragen bei Bibliotheken, Museen, Schiffahrtsämtern und bei Sammlern. Pläne, Risse, Pausen, Beschreibungen, Abbildungen - sofern noch vorhanden - müssen beschafft werden. Nur so ist eine genaue Planung für ein Projekt möglich, und nur so kann der Modellbauer mit der Gewissheit sein Vorhaben angehen, dass das Original genau so und nicht anders Vorjahren, ja eventuell vor Jahrhunderten gebaut worden ist. Dieses Suchen nach den exakten Unterlagen ist ein Teil der Arbeit, der einen fasziniert und anspornt, historischen Schiffsmodellbau zu betreiben.

Der Modellbauer lernt auf diese Weise die gesamte nautische Technologie beherrschen und muss in den verschiedensten Berufen genau Bescheid wissen, damit seine Arbeit den Anforderungen nach maßstäblicher Exaktheit und nach Identität des Materials mit dem Original bis ins kleinste Detail entspricht. Gewohnte handwerkliche Techniken und Rezepte reichen oft nicht aus. Es muss mit der Akribie des Uhrmachers und oft mit feinsten Werkzeugen gearbeitet werden. In der Werkstatt an der Werkbank entpuppt sich der kreative Modellbauer oft auch als Erfinder neuer Hilfsmittel, neuer Technologien und oft verblüffend einfacher Behelfsmittel zur Bearbeitung der verschiedenen Materialien in der Miniaturisierung.

Sicher spielt auch die berufliche Herkunft des Modellbauers eine Rolle in der Anlage und Entwicklung seiner Bautechnik. In unserer Vereinigung sind die verschiedensten Berufe anzutreffen, wie z.B. Kaufmann, Glaser, Arbeitsvorbereiter, Maler, Meister in einem Chemiebetrieb, Baumeister, Textiltechniker etc. So bringt jedes Modell die individuellen Fähigkeiten des Erbauers zum Ausdruck. Ja, es lässt sich sogar bei eingehender Betrachtung der im Laufe der Zeit gebauten Modelle dessen Fortschritt im Sinne eines technischen Reifeprozesses erkennen.

Der Ewer HF 125 wurde um 1878 auf der Werft von Bebrens in Hamburg-Finkenwerder gebaut. Der besonders für die Elbinsel Finkenwerder typische Fischewer entwickelte sich aus einem einstmaligen Fluss- und Wattfahrzeug mit flachem Boden. Gefischt wurde mit der sogenannten «Kurre», einem am Kurrbaum angeschlagenen Netz. Der Kurrbaum hatte die Funktion der heutigen Scherbretter und hielt das Netz beim Schleppen offen. Der Fang wurde lebend auf den Markt gebracht. Hierfür war der Schiffsrumpf im Bereich der «Bünn» durchlöchert, so dass das Wasser zu den gefangenen Fischen freien Zutritt hatte.

Dass der Modellbau nicht etwa eine Liebhaberei neueren Datums ist, zeigt die Geschichte; er lässt sich weit ins Altertum zurückverfolgen. Bekannte Schiffe wurden nachgebildet oder Modelle dienten als Vorlage für Neubauten. Diese wurden aufWerften hergestellt, manche sogar getakelt und reich verziert, meist auf Spanten gebaut und nur teilweise beplankt, wodurch alle wesentlichen Bauteile innen und aussen gut sichtbar blieben. Die nebenstehenden Photos geben dem Leser ein Bild dieser Modelle.

Mit dem ausdrücklichen Dank an Eduard Meier, für seine immense Arbeit, welche er in diese Wechselausstellung gesteckt hat, sowie mit seinen Worten aus der Einführung des Museumskatalogs, möchte ich meine Ausführungen über die Ausstellung und den originalähnlichen Nachbau von historischen Segelschiffen schliessen: «Mit ihren stolzen Segelschiffen leisten diese Modellbauer - sie sind durchwegs Meister ihres Faches - einen sehr konkreten und anschaulichen Beitrag zum Verständnis der Geschichte der Schiffahrt. Das Betrachten eines Modells bereitet immer auch Freude, das Erleben eines Schiffsmodells ist wegen der damit verbundenen Ahnungen von Meeresweite und Abenteuer von besonderer Intensität, vielleicht auch Anregung zu eigenem Tun!»

 

Diesen Artikel finden Sie im Jahrbuch z'Rieche 1981

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